Zusammenfassung
Hintergrund
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Kyphoplastie und Vertebroplastie wurde auf Basis von rezent publizierten Daten zu Schmerzreduktion, Funktionalität, Komplikationsrate und Inzidenz von Anschlussfrakturen evaluiert.
Methoden
Die systematische Literatursuche nach englisch- oder deutschsprachigen Arbeiten, die zwischen 2002 und 2009 publiziert wurden, erfolgte in mehreren Datenbanken. Wegen der hohen Anzahl an durchgeführten Fallserien beschränkten wir uns auf systematische Reviews und kontrollierte Studien. Die Beurteilung der internen Validität der Arbeiten erfolgte durch 2 Autoren, unabhängig voneinander. Die Datenextraktion wurde von einem Autor durchgeführt, ein zweiter überprüfte die Vollständigkeit und Korrektheit der extrahierten Daten.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 8 systematische Reviews, die v. a. Ergebnisse aus Fallserien präsentierten, und 11 kontrollierte Studien, darunter 2 randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), berücksichtigt. Beide Verfahren führen bei den meisten Patienten zu einer signifikanten Schmerzreduktion und können die Funktionsfähigkeit kurz- und evtl. auch langfristig verbessern. Die Kyphoplastie zieht weniger klinisch relevante Komplikationen nach sich als die Vertebroplastie, außerdem ist die Evidenzstärke für deren Wirksamkeit derzeit höher als jene für die Vertebroplastie. In Bezug auf das Risiko für Anschlussfrakturen nach Kypho- oder Vertebroplastie ist die Evidenz uneinheitlich.
Schlussfolgerung
Beide Verfahren scheinen gleich wirksam, die Kyphoplastie ist aber sicherer. Neue Ergebnisse, v. a. aus RCTs, die die beiden Verfahren vergleichen, sind notwendig, um bestimmtere Aussagen machen zu können.
Abstract
Background
We evaluated the efficacy and safety of kyphoplasty and vertebroplasty using the data presented in recently published papers with respect to pain relief, function, complication rate, and incidence of new vertebral fractures.
Methods
Detailed searches for English-language and German-language articles published between 2002 and 2009 were performed in a number of electronic databases. Because of the large number of case series, we considered only systematic reviews and controlled studies. The internal validity of reviews and studies was judged by two authors independently. Data extraction was performed by one author, and extracted data were checked for completeness and correctness by a second author.
Results
A total of eight systematic reviews, primarily summarizing results from case series, and 11 controlled studies, two of which were randomized controlled trials (RCTs), were included. Both kyphoplasty and vertebroplasty significantly reduce pain in the majority of patients and can lead to short-term and possibly long-term improvement of function. Kyphoplasty induces fewer clinically relevant complications than vertebroplasty does, and there is presently stronger evidence for its efficacy compared with vertebroplasty. There is inconclusive evidence about the risk of new fractures after kyphoplasty and vertebroplasty.
Conclusion
Both procedures seem to be equally effective, but kyphoplasty is safer than vertebroplasty. New results, specifically from RCTs comparing the two procedures, are needed to provide more definitive data.
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Hintergrund und Fragestellung
Die Vertebroplastie und die Kyphoplastie sind minimal-invasive perkutane Techniken, bei denen Knochenzement (in der Regel Polymethylmetacrylat/PMMA) in den frakturierten Wirbelkörper instilliert wird [1, 2, 3]. Wichtig ist bei beiden Verfahren eine gute Bildgebung mittels Fluoroskopie oder Computertomographie (CT). Bei der Vertebroplastie, die in der Regel in Lokalanästhesie durchgeführt wird, erfolgt die Zementapplikation mono- oder bipedikulär unter hohem Druck über eine Punktionsnadel. Optimalerweise durchdringt der Zement den Wirbelkörper als Ganzes und respektiert dabei die Hinterkante als Barriere gegen einen Zementaustritt nach dorsal. Bei der Kyphoplastie instilliert man in Allgemeinnarkose den Zement in zuvor durch aufblasbare Ballons transpedikulär beidseits geschaffene Hohlräume über Arbeitstrokare unter geringem Druck, womit die Gefahr eines unerwünschten Zementaustritts minimiert werden soll. Der Materialaufwand ist höher als bei der Vertebroplastie.
Schmerzhafte Wirbelkörperkompressionsfrakturen (WKF) bei älteren Menschen wurden lange Zeit konservativ (Analgetika mit/ohne Bettruhe bzw. Miederversorgung) oder offen chirurgisch behandelt. Die beiden minimal-invasiven Verfahren Vertebroplastie und (Ballon)Kyphoplastie sind alternative Behandlungen, die zunehmende Verbreitung erfahren. Sie versprechen für Patienten mit osteoporotischen WKF und chronischen Schmerzzuständen eine schnelle Besserung [1, 2, 4, 5]. Während mit der Vertebroplastie primär eine schnelle Schmerzreduktion angestrebt wird, soll die Kyphoplastie, neben der Schmerzfreiheit, auch mehr Sicherheit und eine Korrektur der kyphotischen Fehlstellung garantieren.
Indikationen und therapeutisches Ziel
Für beide Verfahren gelten die selben Indikationen [3, 6, 7]:
-
1.
osteoporotische Kompressionsfrakturen von Wirbelkörpern mit intakter Hinderwand,
-
2.
durch Metastasen bedingte Osteolysen im Wirbelkörper,
-
3.
primär gutartige Wirbelkörpertumoren, z. B. Hämangiome,
-
4.
traumatische Kompressionsfrakturen von Wirbelkörpern mit intakter Hinterwand.
Für die Patienten steht die kurz- und langfristige Schmerzreduktion bzw. -freiheit im Mittelpunkt. Parallel dazu soll die Mobilität und Funktionsfähigkeit verbessert werden. Die vorliegende Arbeit legt den Fokus auf osteoporosebedingte WKF mit oder ohne Trauma.
Fragestellung und Einschlusskriterien für Studien
Folgende PIKO (Patient-Intervention-Kontrollintervention-Outcome-)Fragen wurden formuliert, die Einschlusskriterien für relevante Studien sind in Tab. 1 zusammengefasst:
Wie wirksam und sicher ist die (Ballon-)Kyphoplastie in Bezug auf Schmerzreduktion, Verbesserung von Funktionalität und Lebensqualität und in Bezug auf die Vermeidung von Anschlussfrakturen und anderen Komplikationen im Vergleich zur konservativen Behandlung (Analgetika, Bettruhe, evtl. Miederversorgung) oder der Vertebroplastie?
Wie wirksam und sicher ist die Vertebroplastie in Bezug auf Schmerzreduktion, Verbesserung von Funktionalität und Lebensqualität und in Bezug auf die Vermeidung von Anschlussfrakturen und anderen Komplikationen im Vergleich zur konservativen Behandlung (Analgetika, Bettruhe, evtl. Miederversorgung) oder der Kyphoplastie?
Literatursuche und -auswahl
Die systematische Literatursuche wurde am 23.01.2008 in den Datenbanken Medline, Embase, All EBM Reviews, HTA-Datenbank des CRD York, NHS EED-Datenbank des CRD York und INAHTA-Datenbank durchgeführt. Darüber hinaus wurde am 23. und 24.01.2008 auf folgenden Websites nach Assessments gesucht: Canadian Agency for Drugs and Technologies in Health (http://www.cadth.ca/index.php/en/home), National Coordinating Centre for Health Technology Assessment (http://www.hta.nhsweb.nhs.uk/), NHS Institute for Health and Clinical Excellence (http://www.guidance.nice.org.uk/) und Comité d‘Evaluation et de Diffusion des Innovations Technologiques (http://www.cedit.aphp.fr/index_pub.html).
Die Suche wurde auf den Zeitraum 2002–2008 und in Medline auf englisch- und deutschsprachige Literatur eingegrenzt. Nach Entfernung der Duplikate lagen insgesamt 690 bibliographische Zitate vor. An die Fa. Medtronic (ehemals Kyphon) wurde eine Anfrage um Übermittlung aktueller Studiendaten geschickt. Die Firma kam dieser Aufforderung nach und übermittelte einige Reviews sowie Informationen über kürzlich abgeschlossene oder laufende Studien. Dadurch und durch nachträgliche Handsuche wurden zusätzliche 10 Arbeiten identifiziert, was die Gesamtzahl der Treffer auf 700 erhöhte. Die Abstracts dieser 700 Arbeiten wurden von zwei Personen unabhängig voneinander begutachtet. Differenzen wurden durch Diskussion und Konsens oder die Einbindung einer dritten Person gelöst. Der Auswahlprozess ist in Abb. 1 dargestellt.
Die Beurteilung der internen Validität der Studien erfolgte durch zwei Autoren, unabhängig voneinander. Differenzen wurden durch Diskussion und Konsens oder die Einbindung einer 3. Person gelöst [8]. Die Datenextraktion wurde von einer Person durchgeführt. Eine 2. unabhängige Person überprüfte die Vollständigkeit und Korrektheit der extrahierten Daten.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 8 systematische Reviews und 12 Publikationen zu 11 kontrollierten Studien eingeschlossen. Da die beiden Verfahren in zahlreichen Studien evaluiert wurden, haben wir auf die Präsentation der Ergebnisse aus einzelnen unkontrollierten Studien verzichtet. Diese sind bereits in den rezenten systematischen Reviews zusammengefasst [9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16], die wir in Tab. 2 und Tab. 3 darstellen.
In Tab. 4 und Tab. 5 werden die Ergebnisse aus kontrollierten Studien präsentiert, darunter 2 randomisierte Studien [17, 18]. Vier Studien verglichen die Kyphoplastie mit der Vertebroplastie [19, 20, 21, 22], 3 Studien die Kyphoplastie mit der konservativen Behandlung (dabei sind die Ergebnisse einer Studie in 2 Arbeiten präsentiert) [18, 23, 24, 25] und 4 Studien die Vertebroplastie mit der konservativen Behandlung [17, 26, 27, 28].
Als Einschlusskriterien für die Population wurden für alle Reviews und kontrollierte Studien eine Schmerzsymptomatik (Kreuz-, Rückenschmerzen) und eine Verifizierung der WKF durch Bildgebung bestimmt. In den Reviews sind die Ergebnisse teilweise nicht getrennt nach Indikationen angeführt, die dargestellten kontrollierten Primärstudien beziehen sich jedoch nur auf osteoporotische WKF, mit Ausnahme des letzten publizierten RCT [18], in dem der Anteil an Patienten mit primärer Osteoporose jedoch 96% ausmachte. Wie aus Tab. 4 und Tab. 5 ersichtlich, galten für die einzelnen Studien aber noch zusätzliche, teilweise unterschiedliche Einschlusskriterien hinsichtlich Mindestalter der Patienten, WKF-Alter, Schmerzdauer, Trauma und Versagen der konservativen Therapie.
Es gibt laut Literatur verschiedene medizinisch indizierte Kriterien, die die Durchführung einer Kyphoplastie oder Vertebroplastie verbieten. Diese sind: instabile WKF mit zerstörter Hinterwand, unbeherrschbare Gerinnungsstörung, Bandscheibenleiden mit radikulärer Symptomatik, Vertebra plana, Infektion des zu behandelnden Wirbelkörpers, fehlende Narkosefähigkeit u. a [3, 6]. Es scheint, dass diese Ausschlusskriterien bei der Planung der einzelnen Studien durchgängig berücksichtigt wurden.
Wirksamkeit
Die eingeschlossenen systematischen Reviews sind methodisch generell gut durchgeführt und inkludieren eine Qualitätsbeurteilung der berücksichtigten Studien. Kritisch ist anzumerken, dass bei einzelnen Reviews die Einschlusskriterien intransparent [9], die graphische Darstellung der Ergebnisse verwirrend [11], die Evidenzlevel der einzelnen Studien nicht nachvollziehbar [12], die Sicherheit der Interventionen nicht evaluiert [13] oder die Effekte aus kontrollierten Studien zu Gunsten der interessierenden Intervention zu positiv dargestellt sind [10, 16].
Hinsichtlich Schmerzreduktion sind die Ergebnisse aus den systematischen Reviews einigermaßen konsistent: bei beiden Verfahren kommt es bei ca. 90% der Patienten zu einer Schmerzreduktion; gemessen in VAS-Scores beträgt die durchschnittliche Schmerzreduktion ca. 5 Punkte (5 cm), was als klinisch relevant zu werten ist.
Da in den Reviews aber großteils unkontrollierte Vorher-Nachher-Studien evaluiert wurden, könnten diese Ergebnisse zu optimistisch sein, da sie möglicherweise durch fehlende Kontrolle und Verblindung sowie Regression zum Mittelwert beeinflusst waren [29]. Die beobachteten Effekte sind jedoch auch in den kontrollierten Studien zu sehen, wobei sie bei jüngeren WKF größer zu sein scheinen als bei älteren WKF (Tab. 4, Tab. 5).
Beim Vergleich beider Verfahren sprechen die Ergebnisse aus systematischen Reviews (Tab. 2), in der Gesamtheit betrachtet, nicht dafür, dass eines der beiden Verfahren bezüglich Wirksamkeit dem anderen überlegen ist. Dies wird auch durch die 4 vorliegenden kontrollierten Studien Kyphoplastie vs. Vertebroplastie ([19, 20, 21, 22], Tab. 4) bestätigt.
Neben der Schmerzreduktion gilt die Verbesserung der Funktionalität als ein weiteres Maß für einen Lebensqualitätsgewinn der Patienten. Funktionalitäts-Daten wurden aus systematischen Reviews nicht extrahiert, da diese nur teilweise und/oder in sehr inkonsistenter Darstellung zur Verfügung standen. Aus den inkludierten kontrollierten Primärstudien ist ableitbar, dass sich die Funktionsfähigkeit der Patienten nach dem Eingriff kurzfristig und eventuell auch langfristig maßgeblich verbessern kann (Tab. 4, Tab. 5). Beim Vergleich Kyphoplastie vs. Vertebroplastie sind die Ergebnisse hinsichtlich Funktionalität nicht konsistent (Tab. 4). Deshalb kann derzeit keine Aussage gemacht werden, welches der beiden Verfahren diesbezüglich überlegen ist.
Unter den 11 kontrollierten Studien sind 2 RCTs. In einem wurde die Vertebroplastie mit einer optimalen medikamentösen Schmerztherapie verglichen [17]. Die Stichprobe ist allerdings klein und die Nachbeobachtungszeit beträgt nur 14 Tage. Nach diesem Zeitintervall gab es bzgl. Schmerzreduktion keinen signifikanten Unterschied mehr zwischen den beiden Gruppen, die Funktionsfähigkeit war in den mit Vertebroplastie behandelten Patienten aber besser (+19 vs. −2%, Tab. 5). Leider werden aus dieser Studie keine Erkenntnisse hinsichtlich längerfristigem Nutzen der Intervention erwachsen, da 14 der 16 Patienten aus der Kontrollgruppe nach 2 Wochen eine Vertebroplastie verlangten, die sie auch erhielten.
Die FREE-Studie ist ein RCT mit insgesamt 300 Patienten, die die Kyphoplastie im Vergleich zur Kontrollintervention konservative Behandlung evaluierte [18]. Diese Studie mit einer ausreichend großen Studienpopulation ist methodisch gut durchgeführt und inkludiert Patienten mit durchschnittlich 5–6 Wochen alten WKF. 96% der Patienten hatten primäre Osteoporose, bei den restlichen 4% waren die WKF durch sekundäre Osteoporose oder Tumoren bedingt. Nach einem Monat zeigte sich ein klinisch relevanter Effekt der Kyphoplastie hinsichtlich Schmerzreduktion und Funktionalität. Auch nach 1 Jahr hatte die Kyphoplastiegruppe im Schnitt weniger Schmerzen, der Effekt war aber mit 0,9 cm VAS-Unterschied zur Kontrollgruppe deutlich geringer. Bezüglich der Funktionalität (gemessen mit der „Physical Component Summary Score“ des SF-36) ist aus der Publikation keine eindeutige Aussage für den Zeitpunkt 1 Jahr post Intervention abzuleiten, die Graphik zeigt zwar einen geringfügig besseren Wert für die Kyphoplastiegruppe, dieser dürfte sich aber nicht statistisch signifikant von jenem der Kontrollgruppe unterscheiden.
Sicherheit
Bei der Vertebroplastie (20–40%) kommt es weit häufiger als bei der Kyphoplastie (ca. 8%) zu Zementaustritt (Tab. 2, Tab. 3, Tab. 4). Diese bleiben klinisch meist ohne Konsequenz. Dennoch weist die Vertebroplastie eine höhere Inzidenz von klinisch symptomatischen Komplikationen auf als die Kyphoplastie (Tab. 8). Als mögliche Komplikationen wird in den vorliegenden Übersichtsarbeiten von Schmerzzunahme, Lungenembolie, epiduralen Kompressionen, Infektionen, Rippenfrakturen, Radikulopathien und Becken- und Beinvenenthrombosen berichtet [3, 9, 11, 12, 14, 15, 16, 30, 31].
Ob das Risiko des Auftretens von Anschlussfrakturen bzw. neuen WKF nach Kyphoplastie oder Vertebroplastie erhöht ist, kann nicht eindeutig beantwortet werden. So ist die Rate an neuen WKF in den dargestellten Studien uneinheitlich (0–52%). Auch bleibt die Frage, welche der beiden Interventionen (Kyphoplastie oder Vertebroplastie) zu mehr Anschlussfrakturen führt, offen.
Stärke der Evidenz
Zur Beurteilung der Stärke der Evidenz wird das Schema der „GRADE Working Group“ verwendet [32]. Mit GRADE wird die Evidenz pro Outcome dargestellt. Es benutzt folgende Klassifizierungen und Definitionen, um die Stärke der Evidenz zu beurteilen:
-
hoch: es ist unwahrscheinlich, dass neue Studien einen wichtigen Einfluss auf die Einschätzung des Effekts haben werden.
-
mittel: neue Studien werden möglicherweise einen wichtigen Einfluss auf die Einschätzung des Effekts haben.
-
niedrig: neue Studien werden sehr wahrscheinlich einen wichtigen Einfluss auf die Einschätzung des Effekts haben.
-
sehr niedrig: jegliche Einschätzung des Effekts ist sehr unsicher.
Die Anwendung des GRADE-Schemas für die vorliegende Fragestellung ist in den Tab. 6, Tab. 7 und Tab. 8 dargestellt. Die Evidenzstärke für die Wirksamkeit und Sicherheit der Kyphoplastie und Vertebroplastie ist, je nach Outcomeparameter, niedrig bis hoch.
Diskussion
Die vorhandene Evidenz deutet auf einen Nettonutzen der beiden Verfahren hin, wobei für die Kyphoplastie wegen eines rezent erschienenen, qualitativ hochwertigen RCTs überzeugendere Nachweise vorliegen als für die Vertebroplastie.
Als Endpunkt der Wirksamkeit der interessierenden Verfahren scheint in vielen Studien auch die Reduktion des Kyphosewinkels bzw. die Wiederherstellung der Wirbelkörperhöhe auf. Die Ergebnisse stimmen dahingehend überein, dass dies mit der Kyphoplastie besser gelingt als mit der Vertebroplastie [33]. Auf die Extraktion der betreffenden Daten aus den Reviews und kontrollierten Studien haben wir aber deshalb verzichtet, weil nicht klar ist, welche klinische Relevanz sich daraus ableitet. Bis dato wurde jedenfalls kein klinisch beobachteter Zusammenhang zwischen dem Grad der Wirbelkörperwiederaufrichtung und Schmerzreduktion oder verbesserter Funktionalität bzw. Lebensqualität nachgewiesen [6, 34, 35, 36].
Auch die Frage, ob Kyphoplastie und Vertebroplastie zu mehr oder weniger Anschlussfrakturen führen oder ob eines der beiden minimal-invasiven Verfahren dem anderen diesbezüglich überlegen ist, konnte nicht beantwortet werden. Katscher et al. [30] behaupten, dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Anschlussfrakturen nach Kyphoplastie nicht höher ist als das durch Osteoporose und bereits erlittener WKF ohnehin existierende Frakturrisiko. Fribourg et al. [37] meinen wiederum, dass die Rate von neuen WKF nach Kyphoplastie – die meisten davon innerhalb von 2 Monaten – höher ist als bei osteoporotischen Patienten von selber auftreten würden. Generell gelten benachbarte Wirbelkörper als anfälliger für Anschlussfrakturen [38]. Andere Autoren schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass das Risiko für Anschlussfrakturen erhöht ist, wenn präinterventionell mehr als 2 WKF vorlagen [39], wenn es zu Zementaustritt kam [38] oder wenn zu viel Zement verwendet wurde [40].
Fazit für die Praxis
Gemäß den Leitlinien des Dachverbands deutschsprachiger wissenschaftlicher Gesellschaften der Osteologie (DVO) aus dem Jahr 2006 sind Kyphoplastie und Vertebroplastie Therapieoptionen zur Behandlung von lokalen, frakturbedingten, über 3 Monate andauernden Schmerzen, die nach multidisziplinärer Abwägung im Einzelfall im Rahmen klinischer Studien mit Langzeitbeobachtung in Frage kommen [41]. Eine vom DVO jüngst beauftragte deutsche Arbeitsgruppe betont die grundsätzliche Nützlichkeit der beiden Verfahren, empfiehlt jedoch, jeder individuellen Indikationsstellung eine interdisziplinäre Falldiskussion voranzustellen [42]. Abzuwarten bleibt, ob sich durch die Ergebnisse der derzeit laufenden RCTs, die die Vertebroplastie mit der konservativen Therapie (VERTOS-Studie) und die Kyphoplastie mit der Vertebroplastie (KAVIAR-Studie) vergleichen, für die behandelnden Ärzte mehr Sicherheit bei der Entscheidung, welche der 3 Therapieoptionen im Einzelfall zu wählen ist, ergibt.
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Felder-Puig, R., Piso, B., Guba, B. et al. Kyphoplastie und Vertebroplastie bei osteoporotischen Wirbelkörperkompressionsfrakturen. Orthopäde 38, 606–615 (2009). https://doi.org/10.1007/s00132-009-1446-2
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