Zusammenfassung
Die perkutane Vertebroplastie wurde 1984 von Galibert et al. zur Therapie von Hämangiomen an der Wirbelsäule entwickelt. Die Indikation erweiterte sich in der Folge auf osteoporotische Kompressionsfrakturen, sowie osteolytische Herde unterschiedlicher Entität.
Mit der steigenden Anzahl an Anwendungen insbesondere durch die Fachdisziplinen Orthopädie, Traumatologie, Neurochirurgie und Radiologie kam es auch zu einer Zunahme an Komplikationen. In den vergangenen 3 Jahren findet sich in der Literatur eine stetig steigende Anzahl an Kasuistiken über unterschiedlichste Komplikationen, deren Entstehung, sowie das nachfolgende Therapiemanagement. Die Komplikationsliste reicht von harmlosen paravertebralen Zementaustritten und temporären kardiopulmonalen Ereignissen über Lungenembolien mit letalem Ausgang bis hin zu schwerwiegenden neurologischen Ausfallerscheinungen im Sinne einer Paraplegie oder Radikulopathie.
Dieser Artikel soll einerseits die in der Literatur dargestellten Komplikationen zusammenfassen, das derzeit gültige Therapiemanagement aufzeigen und Möglichkeiten beschreiben Komplikationen zu vermeiden bzw. deren Auftreten zu minimieren. Radiologische Befunde möglicher unerwünschter Zementaustritte aus dem eigenen Patientengut werden aufgezeigt.
Abstract
Percutaneous vertebroplasty was first introduced in 1984 by Galibert et al. for the treatment of hemangiomas in the spine. The current indications for vertebroplasty also include compression fractures due to osteoporosis as well as osteolytic metastases and spinal myeloma lesions.
With the numbers of percutaneous vertebroplasty performed by orthopedic and trauma surgeons, neurosurgeons, and radiologists steadily increasing, complications have also risen. Over the last 3 years an increasing number of cases with varying complications, their genesis, and their management have been reported in the literature. Complications include asymptomatic cement leakage, cardiovascular effects, embolism with lethal outcome as well as severe neurological deficits.
This article presents a review of the complications reported in the literature, strategies for preventing possible complications as well as current concepts in therapy management. Several of our cases with cement leakages are presented.
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Publizierte Komplikationen in der Vertebroplastie
Eine Recherche bezüglich der möglichen Komplikationen in der perkutanen Vertebroplastie ergab insbesondere in den vergangenen 3 Jahren eine stetig steigende Anzahl an Publikationen und Kasuistiken zu dieser Thematik. Zementaustritte sind nicht immer gleichzusetzen mit einer Komplikation, die zu Konsequenzen für den Patienten führt. Vielmehr werden von einigen Autoren die Zementaustritte mit und ohne Komplikation unterschieden. Als Komplikationen werden eine Schmerzzunahme, eine Lungenembolie [11, 19, 21], epidurale Kompressionen, Infektionen [20], Rippenfrakturen [20] oder Radikulopathien gewertet [11]. Diese signifikanten Komplikationen treten in <10% der Fälle auf.
Weill et al. [31] schlussfolgern aus der geringen Zahl an ernsthaften Komplikationen, dass Zementaustritte ohne Symptome nicht als Komplikation aufgeführt werden sollten. Garfin et al. [12] sprechen von einer Zementleckage, die in 30–67% der Fälle auftreten kann. Solche Zementaustritte ohne Symptomatik erfolgen in aller Regel in den perivertebralen Venenplexus, den ventralen Epiduralraum, über periradikuläre Venen im Neuroforamen sowie über Frakturspalte und Fissuren in den intervertebralen Raum. Die Zementabflusswege sind somit die gleichen wie sie bei ernsthaften Komplikationen zu erwarten sind [8]. Die Wahrscheinlichkeit einer ernsthaften Komplikation ist bei pathologischen Frakturen auf der Basis von tumorösen Leiden (Metastase oder Myelome) größer als im Vergleich zu den osteoporotischen Frakturen [7, 31].
Neben den bereits genannten Autoren haben insbesondere Gangi et al. [15], Heini et al. [18] und Vasconcelos et al. [30] ihr Patientengut u. a. bezüglich der aufgetretenen Komplikationen aufgearbeitet. So konnten Gangi et al. [15] an 187 Vertebroplastien in 8% einen intradiskalen Zementaustritt, in 7,4% einen sog. „epidural overflow“, in 1,6% eine Radikulopathie sowie in 1,1% der Fälle eine symptomatische Embolie finden. Heini et al. [18] wiesen nach 45 Vertebroplastien in 20% einen extraossären Zementaustritt, in 12,5% Austritte in die paravertebralen Weichteile, in 5% in den Spinalkanal und in 2,5% in segmentale Venen nach. Vasconcelos et al. [30] fanden nach 205 perkutanen Vertebroplastien 8,8% intradiskale Austritte, 1% Austritte in die Weichteile, 16,6% perivertebrale Austritte in Venen und in 0,5% einen Zementflow bis zur V. cava.
Neben den signifikanten Komplikationen wie Zementaustritt in den Spinalkanal mit möglicher konsekutiver Spinalkanalstenose oder Neuroformanenstenose die eine Myelo- oder Radikulopathie nach sich ziehen kann, gibt es auch zugangsbedingte Komplikationen. Hierzu zählen beispielsweise Verletzungen neuraler Strukturen mit Duralsackpunktion und nachfolgendem Liquorverlust oder Verletzungen innerer Organe (Pneumothorax). Dysphagien im Bereich der HWS und oberen BWS wurden bei ventralen Zementaustritten beschrieben [7].
Die kardiovaskulären Komplikationen auf dem Boden von Fettembolien, PMMA-induzierten systemischen Reaktionen (Zementmonomere), Freisetzung von vasoaktiven Mediatoren sowie reflektorisch durch autonome Antworten auf die Erhöhung des intramedullären Druckes können unterschiedlichste Schweregrade annehmen [30]. Die Symptomatik kann von einer temporären Veränderung der kardiopulmonalen Parameter bis zur fulminanten Lungenembolie oder gar in seltenen Fällen zu einer paradoxen zerebralen arteriellen Embolie führen [26].
Blutversorgung des Wirbelkörpers
Die Blutversorgung des Wirbelkörpers spielt in der Entstehung von Zementaustritten und damit der Komplikationen eine elementare Rolle. Einerseits findet sich ein klappenloses Venensystem, das den Spinalkanal (Plexus venosus vertebralis internus) und die paravertebralen Bereiche (Plexus venosus vertebralis externus) entsorgt und andererseits die gute Gefäßversorgung des blutbildenden Knochenmarks im spongiösen Bereich des Wirbelkörpers. Die im Zentrum befindlichen Zentralvenen (Vv. basivertebrales) stellen die lumenstärkste Verbindung zwischen dem Wirbelkörper und dem periduralen Venengeflecht dar (Abb. 1). Über diesen Abflussweg gelangt der Zement in seiner niedrig-viskösen Phase in den Spinalkanal. Der Austritt dieser Venen befindet sich in aller Regel hinter dem Lig. longitudinale posterius. Zementaustritte führen somit häufig, dem geringsten Widerstand folgend, zu einer Verbreitung nach kranial- und kaudal-lateral. Die Abb. 2 zeigt den Zementaustritt an einem Präparat in den Spinalkanal über die Zentralvene des Wirbelkörpers und dessen Ausbreitung. Die nachfolgende Sektion ergab vor dem hinteren Längsband die Ausbreitung und die Identifikation der Austrittsstelle.
Eine Möglichkeit der Darstellung des Venensystems und somit des Hauptabflussgebiets ist die Phlebographie. Diese führt jedoch in nur 64% der Fälle die Wege eines möglichen Zementaustritts an [16]. Eine Vielzahl der publizierten Arbeiten spricht sich gegen die Anwendung einer Phlebographie vor Beginn der Vertebroplastie aus [13, 16, 26, 30, 33]. Nachteile dieser Gefäßdarstellung sind hohe Allergieraten gegen Röntgenkonstrastmittel, höhere Strahlenbelastung, Pooling des Kontrastmittels im Wirbelkörper, Verlängerung der Operationsdauer sowie höhere Kosten. Insbesondere das sog. „pooling“ von Kontrastmittel im Wirbelkörper kann zu Interpretationsschwierigkeiten bei der nachfolgenden Vertebroplastie führen. Ist der Blutfluss im Wirbelkörper geringer als erwartet, kann Kontrastmittel zurückbleiben und die Beurteilung des Zementflusses behindern. Aus diesem Grund wird von einer Vielzahl der Autoren die Phlebographie nur bei Tumoren und Angiomen empfohlen, da hier mit einem ausreichend hohen Blutdurchsatz zu rechnen ist und das Kontrastmittel nicht für lange Zeit im Wirbelkörper verbleibt.
Gaughen et al. [16] haben in einer Studie an 48 Patienten mit insgesamt 84 therapierten Wirbelkörpern aufgeteilt in 2 Gruppen keinen signifikanten Unterschied in der Verbesserung und Sicherheit in jener Gruppe nachweisen können, welche vor der Zementapplikation eine Phlebographie erhalten hatte. Die Nachuntersuchung ergab weiterhin, dass lediglich in 64% eine Extravasation vorhergesagt werden konnte. Die Verfasser dieses Artikels schlussfolgern hieraus, dass die Methode auch sicher ohne eine vorausgehende Phlebographie durchgeführt werden kann. Aus Sicht der Autoren dieses Artikels erscheint die Phlebographie jedoch gerade in der „learning curve“ der Vertebroplastie hilfreich zu sein, da das ungeschulte Auge die zu erkennenden Abflusswege besser beobachtet [16].
Die meisten im Handel befindlichen Vertebroplastiesets verfügen über Adapteranschlüsse für die Konnektierung von handelsüblichen Spritzen. Die Autoren verwenden im Falle einer Phlebographie Isovist 240® 10 ml. Die Injektion sollte unter kontinuierlicher Bildwandlerkontrolle erfolgen, da der Blutfluss häufig hoch ist und nur einige Sekunden zur Darstellung der Abflusswege zur Verfügung stehen. Wird eine Extravasation erkannt, so kann durch die Umsetzung der Nadel eine günstigere Platzierung gefunden werden.
Pathophysiologie der kardiopulmonalen Komplikation
Die Möglichkeit der PMMA- bzw. fettinduzierten Embolieentstehung wird bereits lange im Bereich der Endoprothetik bei zementfreier und zementierter Technologie wie auch bei der Nagelung langer Röhrenknochen diskutiert. Das gleiche Phänomen kann bei der Applikation von Zement in den Wirbelkörper entstehen. Die Wahrscheinlichkeit eines pulmonalen Ereignisses steigt mit der Zahl an Wirbelkörpern, die im Rahmen einer Behandlungseinheit aufgefüllt werden. Aus diesem Grund wird in mehreren Publikationen von einer einzeitigen Versorgung mehrerer Etagen abgeraten [1].
Aebli et al. [1] haben an einem Tiermodell (Schaf) die Pathophysiologie der Embolieentstehung und kardiopulmonalen Reaktionen auf Zementapplikation im Wirbelkörper untersucht. Sie beschreiben eine 2-phasige Reaktion, wobei die 1. Phase (< 2 s) nach der Zementapplikation auftritt und als autonomer Reflex gedeutet wurde. Die 2. Phase (33–164 s) steht in Zusammenhang mit einer Fettembolie. Die Punktion des Wirbelkörpers und die Sondenplatzierung führte nicht zu kardiopulmonalen Reaktionen. Die später durchgeführte Histologie des Lungengewebes ergab intravaskuläre Fettglobuli und Knochenmarkzellen [1]. Diese am Tiermodell erhobenen Daten können jedoch nur teilweise auf den Menschen übertragen werden, allerdings gibt die Studie Hinweise, dass die gefürchtete Zementextravasation nicht alleinig für kardiopulmonale Reaktionen verantwortlich gemacht werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass Zement über die venöse Strombahn zur Lunge gelangt, ist im Vergleich zu Fett und Knochenmarkzellen seltener. Somit ist auch unter Verwendung alternativer Materialien (Kalziumphosphat) keine absolute Sicherheit bezüglich der Emboliegefahr gegeben. Weiterhin gilt zu bedenken, dass in osteoporotischen Wirbelkörpern die spongiöse Struktur ersetzt ist durch Fett und somit in diesem Patientengut die Gefahr einer Fettembolie nochmals erhöht ist.
Die Literaturrecherche ergab einige publizierte Fälle mit fulminantem Verlauf. Padovani et al. [23] berichten über einen Fall mit nachgewiesener Lungenembolie auf dem Boden von PMMA-Partikeln in der Lungenstrombahn. Chen et al. [6] beschreiben einen letalen Ausgang einer Vertebroplastie aufgrund einer fulminanten Fettembolie mit Verlegung der Lungenstrombahn. Das Ereignis trat erst nach Abschluss der Vertebroplastie ein. Unter der Zementapplikation war der Zustand stabil, der Eingriff erfolgte in Intubationsnarkose.
Finch et al. [10] berichten über eine kardiopulmonale Komplikation, die unter der Schraubenfixierung mit PMMA-Zement im Rahmen einer dorsalen Stabilisierung osteoporotischer Kompressionsfrakturen aufgetreten war. Scroop et al. [26] publizierten eine paradoxe Embolisation der A. cerebri media während einer dorsalen Stabilisation von Th4 bis LWK4, bei welcher mehrere Segmente einer Vertebroplastie zur Schraubenaugmentation unterzogen wurden.
Zusammenfassend kann eine klinisch relevante Lungenembolie durch Zelldebris, Knochenmarkzellen und Fett sowie PMMA-Partikel ausgelöst werden [26]. Je nach Ausmaß kann dieser Zustand innerhalb der ersten 24 h bei kardiopulmonal gesunden Patienten reversibel sein. Das Risiko einer Komplikation mit bleibenden Schäden durch ausgeschwemmtes Material steigt einerseits durch die Behandlung von Patienten mit bekannten kardiopulmonalen Diagnosen sowie andererseits durch die mehrsegmentale Versorgung im Rahmen einer Sitzung.
Komplikationen an nervalen Strukturen
Neben den fulminant verlaufenden embolischen Geschehen wird der möglichen neurologischen Komplikation im Rahmen der Vertebroplastie eine besondere Aufmerksamkeit zuteil. Alle prophylaktischen Maßnahmen zielen darauf ab, eine solche Komplikation zu verhindern oder zumindest zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und die Behandlung zu unterbrechen und ggf. Gegenmaßnahmen einzuleiten.
In der Literatur finden sich nur vereinzelte Kasuistiken zu neurologischen Komplikationen. Die Vorgehensweise aus diagnostischer und therapeutischer Sicht ist nicht einheitlich. Das therapeutische Spektrum reicht von einer reinen Observation [17] bis zur ausgedehnten Dekompression mehrerer Etagen [22]. Ein Anwender dieser Methode beschreibt gar die prophylaktische Dekompression des zu behandelnden Segments [32].
Eine aktuelle Publikation von Shapiro et al. [27] empfiehlt dringend die Durchführung einer Dekompression im Falle von neu auftretenden neurologischen Ausfallerscheinungen. Die Autoren beschreiben die Entfernung von ausgetretenem Zement im Spinalkanal als eine einfache Form der Behandlung mit schneller neurologischer Rekonvaleszenz. Die Zugangswege werden unterschiedlich angegeben. Sie sind u. a. abhängig von der Höhenlokalisation.
Beschreiben Shapiro et al. [27], Wenger et al. [32] und Lee et al. [22] die dorsale Dekompression für die thorakolumbale und lumbale Region, wird von Ratliff et al. [25] die ventrale Dekompression für den zervikothorakalen Übergang empfohlen. Bezüglich der Ergebnisse gibt es wiederum unterschiedliche Angaben. Der konservativ behandelte Fall von Harrington et al. [17] zeigte keine Progredienz der initialen Symptome. Hier kam es zu einer extensiven PMMA-Extravasation zwischen BWK10 bis LWK2 nach LWK1-Vertebroplastie. Neurologisch resultierte die Symptomatik einer schweren Spinal- und Neuroforamenstenose mit Ischialgien, sensomotorischen Defiziten und einer Blasendysfunktion. Die operativ versorgten Fälle nach Zementaustritten in den Spinalkanal weisen divergierende Ergebnisse auf; 2-mal kam es zu einer Rekonvaleszenz [22, 27], in einem Fall zu einer Progredienz [32] der initial vorhandenen Symptomatik.
Einzelne Autoren berichten über Monoparesen die dokumentiert, durch die Vertebroplastie aufgetreten waren [7, 11, 31]. Am häufigsten handelt es sich um Zementaustritte im Bereich des Neuroforamens, hervorgerufen durch dorsale Osteolysen oder eine inadäquate Positionierung der Nadel mit Tangierung des Neuroforamens. Auch eine Extravasation über den perivenösen Plexus ist als Pathomechanismus für den Zementaustritt denkbar. In einem Fall wird über einen Zementaustritt in den M. psoas major berichtet, der zu einer temporären N.-femoralis-Läsion führte.
Thermische Effekte der Vertebroplastie
In der Literatur wird der Effekt der exothermen Polymerisation als mögliche Ursache für Komplikationen aber auch als therapeutischer Effekt diskutiert.
Deramond et al. [9] haben in einer Studie an Kadaverwirbelkörpern die Temperaturentwicklung an verschiedenen Stellen des Wirbelkörpers im 37°C warmen Wasserbad getestet. Verwendet wurden 2 verschiedene auf dem Markt befindliche Zemente (Simplex P® und Orthocomp®). Die Studie ergab zwischen den beiden Zementarten keine signifikanten Unterschiede. Im Spinalkanal kam es nicht zu einem Temperaturanstieg über 41°C. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in diesem Versuchsaufbau kein Blut- oder Liquorfluss simuliert werden konnte, wodurch ebenfalls in vivo entstehende Wärme abtransportiert werden würde. Somit schließen die Autoren eine thermische Beschädigung von Myelon oder Nervenwurzel nahezu aus [9].
Welche Rolle der thermische Effekt für die Therapie bedeutet ist bisher unklar. Sollte der Schmerz von nervalen Strukturen des Periosts ausgehen, so ist die thermische Rolle unbedeutend. Sollte allerdings die Schmerzentstehung von intraossären Nervenendigungen ausgehen, kann die exotherme Reaktion als therapeutischer Effekt verstanden werden, dies setzt jedoch auch die unmittelbare Nähe dieser Rezeptoren zu dem aushärtenden Zement voraus [9]. Im Falle einer Ausschwemmung von größeren Partikeln in die Lunge wird in der Polymerisationsphase von Finch et al. [10] eine thermale Verletzung des kapillären Endothels mit nachfolgendem Lungenödem diskutiert.
Möglichkeiten der Minimierung von Komplikationen
Komplikationen von klinischer Relevanz können durch unterschiedliche Maßnahmen reduziert werden. Primär sollte eine optimale Vorbereitung des Patienten erfolgen. Hierzu gehört die Durchführung einer Thoraxröntgenaufnahme sowie ein EKG zur Abschätzung des kardiopulmonalen Risikos. Weiterhin sollte der Patient anästhesiologisch vorbereitet und aufgeklärt werden. Ziel ist die Vertebroplastie unter anästhesiologischen Monitorbedingungen bei wachem Patienten in Intubationsbereitschaft durchzuführen. An unserer Abteilung erfolgt die Durchführung unter Analgosedierung.
Die Lagerung des wachen Patienten ist von großer Bedeutung, damit die Darstellung des betroffenen Wirbelkörpers in beiden Ebenen möglich ist und der Patient für ca. 45 min ruhig liegen kann. Ist die Schmerzsituation mit den oben genannten Maßnahmen nicht zu führen und fehlt die Compliance, so ist auf eine Intubationsnarkose umzusteigen. Insbesondere Tumorpatienten bereiten häufig Schwierigkeiten. Dies begründet sich durch die noch stabilen dorsalen Strukturen mit fehlender Osteoporose. Dieser Zustand erschwert das Einbringen der Nadel auf dem transpedikulären Wege und sollte ggf. unter suffizienter Narkose erfolgen.
Aus technischer Sicht sind folgende Hinweise für die Minimierung von Komplikationen zu beachten. Prinzipiell sollte eine möglichst große Nadel (≥10 gg) verwendet werden um den Applikationsdruck bereits hier zu reduzieren [17]. Bei der Auswahl des Applikationsinstrumentariums sollte der Methode der Vorzug gegeben werden, die eine gute Dosierbarkeit, eine gezielt langsame Applikation und eine sichere Unterbrechung des eingeleiteten Zementflusses ermöglicht [2]. Der verwendete Zement sollte eine optimale Kontrastierung aufweisen und ein möglichst großes therapeutisches Fenster besitzen, um eine lange Verarbeitungszeit zu gewährleisten. Der Zeitpunkt der Applikation sollte so gewählt werden, dass die Fließeigenschaften des Zements optimal sind, d. h. der Zement von der flüssigen in die zähe Phase übergeht [20].
Durch die Kühlung des Zements kann eine zusätzliche Verlängerung der Verarbeitungszeit erzielt werden. Gegenwärtig sind mehrere Zemente auf dem Markt, welche die Zulassung für die Vertebroplastie besitzen. Die Lage der Kanüle sollte sicher in beiden Ebenen im ventralen Drittel des Wirbelkörpers lokalisiert sein. Ein biportaler Zugang ist aus der Sicht der Autoren gefahrloser, da einerseits die Platzierung komplikationsloser ist aufgrund der anatomiegerechten Konvergenz und anderseits das Applikationsvolumen besser verteilt wird. Hierdurch wird auch die zentrale Lage der Nadel und somit die Möglichkeit einer Punktion der Vv. basivertebrales minimiert [8, 28].
Durch die Kyphoplastie kann ein Zementaustritt nochmals reduziert werden, da der Zement in eine präformierte Höhle appliziert und durch die vorangehende Ballondilatation zusätzlich die Spongiosa impaktiert wird. Zusätzlich ist das zu applizierende Volumen zu beachten, das nicht überschritten werden sollte. Kadaverstudien haben bestimmte Mindestfüllmengen für Brust- und Lendenwirbelkörper erarbeitet und dargestellt [4]. So zeigte sich ein Volumen von 4 ml für die Brust- und 6 ml für die Lendenwirbelkörper als ausreichend. Die Füllmenge korreliert jedoch nicht mit dem analgetischen Effekt sondern nur mit der biomechanischen Stabilität [4, 7]. Über negative Effekte von zu geringen Mengen Zement kann derzeit keine klare Aussage getroffen werden.
Sollte es zu einem erkennbaren Zementaustritt kommen, so ist die weitere Applikation zunächst sofort zu unterbrechen. Im Falle eines biportalen Zugangs ist die Fortführung auf der kontralateralen Seite möglich. Dies geschieht nur nach Beobachtung der Vitalparameter sowie der Überprüfung der Neurologie durch Kommunikation mit dem Patienten. Die Fortführung über das Portal, das den Zementaustritt hervorgerufen hat, ist laut Vasconcelos et al. [30] ca. 20 s nach dem intialen Ereignis möglich. Vergleichbare Angaben zur Fortführung der Vertebroplastie werden von Al-Assir et al. [2] gemacht. Die Anzahl der zu versorgenden Segmente im Rahmen eines Eingriffs sollte möglichst klein gewählt werden. Insbesondere bei kardiopulmonalen Begleiterkrankungen ist hierauf besonders zu achten [26].
Nicht jeder osteoporotisch gesinterte Wirbelkörper ist geeignet, mit der Vertebroplastie behandelt zu werden. Empfohlen wird im Thorakalbereich die Vertebroplastie bei Wirbelkörpern mit maximal 50% ihrer ehemaligen Ausgangshöhe. An der Lendenwirbelsäule wird eine 75%-Kompression als noch durchführbar angesehen [3]. Klare Empfehlungen zur Indikation sind in der Literatur nicht zu finden. Dies bezieht sich auch auf das Frakturalter, den Mobilitätsgrad und die Anzahl der frakturierten Wirbelkörper. Gleiches gilt für die intraoperative Bildgebung.
Der Großteil der hier zitierten Autoren führt die Vertebroplastie unter Bildwandlerkontrolle durch. Die Computertomographie (CT) wird ebenfalls von einzelnen Autoren bevorzugt und von vielen in schwierigen Situationen empfohlen. Sie ist immer dann indiziert, wenn die Darstellung des einzelnen Wirbelkörpers nicht differenziert genug möglich ist [13,14].
Prinzipiell sollte die Vertebroplastie als ein operativer Eingriff angesehen werden, der den Sterilitätskautelen anderer minimal-invasiver Eingriffe genügt. Die sterile Abdeckung des Operationsfeldes nach ausreichender Hautdesinfektion gehört wie die sterile Abdeckung des Bildwandlers zum Standard. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der prophylaktischen lokalen Antibiose durch Zusetzung von Antibiotika zu den Vertebroplastiezementen. Diese Maßnahme wird von Jensen et al. [20] insbesondere bei der Therapie von immunsupprimierten Patienten empfohlen. Der Autor fügt 1,2 g Tobramycin zu einer Packung PMMA, vermischt mit Barium- und Wolfram-Pulver.
Die exakte präoperative Befundung der Röntgenbilder sowie die präoperative Planung an dem vorliegenden Bildmaterial führt weiterhin zu einer besseren Einschätzung der möglichen Zementaustrittsstellen. Hier sei insbesondere auf frische Deckplattenimpressionsfrakturen hingewiesen. Durch die Fissuren und Frakturspalte gelangt der Zement vorzugsweise in den Bandscheibenraum. Hier kann er sich entweder „pancake like“ oder „ball like“ ausbreiten (Abb. 3, 4a), [30]. In Abhängigkeit von der Form des ausgetretenen Zements konnte eine unterschiedlich schnelle Mitbeteiligung des Nachbarsegments erkannt werden. So zeigte sich insbesondere bei der Ball-like-Form eine schnellere Anschlussproblematik im Vergleich zu der flachen Pancake-Form [30].
Die Gesamtproblematik von Auswirkungen augmentierter Wirbelkörper auf Nachbarsegmente ist bekannt und wird intensiv beforscht. Berlemann et al. [5] haben in einer ersten biomechanischen Studie den Einfluss nachgewiesen. Inwieweit die Wahl des Zements oder eine geringere Applikationsmenge biomechanisch günstigere Ergebnisse für die Nachbarsegmente liefern kann bleibt zzt. noch offen [5].
Therapie von Komplikationen
Im Falle einer kardiopulmonalen Komplikation ist in Abhängigkeit von der Schwere des Zwischenfalls stufenweise vorzugehen. In einem solchen Fall ist zwingend eine Beobachtungszeit auf einer Überwachungsstation zu fordern. Sollte es sich nicht um eine temporäre Veränderung handeln, so ist eine weiterführende Diagnostik mit Thoraxröntgenaufnahme, EKG, UKG und ggf. einem CT-Thorax einzuleiten. Je nach Ausmaß der Lungenembolie reicht die Behandlung von der reinen Beobachtung über die Antikoagulation [23] bis zur offenen Embolektomie [29]. Hier muss im Einzelfall entschieden werden [24].
Der Zementaustritt in den Spinalkanal mit resultierender Myelonkompression oder einer Radikulopathie stellt eine sehr ernstzunehmende Komplikation dar. Die neurologischen Folgen reichen von der Monoradikulopathie bis zur Paraparese und können je nach Ausmaß, Art und Zeitpunkt sehr unterschiedlich verlaufen. Eine Paraparese erfordert eine schnellstmögliche operative Revision, wobei ein CT bei diagnostischer Unsicherheit zu fordern ist. Aus diesem Grund werden alle Patienten in Narkosebereitschaft behandelt. Die sofortige Intervention ohne vorausgehende Schnittbilddiagnostik konnte in keinem publizierten Fall unserer Recherche vorgefunden werden [7, 17, 22, 25, 31, 32, 33].
Alle Autoren haben vor der chirurgischen Intervention eine CT der betroffenen Region anfertigen lassen. Gleiche Vorgehensweise gilt für eine Monoparese. So ist zunächst die antiödematöse/antiphlogistische Cortison-Therapie einzuleiten. In der Literatur werden auch Infiltrationstherapien im Sinne der Nervenwurzelblockaden bei nachgewiesenen Zementaustritten mit Radikulopathie empfohlen. Unter Zusammenschau aller Befunde kann bei konservativer Therapieresistenz ebenfalls eine operative Revision (Neuroforamendekompression) notwendig werden. Bei ausgedehnten Entlastungen ist eine Stabilisierung mittels Schrauben-Stab-System notwendig.
Eigene Komplikationen
Aus dem eigenen Patientengut konnten insbesondere unter den ersten Vertebroplastien Zementaustritte vorgefunden werden, die jedoch in keinem Fall zu einer klinischen Relevanz führten (Abb. 5). So konnten während der Vertebroplastie, aber auch häufig erst postoperativ in den Röntgenaufnahmen Zementaustritte unterschiedlichster Art festgestellt werden (Abb. 6). In keinem Fall war eine neurologische Symptomatik vorzufinden. Kardiopulmonale Komplikationen fanden sich in unserem reichhaltigen Patientengut bisher nicht.
Alle Patienten erhielten eine Lokalanästhesie mit Infiltration der Pedikelregion, unterstützt durch i.v.-Sedativa und Analgetika. Es erfolgte immer ein kontinuierliches Monitoring ohne Nachweis einer Bradykardie oder Hypotension. Im Einzelnen konnten bei kritischer Durchsicht der Röntgenbilder Zementaustritte in den Spinalkanal, Vakuumphänomene im Spinalkanal als Verdrängungsmechanismus aus dem Wirbelkörper, einen Zementaustritt in ein Neuroforamen, Zementaustritte in Nachbarbandscheiben, Darstellungen perivertebraler Venenplexus, eine Auffüllung der V. hemiazygos accessoria (Abb. 7) und ein Ausguss einer Vertebroplastienadel (s. Abb. 4b, c) gefunden werden, die noch während des selben Eingriffs entfernt werden konnte. Alle Patienten konnten am Folgetag ohne erkennbare neu aufgetretene neurologsiche oder kardiovaskuläre Veränderungen mobilisiert werden.
Fazit für die Praxis
Die perkutane Vertebroplastie ist eine sichere Methode, die in seltenen Fällen mit ernsthaften Komplikationen, sowohl kardiopulmonal als auch neurologisch einhergehen kann. Zementaustritte treten häufig auf, ohne klinische Relevanz zu haben. Von besonderer Wichtigkeit ist die korrekte Planung und sorgfältige Auswahl der Patienten sowie die sichere und schnelle Beherrschung der dargestellten Komplikationen. Dies setzt profunde Kenntnisse und eine umfangreiche Infrastruktur voraus. Die aktuelle Forschung ist bemüht die schwerwiegenden Komplikationen weiter zu reduzieren. Diesbezüglich sind resorbierbare und nichtresorbierbare Netze und resorbierbare Zemente in der Entwicklung.
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Rauschmann, M.A., von Stechow, D., Thomann, KD. et al. Komplikationen in der Vertebroplastie. Orthopäde 33, 40–47 (2004). https://doi.org/10.1007/s00132-003-0573-4
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00132-003-0573-4