Zusammenfassung
Die Volumensubstitution ist ein wesentlicher Bestandteil der Intensivtherapie. Sowohl die Menge des infundierten Volumens, seine Zusammensetzung als auch der Zeitpunkt der Substitution scheinen die Morbidität und Letalität kritisch kranker Patienten zu beeinflussen. Während eine restriktive Volumenstrategie bei kreislaufinstabilen Patienten das Risiko einer Gewebeminderperfusion mit Gewebehypoxie mit sich bringt, begünstigt eine liberale Volumensubstitution bei intakter Gewebeperfusion eine vermeidbare Hypervolämie mit interstitiellen Ödemen und entsprechenden Organfunktionsstörungen. Bislang konnte angesichts fehlender „outcome“-basierter Evidenz keiner der beiden Strategien ein eindeutiger Vorteil zugeordnet werden. Um dem stark variierenden Sauerstoff- (O2)-Bedarf kritisch kranker Patienten gerecht zu werden, wird daher eine bedarfsadaptierte Volumenstrategie empfohlen, die sich am Nachweis einer gefährdeten Gewebeperfusion und der individuellen Volumenreagibilität orientieren sollte. Aufgrund ihrer zeitabhängigen Effektivität zur Korrektur einer Gewebehypoxie sollte die Vorlast möglichst frühzeitig optimiert werden. Ob hierfür kolloidale oder kristalline Lösungen geeigneter sind, ist weiterhin Gegenstand kontroverser Diskussionen. Ein zeitlich limitierter Einsatz von kolloidalen Lösungen in der initialen Phase der Gewebeminderperfusion scheint jedoch dazu beizutragen, deren größeren Volumeneffekt bei Hypovolämie nutzen zu können und mögliche Nebenwirkungen so weit wie möglich zu vermeiden.
Abstract
Volume substitution represents an essential component of intensive care medicine. The amount of fluid administered, the composition and the timing of volume replacement seem to affect the morbidity and mortality of critically ill patients. Although restrictive volume strategies bear the risk of tissue hypoperfusion and tissue hypoxia in hemodynamically unstable patients liberal strategies favour the development of avoidable hypervolemia with edema and resultant organ dysfunction. However, neither strategy has shown a consistent benefit. In order to account for the heavily varying oxygen demand of critically ill patients, a goal-directed, demand-adapted volume strategy is proposed. Using this strategy, volume replacement should be aligned to the need to restore tissue perfusion and the evidence of volume responsiveness. As the efficiency of volume resuscitation for correction of tissue hypoxia is time-dependent, preload optimization should be completed in the very first hours. Whether colloids or crystalloids are more suitable for this purpose is still controversially discussed. Nevertheless, a temporally limited use of colloids during the initial stage of tissue hypoperfusion appears to represent a strategy which uses the greater volume effect during hypovolemia while minimizing the risks for adverse reactions.
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Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass die Art der Infusionstherapie die Morbidität kritisch kranker Patienten wesentlich beeinflusst. Obwohl sich verschiedene Studien in jüngerer Zeit den Effekten unterschiedlicher Infusionsstrategien gewidmet haben, konnte weder für die traditionell liberalen noch für die konservativ restriktiven Regime bislang eine einheitliche Empfehlung getroffen werden. Stattdessen wurde eine adäquate, an den jeweiligen Bedarf angepasste Strategie empfohlen. Ausgehend von der aktuellen Datenlage widmet sich der vorliegende Übersichtsbeitrag anhand pathophysiologischer Zusammenhänge und klinischer Fallbeispiele den Zielen und der Steuerung einer Volumentherapie bei kritisch kranken Patienten. Dem aktuellen Konsens zur Terminologie folgend, wird als Volumentherapie eine Infusionstherapie verstanden, die dem Ausgleich eines intravasalen Volumenmangels dient und von dem Ausgleich extravasaler Flüssigkeitsimbalancen abzugrenzen ist.
Prädefinierte und bedarfsadaptierte Volumenstrategien
Traditionell liberale und konservativ restriktive Regime
Ziel der Volumentherapie ist es, eine ausreichende Gewebeperfusion zu sichern und Störungen der Organfunktion durch Hyper- oder Hypovolämie zu verhindern. Die frühere Daumenregel zur Behandlung hypotensiver Patienten „in doubt give volume“ hatte das wichtige Ziel, Organfunktionsstörungen durch den inadäquaten Einsatz von Vasopressoren bei intravasaler Hypovolämie zu vermeiden [60, 145]. Wie Studien aus der Abdominalchirurgie zeigten, kann bei unkritischer Anwendung dieser Strategie allerdings ein erheblicher Flüssigkeitsexzess mit entsprechenden Störungen der intestinalen und pulmonalen Organfunktion aufgrund interstitieller Ödeme resultieren [15, 20, 88, 116]. Bei Intensivpatienten ist eine Flüssigkeitsakkumulation mit einer überproportional erhöhten Letalität assoziiert [90, 125]. Darüber hinaus konnte bei Patienten mit „adult respiratory distress syndrome“ (ARDS) gezeigt werden, dass die Menge des infundierten Volumens mit dem Ausmaß der pulmonalen Dysfunktion in kausalem Zusammenhang steht [184].
In den Studien zur perioperativen Infusionstherapie wurde für die Behandlungsgruppe mit niedrigerer Infusionsmenge vielfach der Begriff „restriktiv“ geprägt, der missverständlich ist, da er eine Beschränkung unterhalb eines definierten, physiologisch erforderlichen Volumenbedarfs suggeriert. Den Definitionen von „liberal“ und „restriktiv“ lagen jedoch höchst unterschiedliche Infusionsmengen zugrunde, die sich teilweise erheblich überschnitten. Zugleich waren die präoperativen Vorbereitungsmaßnahmen nicht ausreichend definiert, sodass der unbekannte Volumenstatus vor Interventionsbeginn die Interpretation der Ergebnisse aus älteren Untersuchungen erschwert [20]. In einer aktuelleren randomisierten Studie mit standardisierten Ausgangsbedingungen vor elektiver Kolonchirurgie wies die restriktiv behandelte Gruppe (Median 1,6 l) nur noch eine geringfügig bessere postoperative Lungenfunktion auf [62]. Die intestinale Organfunktion unterschied sich zwischen den Gruppen nicht, und das liberale Regime (Median 5 l) war trotz einer niedrigeren arteriellen Sauerstoffsättigung (SaO2) mit einer tendenziell geringeren Komplikationsrate assoziiert. Als mögliche Ursache vermuteten die Autoren individuelle Hyper- und Hypovolämien infolge der prädefinierten Volumenstrategien, die durch eine bedarfsadaptierte Volumensubstitution vermeidbar gewesen wären.
Bedarfsadaptiertes Regime im Rahmen der „goal directed therapy“
Im Gegensatz zu den Patientenkollektiven der oben genannten perioperativen Untersuchungen weisen Intensivpatienten eine wesentlich höhere Krankheitsschwere mit systemischer Entzündungsreaktion, erhöhtem O2-Bedarf, inadäquatem Herzzeitvolumen (HZV) und unzureichendem O2-Angebot auf. Eine bedarfsadaptierte Volumenstrategie scheint bei kritisch kranken Patienten daher pathophysiologisch sinnvoll zu sein. Am Beispiel der schweren Sepsis zeigten Rivers et al. [146], dass die frühzeitige Volumensubstitution als wesentliche Säule des Maßnahmenpakets der frühen „goal directed therapy“ (GDT) dazu beiträgt, die Letalität um nahezu 15% zu senken. Verschiedene Studien zum Konzept der GDT in der perioperativen Phase belegten, dass eine zielorientierte HZV-Optimierung durch Volumensubstitution und positiv-inotrope Substanzen auch bei operativen Risikopatienten ohne Sepsis die Inzidenz von Organdysfunktionen und die Krankenhausverweildauer nach ausgedehnten Eingriffen günstig beeinflusst [16, 51]. Mit der Intention, eine Gewebehypoxie zu vermeiden, wurden als Ziele entweder ein prädefinierter O2-Angebot-Index >600 ml/min/m2 oder eine bedarfsadapierte Optimierung des HZV mit einer O2-Extraktion <27% und einer gemischtvenösen O2-Sättigung (S⊽O2)≥70% angestrebt [51, 126, 132]. Als Volumenersatz wurden vornehmlich Kolloidboli eingesetzt, deren Effekt auf das Schlagvolumen (SV) mithilfe der Ösophagusdopplersonographie, der Pulskonturanalyse oder der Thermodilution engmaschig überwacht wurde. Wie Untersuchungen an allgemein- und kardiochirurgischen Intensivpatienten demonstrieren, sind die benefiziellen Effekte dieser Strategie auch dann noch zu erreichen, wenn die GDT erst bei Aufnahme auf die Intensivstation begonnen wird [126, 132]. Eine spätere Optimierung nach bereits eingetretenem Organversagen ließ jedoch meist keine benefiziellen Effekte mehr erkennen [76].
Wesentlich für die Beurteilung der GDT ist ihre Abgrenzung gegenüber der von Shoemaker et al. [168] früher favorisierten Strategie der supranormalen Hämodynamik. Während die GDT-Strategie auf einer titrierten Volumensubstitution anhand der individuell ermittelten Volumenreagibilität basiert und Katecholamine erst nach Vorlastoptimierung unter Vermeidung kardialer Tachykardien eingesetzt werden, verfolgte das „Shoemaker-Konzept“ eine Steigerung des Herzindex auf prädefinierte supranormale Werte >4,5 l/min/m2 auch unter Inkaufnahme hoher Katecholamindosen. Dementsprechend beobachteten Hayes et al. [58] unter Einsatz von bis zu 200 µg/kgKG/min Dobutamin zur Erzielung des prädefinierten supranormalen Herzindex eine hohe Inzidenz kardialer Nebenwirkungen und eine erhöhte Krankenhausmortalität. In einer Post-hoc-Analyse der postoperativen GDT-Studie von Pearse et al. [127] traten unter sequenzieller Vorlastoptimierung und niedriger medianer Dopexaminkonzentration (0,75 µg/kgKG/min) dagegen keine vermehrten kardialen Komplikationen auf [127].
Umsetzung einer bedarfsadapierten Volumenstrategie
Um den individuellen Volumenbedarf einschätzen zu können und Organfunktionsstörungen durch Hyper- sowie Hypovolämie zu vermeiden, müssen die folgenden drei Fragen beantwortet werden:
1. Ist die Gewebeperfusion aktuell unzureichend, bzw. besteht überhaupt ein Bedarf zur hämodynamischen Optimierung?
2. Wird das Herz auf eine Volumengabe mit einer Steigerung des SV antworten, besteht also Volumenreagibilität?
3. Wie ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer Volumengabe hinsichtlich der führenden Erkrankung zu werten, bzw. welche Ziele sind langfristig anzustreben?
Wesentlich hierbei ist die Beurteilung der Gewebeperfusion, da der Nachweis einer Volumenreagibilität an sich nicht zwingend die Notwendigkeit zur hämodynamischen Optimierung anzeigt. Bei kritisch kranken Patienten muss aufgrund der häufig anzutreffenden Permeabilitätsstörung der endothelialen Barriere bei Volumenzufuhr mit einer Zunahme interstitieller Ödeme gerechnet werden. Bei unzureichender Gewebeperfusion müssen diese oftmals als unvermeidbare Nebenwirkung der Vorlastoptimierung in Kauf genommen werden. Ist die Gewebeperfusion jedoch intakt, resultiert aus einer Vorlastoptimierung kein Nutzen, während das Risiko einer interstitiellen Flüssigkeitsakkumulation mit vermeidbaren Störungen der pulmonalen und intestinalen Organfunktion fortbesteht. Ausgangspunkt jeglicher bedarfsadaptierter Volumentherapie sollten daher die Einschätzung der Gewebeperfusion und deren Einordnung in das hämodynamische Profil des Patienten sein.
Parameter der Gewebeperfusion
Perfusionsdruck
Maßgeblich für die Gewebeperfusion ist der Volumenstrom, der nach Hagen und Poiseuille durch die in einem Kreislauf herrschende Druckdifferenz bestimmt wird. Ein mittlerer arterieller Blutdruck („mean arterial pressure“, MAP) <65 mmHg oder ein Abfall >20 mmHg kann dementsprechend eine relevant gestörte Makrozirkulation mit beeinträchtigter Gewebeperfusion anzeigen [35, 130, 131]. Da sich der Blutkreislauf, im Gegensatz zu einem starren Röhrensystem, jedoch durch die Fähigkeit der Vasoregulation auszeichnet, wird der Perfusionsdruck innerhalb der Makrozirkulation nicht nur durch die Größe des HZV als Maß des Volumenstroms bestimmt, sondern hängt ebenso von der Größe des systemischen Gefäßwiderstands („systemic vascular resistance“, SVR) ab. Darüber hinaus tragen regionale Vasoregulationsmechanismen in der Mikrozirkulation und rheologische Phänomene in erheblichem Maß dazu bei, dass der MAP keinen verlässlichen Parameter zur Beurteilung der Gewebeperfusion darstellt. So führt ein Blutverlust von 25–30% aufgrund der sympathikoadrenergen Gegenregulation bei Gesunden nicht zu einem relevanten Abfall des MAP. Dagegen ist die Gewebeperfusion des Splanchnikusgebiets bereits bei 10%igem Blutverlust beeinträchtigt [54]. Die Aufrechterhaltung des MAP durch Vasopressoren bei Hypovolämie führt im Tiermodell entsprechend zu einer Exazerbation von renalen und kardialen Organschäden [60]. Allerdings kann aus diesen Untersuchungen nicht die These abgeleitet werden, dass die Anwendung von Vasopressoren in jedem Fall mit einer Verschlechterung der Gewebeperfusion einherginge. So kann der Versuch, den Vasopressorenbedarf um jeden Preis durch Volumensubstitution zu reduzieren, im flacher werdenden Abschnitt der Frank-Starling-Beziehung zu einem überproportionalen Anstieg des zentralen Venendrucks (ZVD) mit Abnahme des arteriovenösen Druckgradienten führen. In einer Untersuchung an normovolämen Patienten mit abdomineller Sepsis hatte eine Volumensubstitution trotz Reduktion des Noradrenalinbedarfs und geringfügiger HZV-Steigerung dementsprechend keine Verbesserung der Splanchnikusperfusion zur Folge [153]. Die Zufuhr von Vasopressoren zur Therapie der sepsisassoziierten Vasodilatation nach HZV-Optimierung führt hingegen nicht zu einer Minderperfusion, sondern zu einer Verbesserung des renalen Blutflusses [2, 7, 37, 92]
Urinproduktion
Neben Herzfrequenz und arteriellem Blutdruck als den einfachsten Surrogatparametern des Volumenstatus wird in der klinischen Routine oftmals die Urinproduktion als Maß der Organperfusion herangezogen. Obwohl Perfusionsstörungen der Nieren meist mit einer Oligurie assoziiert sind, wird die Interpretation der Urinproduktion oftmals durch andere Faktoren wie die posttraumatische Ausschüttung von antidiuretischem Hormon, eine chronische Niereninsuffizienz oder eine Unterschreitung der Autoregulationsschwelle erschwert. Zudem stellt eine erhaltene Diurese unter Diuretika kein unabhängiges Zeichen einer intakten Gewebeperfusion dar. Ebenso wie der MAP ermöglicht die isolierte Betrachtung der Urinproduktion daher keine zuverlässige Einschätzung der Gewebeperfusion [135].
Laktatkonzentration
Eine globale Gewebeminderperfusion mit Gewebehypoxie führt ebenso wie eine gestörte Leberperfusion zu einem erhöhten Serumlaktatwert und einer metabolischen Acidose. Im Rahmen von Schocksyndromen und schweren Infektionen wird die Laktatacidose als klassisches Zeichen der manifesten Gewebehypoxie gewertet und korreliert mit der Prognose [85, 167]. Obwohl die Therapiesteuerung anhand des Laktatkonzentrationsverlaufs in einer randomisierten Untersuchung zur schweren Sepsis der Therapiesteuerung anhand der zentralvenösen Sauerstoffsättigung (SzvO2) gleichwertig war [73], stellt die Laktatacidose allerdings ein Spätzeichen dar und ist zur Früherkennung einer Gewebeminderperfusion vor Eintritt der Gewebehypoxie weniger geeignet. Zudem können zahlreiche andere Stoffwechselveränderungen, u. a. durch Sepsis oder medikamentös bedingt, zu erhöhten Laktatkonzentrationen führen, ohne dass eine Gewebehypoxie vorliegt [72, 84].
Zentralvenöse Sauerstoffsättigung
Eine wesentliche Aufgabe des kardiopulmonalen Systems besteht in der Versorgung der Gewebe mit Sauerstoff durch Bereitstellung eines ausreichend hohen O2-Angebots, für dessen Höhe das HZV und der arterielle O2-Gehalt maßgeblich sind. Sinkt das O2-Angebot (DO2) durch einen HZV-Abfall ab oder steigt der O2-Bedarf überproportional an, nimmt die O2-Extraktion im Gewebe zu. Ist dieser Kompensationsmechanismus erschöpft, resultiert ein O2-Defizit mit anaerobem Stoffwechsel, Laktatacidose, Gewebehypoxie und Gewebeuntergang. Die schematische Darstellung eines kritischen O2-Angebots (DO2krit) bei primär unzureichendem HZV (akute Herzinsuffizienz oder Hypovolämie) oder erhöhtem O2-Bedarf (Inflammation, Sepsis) findet sich in Abb. 1. Im flachen Kurventeil entspricht der O2-Verbrauch dem O2-Bedarf. Je näher DO2 an DO2krit heranrückt, desto mehr sinkt die S⊽O2 aufgrund der gesteigerten O2-Extraktion ab. Unterhalb von DO2krit kann der O2-Verbrauch nicht mehr aufrechterhalten werden, und es tritt eine Gewebehypoxie mit Laktatacidose auf.
Da der O2-Bedarf bei systemischen Entzündungsreaktionen oder gesteigerter Aktivität deutlich erhöht sein kann und bei kritisch kranken Patienten entsprechend stark variiert, existiert kein allgemeingültiges, normales O2-Angebot. Folglich existiert auch kein allgemeingültiges, normales HZV. Es kann allenfalls von einem bedarfsgerechten (adäquaten) HZV gesprochen werden, dessen Absolutwert interindividuell erheblich schwankt [131]. Selbst intraindividuell können Änderungen des metabolischen Bedarfs situativ höchst unterschiedliche HZV-Werte erfordern.
Als Korrelat der O2-Extraktion kann die S⊽O2 in der A. pulmonalis herangezogen werden, die in einer älteren Untersuchung an Patienten mit Myokardinfarkt einen besseren Prädiktor des Überlebens darstellte als das HZV [171]. Rivers et al. [146] nutzten die in der V. cava superior gemessene SzvO2 ≥70% mit dem Ziel, das O2-Angebot anhand der individuellen O2-Extraktion zu optimieren. Die Ausrichtung der Therapie an diesem metabolischen Zielparameter führte zu einem deutlichen Überlebensvorteil, der die Eignung der SzvO2 zur Detektion einer Gewebeminderperfusion nahelegt. Trotz methodischer Limitierungen durch die fehlende Einbeziehung der V. cava inferior korreliert der Verlauf der SzvO2 hinreichend genau mit dem Verlauf der S⊽O2 und vermeidet die Risiken eines Pulmonalarterienkatheters (PAK; [100]). Für die Interpretation von S⊽O2 und SzvO2 als Warnzeichen eines inadäquaten O2-Angebots muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Steigerung der O2-Extraktion auf vorübergehende Aktivitätssteigerung eine physiologische Reaktion des Körpers darstellt, die nicht in jedem Fall einer hämodynamischen Optimierung bedarf [100]. Neben den Absolutwerten von S⊽O2/SzvO2 muss daher die auslösende Ursache mit in die Bewertung eingehen. Während erniedrigte Werte im Rahmen von schweren Entzündungsreaktionen oder Schockgeschehen eine drohende Gewebehypoxie mit entsprechendem Therapiebedarf vermuten lassen (Fallbeispiel 1; Tab. 1), erfordert ein transienter Abfall unter Physiotherapie, „shivering“ und Schmerzen andere oder keine Maßnahmen. Ebenso können Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz aufgrund des eingeschränkten HZV eine chronisch gesteigerte O2-Extraktion mit erniedrigter S⊽O2/SzvO2 aufweisen, ohne dass hieraus ein neu aufgetretenes O2-Defizit abgeleitet werden könnte (Fallbeispiel 2; Tab. 2). Zuletzt muss beachtet werden, dass eine Gewebehypoxie auch bei einer SzvO2 >70% nicht sicher ausgeschlossen werden kann, da Störungen der Leberperfusion und Shunt-Phänomene innerhalb der Mikrozirkulation die O2-Extraktion limitieren können (Fallbeispiel 3; Tab. 3; [100]). An kardiochirurgischen Intensivpatienten konnte in einer aktuellen Studie entsprechend gezeigt werden, dass sowohl eine erniedrigte SzvO2 ≤61% als auch erhöhte Werte ≥77% mit einer gesteigerten Letalität assoziiert sind [129].
Fallbeispiel 1
Patient mit Vorfußphlegmone und Sepsisrezidiv (Tab. 1)
Nach Vorfußamputation am Operationstag (−96 h) hyperdynamer septischer Schock mit Noradrenalinbedarf. Anschließende Normalisierung der Entzündungsreaktion.
Am 4. postoperativen Tag (0 h) moderater Leukozytenanstieg und erneuter Abfall des MAP, der mit niedrig dosierter Noradrenalininfusion im unteren Normbereich gehalten werden kann. Paralleler Abfall der SzvO2. Nach Neuanlage des PiCCO®-Systems Detektion des deutlich reduzierten HZV aufgrund intravasaler Hypovolämie (erniedrigter intrathorakaler Blutvolumen-Index, ITBVI). Unter Volumenzufuhr von insgesamt 3 l Kristalloiden und 1 l 6% HES 130 schrittweise Normalisierung von ITBVI, HZV, SV und SzvO2 (3–12 h). Am nächsten Morgen erstmals Anstieg des Prokalzitonins. Klinische Besserung nach Unterschenkelamputation.
Fallbeispiel 2
Patient mit dilatativer Kardiomyopathie nach Cholezystektomie (Ejektionsfraktion 20%; Tab. 2)
Unmittelbar postoperativ (0 h) erniedrigte SzvO2 und erhöhte Laktatkonzentration bei Hypovolämie. Normalisierung beider Parameter nach Volumensubstitution und Dobutaminzufuhr (2 h). Am 1. postoperativen Tag (24 h) erneutes Absinken der SzvO2 nach Beendigung von Dobutamin.
Bei subjektivem Wohlbefinden ohne Zeichen postoperativer Komplikationen, normwertiger Laktatkonzentration und normaler Urinproduktion Verzicht auf erneute inotrope Stimulation. Stattdessen Wiederaufnahme der Eigenmedikation (Angiotensinkonversionsenzymhemmer + Diuretikum). Da körperliche Aktivität während der Physiotherapie ohne Erschöpfungszeichen möglich war, erfolgte nach 36 h die Wiederaufnahme der β-Rezeptoren-Blockade trotz weiterhin erniedrigter SzvO2. Hierunter kein weiterer SzvO2-Abfall. Entlassung von der Intensivstation nach 48 h.
Fallbeispiel 3
Patient mit septischem Schock bei nekrotisierender Pankreatitis (Tab. 3)
Präoperative Kreislaufstabilierung mit hochdosiertem Noradrenalin, da SzvO2 >70%. Laktat-, Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT-)Konzentrationen und pH-Wert jedoch hochpatholgisch (0 h). Daher PAK-Anlage und HZV-Messung, die das Bild eines hypodynamen septischen Schocks zeigt. Unter aggressiver Volumentherapie und inotroper Stimulation (Dobutamin 7 µg/kgKG/min) Anstieg des HZV auf 12 l/min. Hierunter Besserung von Laktat- und GOT-Konzentration sowie pH-Wert mit sukzessiver Rückkehr in den Normbereich während der folgenden 48 h. Patient verstirbt mehrere Wochen später im Multiorganversagen nach mehreren abdominellen Sepsisrezidiven.
Entscheidend für die Interpretation von S⊽O2 und SzvO2 als Surrogat der Gewebeperfusion ist somit der klinische Kontext. Dieser sollte folgende Fragen beantworten:
1. Liegt eine über das individuell normale Maß hinausgehende O2-Extraktion vor?
2. Ist die gesteigerte O2-Extraktion Folge einer vorübergehenden Aktivitätssteigerung, einer chronischen Adaptation, oder besteht ein anhaltendes O2-Defizit mit dem Risiko einer Gewebehypoxie?
Da die SzvO2 die von der sympathikoadrenergen Gegenregulation besonders betroffenen subdiaphragmalen Organe nicht in demselben Ausmaß erfasst wie die S⊽O2, lehnen einige Autoren ihren Einsatz zur Detektion eines unzureichenden O2-Angebots bei schweren Schockgeschehen und kritisch kranken Patienten ab [26, 190]. Die Ergebnisse von Rivers et al. [146] und anderen Studien [51, 102, 126, 127, 132] legen jedoch nahe, dass die SzvO2 unter Berücksichtigung der oben dargestellten Zusammenhänge und der klinischen Konstellation den derzeit besten Routineparameter darstellt, der eine Beurteilung der Gewebeoxygenierung während der Initialtherapie einer Gewebeminderperfusion unter vertretbarem Aufwand gestattet. Um Fehlinterpretationen durch die Betrachtung eines isolierten Parameters zu vermeiden, empfiehlt Pinsky [130], die Indikation für eine hämodynamische Optimierung an der Gesamtkonstellation auszurichten.
Als Warnsymptome für eine inadäquate Perfusion können derzeit herangezogen werden:
1. Zeichen der Organminderperfusion (Oligurie, Bewusstseinsstörung, Laktatacidose, erniedrigte S⊽O2/SzvO2),
2. Zeichen der sympathikoadrenergen Gegenregulation (Tachykardie, Zentralisation, Unruhe, Kaltschweißigkeit) und
3. MAP <65 mmHg oder relativer Abfall >20 mmHg.
Volumenstatus und Volumenreagibilität
Hämodynamisches Profil
Wird anhand der oben genannten Kriterien die Indikation zur hämodynamischen Optimierung gestellt, muss der Volumengabe eine Bewertung des hämodynamischen Profils vorangehen. In der Akutphase hypovolämischer und septischer Schocksyndrome besteht nahezu regelhaft eine erhebliche intravasale Hypovolämie, die durch unverzügliche Volumensubstitution korrigiert werden sollte. In zahlreichen anderen Konstellationen erfordern die komplexen Störungen des kardiovaskulären Systems und deren Beeinflussung durch die Herz-Lungen-Interaktion jedoch oftmals eine individuelle Anpassung von Vorlast, Nachlast und Inotropie an die jeweilige hämodynamische Konstellation, um eine adäquate Gewebeperfusion zu gewährleisten.
In Abb. 2 sind Druck-Volumen-Kurven der Herzaktion unter verschiedenen Bedingungen abgebildet:
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Enddiastolische Druck-Volumen-Konstellationen am Ende der Diastole bei Punkt A [bestimmt durch die enddiastolische Druck-Volumen-Relation (EDPVR) als Maß der Lusitropie, oben].
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Endsystolische Druck-Volumen-Konstellationen am Ende der Systole bei Punkt B [bestimmt durch die endsystolische Druck-Volumen-Relation (ESPVR) als Maß der Inotropie, unten].
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Vorlasteffekte (oben links): Verminderung des Schlagvolumens
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[Schlagvolumen (SV)=enddiastolisches Volumen (EDV)−endsystolisches Volumen (ESV)]
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durch Hypovolämie. Bei konstanter Nachlast, Lusitropie und Inotropie führt die Reduktion von EDV (A2) zur Abnahme des SV. Korrektur durch Volumengabe (A3).
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Compliance-Effekte (oben rechts): Verminderte Lusitropie führt zu einer Verschiebung von EDPVR. Bei konstantem enddiastolischem Druck resultiert ein verringertes EDV (A2) mit Abnahme von SV. Korrektur durch Volumengabe unter Inkaufnahme eines erhöhten enddiastolischen Drucks (A3).
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Nachlasteffekte bei konstanter Inotropie (unten links): Nachlaststeigerung führt bei konstanter ESPVR zu einer verkürzten Systole (B2). Das erhöhte ESV führt zur Reduktion von SV. Korrektur durch Nachlastsenkung (B3).
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Nachlasteffekte bei verminderter Inotropie (unten rechts): Bei verminderter Inotropie mit Verschiebung von ESPVR führt bereits eine geringe Nachlaststeigerung zu einer Verkürzung der Systole mit deutlich erhöhtem ESV und entsprechender SV-Reduktion (B2). Korrektur durch Nachlastsenkung und Verbesserung der Inotropie (B3).
Aufgrund der Frank-Starling-Beziehung stellt ein ausreichendes EDV neben der Kontraktilität die zentrale Bedingung für ein adäquates SV und HZV dar. Ob eine Volumengabe zu einer Verbesserung der Gewebeperfusion führen wird, hängt von der Fähigkeit des Herzens ab, die Steigerung des EDV in eine Steigerung des SV umzusetzen (Abb. 3). Im steilen Abschnitt der Frank-Starling-Kurve führt eine Vorlaststeigerung durch Volumensubstitution zu einem gleichgerichteten Anstieg von SV, MAP und kardialem Füllungsdruck, während im flachen Abschnitt nur der kardialen Füllungsdruck ansteigt. Da die Volumenreagibilität aufgehoben ist, führt eine Volumengabe nicht zur Verbesserung der Gewebeperfusion, sondern erzeugt lediglich Nebenwirkungen. Während der initialen Kreislaufstabilisierung muss die Position auf der Frank-Starling-Kurve meist anhand der initial verfügbaren Parameter MAP, Herzfrequenz und ggf. ZVD abgeschätzt werden. Aufgrund der Abhängigkeit des MAP von HZV und SVR und der unsicheren Korrelation der kardialen Füllungsdrücke mit dem EDV wird bei anhaltender Kreislaufinstabilität meist ein erweitertes hämodynamisches Monitoring erforderlich. Da das HZV durch den Nachlasteffekt eines überproportional erhöhten SVR limitiert werden kann (Abb. 2; [75]), müssen für eine differenzierte, individualisierte Kreislaufoptimierung folgende Fragen zur Einordnung des hämodynamischen Profils beantwortet werden [130]:
1. Wird das Herz auf eine Vorlaststeigerung mit einem SV-Anstieg >10–15% ansprechen? Besteht also eine relevante Volumenreagibilität?
2. Ist der Vasotonus erniedrigt, normal oder gesteigert?
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Wird das Herz bei Anhebung des Vasotonus mithilfe von Vasopressoren seine Auswurfleistung beibehalten oder dekompensieren?
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Wird das Herz bei Absenkung des Vasotonus seine Auswurfleistung steigern, oder wird der MAP auf inakzeptable Werte absinken?
3. Besteht eine schwere Rechtsherzinsuffizienz?
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Volumensubstitution besonders kritisch (s. Abschn. „Kardiale Dysfunktion“).
4. Bestehen Myokardinfarkt, Perikardtamponade, Lungenembolie oder Pneumothorax?
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Spezifische Therapie vordringlich.
Volumenreagibilität
Volumenbelastungstest
Aufgrund der Frank-Starling-Beziehung und der potenziellen Nebenwirkungen hochdosierter Katecholamine besitzt die Beurteilung der Volumenreagibilität entscheidende Bedeutung. In der Literatur wird ein SV-Anstieg von 10–15% nach Bolusgabe von 0,5–1 l im Rahmen eines Volumenbelastungstests als relevante Volumenreagibilität bewertet [130]. Da es sich jedoch um keine Prädiktion im eigentlichen Sinn handelt, resultieren bei wiederholter Anwendung von Volumenbelastungstests an kritisch kranken Patienten in ca. 40% unnötige Volumengaben, die bestenfalls ohne Effekt bleiben, in kritischen Situationen jedoch auch das Auftreten von Nebenwirkungen wie kardiale Dekompensation, Lungenödem oder abdominelles Kompartmentsyndrom begünstigen können [107]. Diese Risiken können vermieden werden, wenn die Volumenbelastung durch Oberkörpertieflagerung mit Autotransfusion des subdiaphragmalen Blutvolumens erfolgt. Die als „leg raise test“ bezeichnete Technik hat gegenüber einer klassischen Volumenbelastung durch Infusion den Vorteil der Reversibilität und kann in Zweifelsfällen dazu beitragen, unnötige Hypervolämien zu vermeiden. Unter den optimalen Bedingungen der kontinuierlichen Pulskonturanalyse kann der Effekt unmittelbar anhand der SV-Veränderung erkannt werden. Die technischen Details der hierfür zur Verfügung stehenden Systeme können der detaillierten Übersichtsarbeit von Wittkowski et al. [189] entnommen werden. Unter intermittierender HZV-Messung mithilfe des PAK müssen unmittelbar vor und wenige Minuten nach Beginn der Oberkörpertieflagerung entsprechende Messungen durchgeführt werden. Ist eine HZV-Messung unmöglich, können ein Anstieg des MAP und eine Reduktion der Herzfrequenz unter Beachtung des ZVD-Verlaufs als Surrogat herangezogen werden.
Statische Vorlastparameter
Da ein erhöhter ZVD durch zahlreiche Faktoren wie Myokardhypertrophie, kardiale Vitien, pulmonale Hypertonie, diastolische Relaxationsstörung oder durch Steigerungen des intrathorakalen und intraabdominellen Drucks bedingt sein kann, weist er innerhalb eines weiten Bereichs keinen prädiktiven Wert für den Volumenstatus und die Volumenreagibilität auf. Ähnliches gilt für den pulmonalarteriellen Verschlussdruck („pulmonary artery occlusion pressure“, PAOP; [79, 86, 93, 107, 123, 130, 131]). Obwohl beide Parameter einen Stellenwert als „Alarmgrenzen“ besitzen, indem sie bei entsprechendem Anstieg auf Störungen der kardialen Funktion oder obstruktive Schocksyndrome hinweisen und eine Abschätzung der hydrostatischen Last der vorgeschalteten Organe ermöglichen, sind sie nur sehr bedingt zur Steuerung einer Volumentherapie geeignet.
Eine genauere Bewertung des Volumenstatus gestatten volumetrische Indizes wie das globale enddiastolische Volumen (GEDV), das intrathorakale Blutvolumen (ITBV) und das extravaskuläre Lungenwasser (EVLW), die aus der transpulmonalen Thermodilutionskurve errechnet werden [86, 98, 105, 151, 152, 153, 161]. Obwohl diese volumetrischen Indizes eine zuverlässigere Bewertung der Vorlast gestatten als die kardialen Füllungsdrücke, wird ihr prädiktiver Wert für eine Volumenreagibilität durch die mangelhafte Korrelation von EDV und SV-Anstieg bei kardiopulmonalen Erkrankungen eingeschränkt [107, 130, 131, 189]. Da eine erniedrigte Vorlast nicht zwangsläufig mit Vorlastreagibilität gleichzusetzen ist, bleibt ein HZV-Anstieg >15% auf Volumengabe auch bei erniedrigtem ITBV in ca. 30% der Fälle aus [86, 130].
Dynamische Vorlastparameter
Im Gegensatz zu statischen Vorlastparametern scheint die Verwendung von dynamischen Parametern unter optimalen Bedingungen eine Vorhersage der Volumenreagibilität zu ermöglichen. Die technisch einfachste und klinisch am weitesten verbreitete Methode nutzt den Einfluss der maschinellen Beatmung auf die Herz-Lungen-Interaktion und deren Abbildung in der arteriellen Druckkurve [106, 189]. Durch Pulskonturanalyse kann der zyklische Einfluss der Atmung auf die arterielle Druckkurve in Form der Schlagvolumenvariation (SVV) oder Pulsdruckvariation (PPV) ermittelt werden. Obwohl eine SVV ≥10% und eine PPV ≥15% in verschiedenen Untersuchungen einen SV-Anstieg um 10–15% auf 500 ml Volumenbolus hinreichend genau vorhersagten [131], müssen die Limitationen des Verfahrens beachtet werden, um eine Fehlbeurteilung zu vermeiden. Für eine zuverlässige Interpretation der Herz-Lungen-Interaktion sind neben einer störungsfreien arteriellen Druckkurve ein konstanter Sinusrhythmus und eine kontrollierte Beatmung mit ausreichenden Tidalvolumina erforderlich. Obwohl die Aussagekraft des Verfahrens bei Tidalvolumina <8 ml/kgKG oder hohen Beatmungsfrequenzen zunächst bezweifelt wurde [39, 40], deuten aktuelle Studien daraufhin, dass die Methode auch bei 6 ml/kgKG anwendbar ist [69, 131]. Bei schwerer Rechtsherzinsuffizienz oder Perikardtamponade ist eine Vorhersage anhand von SVV oder PPV jedoch nicht möglich, da die interventrikuläre Interdependenz zu einer erhöhten Variation führt, ohne dass eine Volumenreagibilität vorliegt [130].
Infusionslösungen und Volumenersatzmittel
Infusionslösungen mit unterschiedlichsten Modifikationen stehen in einer großen Zahl zur Verfügung. Als Anforderung an einen „idealen“ Volumenersatz nannte Zander [191] ein physiologisches Elektrolytmuster (isoionisch und isoton), einen physiologischen Säure-Basen-Status (isohydrisch) und einen physiologischen kolloidosmotischen Druck (isoonkotisch). Die Bedeutung der letzten Bedingung für die Differenzialindikation von kristallinen und kolloidalen Lösungen ist weiterhin Gegenstand einer kontroversen Diskussion. Obwohl zu dieser Auseinandersetzung und den pharmakologischen Details der kolloidalen Lösungen mehrere umfangreiche Übersichtsarbeiten aktuellsten Datums existieren [25, 32, 38, 44, 55, 56, 70, 175, 182, 185, 186], soll an dieser Stelle aus Gründen der Vollständigkeit auf die Grundzüge der aktuellen Diskussion eingegangen werden.
Experimentelle und klinische Effekte kolloidaler Lösungen
Basis der Empfehlung verschiedener Autoren, intravasale Volumenverluste vornehmlich mit Kolloiden auszugleichen, ist die Intention, eine intravasale Normovolämie zu erreichen, ohne eine interstitielle Ödembildung zu begünstigen [20, 69, 174]. Da kristalline Lösungen die Endothelbarriere frei permeieren und zu vier Fünftel ihres infundierten Volumens in das Interstitium strömen, sollten sie diesem Konzept zufolge nur für den Ersatz extrazellulärer, extravasaler Flüssigkeitsverluste eingesetzt werden [69]. Hierfür sprechen experimentelle und klinische Untersuchungen, deren Ergebnisse bei Verwendung unterschiedlicher Kolloide auf eine bessere Volumenwirksamkeit, eine bessere Normalisierung des kolloidosmotischen Drucks, eine geringere Inzidenz von interstitiellen Ödemen, verminderte Leukozyten-Endothel-Interaktionen und eine verbesserte Gewebeoxygenierung gegenüber Kristalloiden hinweisen [3, 28, 39, 45, 59, 61, 89, 94, 97, 99, 101, 118, 133, 136, 166, 173, 178].
Das Konzept einer kolloidbasierten Volumenersatztherapie wird zudem von experimentellen Studienergebnissen zur Funktion der endothelialen Glykokalyx gestützt. Dieser mit Plasmaproteinen beladenen Schicht zwischen Endothel und Intravasalraum scheint neueren Beobachtungen zufolge die wesentliche Barrierefunktion zwischen dem intravasalen und interstitiellen Kompartiment des Extrazellularraums zuzukommen [25, 66, 69, 140]. Ihre Intaktheit wird durch verschiedene Faktoren, die häufig bei kritisch kranken Patienten anzutreffen sind, gefährdet. So führen beispielsweise hohe Konzentrationen proinflammatorischer Zytokine und Ischämie/Reperfusion zu einer Degradation der Glykokalyx [24, 25, 137]. Experimentelle Studien weisen darauf hin, dass im Vergleich zu kolloidfreier Lösung die experimentelle Perfusion mit albuminhaltigem Puffer zu einer verbesserten Integrität des „endothelial surface layers“ führt, einer Verbindung physiologischer Plasmabestandteile mit der Glykokalyx [67]. Ähnliche Effekte wurden auch bei Perfusion mit 6%iger Hydroxyäthylstärke (6% HES) beobachtet, deren Anwesenheit im Perfusat die Permeabilitätsstörung nach Degradation der Glykokalyx verminderte [140]. Da die Glykokalyx nicht nur die Gefäßpermeabilität beeinflusst, sondern auch in die Regulation von Leukozyten-Endothel-Interaktionen und Gefäßweite eingebunden ist [69, 111, 134], scheint die Bevorzugung von kolloidalen Volumenersatzlösungen bei intravasaler Hypovolämie pathophysiologisch sinnvoll zu sein. Obgleich nicht beweisend für diese Hypothese, ist in diesem Zusammenhang auffällig, dass in der überwiegenden Mehrzahl der erfolgreichen perioperativen GDT-Studien Kolloide zur Vorlastoptimierung eingesetzt wurden [20].
Demgegenüber steht das Argument der Kritiker eines kolloidbasierten Konzepts, dass es bislang in keiner randomisierten, kontrollierten klinischen Studie gelang, bei direktem Vergleich mit Kristalloiden einen Überlebensvorteil für den Einsatz von Kolloiden nachzuweisen [55, 186]. Hierfür sind zunächst methodische Gründe anzuführen, da nahezu alle Vergleichsstudien auf Endpunkte von Hämodynamik, Gewebeperfusion und -oxygenierung angelegt waren, jedoch keine ausreichende Patientenzahl aufwiesen, um Effekte auf das Überleben zuverlässig beurteilen zu können. Dementsprechend konnte auch keine der aktuellen Metaanalysen einen solchen Effekt beschreiben [21, 128, 148, 192].
Für Humanalbumin liegen aussagekräftige Daten aus einer multizentrisch geführten, randomisierten Doppelblindstudie (SAFE-Studie) vor, in der 6997 kritisch kranke Patienten während ihres Intensivaufenthalts entweder 0,9%ige NaCl- oder 4%ige Humanalbuminlösung als Volumenersatz erhielten [46]. Bezüglich des primären Endpunkts Letalität bestand zwischen den Behandlungsgruppen kein Unterschied (21,1 vs. 20,9%). Ebenso unterschied sich die Rate neu aufgetretener Organversagen nicht. Obwohl in der Subgruppe der Patienten mit Sepsis post hoc ein Trend zu einer niedrigeren Letalität unter Humanalbumin auffiel (35,3 vs. 30,7%), war auch dieser nicht signifikant (p=0,09). Allerdings war die Inzidenz von Lungen- oder Nierenversagen mit 2% sehr gering. Es wiesen 55% der Patienten keinerlei Organversagen auf, sodass die Krankheitsschwere nicht dem Krankheitsbild des schweren septischen Schocks vergleichbar scheint. Dies könnte zu einer Unterschätzung des Albumineffekts beigetragen haben, da der größte Vorteil von Kolloiden gegenüber Kristalloiden bislang während der Initialtherapie schwerer Hypovolämien beobachtet wurde, wenn eine möglichst schnelle Vorlaststeigerung zur Optimierung der Gewebeperfusion erforderlich war [136, 173, 178, 188]. Darüber hinaus setzt die Detektion eines relevanten Effekts einer Volumenstrategie voraus, dass sie in der Phase der relevanten Gewebeminderperfusion untersucht wird. Dies muss aufgrund der Krankheitsschwere für das Patientenkollektiv der SAFE-Studie bezweifelt werden. In dieselbe Richtung weist der niedrige Volumeneffekt von 1:1,4 bei Volumenersatz mit 4%iger Humanalbumin- gegenüber 0,9%iger NaCl-Lösung [46]. Die exakte Quantifizierung des Blutvolumens mithilfe der Doppel-Tracer-Technik vor und nach präoperativer Hämodilution am Menschen zeigte für 5%ige Humanalbumin- und 6%ige HES-lösung einen Volumeneffekt von über 90% und übertraf somit den postulierten Effekt isotoner Kristalloide um das 4- bis 5-Fache [139]. Wurden dieselben isoonkotischen Kolloidpräparationen hingegen zusätzlich in einen zuvor normovolämen Kreislauf infundiert, betrug dieser Effekt lediglich ca. 40% [138]. Dieser kontextsensitive Volumeneffekt, der mit der experimentell beobachteten Degradation der Glykokalyx durch Freisetzung von atrialem natriuretischem Peptid (ANP) bei Hypervolämie in Verbindung stehen könnte [17], stellt neben anderweitig bedingten Störungen der endothelialen Barriere eine nachvollziehbare Erklärung für die widersprüchlichen Ergebnisse dar, die bei Anwendung von natürlichen sowie künstlichen Kolloiden in der Initialphase und dem späteren Krankheitsverlauf kritisch kranker Patienten berichtet wurden.
Nierenfunktion
Die Diskussion zur Nephrotoxizität von Kolloiden, insbesondere von HES, wird im Wesentlichen von einer älteren randomisierten Untersuchung und den Ergebnissen der VISEP-Studie dominiert [19, 163]. Die VISEP-Studie untersuchte die Effekte einer Volumentherapie mit 10% HES 200/0,5 (Hemohes 10%®, Braun-Melsungen) gegenüber einer kristallinen Lösung (Sterofundin®, Braun-Melsungen) an kritisch kranken Patienten mit schwerer Sepsis und fand in der HES-Gruppe eine signifikante Zunahme von akutem Nierenversagen, Nierenersatzverfahren und einen dosisabhängigen Trend zu einer höheren 90-Tage-Mortalität [19]. Wie andernorts detailliert diskutiert [14, 18, 55, 56, 57, 143, 175], wurden die Studienergebnisse wegen der Verwendung einer hyperonkotischen HES-Präparation der zweiten Generation mit z. T. deutlicher Überschreitung der zugelassenen Maximaldosis heftig kritisiert. Zudem war die hämodynamische Optimierung anhand der Zielkriterien der frühen GDT bei über 80% der Patienten bereits vor Studieneinschluss abgeschlossen, meist unter Verwendung von HES in beiden Gruppen. Eine relevante Störung der Gewebeperfusion aufgrund intravasaler Hypovolämie darf daher auch bei der Mehrzahl der Patienten der VISEP-Studie bezweifelt werden. Die Untersuchung scheint somit für die Beurteilung einer fortgesetzten Volumentherapie mit einer hochdosierten, hyperonkotischen HES relevant, gestattet jedoch keine verlässlichen Aussagen über die Effekte einer zeitlich begrenzten Kolloidtherapie in der Akutphase der schweren Gewebeminderperfusion. Dies trifft insbesondere für die Therapie mit modernen isoonkotischen HES-Präparationen, wie der 6% HES 130/0,4–0,42, zu. Diese Präparationen führen durch ihren niedrigeren Substitutionsgrad zu einer geringeren Gewebespeicherung und bergen aufgrund der niedrigeren Konzentration ein geringeres Risiko für hyperonkotische Nebenwirkungen [43, 82, 173, 181, 182]. Speicherungsphänomene und relevante nephrotoxische Effekte sollten dementsprechend wesentlich seltener sein, als dies bei Verwendung hyperonkotischer HES-Lösungen mit höherer Konzentration, höherem Molekulargewicht und Substitutionsgrad zu beobachten war [19, 27, 43, 115, 117, 163].
Da andere experimentelle und nichtrandomisierte klinische Untersuchungen bei direktem Vergleich von HES 130 mit HES 200 oder Gelatinelösung jedoch keine substanzspezifischen Unterschiede hinsichtlich der Nierenfunktion nachweisen konnten [12, 55, 64, 157, 160], empfehlen die Kritiker einer kolloidbasierten Volumenstrategie Zurückhaltung bei der Indikationsstellung für künstliche Kolloide bei kritisch Kranken [55]. Unterstützt wird diese zurückhaltende Haltung durch verschiedene Metaanalysen und Übersichtsarbeiten, die insbesondere bei Verwendung von HES in der Sepsis auf ein erhöhtes Risiko für Nierenfunktionsstörungen hinwiesen [31, 32, 186, 192]. Nachdem die Datengrundlage dieser Arbeiten jedoch überwiegend von den Ergebnissen der VISEP-Studie dominiert wird und keine Subgruppen der verwendeten HES-Präparationen gebildet wurden, bieten die Metaanalysen keinen über die VISEP-Studie hinausreichenden Erkenntnisgewinn [175]. Der Befürchtung einer relevanten Nephrotoxizität steht eine Beobachtungsstudie an 3147 kritisch kranken Patienten entgegen, in der die Anwendung von HES 130 und HES 200 bei geringerer Dosis als in der VISEP-Studie nicht mit einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion assoziiert war [155].
Obwohl eine definitive Aussage anhand randomisierter Studien zu 6% HES 130 derzeit noch nicht abschließend möglich ist, scheint ihr begrenzter Einsatz zur Therapie relevanter Hypovolämien in klinisch üblicher, moderater Dosierung auch bei kritisch kranken Patienten daher ein akzeptables Nutzen-Risiko-Verhältnis aufzuweisen. Der alternative Einsatz von Gelatinepräparaten bietet neueren Studienergebnissen zufolge jedenfalls keinen Vorteil gegenüber HES 130 [32, 157, 160].
Die 4%ige Humanalbuminlösung erwies sich hinsichtlich der Nierenfunktion in der SAFE-Studie vergleichbar sicher wie 0,9%ige NaCl-Lösung [46]. Allerdings lässt eine aktuelle prospektive Kohortenstudie zur Schocktherapie an 1013 Patienten vermuten, dass diese Sicherheit weniger durch die Substanz selbst als vielmehr durch die onkotischen Eigenschaften der verwendeten Lösung begründet ist [162]. Hypoonkotische Kolloide, wie 4%ige Humanalbumin- und Gelatinelösung, erwiesen sich auch in dieser Studie vergleichbar sicher wie kristalline Lösungen. Der Einsatz von HES war mit einer 2,5-fach höheren Rate akuter Nierenversagen assoziiert. Bei Verwendung von hyperonkotischem Humanalbumin wurden jedoch eine 6-fach höhere Rate akuter Nierenversagen und ein 2,8-fach höheres Sterberisiko beobachtet [162]. Wenngleich aus methodischen Gründen Einflüsse anderer Faktoren auf die Ergebnisse nicht ausgeschlossen werden können, weist die Untersuchung daher darauf hin, dass den onkotischen Eigenschaften der Präparate und der Vermeidung hyperonkotischer Plasmaverhältnisse unabhängig von der jeweiligen Substanz eine erhebliche Bedeutung für das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Volumenersatzes zukommt. Effekte der unterschiedlichen onkotischen Eigenschaften verschiedener HES-Präparationen können den Ergebnissen leider nicht entnommen werden, da keine Differenzierung der HES-Lösungen erfolgte.
Koagulopathie
Ähnlich differenziert müssen die gerinnungshemmenden Nebenwirkungen kolloidaler Lösungen beurteilt werden. Mit Ausnahme der hierzulande mittlerweile irrelevanten Dextranlösungen weisen hochmolekulare, hochsubstituierte HES-Lösungen die stärksten Effekte auf die Thrombozytenfunktion, den Faktor VIII, den Von-Willebrand-Faktor und die Gerinnselfestigkeit auf. Dementsprechend war der Einsatz dieser mittlerweile veralteten Lösungen in verschiedenen klinischen Untersuchungen mit einer signifikanten Zunahme hämorrhagischer Komplikationen vergesellschaftet [83]. Mit der Reduktion von Molekulargewicht und Substitutionsgrad nehmen diese Effekte in relevantem Ausmaß ab [48, 172] und sind trotz weiterhin messbarer Veränderungen in vitro in den meisten Situationen nicht mit einem klinisch relevant gesteigerten Blutungsrisiko assoziiert [78, 83, 109, 115, 164]. Im direkten Vergleich führt 6% HES 130/0,4–0,42 in vitro zwar zu einer stärker verminderten Gerinnselbildung als Ringer-Laktat-Lösung, unterscheidet sich bis zu einer 40%igen Hämodilution diesbezüglich allerdings nicht von den Effekten der traditionell als gerinnungsinert angesehenen Gelatinelösung [22, 49, 109]. Obwohl Humanalbumin in einer Studie an postoperativen kardiochirurgischen Intensivpatienten mit einer geringeren Beeinträchtigung der Gerinnselbildung assoziiert war, bestanden zwischen den mit HES 130 und Humanalbumin behandelten Gruppen keine transfusionsrelevanten Unterschiede [165].
Zusammenfassung
Berücksichtigt man neben den geltenden Kontraindikationen für HES die aktuelle Datenlage zu den verfügbaren kolloidalen Alternativen, so scheint weder die ausschließliche Bevorzugung von Kolloiden zum Ausgleich intravasaler Hypovolämien noch ihre generelle Ablehnung gerechtfertigt. Trotz der möglichen Vorteile ihres besseren Volumeneffekts und der Annahme, dass ihre Anwendung mit einer geringeren interstitiellen Ödembildung einhergeht, erfordern die beobachteten Nebenwirkungen älterer Kolloidpräparationen und der für HES 130 noch ausstehende Beweis einer diesbezüglichen Unbedenklichkeit weitere klinische Studien ausreichender Größe und Qualität. Mittlerweile wurden drei solcher Studien zum Vergleich von HES 130 gegenüber 0,9%iger NaCl-Lösung initiiert. Mit ersten Ergebnissen ist ab 2011 zu rechnen.
Um den größeren Volumeneffekt von kolloidalen Lösungen in der Phase der relevanten intravasalen Hypovolämie zu nutzen, wird in der Institution der Autoren bis zum Vorliegen dieser Studienergebnisse derzeit 6% HES 130 eingesetzt, „wenn bei Verwendung von Kristalloiden die erforderliche ausreichende Vorlaststeigerung nicht in akzeptabler Zeit zu erwarten ist“. Um das Risiko für Nebenwirkungen durch hohe kumulative HES-Dosen gering zu halten und eine ausreichende Hydratation zu sichern, „wird ein Verhältnis Kristalloide/Kolloide von 2–3:1 im Tagesmittel empfohlen“ [119]. Eine vergleichbare Empfehlung für moderne HES-Präparationen und Gelatine enthalten die jüngst publizierten europäischen Leitlinien zum traumatischen Volumenersatz [150].
Verschiedene Krankheitsbilder und Syndrome
Traditionell wird eine liberale Volumenstrategie bei hypovolämischem und septischem Schock, bei akutem Nierenversagen und kritischer zerebraler Perfusion als vorteilhaft erachtet. Demgegenüber werden bei respiratorischer Insuffizienz, ARDS, schwerer Herzinsuffizienz und erhöhtem intraabdominellem Druck oftmals konservative Volumenstrategien empfohlen. Der Intensivmediziner steht hierbei vor der Problematik, dass die genannten Syndrome meist nicht isoliert, sondern in Kombination vorliegen. Die Nutzen-Risiko-Abwägung einer Volumengabe anhand dieser Empfehlungen scheint entsprechend schwierig. Besonders deutlich wird dies bei pulmonaler Organdysfunktion und schwerer Sepsis, die im Rahmen verschiedenster Krankheitsbilder isoliert oder kombiniert auftreten können.
Pulmonale Organdysfunktion
Die wiederholt beobachtete Korrelation zwischen positiven Flüssigkeitsbilanzen und Gasaustauschstörung führte zu der Empfehlung, bei respiratorischer Insuffizienz, Lungen- oder Ösophaguschirurgie positive Flüssigkeitsbilanzen zu vermeiden [4, 87, 95, 96, 103, 108, 156, 184]. Die randomisierte und kontrollierte Studie des ARDS-Netzwerks zeigte, dass dieser Korrelation ein kausaler Effekt der Volumentherapie zugrunde liegt [184]. Bei Steuerung der Volumensubstitution anhand von ZVD oder PAOP zeichnete sich die konservative Volumenstrategie mit geringerer Flüssigkeitszufuhr gegenüber der liberalen Volumenstrategie durch eine ausgeglichenere Flüssigkeitsbilanz (−0,1 vs. +6,9 l nach 7 Tagen) und eine bessere Oxygenierung mit kürzerer Beatmungs- und Intensivstationsverweildauer (11 vs. 13 Tage) aus. Die 60-Tage-Letalität unterschied sich ebenso wie die Inzidenz extrapulmonaler Organdysfunktionen zwischen den Gruppen nicht. Allerdings wies die Mehrzahl der Patienten bereits bei Studienaufnahme ein hyperdynames HZV ohne Zeichen der Gewebeminderperfusion auf. Extrapulmonale Organfunktionsstörungen waren selten. Bei relevantem Vasopressorenbedarf >5 µg/kgKG/min Dopamin wurde zunächst Volumen substituiert. Von diesen Merkmalen der Studie ausgehend, wies Rivers [147] in einem lesenswerten Editorial auf den Zeitpunkt der Volumensubstitution als wesentlichen Faktor für ihr Nutzen-Risiko-Verhältnis hin. So zeichnen sich nahezu alle Studien, die einen positiven Effekt der Volumensubstitution im Rahmen der GDT bei kritisch Kranken oder perioperativen Risikopatienten belegen konnten, durch einen frühzeitigen Interventionsbeginn in der Phase der initialen Gewebeminderperfusion aus [20, 51, 76, 124, 146]. Die Randomisierung in der ARDS-Netzwerkstudie erfolgte jedoch nach dieser Phase, im Mittel 43 h nach Aufnahme auf die Intensivstation. Da bei relevantem Vasopressorenbedarf zudem eine nichtstandardisierte Volumensubstitution vorgesehen war, belegen die Studienergebnisse zwar die Vorteile einer konservativen Volumenstrategie in der späteren Phase nach Abschluss der initialen Kreislaufstabilisierung im ARDS, gestatten jedoch keine Aussage über die zu bevorzugende Volumenstrategie im Stadium der unzureichenden Gewebeperfusion.
Dass beide Krankheitsphasen auch bei pulmonaler Organdysfunktion unterschieden werden sollten, verdeutlicht eine aktuelle retrospektive Untersuchung an Patienten mit sepsisassoziierter pulmonaler Dysfunktion [113]. Den Ergebnissen der ARDS-Netzwerkstudie vergleichbar, war eine konservative Volumenzufuhr in der späteren Krankheitsphase mit einem besseren Überleben assoziiert als eine liberale Volumenzufuhr. Die geringste Sterblichkeit wurde jedoch bei einem zielorientierten, liberalen Volumenersatz in der Frühphase und anschließendem konservativem Volumenregime in der Spätphase beobachtet [113].
Sepsis
Die Bedeutung einer frühzeitigen bedarfsgerechten Volumensubstitution zeigt sich eindrucksvoll an einer um nahezu 15% reduzierten Letalität bei Umsetzung der GDT innerhalb von 6 h nach Diagnose der schweren Sepsis [146]. Die Beobachtung, dass die wesentlichen Unterschiede in der Volumenzufuhr zwischen beiden Gruppen der Rivers-Studie in den ersten 6 h bestanden, wohingegen nach 72 h eine vergleichbare Volumenzufuhr erreicht worden war, verdeutlicht, dass die Effektivität einer Volumentherapie wesentlich von ihrem Zeitpunkt bestimmt wird. Obwohl das Konzept aufgrund der potenziellen Nachteile supranormaler Therapiestrategien in älteren Untersuchungen auch kritisiert wurde [41], bestätigten Registerdaten den Erfolg der frühen GDT [124], die mittlerweile einen festen Bestandteil der nationalen und internationalen Leitlinien zur Therapie der schweren Sepsis darstellt [35, 142].
Berücksichtigt man die zeitabhängige Effektivität einer Volumentherapie, legt der initial größere Volumeneffekt von Kolloiden einen möglichen Vorteil gegenüber Kristalloiden bei septischem Schock nahe. Da dieser theoretische Vorteil bislang nicht anhand ausreichend dimensionierter Studien belegt werden konnte und künstliche Kolloide insbesondere bei Sepsis mit einer erhöhten Rate an Nierenversagen in Verbindung gebracht wurden, ist eine abschließende Bewertung von Kristalloiden und Kolloiden in der Sepsis derzeit nicht möglich. Während die internationalen Therapieleitlinien diesbezüglich keine Empfehlung geben [35], werden in der deutschen S2-Leitlinie kristalline Lösungen zur hämodynamischen Stabilisierung empfohlen (Grad B; [142]). Der Einsatz älterer hyperonkotischer HES-Präparationen wird nicht empfohlen (Grad A). Die Empfehlung, auch niedermolekulare HES-Lösungen und anderweitige künstliche Kolloide zu vermeiden oder den Einsatz von Humanalbumin zu erwägen (Grad E), beruht auf einer Expertenmeinung und ist, wie bereits dargestellt, Gegenstand einer kontroversen Diskussion.
Renale Dysfunktion
Neben der pulmonalen Organdysfunktion ist auch das akute Nierenversagen eine häufige Organdysfunktionen in der Intensivmedizin und mit einer Letalität von bis zu 56% deutlich „outcome“-relevant [144, 180]. Da Perfusionsstörungen neben toxischen Einflüssen im Vordergrund der Pathogenese stehen, wird einer Normovolämie mit adäquater Gewebeperfusion ein wichtiger protektiver Effekt beigemessen [1, 8, 16]. Als Minimalziel gilt die Aufrechterhaltung eines MAP ≥65 mmHg. Obwohl eine weitere Anhebung des MAP bei Patienten im septischem Schock nicht mit einer weiteren Verbesserung der Nierenfunktion einherging [8], können Verschiebungen der Autoregulation bei arterieller Hypertonie, Nierenarterienstenosen oder Medikation mit nichtsteroidalen Analgetika, Angiotensinkonversionsenzymhemmern und Kalzineurininhibitoren auch höhere Zielwerte erfordern [1]. Da der Einsatz von Vasopressoren in älteren Untersuchungen zu einer Reduktion des renalen Blutflusses führte [29, 145], wurde eine liberale Volumenstrategie bei drohendem Nierenversagen lange Zeit als sinnvoll angesehen. Damit übereinstimmend zeigte eine Metaanalyse, dass die im Maßnahmenpaket der GDT enthaltene Vorlastoptimierung die Rate akuter Nierenfunktionsstörungen bei operativen Risikopatienten signifikant reduziert [16].
Trotz der organprotektiven Effekte einer Vorlastoptimierung in der Phase der renalen Minderperfusion kann ein vergleichbar positiver Effekt einer liberalen Volumenstrategie in der späteren Krankheitsphase auch bei Nierenfunktionsstörungen nicht anhand aussagekräftiger klinischer Studien belegt werden [135]. Stattdessen weisen Beobachtungsstudien an über 1000 Intensivpatienten darauf hin, dass positive Flüssigkeitsbilanzen bei akutem Nierenversagen mit einer höheren Letalität und einer schlechteren Erholung der Nierenfunktion assoziiert sind [13, 125]. Trotz einer diesbezüglich weiterhin nichtgesicherten Kausalität mehren sich die Hinweise, dass eine Hypervolämie durch anhaltende Volumensubstitution auch die Nierenfunktion ungünstig beeinflussen kann. So führen hohe Venendrücke zu einer Reduktion des arteriovenösen Druckgradienten und begünstigen interstitielle Ödeme, die bei umkapselten Organen wie den Nieren die Perfusion und die glomeruläre Filtration reduzieren können [47, 112, 135]. Darüber hinaus steigern intestinale Ödeme den intraabdominellen Druck, dessen Höhe wiederum mit Nierenfunktionsstörungen korreliert [30, 91, 179]. Nicht zuletzt begünstigen Vollelektrolytlösungen, insbesondere 0,9%ige NaCl-Lösung, bei entsprechender Menge eine Hypernatriämie und Hyperchlorämie, die ebenfalls den renalen Blutfluss reduzieren können [141, 159, 187]. Wenngleich Störungen des Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts bei Verwendung balancierter Lösungen geringer ausgeprägt sein sollten [121], ist auch für diese Lösungen kein nephroprotektiver Effekt bei liberaler Anwendung belegt. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Nierenfunktion durch ein konservatives Vorgehen nach Abschluss der bedarfsadaptierten Volumentherapie im Rahmen der frühen GDT nicht gefährdet wird. So wiesen die konservativ behandelten Gruppen von zehn relevanten klinischen Vergleichsstudien einer aktuellen Übersichtsarbeit keine Beeinträchtigung der Nierenfunktion auf [135]. In der diesbezüglich größten randomisierten Studie des ARDS-Netzwerks zeichnete sich die konservativ behandelte Gruppe sogar durch eine tendenziell niedrigere Rate an Nierenersatzverfahren aus (10 vs. 14% bei liberaler Volumenstrategie; p=0,06; [184]). Um ein konservatives Volumenregime ohne Gefährdung der Nierenfunktion umsetzen zu können, muss jedoch hinreichende Sicherheit hinsichtlich der Gewebeperfusion und -oxygenierung bestehen. Wird eine Hypovolämie durch den inadäquaten Einsatz von Vasopressoren maskiert, kann ein akutes Nierenversagen resultieren (Fallbeispiel 4; Abb. 4; [29, 60, 145]).
Fallbeispiel 4
Patient nach Magenhochzug bei Ösophaguskarzinom (Abb. 4)
Bei schwerer obstruktiver Lungenerkrankung protrahiertes „weaning“ mit Extubation am 6. postoperativen Tag. Verbesserung des Gasaustausches durch Negativbilanzierung unter Inkaufnahme von gering dosiertem Noradrenalin (0 h). Achtundvierzig Stunden später zunächst unbemerkte Hypovolämie mit Abfall der SzvO2 (48 h). Parallel drastisch rückläufige Diurese, die irrtümlich mit Diuretika behandelt wurde. Nach Volumensubstitution Normalisierung von SzvO2, Blutdruck und Diurese. Dennoch weiterer Abfall der Kreatinin-Clearance (KrCl) im Sinne einer prärenalen Nierendysfunktion (72 h). Reparation innerhalb der folgenden 7 Tage.
Eine besondere Situation stellt das hepatorenale Syndrom bei schwerer Leberzirrhose dar. Hypoalbuminämie und Vasodilatation im Splanchnikusgebiet führen trotz eines vergrößerten extrazellulären Volumens zu intravasaler Hypovolämie, Hypotonie und zu einer kompensatorischen renalen Vasokonstriktion als wesentlichem Pathomechanismus [10]. Zwei kleinere klinische Studien weisen übereinstimmend darauf hin, dass die Gabe von 1–1,5 g/kgKG 20%igem Humanalbumin neben einer medikamentösen Vasokonstriktion mit Terlipressin die Nierenfunktion bessern kann [122, 169]. Um negative Effekte von hyperonkotischem Humanalbumin auf die Nierenfunktion zu vermeiden, sollte eine diuretikainduzierte Hypohydratation vermieden bzw. durch begleitende Kristalloidzufuhr korrigiert werden [10].
Kardiale Dysfunktion
Da ein ausreichendes HZV bei akuter Herzinsuffizienz nur in einem kleinen Abschnitt der Frank-Starling-Kurve gewährleistet ist, stellt die Steuerung der Volumentherapie bei kardialen Risikopatienten eine besondere Herausforderung dar. Aufgrund des Risikos einer kardialen Dekompensation mit akut bedrohlichen Ödemen im vorgeschalteten Stromgebiet wird eine Volumengabe bei akuter Herzinsuffizienz traditionell kritisch gesehen. Wird der optimale Bereich der Frank-Starling-Kurve allerdings unterschritten, führt eine medikamentöse oder körpereigene Vasokonstriktion trotz normaler Blutdruckwerte schnell zu einer überproportionalen Nachlaststeigerung mit weiterer HZV-Reduktion und Gewebehypoxie (Abb. 2; Fallbeispiel 5; Tab. 4). Da rasch progrediente Lungenödeme häufig auf einer Nachlaststeigerung und nicht auf einer Hypervolämie im eigentlichen Sinn beruhen, tritt die traditionell verbreitete Gabe von Diuretika in den aktuellen Empfehlungen zur Therapie der akuten Herzinsuffizienz zunehmend hinter die Gabe schnell wirksamer Vasodilatatoren zurück [104]. In Fällen mit kritischer Gasaustauschstörung und inadäquatem HZV können Nachlast und EVLW durch eine maschinellen Beatmung reduziert werden, sodass wieder Volumenreagibilität erreicht wird und das HZV durch sequenzielle Volumengabe bedarfsgerecht angehoben werden kann [11].
Fallbeispiel 5
Patientin nach Mitralklappenersatz bei schwerer Mitralinsuffizienz mit dilatativer Kardiomyopathie (Ejektionsfraktion 40%; Tab. 4)
Unmittelbar postoperativ Monitoring ohne HZV-Messung, da die intraoperative Platzierung des PAK zu schweren Arrhythmien führte. Bei Aufnahme auf die Intensivstation (0 h) MAP, ZVD, SzvO2 und Diurese unter niedrig dosierter Adrenalininfusion normwertig. Bei sinkender SzvO2 und rückläufiger Diurese Anlage eines PiCCO®-Systems zur transpulmonalen Thermodilution. Hierdurch Detektion des unzureichenden HZV bei exzessiv erhöhtem SVR (8 h). Bei normwertigem ITBVI Wechsel von Adrenalin auf Milrinon. Unter Milrinon deutliche Nachlastreduktion und verbesserte Lusitropie mit HZV-Verdopplung bei reduziertem Füllungsdruck (10 h). Hierdurch Normalisierung der SzvO2 und Wiederbeginn der Diurese (20 mg Furosemid). Differenzialtherapie mit Milrinon und Volumensubstitution anhand von HZV, SVR, ITBVI, EVLWI und SzvO2 bis zur Extubation (20 h).
Als Marker eines inadäquaten HZV wird auch bei kardial vorerkrankten Patienten die Gewebeoxygenierung herangezogen. Obwohl die Patienten oftmals eine chronisch gesteigerte O2-Extraktion mit entsprechend erniedrigter S⊽O2/SzvO2 aufweisen und die Wertigkeit der Parameter bei chronischer Herzinsuffizienz widersprüchlich beurteilt wird [50, 120], weisen Studien zur bedarfsadaptierten hämodynamischen Optimierung darauf hin, dass erniedrigte Werte nicht kritiklos akzeptiert werden sollten [102, 126, 127, 132]. Für die Differenzierung einer chronisch erniedrigten S⊽O2/SzvO2 von einer neu aufgetretenen Gewebehypoxie können die Laktatkonzentration, Verlaufsmessungen und deren Einordnung in die klinische Gesamtkonstellation hilfreich sein (Tab. 1; Tab. 2).
Um den individuell unterschiedlichen hämodynamischen Konstellationen herzinsuffizienter Patienten gerecht zu werden, ist eine HZV-Messung für die Therapiesteuerung bei relevanter Kreislaufinstabilität unverzichtbar. Während die Verfügbarkeit volumetrischer Indizes bei Linksherzinsuffizienz einen Vorteil der transpulmonalen Thermodilution darstellt, ist ihre Aussagekraft bei schwerer Rechtsherzinsuffizienz aufgrund der interventrikulären Interdependenz eingeschränkt. Neben der direkten Beurteilung der rechtsventrikulären Funktion durch die Echokardiographie liefert hier der PAK wertvolle Informationen über die rechtsventrikuläre Nachlast. Deren Kenntnis kann das Volumenmanagement relevant beeinflussen, da eine unkritische Volumenzufuhr bei akuter pulmonaler Widerstandssteigerung zu einer zunehmenden Septumverlagerung mit reduzierter linksventrikulärer Füllung und drastischer Abnahme des SV führen kann. Neben der Anwendung von inhalativen Vasodilatatoren werden bei Rechtsherzversagen daher titrierende Volumenbelastungstests zur Optimierung der Vorlast empfohlen. Als ungefährer Richtwert für eine Volumenreagibilität erwies sich in klinischen Studien ein mittlerer Pulmonalarteriendruck <30 mmHg als geeignet [23].
Traumatischer Schock
Aufgrund der zeitabhängigen Effektivität zielorientierter Optimierungsstrategien [76, 124, 146, 147], sollte ein bestehendes O2-Defizit möglichst innerhalb von 2–6 h ausgeglichen werden [6, 124, 146]. Einen Sonderfall stellt der traumatisch-hämorrhagische Schock mit unkontrollierter Blutung dar, da Letztere durch einen unverhältnismäßig normalisierten Blutdruck und durch die gerinnungshemmenden Effekte des Volumenersatzes verstärkt werden kann. Obwohl diese Effekte v. a. in der Prähospitalphase relevant sind und nach erfolgreicher Blutstillung bei Aufnahme auf die Intensivstation an Bedeutung verlieren, kann eine übermäßige Volumenzufuhr bei Schwerverletzten die Blutungsneigung verstärken und das Auftreten eines abdominellen Kompartmentsyndroms begünstigen [149, 150, 158, 176]. Dies trifft insbesondere für Optimierungsstrategien anhand prädefinierter, supranormaler Zielwerte zu, die in einer prospektiven Interventionsstudie und einer retrospektiven Untersuchung an schwer verletzten Intensivpatienten mit einer 2-fach höheren Rate abdomineller Kompartmentsyndrome und einer höheren Letalität assoziiert waren [5, 177]. Um die ebenso beobachteten Nachteile einer inadäquaten Vasopressorentherapie zu vermeiden [170], wird in den aktuellen Empfehlungen zum Traumamanagement eine balancierte Optimierungsstrategie unter individueller Risikoabwägung von Gewebeminderperfusion, Blutungsrisiko und intraabdomineller Hypertension empfohlen [77, 150].
Schädel-Hirn-Trauma und intrakranielle Blutung
Die für die Volumentherapie bei Trauma geforderte Balance ist insbesondere dann schwer zu gewährleisten, wenn ein begleitendes Schädel-Hirn-Trauma vorliegt und ein erhöhter MAP zur Aufrechterhaltung des zerebralen Perfusionsdrucks („cerebral perfusion pressure“, CPP, 60–70 mmHg; [36]) erforderlich ist. Gegenwärtig folgt die Therapie zwei teilweise konkurrierenden Konzepten. Während das Rosner-Konzept von einer intakten Blut-Hirn-Schranke ausgeht und der Aufrechterhaltung eines CPP durch Volumensubstitution mit Kristalloiden und Vasopressoren die wesentliche Bedeutung beimisst, geht das Lund-Konzept von einer gestörten Blut-Hirn-Schranke aus und fokussiert auf Maßnahmen, die der Steigerung des intrakraniellen Drucks („intracranial pressure“, ICP) durch Reduktion der Ödembildung entgegenwirken sollen [81]. Da eine Volumensubstitution mit Humanalbumin in experimentellen und unkontrollierten klinischen Untersuchungen mit einer geringeren intrazerebralen Ödembildung einherging als die Gabe kristalliner Lösungen, wird Humanalbumin von den Vertretern des Lund-Konzepts als Volumenersatz bevorzugt [52, 53, 74]. Dementgegen steht die in der SAFE-Studie bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma post hoc beobachtete signifikant erhöhte Zweijahresletalität in der Albumingruppe (33,2 vs. 20,4%; p<0,001) [114]. Inwieweit dieser Effekt durch die Substanz selbst, durch geringfügige Imbalancen zwischen den Behandlungsgruppen oder durch die Schwächen der Post-hoc-Analyse begründet war, konnte bislang nicht geklärt werden [53, 68, 71].
Den eindeutig nachgewiesenen gerinnungshemmenden Effekten der älteren, hochmolekularen HES-Lösungen stehen einzelne Beobachtungsstudien gegenüber, die bei Verwendung neuerer, niedermolekularer Präparate der dritten Generation nicht von vermehrten Blutungsereignissen berichteten [65, 115]. Nichtsdestotrotz stellt die Hirnblutung nach wie vor laut Produktinformation eine Kontraindikation für alle verfügbaren Präparationen der HES-Produktklasse dar. Ihre Verwendung als Alternative zur umstrittenen Albuminlösung kann somit sicher oftmals medizinisch begründet sein, stellt bei diesem Kollektiv jedoch einen klassischen „off label use“ dar. Die Verwendung von Gelatine hingegen ist zwar formal zugelassen, aber medizinisch nur begrenzt sinnvoll, da ihr Einfluss auf die Gerinnung sich im Bereich moderater Hämodilution klinisch nicht von dem moderner HES-Lösungen unterscheidet [22, 49, 109].
Neuere Daten zur Volumentherapie bei Subarachnoidalblutung (SAB) weisen hingegen darauf hin, dass eine adäquate zerebrale Perfusion auch ohne exzessive Volumenzufuhr erreicht werden kann. So zeigten mehrere randomisierte und nichtrandomisierte Studien, dass die Induktion einer Hypervolämie im Rahmen der „Triple-H“-Therapie einen bestenfalls geringfügigen, wahrscheinlich jedoch zu vernachlässigenden Einfluss auf den zerebralen Blutfluss, das Auftreten von Vasospasmen und das neurologische Ergebnis nach SAB besitzt [40, 80, 110]. Unter der Voraussetzung einer Normovolämie scheint eine darüber hinausgehende Volumenzufuhr nicht vorteilhafter zu sein als die Aufrechterhaltung des CPP durch Vasopressoren. Auch das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Hämodilution wird in den aktuellen Empfehlungen zur Vasospasmustherapie kritisch bewertet, da das regionale O2-Angebot trotz Steigerung der Perfusion unter Hämodilution absinken kann [40, 42]. Während bei Behandlungsbeginn einer SAB oftmals größere Infusionsmengen zum Ausgleich einer intravasalen Hypovolämie benötigt werden, scheint von einer darüber hinausgehenden Hypervolämie kein Vorteil zu resultieren.
Zusammenfassung
Die traditionelle Vorgehensweise, die Volumentherapie bei bestimmten Krankheitsbildern anhand prädefinierter Volumenstrategien zu steuern, scheint neueren Daten zufolge nicht den variablen Erfordernissen kritisch kranker Patienten zu entsprechen. Weitgehend unabhängig von der im Vordergrund stehenden Diagnose wird der Volumenbedarf eines Patienten von der kardialen Volumenreagibilität und der Notwendigkeit einer optimierten Gewebeperfusion determiniert. Diese Notwendigkeit ist dann gegeben, wenn Zeichen einer drohenden oder manifesten Gewebehypoxie bestehen. Während der Verzicht auf Volumensubstitution im Rahmen eines restriktiven Regimes bei Gewebehypoxie Organversagen begünstigen kann, führt ein liberales Regime durch die erhöhte Flüssigkeitsakkumulation zu Organfunktionsstörungen. Da kritisch kranke Patienten häufig Störungen der endothelialen Barrierefunktion aufweisen, bleibt dieses Risiko auch dann bestehen, wenn die Indikation zur Volumensubstitution ausschließlich an der Volumenreagibilität ausgerichtet wird. Eine bedarfsadaptierte Volumentherapie beinhaltet daher nicht nur den Nachweis der Volumenreagibilität, sondern richtet sich am Bedarf für eine notwendige hämodynamische Optimierung aus. Mit gewisser Einschränkung bei traumatisch-hämorrhagischem Schock ist diese Notwendigkeit v. a. während der initialen Kreislaufstabilisierung bestimmend. Nach Abschluss der frühen GDT verliert sie an Bedeutung, da sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer Volumensubstitution zeitabhängig ändert. Insbesondere bei ARDS kann eine zurückhaltende Volumenzufuhr nach Abschluss der initialen Kreislaufstabilisierung wesentlich zu einer Besserung der zugrunde liegenden pulmonalen Organdysfunktion beitragen. Ähnliches muss ebenso für andere, durch interstitielle Ödeme gefährdete Organe angenommen werden. Da auch in der ARDS-Netzwerk-Studie jedoch nur dann eine Beschränkung der Volumenzufuhr vorgenommen wurde, wenn die Patienten keine Zeichen der Organminderperfusion aufwiesen, scheint der von den Autoren verwendete Begriff eines „konservativen“ Regimes eher als der häufig verwendete Begriff „restriktiv“ jene zurückhaltende Volumenstrategie zu kennzeichnen, die unter der Vorbedingung einer intakten Gewebeperfusion und Gewebeoxygenierung Vorteile gegenüber einem liberalem Regime beinhalten kann.
Fazit für die Praxis
Originäre Aufgabe des kardiopulmonalen Systems ist die Gewebeoxygenierung. Die hierzu erforderliche Gewebeperfusion wird maßgeblich durch das HZV bestimmt. Im steilen Abschnitt der Frank-Starling-Kurve kann eine Vorlaststeigerung das HZV, die Gewebeperfusion und konsekutiv auch die Gewebeoxygenierung verbessern. Im Fall einer erniedrigten Vorlast mit inadäquatem HZV und gestörter Gewebeoxygenierung führt die Volumensubstitution daher zu einer erwünschten Verbesserung von Gewebeperfusion und -oxygenierung. Im Fall einer intakten Gewebeoxygenierung bleibt eine Volumensubstitution jedoch bestenfalls wirkungslos und kann sogar potenziell die Organfunktion durch vermeidbare Ödeme beeinträchtigen.
Da der O2-Bedarf kritisch kranker Patienten große Schwankungen aufweist, werden rigide Volumenstrategien dem Ziel einer bedarfsadaptierten Volumentherapie kaum gerecht. Während eine optimale Volumentherapie in der Intensivmedizin sich bei unzureichender Vorlast und gestörter Gewebeoxygenierung durch konsequentes und zielorientiertes Vorgehen auszeichnet, beinhaltet sie Zurückhaltung, wenn die Gewebeoxygenierung intakt ist. Zunächst muss daher anhand kombinierter Kriterien unter Einbeziehung metabolischer Parameter überprüft werden, ob eine Steigerung der Gewebeperfusion pathophysiologisch sinnvoll ist. Ist dies der Fall, hat der Volumensubstitution eine Beurteilung des hämodynamischen Profils und der Volumenreagibilität voranzugehen, um bewerten zu können, ob eine Vorlaststeigerung zu einer HZV-Steigerung führen wird. Der Nachweis einer Volumenreagibilität an sich stellt bei intakter Gewebeoxygenierung keine hinreichende Indikation zur Vorlastoptimierung dar.
Ob kristalline oder kolloidale Infusionslösungen als Volumenersatz zu bevorzugen sind, wird kontrovers diskutiert. Kolloidale Lösungen weisen bei Hypovolämie einen größeren Volumeneffekt auf als kristalline Lösungen. Dieser Effekt nimmt allerdings bei fortgesetzter Volumentherapie mit zunehmender Annäherung an die Normovolämie ab. Trotz der schnelleren Normalisierung hämodynamischer Endpunkte unter Kolloidtherapie konnte bislang kein überlebensrelevanter Vorteil gezeigt werden. Werden Kolloide zum Volumenersatz eingesetzt, muss eine ausreichende Hydratation des Extrazellularraums sichergestellt sein, um hyperonkotische Nebeneffekte zu vermeiden. Obwohl von 6% HES 130 ein geringeres Risiko für Nierenfunktionsstörung auszugehen scheint als von den veralteten hyperonkotischen Präparaten, ist ihre diesbezügliche Unbedenklichkeit bislang nicht zweifelsfrei erwiesen und Gegenstand aktueller klinischer Studien.
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Der korrespondierende Autor weist auf folgende Beziehung hin: B. Nohé hat von der Fa. Fresenius-Kabi Reisekostenerstattung und Unterstützung für wissenschaftliche Projekte erhalten.
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Nohé, B., Ploppa, A., Schmidt, V. et al. Volumentherapie in der Intensivmedizin. Anaesthesist 60, 457–473 (2011). https://doi.org/10.1007/s00101-011-1860-9
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