Hintergrund

Menschen mit Migrationshintergrund als Patienten gehören in Deutschland zum Alltag von Krankenhäusern, Pflegeheimen und Hospizen. Die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund steigt seit Jahren – auch ungeachtet der jüngsten Migration von Flüchtlingen – stetig an. Im Jahre 2013 hatte bereits jeder fünfte Einwohner einen Migrationshintergrund (Statistisches Bundesamt 2014). Dabei spiegelt die Literatur mehrheitlich eine Unterrepräsentierung der Migranten in den Einrichtungen des Gesundheitssystems wider, insbesondere in Pflegeheimen, Palliativstationen und Hospizen (Bundesministeriums für Gesundheit 2011; Henke et al. 2017; Kohls 2012).

Seit Langem wird eine mangelnde transkulturelle Kompetenz als ein Defizit seitens der Leistungserbringer im Gesundheitswesen diskutiert (Polat 2016; Schüler et al. 2013), die es Patienten mit Migrationshintergrund schwierig macht, die gleiche medizinische und pflegerische Versorgung zu bekommen. „Transkulturelle Pflege oder Kompetenz“ meint dabei die Transformation von Alltagswissen in ein reflexives Wissen, das Ursachen und Folgen von Verhaltensweisen erkennt und versteht (Rommelspacher 2005). Dabei sind die Reflexion der eigenen kulturellen Prägung, die Fähigkeit, andere Perspektiven zu erfassen, und die Vermeidung von Stereotypisierungen zentrale Elemente (Domenig 2003).

Aber auch Unkenntnis der Strukturen des Gesundheitssystems und mangelnde deutsche Sprachkenntnisse tragen aufseiten der Migranten zu einer ungleichen Behandlung dieser Patientengruppe bei (Anderson und Frisch 2008; Henke et al. 2015; Salman 2000).

Insbesondere in der medizinischen Behandlung und Pflege am Lebensende können kulturelle Unterschiede akzentuierter auftreten (Krakauer et al. 2002). Nach wie vor fehlen bislang aus diesem Bereich der Hospiz- und Palliativpflege ausreichende Daten über Spezifika der Versorgung von Migranten in Deutschland. In den letzten Jahren wurden vermehrt Publikationen veröffentlicht, die sich diesem Themenkomplex auf unterschiedliche Weise genähert haben: über die Untersuchung spezifischer Migrantengruppen, die Befragung von medizinischen und pflegerischen Experten oder die Analyse von Versorgungsstrukturen. So haben Jansky et al. in einer Umfrage unter palliativmedizinischem Fachpersonal Kommunikationsprobleme als Herausforderungen in der Pflege von arabischen und türkischen Patienten beschrieben, sowie Schwierigkeiten im Umgang mit Familienangehörigen bei der Pflegeplanung (Jansky et al. 2017). Weiterhin wurde eine Unterrepräsentierung von diesen Migrantengruppen angenommen. Für Berlin konnte in einer epidemiologischen Erhebung eine Unterrepräsentierung von Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere von türkischen Migranten, in Hospizen und Palliativstationen festgestellt werden, während andere Gruppen wie russische oder polnische Migranten gut repräsentiert waren (Henke et al. 2017).

In einer qualitativen Studie von Paal und Bükki wurden Patienten mit und ohne Migrationshintergrund zu ihren Erfahrungen in der Palliativ- und Hospizpflege befragt und dabei spezifische Themen für Migranten identifiziert, wie „schlechteres Überleben mit der Erkrankung im Heimatland“, „Gefühl der Nicht-Zugehörigkeit“ und damit ein „Sehnen nach der Heimat“ (Paal und Bükki 2017) („Heimat(land)“ bezieht sich dabei auf das Herkunftsland). Gleichzeitig wurde ein wenig ausgeprägtes Verständnis für das Konzept der Palliativmedizin festgestellt, sowie die Bedeutung der eigenen Migrationsgeschichte für das Selbstverständnis. Migala hat für russischsprachige Migranten die Heterogenität im Hinblick auf ihre subjektiven Bedürfnisse und Erwartungen betont, jedoch auch die Bedeutung der familiären Verbundenheit innerhalb der russischsprachigen Migranten beschrieben (Migala 2016). Auch in dieser Studie wurde auf mangelnde Kenntnisse über Hospiz- bzw. Palliativpflege seitens der Migranten verwiesen.

Für die Hospiz- und Palliativversorgung – und nicht nur für diesen Behandlungsbereich – von Menschen mit ostasiatischem Migrationshintergrund gibt es eine Forschungs- und Wissenslücke in Deutschland. Konkret hat sich keine Arbeit dieser spezifischen Patientengruppe in Deutschland gewidmet. Dabei stellt diese Gruppe in Berlin mit 47.643 Menschen (33.184 Migranten aus Ostasien ohne und 14.459 mit deutscher Staatsangehörigkeit) die drittgrößte Migrantengruppe dar. Dabei haben die Ostasiaten im Vergleich zu anderen Migrantengruppen eines der niedrigsten Durchschnittsalter und eine hohe Einbürgerungsquote, was eine wachsende Bedeutung für die Zukunft nahelegt (Henke et al. 2015). Die wenigen Studien, die sich der Versorgung dieser Migrantengruppe am Lebensende widmen, stammen aus dem angloamerikanischen Raum (Biondo et al. 2017; Khosla et al. 2016; Sun et al. 2017; Venkatasalu 2017). Als Spezifika werden die Zurückhaltung ostasiatischer Patienten in der Schmerzbehandlung beschrieben (Khosla et al. 2016), sowie die starke Entscheidungsrolle der Familie und ihre Präsenz in der Sterbebegleitung (Venkatasalu 2017). Eine einfache Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Situation in Deutschland ist aufgrund der unterschiedlichen Gesundheits- und Versorgungssysteme sowie einer eigenständigen Migrationsgeschichte nicht möglich. Die vorliegende Befragung war Teil des Gesamtprojekts „Hospiz- und Palliativversorgung von Menschen mit Migrationshintergrund im Land Berlin“. Ein Ergebnis aus dem Gesamtprojekt war die schlechte Erreichbarkeit ostasiatischer Menschen. Erst mithilfe eines interkulturellen ambulanten Hospizdienstes mit einem (nichtausschließlichen) Schwerpunkt auf die Begleitung ostasiatischer Menschen und ihrer Angehörigen gelang der Zugang zu dieser Migrantengruppe in Berlin. Damit ist es erstmalig möglich, die Erfahrungen und Bedürfnisse von Patienten mit ostasiatischem Migrationshintergrund und ihrer Angehörigen, die von einem ambulanten Hospizdienst betreut werden, zu erfassen. Die Befragung von Angehörigen zusätzlich zu den Patienten folgt dem Ansatz, dass in der Palliativversorgung Patienten und Angehörige als „unit of care“ gleichermaßen Adressaten von Unterstützungsangeboten sind (Husebø und Klaschik 2003), da Angehörige am Lebensende zunehmend Versorgungsaufgaben übernehmen und für die Behandler zentrale Ansprechpartner sind. Ihre Erfahrungen mit und Wünsche an medizinische und pflegerische Hilfen sind für eine gelingende transkulturelle Pflege damit ebenso bedeutsam, wie das Wissen um Patientenbedürfnisse.

Die Studienergebnisse sollen einen Beitrag zum besseren Verständnis der Bedürfnisse von ostasiatischen Patienten und ihrer Angehörigen am Lebensende in Deutschland leisten.

Methodik

Zur Erhebung der Bedürfnisse der Migranten am Lebensende wurde eine quantitative Erhebung mittels Fragebogen bei ostasiatischen Patienten und ihren Angehörigen, die durch einen interkulturellen Hospizdienst begleitet wurden, durchgeführt. Die Patienten definierten selbst, welche ihr nahestehenden Personen als „Angehörige“ befragt werden sollten. Die Befragung erfolgte nach Aufklärung, Information und Einverständniserklärung und jeweils dort, wo sich die Patienten und Angehörigen gerade aufhielten, ambulant oder stationär.

Die Kooperation der Forschungsgruppe mit dem interkulturellen Hospizdienst in Berlin ermöglichte einen Zugang zu dieser schwer erreichbaren Patientengruppe der ostasiatischen Menschen. Alle im Erhebungszeitraum Mai bis August 2015 vom Hospizdienst betreuten Patienten (und ihre Angehörigen) wurden zunächst durch ein Anschreiben über die Studie informiert und um Studienteilnahme gebeten. Stimmten die Patienten und Angehörigen der Befragung mittels schriftlichem Einverständnis zu, wurde zu einem späteren Zeitpunkt der Fragebogen durch einen Hospizhelfer dem Patienten bzw. Angehörigen ausgehändigt. Die Beantwortung der Fragen erfolgte alleine; wenn nötig unterstützten die Hospizhelfer beim Ausfüllen entsprechend einer standardisierten Anleitung und vorheriger Schulung. Die Hospizhelfer waren nicht gleichzeitig in der Begleitung der jeweiligen Patienten und Angehörigen tätig, um ein erwünschtes Antwortverhalten zu vermeiden.

Der Hospizdienst hat eine – nichtausschließliche – Ausrichtung auf ostasiatische Menschen, daher wurde der Fragebogen auf Deutsch, Koreanisch und Vietnamesisch erstellt. Rückübersetzungen durch Muttersprachler stellten dabei die Bedeutungsgleichheit der übersetzten Fragen sicher, und ein Pretest die Machbarkeit der Befragung.

Der Fragebogen wurde auf der Grundlage der Ergebnisse von zuvor durchgeführten qualitativen Interviews von Hospizhelfern des gleichen interkulturellen Hospizdienstes (Henke et al. 2015) erstellt. Dabei wurden die Hospizhelfer – die selbst alle einen ostasiatischen Migrationshintergrund haben – zu ihrer Einschätzung der Bedürfnisse von Patienten befragt. Die multiprofessionelle Forschergruppe des Gesamtprojekts (s. unten) hat zudem im Rahmen von Expertendiskussionen die Fragebogen ergänzt.

Der Fragebogen besteht neben demografischen Angaben aus 35 Items, die 5 Themenkomplexe umfassen: kulturelle Herkunft, soziales Umfeld, medizinische und pflegerische Versorgung, Glauben und Spiritualität und Kommunikation; zudem wird die Zufriedenheit mit jedem der 5 Bereiche in der erlebten Versorgung erfragt. Alle Fragen sind im Fragebogen ausformuliert (z. B. „Mir ist es wichtig, dass der/die Hospizbegleiter/in meine Muttersprache versteht“). Die einzelnen Items wurden in Form einer 6‑stufigen Likert-Skala beantwortet, wobei der niedrigste Wert „1“ die geringste Übereinstimmung mit der Frage bzw. Aussage ausdrückt und der höchste Wert „6“ die höchste Übereinstimmung. Die Frage nach der Bedeutung von „heimatlichem Essen“ wird sowohl beim Themenkomplex „kulturelle Herkunft“ als auch beim Themenkomplex „medizinische und pflegerische Versorgung“ gestellt. Diese Dopplung erfolgte auf Grundlage der Studienergebnisse (Henke et al. 2015), die zeigen, dass Essen eine zentrale Stellung in der Versorgung am Lebensende einnimmt.

Zusätzlich wurden die Patienten zum Vorliegen einer Patientenverfügung befragt.

Der Fragebogen wurde in einer Patienten- und einer Angehörigenversion erstellt, wobei sich die Fragen dahingehend unterschieden, dass die Angehörigen aus der vermuteten Patientensicht antworten sollten (z. B. „Meiner/m Angehörigen ist es wichtig, dass der/die Hospizbegleiter/in seine/ihre Muttersprache versteht.“).

Die Auswertung erfolgte deskriptiv und anonymisiert, wobei die 6‑stufige Likert-Skala in 3 Antwortkategorien „wichtig bzw. zufrieden“, „neutral“ und „nicht wichtig/unzufrieden“ zur deutlicheren Darstellung unterteilt wurde. Die Ergebnisdarstellung erfolgt jeweils getrennt für Patienten und Angehörige und entlang der 5 Themenkomplexe (Abb. 1234 und 5) sowie für die Zufriedenheit mit den 5 Bereichen in der erlebten Versorgung (Abb. 6). Mittelwerte für die einzelnen Kategorien stellen dabei die Verteilung der Antworten genauer dar. Die Auswertung erfolgte mittels SPSS Win, Version 20. Patienten- und Angehörigenantworten wurden getrennt ausgewertet und bezüglich ihrer Übereinstimmung zu den 5 Themenkomplexen verglichen.

Abb. 1
figure 1

Themenkomplex „kulturelle Herkunft“ – Antworten der Befragten in Punkten auf der Likert-Skala 1 (gar nicht wichtig) bis 6 (sehr wichtig). aMittelwert, bStandardabweichung, cn = 27

Abb. 2
figure 2

Themenkomplex „soziales Umfeld“ – Antworten der Befragten in Punkten auf der Likert-Skala 1 (gar nicht wichtig) bis 6 (sehr wichtig). aMittelwert, bStandardabweichung

Abb. 3
figure 3

Themenkomplex „medizinische und pflegerische Versorgung“ – Antworten der Befragten in Punkten auf der Likert-Skala 1 (gar nicht wichtig) bis 6 (sehr wichtig). aMittelwert, bStandardabweichung, cn = 26

Abb. 4
figure 4

Themenkomplex „Glaube und Spiritualität“ – Antworten der Befragten in Punkten auf der Likert-Skala 1 (gar nicht wichtig) bis 6 (sehr wichtig). aMittelwert, bStandardabweichung

Abb. 5
figure 5

Themenkomplex „Kommunikation“ – Antworten der Befragten in Punkten auf der Likert-Skala 1 (gar nicht wichtig) bis 6 (sehr wichtig). aMittelwert, bStandardabweichung

Abb. 6
figure 6

Themenkomplex „Zufriedenheit“ – Antworten der Befragten in Punkten auf der Likert-Skala 1 (gar nicht zufrieden) bis 6 (sehr zufrieden). aMittelwert, bStandardabweichung, cn = 24, dn = 25

Das Gesamtprojekt „Hospiz- und Palliativversorgung von Menschen mit Migrationshintergrund im Land Berlin“ wurde von der Paula Kubitscheck-Vogel-Stiftung aus München gefördert und von der Ethikkommission der Charité Universitätsmedizin Berlin befürwortet.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 54 Fragebogen ausgefüllt und ausgewertet werden, davon 26 Fragebogen von Angehörigen und 28 von Patienten. Die Geschlechterverteilung unter den Patienten war mit 13 weiblichen und 12 männlichen Patienten (3 fehlende Angaben) fast ausgeglichen, während die Mehrheit der Angehörigen weiblich war (20 Angehörige, 4 männliche Angehörige und 2 fehlende Angaben). Das Durchschnittsalter für beide Gruppen lag in der Altersklasse 51 bis 60 Jahre (Tab. 1). Alle Befragten hatten einen eigenen oder familiären ostasiatischen Migrationshintergrund.

Tab. 1 Altersverteilung und Geschlecht der Befragten (fehlende Prozente und Befragtenanzahl durch fehlende Angabe des Geschlechts)

Die Patienten wurden zudem nach dem Vorliegen einer Patientenverfügung befragt, was von n = 25 (89,3 %) verneint wurde.

Die Patienten befanden sich zum Zeitpunkt der Erhebung mehrheitlich zu Hause (62,9 %; n = 17). Im Krankenhaus oder Seniorenheim lebten jeweils 11,1 % (n = 3), und ein Patient befand sich im Krankenhaus (3,7 %), und ein weiterer Patient auf einer Palliativstation (3,7 %). Zwei Angaben fehlten (7,4 %).

Bei der Frage nach dem präferierten Sterbeort gab die Mehrzahl der Patienten mit 53,6 % „zu Hause“ an, gefolgt von „Krankenhaus“ mit 21,4 %. Das Versterben in einem Seniorenheim oder auf einer Palliativstation wurde gleichermaßen gering benannt (je 3,6 %).

Ergebnisse der einzelnen Themenkomplexe

Insgesamt lässt sich eine hohe Übereinstimmung der Antworten der Patienten mit ihren Angehörigen feststellen.

Beide Gruppen geben zum Themenkomplex „kulturelle Herkunft“ die höchste Zustimmung für eine Begleitung in ihrer Muttersprache an, gefolgt vom Angebot von heimatlichem Essen, das ebenfalls von beiden Gruppen als sehr wichtig erachtet wird.

In dem Themenkomplex „soziales Umfeld“ wird dem „ständigen Kontakt zur Familie“ von Patienten und Angehörigen gleichermaßen eine hohe Priorität eingeräumt, gefolgt von einer 24-h-Begleitung.

Beide Befragtengruppen geben für die „medizinische und pflegerische Versorgung“ an, dass eine professionelle Begleitung am Lebensende am wichtigsten ist. Für die Patienten hat zudem die Selbstbestimmung des Sterbeortes die gleiche hohe Priorität, gefolgt von „Schmerzbehandlung“. Diese wird von den Angehörigen gleichwertig mit dem Bedarf an Dolmetschern eingestuft.

Ein „klares Bewusstsein in der letzten Lebensphase“ und die „Einhaltung spiritueller/religiöser Rituale“ besitzen für die Patienten in dem Themenkomplex „Glaube und Spiritualität“ die größte Wichtigkeit. Angehörige schätzen die Rituale als wichtigsten Punkt ein.

Bei der „Kommunikation“ geben Patienten und Angehörige gleichermaßen an, dass „Berührungen“ den wichtigsten Stellenwert haben, wobei die Angehörigen dem „Verständnis für Bedürfnisse ohne Äußerung“ einen gleich hohen Stellenwert zuordnen. Letzteres hat bei den Patienten den geringsten Wert.

Keiner der Befragten ist unzufrieden mit der „medizinischen und pflegerischen Versorgung“. Höhere Zufriedenheit zeigt sich für die Patienten in der Berücksichtigung ihrer „kulturellen Herkunft“ im Rahmen der medizinischen und pflegerischen Versorgung. Dieser Aspekt wird auch von den Angehörigen als größte Zufriedenheit angegeben. Im „Ausleben des Glaubens und der Spiritualität“ erleben Patienten und Angehörige gleichermaßen weniger Zufriedenheit.

Diskussion

Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zum Verständnis der Bedürfnisse von Patienten mit ostasiatischem Migrationshintergrund am Lebensende aus der Sicht der Betroffenen und ihrer Angehörigen bieten. Zentrale Ergebnisse werden nun diskutiert und Vorschläge für eine Verbesserung der transkulturellen Pflegepraxis entwickelt.

Die Auswertung zeigt insgesamt eine hohe Übereinstimmung der Antworten von Patienten und ihren Angehörigen. Differenzen bei den Themen „Ausleben des Glaubens und der Spiritualität“ sowie für die Einschätzung der „medizinischen und pflegerischen Versorgung“ können vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Anforderungen und Interessen von Patienten und Angehörigen diskutiert werden. In ihrer Untersuchung „Chronisch Kranke in der Familie“ verweisen Strauss und Corbin (1993) bereits auf die unterschiedlichen Arbeitsaufgaben der verschiedenen Beteiligten im Erkrankungsverlauf.

Insgesamt zeigt sich durchgehend eine Zufriedenheit der Befragten mit der medizinischen und pflegerischen Versorgung. Mit einer Ausnahme halten alle Befragten eine professionelle Begleitung am Lebensende für wichtig.

Sprachbarrieren und Dolmetscher

Gleichzeitig wird aber auch der Wunsch nach einem Dolmetscher in der aktuellen Lebenssituation deutlich, v. a. bei den Besuchen des Pflegedienstes und bei Arztbesuchen. Das Problem der Sprachbarriere wurde in mehreren internationalen und auch nationalen Studien beschrieben und gehört mit zu den größten Herausforderungen einer transkulturellen Pflege (Paal und Bükki 2017; Tuohy et al. 2008; van Rosse et al. 2016). Lösungsansätze können mit Gemeindedolmetschern (Salman 2000) oder auch videogestützten Dolmetschern in ländlicheren Regionen gefunden werden (Schulz et al. 2015), beides ist jedoch in Deutschland zumindest außerhalb großer Städte noch eine Seltenheit. Die übliche Praxis der Einbeziehung von Angehörigen zur Übersetzung ist problematisch, da Übersetzungsfehler, ethische Probleme bei der Thematisierung von Tabuthemen und selektive Informationsweitergabe stattfinden können, und wird im Praxisratgeber Das kultursensible Krankenhaus von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration nicht empfohlen (Droste et al. 2015). Der Wunsch nach einem Dolmetscher ist auch in dieser Befragung bei der überwiegenden Mehrheit vorhanden.

Der hohe Stellenwert, der dem Sprechen in der eigenen Muttersprache zuteilwird, und die gleichzeitige Zufriedenheit mit der Kommunikation in der aktuellen Lebensphase der Befragten, können als Folge des Einsatzes von interkulturellen Hospizhelfern, die eine gemeinsame sprachliche Basis mit den Patienten haben, interpretiert werden.

Sterbeort

Die Selbstbestimmtheit in der Entscheidung des Sterbeortes wird ebenfalls als sehr wichtig angegeben, wobei hier insbesondere die Antworten der Patienten überraschen. Zwar geben über die Hälfte der Patienten an, dass sie zu Hause sterben möchten, aber auch das Krankenhaus als bevorzugter Sterbeort wird von 22 % der Patienten genannt, im Gegensatz zu den Angehörigen, von denen nur 7 % diesen Ort für geeignet halten. Dies steht auch im Widerspruch zur repräsentativen Bevölkerungsumfrage des Zentrums für Qualität in der Pflege von 2013 (Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege 2013), in der nur 3 % der Befragten das Krankenhaus als bevorzugten Sterbeort genannt hatten und ebenfalls im Kontrast zu den Ergebnissen von Higginson et al., die den Einfluss sozialer und klinischer Determinanten auf die Präferenzen am Lebensende bei Palliativpatienten in London, New York und Dublin untersucht haben (Higginson et al. 2017). Auch hier war der Wunsch, im Krankenhaus zu versterben, nur von 4 % der Befragten genannt worden. Die in diesem Zusammenhang häufig angeführte „Unkenntnis über die Institutionen des deutschen Gesundheitssystems“ seitens der Migranten (Anderson und Frisch 2008) sollte jedoch bei hospizbegleiteten Patienten – wie in der vorliegenden Untersuchung – eine untergeordnete Rolle spielen.

Dennoch muss hier auch die Überlegung angestellt werden, ob die Entscheidung für das Krankenhaus als Sterbeort eine positive Entscheidung dafür ist oder vielmehr Ausdruck der Besorgnis über eine unzureichende Versorgung in der Häuslichkeit.

Bannon et al. haben dazu 2017 eine Studie veröffentlicht, die eine mögliche Erklärung liefern könnte: Die Faktoren, die mit einem Versterben in der Häuslichkeit assoziiert sind, waren gute und zufriedenstellende häusliche Pflege, die Möglichkeit der gemeinsamen Entscheidungsfindung mit professionellem Pflegepersonal über die letzte Lebensphase und das Wohnen in einer wohlhabenden Umgebung (Bannon et al. 2017).

Schmerzen

Im Rahmen einer qualitativen Interviewstudie mit Hospizhelfern des interkulturellen Hospizdienstes wurde mehrfach erwähnt, dass Schmerzen von den begleiteten ostasiatischen Patienten eher ausgehalten als geäußert werden (Henke et al. 2015), u. a. auch, um eine Bewusstseinstrübung durch Schmerzmittel zu verhindern und damit den Abschied bei klarem Verstand zu ermöglichen. Auch Khosla et al. beschreiben eine Zurückhaltung in der Einnahmen von Schmerzmitteln bei asiatischen Patienten aufgrund ihrer spirituellen Haltung, Schmerz aushalten zu müssen (Khosla et al. 2016).

Die Ergebnisse der hier beschriebenen Patientenbefragung stützen diese Aussagen zwar, indem ausnahmslos alle Befragten die Wichtigkeit eines klaren Bewusstseins am Lebensende bestätigen, jedoch wird gleichzeitig eine adäquate Schmerzbehandlung auch unter Inkaufnahme möglicher Bewusstseinstrübung von fast allen Patienten gewünscht.

Essen

Eine zentrale Bedeutung im Rahmen der Versorgung am Lebensende hat das heimatliche Essen für die befragten Patienten und Angehörigen. Der positive Einfluss von vertrauten und tradierten Speisen auf das Wohlbefinden wurde bereits im qualitativen Studienteil dieses Forschungsprojekts von den Ehrenamtlichen des Hospizdienstes herausgestellt (Henke et al. 2015). Daher wurde in dieser Studie „Essen“ sowohl hinsichtlich der Wichtigkeit der kulturellen Identität (Abb. 1) als auch als Maß für die Einschätzung der pflegerischen Versorgung (Abb. 3) abgefragt. Heimatliches Essen bedeute nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern auch Freude, Identität und Zugehörigkeit (Hanssen und Kuven 2016; McClimens et al. 2014). Im Sinne einer transkulturellen Pflege stützen die vorliegenden Ergebnisse Vorschläge, individuelle Speisewünsche von Patienten auch durch die Einbeziehung von Angehörigen unbedingt zu berücksichtigen. Die ökonomische und strukturelle Realität in Pflegeheimen und Krankenhäusern lässt bisher wenig Spielraum für die Umsetzung.

Familiäre Bindung

Dem Bezug zur Familie wird ein großer Stellenwert eingeräumt, sowohl von der Patienten- als auch der Angehörigenseite. Der Wunsch des „ständigen Familienkontakts“ wird von beiden befragten Gruppen der vorliegenden Studie als sehr wichtig angesehen und findet insbesondere in der Angehörigengruppe fast ausschließliche Zustimmung. Die Familie als „protective shield“ und der unbedingte Wunsch, den sterbenden Angehörigen nicht alleine zu lassen, konnten Venkatasalu in einer 2017 veröffentlichten Interviewstudie mit südasiatischen Angehörigen von sterbenden Krankenhauspatienten feststellen (Venkatasalu 2017). Die Familienangehörigen als Garant für eine gute Behandlung und Sprachrohr des Patienten seien für die Befragten eine entscheidende Rolle gewesen. Aber auch für russischsprachige Migranten in Berlin wurde eine starke Familienbindung in einer qualitativen Studie hervorgehoben (Migala 2016).

Patientenverfügung

Es gaben 90 % der befragten Patienten an, keine Patientenverfügung verfasst zu haben. Diese Angabe deckt sich mit einer Erhebung in Berliner Palliativstationen, in der 10 % der Patienten mit Migrationshintergrund keine Patientenverfügung bei Aufnahme hatten, im Gegensatz zu 41 % Patienten ohne Migrationshintergrund (Henke et al. 2015). Mangelnde Sprachkenntnisse und fehlende Kenntnisse über Patientenverfügungen können mögliche Gründe für die niedrige Rate sein (Henke et al. 2015), aber auch kulturelle Aspekte, wie das Vertrauen auf die Familie als Entscheider und das Tabu, den Tod zu thematisieren (Biondo et al. 2017). Sun et al. haben unter „Asian Americans“ ebenfalls eine geringe Rate an verfassten Patientenverfügungen festgestellt, konnten jedoch zeigen, dass Interventionen im Rahmen ihrer Kirchengemeinden zu einem signifikanten Anstieg unter den Studienteilnehmern führte (Sun et al. 2017). Kultursensible Patientenverfügungen könnten einen Beitrag zum besseren Verständnis von Migranten am Lebensende bieten und zudem die Kommunikationsbarrieren verringern (Ilkilic 2008; Sun et al. 2017).

Zusammenfassend stellen die Autoren für die befragten ostasiatischen Migranten und ihrer Angehörigen dieser Studie fest, dass die geäußerten Bedürfnisse im Wesentlichen mit denen aller Patienten, unabhängig vom Migrationsstatus, vergleichbar sind: Schmerzfreiheit, Familienbindung, professionelle Pflege, verständliche Kommunikation, bedürfnisorientierte Versorgung z. B. durch eine Berücksichtigung individueller Speisewünsche sowie Vermeidung von Einsamkeit (Maier et al. 2016; Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege 2013). Gleichwohl besteht der ausdrückliche Wunsch der Befragten in dieser Studie nach einer Berücksichtigung ihrer Herkunft und den damit verbundenen individuellen Wünschen.

Hier zeigt sich kein Widerspruch, sondern in besonderer Weise der Zusammenhang zwischen Anerkennung, respektvollem Umgang mit Kultur und guter Kommunikation mit positiven Erfahrungen in der Versorgung am Lebensende (Venkatasalu 2017). Ähnliche Ergebnisse werden in einer qualitativen Studie von Kronenthaler für türkische Migranten sowie in einer Untersuchung russischsprachiger Migranten von Migala et al. beschrieben (Kronenthaler et al. 2016; Migala 2016).

Schlussfolgerung

Die Studienergebnisse verweisen eindrücklich auf eine notwendige Sensibilisierung der pflegerischen und medizinischen Behandler für das Thema „Interkulturalität“ bei gleichzeitigem Bewusstsein über die „Gleichheit“ der Patientenwünsche am Lebensende – mit oder ohne Migrationshintergrund. Für die untersuchte Migrantengruppe stellen eine adäquate Schmerzbehandlung, Familienbindung, professionelle Pflege, eine verständliche Kommunikation und die bedürfnisorientierte Versorgung, z. B. mit heimatlichem Essen, wichtige Aspekte am Lebensende dar. Ein Faktenwissen über kulturelle Besonderheiten kann dabei helfen, das wechselseitige Verstehen von Patienten, Angehörigen und Behandlern in palliativen und hospizlichen Versorgungssituationen im deutschen Gesundheitswesen zu unterstützen, z. B. um Wünschen nach Berücksichtigung von bestimmten Ritualen nachzukommen, darf jedoch nicht in einer Stereotypisierung von Patienten mit Migrationshintergrund münden.

Limitationen

Diese Studie wurde ausschließlich in einem Hospizdienst in Berlin durchgeführt und kann daher keine Allgemeingültigkeit der Ergebnisse für sich in Anspruch nehmen. Die Fragebogen wurden ins Vietnamesische und Koreanische entsprechend der Good Research Practice vor- und zurückübersetzt. Dennoch können Verzerrungen im Verständnis nicht ausgeschlossen werden. Die Befragung wurde durch Hospizhelfer durchgeführt und kann daher zu Antworten im Sinne einer sozialen Erwünschtheit geführt haben.