Zusammenfassung
Gerade in den Krisenzeiten der europäischen Integration stellt sich die Frage nach den Gemeinsamkeiten der Europäer, nach dem, was die Gemeinschaft charakterisiert, zusammenhält und von anderen unterscheidet. Bis heute gibt es jedoch keine eindeutige Definition dessen, was „europäisch sein“ eigentlich heißt. Der vorliegende Beitrag geht dieser Frage nach, indem er die unterschiedlichen Konstruktionen einer europäischen Identität im deutschen Mediendiskurs über einen möglichen Beitritt der Türkei ab den ersten türkischen Assoziationsbemühungen Ende der 1950er Jahre nachzeichnet. Es wird gezeigt, dass sich die Vorstellungen der Gemeinschaft und die ihr zugehörigen Raumkonstruktionen von 1959 bis 2004 stark verändert und ausdifferenziert haben. Neben der eher abstrakten Deutung der EU als einer politischen und wirtschaftlichen Gemeinschaft beinhaltet ihre Definition in den jüngeren Untersuchungsjahren auch die einer Wertegemeinschaft und einer Person. Zudem unterscheiden sich gerade in den jüngeren Untersuchungsjahren die Deutungen der Gemeinschaft auch innerhalb des Pressesamples. Letztlich wird in der Debatte über eine europäische Identität über die zukünftige Rolle und Gestalt der Gemeinschaft der Europäer entschieden.
Dieser Beitrag basiert auf meiner Dissertation mit dem Titel Konstruktionen europäischer Identität: Eine Analyse der Berichterstattung über die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei 1959 bis 2004 (Lönnendonker 2018). Ein Artikel zum methodischen Vorgehen der Studie wurde in der Zeitschrift Medien & Zeit unter dem Titel Europäische Identität: Methodisches Vorgehen einer historisch vergleichenden Diskursanalyse europäischer Identität publiziert (Lönnendonker 2017). Der hier vorliegende Beitrag fokussiert auf eine pointierte Darstellung der empirischen Ergebnisse.
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Notes
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Die multiple Korrespondenzanalyse liefert Koordinaten für mehr Dimensionen, als in die grafische Darstellung einfließen können. Diese wurden im Anschluss verwendet, um in einem clusteranalytischem Verfahren Cluster von Diskurskoalitionen (bestehend aus den Elementen von Deutungen, Akteuren und Bewertungen) zu identifizieren. Durch den Einbezug von mehr Dimensionen erhöht sich im Vergleich zum korrespondenzanalytischen Verfahren der Anteil erklärter Varianz. Aus Platzgründen können die Ergebnisse der Clusteranalyse hier nicht vorgestellt werden. Eine ausführliche Darstellung findet sich in Lönnendonker (2018).
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Alternativ hätte beispielsweise auch der Diskurs um die Ost-Erweiterung der EU, die Verfassungsdebatte, die Einführung des Euros oder Ähnliches analysiert werden können.
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Der Fokus auf eine einzelne nationale Debatte wird damit begründet, dass der Diskurs in den verschiedenen Mitgliedsländern mit unterschiedlichen Argumenten und Wertungen geführt wurde bzw. wird und die Autorin im internationalen Vergleich den spezifischen historischen Ausgangslagen nicht hätte gerecht werden können. Zudem wäre eine Metaphernanalyse über verschiedene Sprachen hinweg sehr schwierig gewesen, denn mit einer reinen Übersetzung von Sachinhalten lässt sich der Bedeutungskonstruktion von Metaphern als Diskursebene nicht gerecht werden. Das Ergebnis ist somit eine deutsche Perspektive auf die europäische Identitätskonstruktion und kann nicht ohne Weiteres auf den Diskurs in anderen Ländern übertragen werden.
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Ergänzend wurde 1959 als Untersuchungszeitraum die Behandlung des Antrags im Europäischen Rat, die erst nach der Sommerpause am 10. September 1959 erfolgte, hinzugezogen, da einige Zeitungen den ersten und einige den zweiten als Berichterstattungsanlass wählten.
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Es gibt bislang keine einheitliche Bestimmung der Leitfunktion eines Mediums. Ich orientiere mich hier an Wilke (2009), der neben den Qualitätszeitungen beispielsweise auch der Bild-Zeitung aufgrund ihres hohen Einflusses auf Journalisten und damit das Inter-Media-Agenda-Setting Leitmedienfunktion zuschreibt.
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Die Definition von Leit- und Qualitätsmedien unterscheidet sich je nach Autor und im Verlauf der Zeit (vgl. exemplarisch Wilke 1999; Jarren und Vogel 2009; Müller 2009; Blum et al. 2011). Die hier gewählten Zeitungen repräsentieren eine Schnittmenge der unterschiedlichen Definitionen. Bei der Zusammenstellung wurde zudem auf Ausgewogenheit entlang des politischen Rechts-Links-Schemas geachtet.
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Im Rahmen des vorliegenden Beitrags kann keine umfassende historische Einordnung der einzelnen Deutungsmuster geleistet werden. Der Fokus liegt hier auf einer historisch-vergleichenden Darstellung einzelner Deutungsmuster. Für weitere Details sei auf die ausführliche Darstellung in Lönnendonker (2018) verwiesen.
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Der Anteil erklärter Varianz lag in der Korrespondenzanalyse für den Untersuchungszeitraum im Jahr 1999 bei 45,43 %.
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Lönnendonker, J. (2019). Konstruktionen europäischer Identität. Eine historisch-vergleichende Diskursanalyse der deutschen Berichterstattung über die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei 1959 bis 2004. In: Wiedemann, T., Lohmeier, C. (eds) Diskursanalyse für die Kommunikationswissenschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-25186-4_8
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