Einleitung

Die aktuelle prähospitale Notfallmedizin umfasst das Erkennen und die sachgerechte Behandlung drohender oder eingetretener medizinischer Notfälle, die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen sowie die Herstellung und Aufrechterhaltung der Transportfähigkeit der Patienten. Dabei erfolgt durch das nichtärztliche Rettungsdienstfachpersonal und durch Notärzte die Einschätzung der Vitalgefährdung der Notfallpatienten inklusive der Bestimmung der Vitalfunktionen, die Entwicklung einer Arbeitsdiagnose vor dem Hintergrund der prähospital erhobenen Befunde, die Initiierung einer (symptomorientierten) Initialtherapie und letztendlich die Entscheidung zur Zuführung des Patienten in ein geeignetes Krankenhaus (wenn notwendig).

Obwohl die prähospitale Notfallmedizin in Deutschland als zweistufiges Rettungssystem mit qualifiziertem Rettungsdienstfachpersonal und Notärzten eine hohe Professionalisierung in den letzten Jahrzehnten erfahren hat [11], stellt sich auch heute noch die Frage nach einer optimalen Versorgungsstrategie im Sinne von „scoop and run“, „stay and play“ und „play and run“. Während „scoop and run“ ein Versorgungkonzept unter Berücksichtigung einer minimalen Versorgungszeit vor Ort, ggf. sogar unter Unterlassung von invasiven Notfalltechniken zur Abwendung von vitalbedrohlichen Zuständen beinhaltet, fasst „stay and play“ das Gegenteil, also die Umsetzung aller notwendigen und indizierten Notfalltechniken bereits am Einsatzort um. „Play and run“ steht hierbei in der Mitte des Versorgungsspektrums mit Durchführung aller indizierten und notwendigen Versorgungsschritten und einer raschen Klinikzuführung.

Besonders schwierig erscheint hierbei, dass letztendlich Verletzungsmuster und -schwere der Patienten prähospital aufgrund der begrenzt verfügbaren diagnostischen Verfahren nur sehr unzuverlässig eingeschätzt werden können: In einer Analyse des TraumaRegisters der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) von 1993 bis 2009 anhand von 30.777 Patienten (Injury Severity Score [ISS] ≥9) zeigten Esmer et al. [9], dass von den 51.839 relevanten Verletzungen (Abbreviated Injury Scale [AIS] ≥3) nur 71 % korrekt eingeschätzt wurden; übersehen oder unterschätzt wurden von Notärzten fast jedes 7. Schädel-Hirn-Trauma, jedes 3. Thorax- und jedes 2. Abdomen- oder Beckentrauma (Abb. 1).

Diese Studie befindet sich im Einklang mit anderen Arbeiten, so auch die retrospektive Untersuchung von Helm et al. [14] an einem Traumakollektiv aus einem Luftrettungssystem: Bei den 479 Patienten (Alter: 37,0 ± 18,2 Jahre, männlich: 65,8 %, ISS: 16 ± 13, ISS >16: 41,1 %, Letalität: 7,3 %) fanden sich relevante Verletzungen (AIS ≥3) des Thorax in 37 %, des Schädels in 25 % und der unteren Extremitäten in 17 %. Notärztlich nichtdiagnostizierte Verletzungen (AIS ≥3) bezogen sich hauptsächlich den Körperstamm (Thorax: 13 %, Abdomen: 17 % und Becken: 15 %). Signifikant weniger notärztlich nichtdiagnostizierte Verletzungen fanden sich für den Schädel bei einer Glasgow Coma Scale (GCS) ≤8 (5 vs. 19 %; p = 0,02), für den Thorax bei primärer pulsoxymetrisch gemessener Sauerstoffsättigung (SpO2) ≤96 % (18 vs. 36 %; p < 0,05) und für das Abdomen bei primärem systolischem Blutdruckwert <90 mmHg (29 vs. 53 %; p = 0,03).

Die exakte Diagnosestellung und Einschätzung der assoziierten Verletzungsschwere ist bei Traumapatienten also nur sehr eingeschränkt prähospital möglich. Dies betrifft insbesondere Verletzungen von Abdomen und Becken. Da der Zuweisung zur definitiven Versorgungsmöglichkeit ein immer größerer Stellenwert eingeräumt wird, sollte für die notärztliche Diagnosestellung und damit auch für die Festlegung der geeigneten Versorgungsstrategie die klinische Untersuchung, ggf. erweitert um apparative Untersuchungs- (z. B. Sonographie [32]) und Monitoringverfahren sowie Informationen zu Unfallsituation und -mechanismus, standardisiert durchgeführt und erfasst werden.

Abb. 1
figure 1

Korrelation der Schätzung der Verletzungsschwere durch den Notarzt mit der in der Klinik diagnostizierten Verletzungsfolge nach Körperregion und Schwere bei 30.777 Patienten des TraumaRegister DGU®. (Mod. nach [9])

Faktor Zeit

Der Faktor Zeit ist als kritischer Parameter in einer Notfallversorgung erkannt und wird im aktuellen Eckpunktepapier zur notfallmedizinischen Versorgung der Bevölkerung besonders berücksichtigt [10, 21]: Hierbei soll das prähospitale Zeitintervall, unter besonderer Erwähnung spezieller notfallmedizinischer Tracerdiagnosen Polytrauma, Schädel-Hirn-Trauma, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Sepsis und Reanimation einen Zeitraum von mehr als 60 min nicht überschreiten. Gerade für die Gesamtversorgung unter Berücksichtigung eines transsektoralen Ansatzes mit den Nahtstellen zwischen Präklinik, Zentralen Notaufnahmen und weiterführender innerklinischer fachspezifischer Versorgung muss der Faktor Zeit besonders berücksichtigt werden. Wie bereits im Eckpunktepapier ausgeführt, ist für die Versorgung aller medizinischen Notfallereignisse eine Kooperation und Abstimmung der agierenden Systeme Notarzt/Rettungsdienst, Kassenärztlicher Notdienst/Notfallambulanzen, Notaufnahmen und weitere an der Versorgung beteiligten Einrichtungen notwendig [10].

Der Faktor Zeit spielt gerade bei nichterreichbaren Blutungen der Körperhöhlen (z. B. Thorax und Abdomen) eine immense Rolle und kann bei einer unnötigen Verlängerung der Prähospitalphase (dazu würde auch eine Falschzuweisung zu einem nichtgeeigneten Krankenhaus zählen) ungünstige Auswirkungen haben. Basis der Zuweisungsstrategie sollte neben dem Verletzungsmuster und weiterer Informationen auch das regional im jeweiligen Traumanetzwerk abgestimmte Zuweisungskonzept, das die regionale Versorgungslandschaft integriert, sein.

Als eine der wichtigsten Studien wird die Arbeit von Clarke et al. [6] angeführt, die bei unkontrollierbaren abdominellen Blutungen eine Zunahme der Letalität von 1 % alle 3 min bis zur operativen Versorgung nachwies.

Prähospitale Versorgungszeiten

In Deutschland ist mit dem TraumaRegister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) eine umfängliche und differenzierte Datenlage zur Versorgung schwerverletzter Patienten vorhanden. Dabei muss aufgrund dieser Daten hinsichtlich der prähospitalen Versorgungsdauer über ein Jahrzehnt konstatiert werden, dass die o. g. Versorgungdauer mit im Mittel 72 min. deutlich überschritten wird (Abb. 2; www.traumaregister.de). Trotz besserer Fahrzeug- und moderner Leitstellentechnik sowie einem optimierten leitstellenbasierten Zuweisungssystem der Rettungsmittel lässt sich der prähospitale Zeitfaktor offensichtlich nicht mehr relevant verringern.

Abb. 2
figure 2

Dauer der Prähospitalzeit (Mittelwert ± Standardabweichung) polytraumatisierter Patienten (ISS ≥16) zwischen Unfall und Klinikaufnahme bei 84.413 Patienten des TraumaRegister DGU®. (Entnommen den Jahresberichten 2000 bis 2016, www.traumaregister-dgu.de)

Einzige Strategie, um bei Einsätzen des Luftrettungsdienstes die Prähospitalzeiten zu reduzieren, ist eine antizipierende Disposition mit der Überlegung, welches Transportmittel zum Erreichen der geeigneten Zielklinik am besten geeignet ist [12]: Das heißt, das Luftrettungsmittel darf nicht erst alarmiert werden, wenn das Rettungsdienstteam vor Ort nach initialer Versorgung feststellt, dass die geeignete Zielklinik luftgestützt rascher zu erreichen ist. Scheint der Transport nur mit dem Rettungshubschrauber zeitnah und sinnvoll möglich zu sein, sollte dieser bereits initial alarmiert werden, um Nachalarmierungen zu vermeiden. Die S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenbehandlung greift diesen Punkt auch mit folgender Empfehlung auf [8]: „Die Luftrettung sollte zur präklinischen Versorgung Schwerverletzter primär eingesetzt werden. Einsatztaktische Gesichtspunkte und der Faktor Zeit sind zu berücksichtigen“.

Versorgungszeit und notfallmedizinische Maßnahmen

Vor diesem Hintergrund werden invasive notfallmedizinische Maßnahmen und deren Zeitbedarf immer wieder diskutiert [2, 3]. Eine entsprechend wichtige und eindrucksvolle Untersuchung wurde dabei von Kulla et al. [22] publiziert: In einer retrospektiven Analyse multizentrisch erhobener Daten des TraumaRegister DGU® von 2002 bis 2007 wurde der prähospitale und innerklinische sowie Gesamtzeitbedarf der Versorgung verletzter Patienten (ISS ≥9) ermittelt. Hierbei wurde drei Gruppen an Patienten unterschieden:

  • Patienten, die prähospital eine endotracheale Intubation und eine Pleuraraumentlastung mittels Thoraxdrainage erhielten,

  • Patienten, die nur eine prähospitale endotracheale Intubation und eine innerklinische Pleuraraumentlastung mittels Thoraxdrainage erhielten,

  • Patienten, die eine endotracheale Intubation und Pleuraraumentlastung mittels Thoraxdrainage in der Klinik erhielten.

Während das prähospitale Zeitintervall bei Durchführung invasiver Maßnahmen verlängert war (80 ± 37 vs. 77 ± 44 vs. 65 ± 46; p < 0,01), zeigte sich für diese Gruppe eine kürzere innerklinische Schockraumphase (71 ± 43 vs. 75 ± 44 vs. 84 ± 48; p < 0,01), sodass letztendlich für das zeitliche Gesamtintervall bis zum Ende der Schockraumphase kein Vorteil irgendeiner Versorgungsstrategie nachgewiesen werden konnte (Abb. 3, 152 ± 59 vs. 151 ± 62 vs. 148 ± 68; p = 0,07; [22]). Anders formuliert legt diese Studie nahe, dass beim vorliegender relevanter ABCDE-Probleme (ABCDE Atemweg, Breathing, Circulaton, Disability, Environment) in der Präklinik diese suffizient behandelt werden müssen, um eine Patientengefährdung abzuwenden und eine Verschiebung in die innerklinische Versorgung keinen zeitlichen Vorteil unter ggf. fortgesetzter Vitalgefährdung für den Patienten bringt.

Abb. 3
figure 3

Versorgungszeiten in Minuten in Abhängigkeit von der Invasivität prähospitaler Maßnahmen bei Traumapatienten für die drei Gruppen prähospitale Intubation und Thoraxdrainage, prähospitale Intubation und innerklinische Thoraxdrainage und innerklinische Intubation und Thoraxdrainage. (Mod. nach [22]). ETI endotracheale Intubation, THD Thoraxdrainage

Anhand einer retrospektiven Auswertung des prospektiv erhobenen TraumaRegister DGU® mit den Datensätzen von 1999 bis 2008 aus 139 teilnehmenden Kliniken konnten Kleber et al. [20] unter Berücksichtigung einer bestimmten Selektion (ISS ≥9, Primärversorgung [keine Sekundärverlegungen], Rettungszeit ≤180 min) und unter Anwendung einer multivariaten logistischen Regressionsanalyse bei 20.078 Patienten nachweisen, dass kein Zusammenhang zwischen der Krankenhausletalität und der Dauer der Prähospitalphase trotz Zunahme der Verletzungsschwere bestand (Abb. 4; [19]). Es konnte jedoch gezeigt werden, dass bei einer längeren Prähospitalphase und bei anhand des ISS nachweislich schwerer verletzten Patienten signifikant mehr invasive Maßnahmen durchgeführt wurden. Luftrettungssysteme wiesen dabei eine rund 10–20 min längere Prähospitalphase als bodengebundene Notarztsysteme auf.

Abb. 4
figure 4

Prähospitale Versorgungszeit bis Klinikankunft und Verletzungsschwere gemäß Injury Severity Score (ISS, MW ± SD) sowie Krankenhausletalität (%). (Mod. nach [20]). MW Mittelwert, SD Standardabweichung

Meisozo et al. [24] belegten anhand der Versorgungsdaten von 3733 konsekutiven Traumapatienten (71 % stumpfes Trauma, 25 % penetrierendes Trauma, 4 % Verbrennungen), dass invasive Maßnahmen (z. B. endotracheale Intubation, Nadeldekompression, Tourniquet, Notfallkoniotomie und erweitere Reanimationsmaßnahmen) insbesondere bei schwerer verletzten Patienten durchgeführt wurden, und dass diese Patienten im Vergleich zu Patienten ohne invasive Maßnahmen eine geringere Letalität (23 vs. 43 %; p = 0,02) aufwiesen, bei einer hinsichtlich der Versorgungsdauer an der Einsatzstelle vergleichbarem Zeitintervall (15 vs. 18 min; p = n. s.).

Auch Harmsen et al. [13] konnten in einer systematischen Übersichtarbeit, die 9 prospektive und 11 retrospektive Beobachtungstudien mit 281.978 Patienten umfasste, aufzeigen, dass eine verlängerte Versorgungszeit vor Ort, die aufgrund invasiver Maßnahmen entstand, das Überleben der Patienten verbesserte. Ein rascher Patiententransport war nur bei penetrierenden Traumen mit Hypotension und bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma mit einem besseren Überleben assoziiert.

Die Tatsache, dass invasiven Maßnahmen am Einsatzort notwendig sind, haben Kleber et al. [19] in einer prospektiven Beobachtungsstudie anhand traumaassoziierter Todesfälle spektakulär in Berlin gezeigt: Von insgesamt 264 rechtsmedizinisch obduzierten Todesfällen wiesen 9,8 % potenziell verhinderbare Todesfälle und 5,3 % definitiv verhinderbare Todesfälle auf. Die meisten der potenziell und definitiv verhinderbaren Todesfälle traten dabei in der prähospitalen Versorgungsphase auf. Die wesentlichen vermeidbaren Todesfälle umfassten dabei die Entitäten Spannungspneumothorax, unerkanntes schweres Trauma, Exsanguisationen und Asphyxie. Alles Zustände, in denen eine suffiziente prähospitale Therapie eine therapeutische Option mit mutmaßlich besserem Behandlungsergebnis geliefert hätte. Vor diesem Hintergrund ist darauf hinzuweisen, dass an die Fort- und Weiterbildung von rettungsdienstlichem und notärztlichem Personal zur Versorgung schwerverletzter Patienten hohe Anforderungen zu stellen sind. Nur ein gut trainiertes Personal und Team, das nicht erstmalig im prähospitalen Einsatz mit einem schwerverletzten Patienten konfrontiert wird, kann hier eine gute Leistung gerade in lebensbedrohlichen Situationen erbringen. Entsprechend sind die Forderungen der S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerveletztenbehandlung zum Training und Ausbildung gemäß etablierter Konzepte zur Traumaversorgung umzusetzen [8].

Die „goldene Stunde des Trauma“ (sog. „golden hour of shock“ nach R. Adams Cowley) ist also kein Dogma [25], sondern es geht vielmehr darum, dem Patienten so früh wie möglich eine adäquate, strukturierte und logistisch optimale Therapie zuzuführen. Plakativ ausgedrückt kann man hier auch das modifizierte Trunkey-Gesetz [31] anführen: „… get the right patient, to the right hospital, in the right time, after the right treatment“. Mit den Worten von Pierre Carli (SAMU Paris, Hospital Necker, Paris, Frankreich) ist „Zeit für korrekt indizierte invasive Maßnahmen in der Präklinik gut investierte Zeit“ (persönliche Mitteilung).

Versorgungsstrategie

Die eingangs erwähnten Versorgungsstrategien „scoop and run“, „stay and play“ und „treat and run“ müssen sich also auch an den patientenseitigen Bedingungen orientieren. Relevante Störungen der Vitalfunktionen gemäß des ABCDE-Schemas müssen vor Ort erkannt und behandelt werden. Ist die Vitalgefährdung mit Bordmitteln nicht zu beheben, so steht unter Berücksichtigung und Umsetzung der Basisversorgung die zeitkritische Zuführung in ein geeignetes Krankenhaus im Vordergrund.

A – Atemweg – Hypoxie vermeiden

Die grundlegenden Indikationen für eine Atemwegssicherung sind Apnoe oder Schnappatmung, aber auch bei Hypoxie trotz Sauerstoffgabe und nach Ausschluss eines Spannungspneumothorax, schwerem Schädel-Hirn-Trauma (GCS <9), traumaassoziierter persistierender hämodynamischer Instabilität und schwerem Thoraxtrauma mit respiratorischer Insuffizienz besteht die Indikation für Notfallnarkose, Atemwegssicherung und Beatmung [8, 16]. Ganz allgemein empfiehlt sich ergänzend zum Thema Notfallnarkose und Atemwegsmanagement die Handlungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) zum Thema Prähospitale Notfallnarkose beim Erwachsenen [1] und Präklinisches Atemwegsmanagement [30] zu beachten.

Ein modernes Konzept zur Atemwegssicherung umfasst heute auch die Videolaryngoskopie. In der S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenbehandlung [8, 16] wurde die Videolaryngoskopie daher mit folgenden Kernaussagen empfohlen:

  • „Die Videolaryngoskopie sollte zur besseren Einstellbarkeit der Stimmbänder und Optimierung des primären Intubationserfolgs präklinisch und innerklinisch großzügig in Betracht gezogen werden“.

  • „Die Videolaryngoskopie soll als Primär- bzw. Reserveverfahren prähospital und innerklinisch vorgehalten, geschult und eingesetzt werden“.

In einer prospektive Studie aus dem Luftrettungsdienst konnten Hossfeld et al. [17] an 228 Notfallpatienten, bei denen eine prähospitale Intubation notwendig war, zeigen, dass beim primären Einsatz der Videolaryngoskopie die Visualisierung der Stimmbandebene (als eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg einer endotrachealen Intubation) gegenüber einer konventionellen Laryngoskopie hochsignifikant verbessert werden konnte. Dies betraf insbesondere die klinische relevanten Fälle (26 %), bei denen die Stimmbandebene konventionell nur sehr eingeschränkt oder gar nicht einsehbar war (Cormack/Lehane Grad III und IV) [7]: Bei allen diesen Patienten konnte die Visualisierung der Stimmbandebene von Cormack/Lehane Grad III oder IV auf ein Cormack/Lehane Grad I oder II verbessert werden (p < 0,001).

Trotz zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten zur Videolaryngoskopie ist es bisher noch nicht gelungen, einen Überlebensvorteil explizit für polytraumatisierte Patienten nachzuweisen.

Die S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenversorgung [8] ebenso wie die Handlungsempfehlungen der DGAI zum Präklinischen Atemwegsmanagement [30] stellen die Oxygenierung und Ventilation in den Vordergrund. Unter Berücksichtigung der Einsatzlage, der patientenassoziierten Faktoren und der persönlichen Kompetenz des professionellen Rettungsdienstteams muss dann die Entscheidung zwischen „stay and play“ und „scoop and run“ mit und ohne definitive Atemwegssicherung am Einsatzort getroffen werden, immer unter der Grundvoraussetzung einer erhaltenden adäquaten Oxygenierung und Ventilation.

B – Beatmung – Kein Spannungspneumothorax

Wie eingangs bereits angeführt, zählt der Spannungspneumothorax beim Traumapatienten zu einem der vermeidbaren Todesursachen. Daher sollte die Entlastung eines Spannungspneumothorax durch eine einmalige Nadeldekompression mit anschließender chirurgischer Eröffnung des Pleuraspalts, mit oder ohne Thoraxdrainage, erfolgen [8, 16]. An dieser Stelle spielt also die Behandlung vor Ort die wichtigste Rolle (Treat-and-run-Konzept). Insbesondere nach der Analyse des TraumaRegister DGU® von Huber-Wagner et al. [18] zur traumaassoziierten Reanimation wird die bilaterale Pleuraraumentlastung beim traumaassoziierten Herzkreislaufstillstand als eine der wesentlichen Therapieschritte bezeichnet − war die bilaterale Pleuradekompression doch mit einem signifikanten Überleben assoziiert (OR: 0,3, 95 %-KI: 0,13–0,8).

C – Circulation – Stop the Bleeding

Zielkomponente eines adäquaten und zeitgerechten Blutungsmanagements ist das strukturierte Vorgehen [23]: Gerade bei spritzenden Blutungen steht das kritische C im Vordergrund und mit der neuem Handlungsempfehlung zur Anwendung des Tourniquets wird diese Notfalltechnik algorithmenbasiert in das rettungs- und notärztliche Portfolio integriert. Trotz manueller Kompression, Hämostyptika, Tourniquets und kommerziell erhältlicher Beckenkompressionsgurte (sog. „pelvic binder“) muss bedacht werden, dass es weiterhin Blutungsprobleme gibt, die nur innerklinisch durch eine chirurgische Therapie zu beherrschen sind. Bei nichtkontrollierbaren Blutungen steht dann also ein Scop-and-run-Konzept im Vordergrund.

In den 90er Jahren kam es damals zu der studiengestützten Erkenntnislage, dass insbesondere bei Schuss- und Stichverletzungen eine bis dahin praktizierte großzügige Volumentherapie eher nachteilig, weil blutungsfördernd ist [4]. In der Folgezeit kristallisierte sich dann eine relativ kompliziert zu steuernde Low-volume-Therapie heraus, die als permissive Hypotonie (Blutdruck systolisch zwischen 80 und 100 mmHg) auch Eingang in die rettungsdienstliche Versorgung fand [5, 8].

Berücksichtigt werden sollten hier die Empfehlungen der S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenbehandlung [8] und die europäische Leitlinie zur Behandlung von Blutungen bei Traumapatienten [26].

E-Environment (Transport)

Hinsichtlich des Transports und der Zielklinik ergeben sich nach der S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenbehandlung folgende Empfehlungen [8]:

  • Schwer verletzte Patienten sollten primär in ein geeignetes Traumazentrum eingeliefert werden.

  • Bei penetrierendem Trauma des Thorax und/oder Abdomens sollte der schnellstmögliche Transport in das nächstgelegene Traumazentrum erfolgen

Die Traumaversorgung in Deutschland weist eine fast flächendeckende Netzwerkstruktur der versorgenden Kliniken auf [15, 27,28,29]. Hierbei müssen für die Entscheidungsfindung beim schwerverletzten Patienten aber durchaus folgende Szenarien diskutiert werden:

  • Variante 1: Zuführung in ein lokales Traumazentrum zur Erstversorgung und danach Weiterverlegung in ein regionales bzw. überregionales Traumazentrum,

  • Variante 2: sofortiger Transport zur definitiven Versorgung in ein regionales oder überregionales Traumazentrum.

Die Transportstrategie nächstes Krankenhaus sollte grundsätzlich nur als geeignet angesehen werden, wenn dieses Krankenhaus überhaupt noch in die Notfallversorgung einbezogen ist und über die entsprechenden Ressourcen zur Diagnostik und Behandlung des zugewiesenen Patienten verfügt. Ein Krankenhaus, das gar nicht mehr an der Notfallversorgung teilnimmt, ist auf entsprechend brisante Notfälle nicht mehr eingestellt und hält die entsprechenden Ressourcen hinsichtlich Personal, Infrastruktur und Logistik möglicherweise nicht mehr bereit. Ein entsprechendes Krankenhaus muss damit als ungeeignet betrachtet werden, auch wenn es quasi direkt neben der Unfallstelle liegt, sofern der Patient vital bedrohliche Verletzungen aufweist.

Die primäre Zuweisungsstrategie sollte in das Traumazentrum erfolgen, das in der Lage ist, das konkrete Verletzungsmuster auch definitiv zu versorgen.

Die primäre Zuweisungsstrategie in ein lokales Traumazentrum mit bewusster Inkaufnahme einer nachfolgenden Sekundärverlegung kann nur dann gewählt werden, wenn dringende einsatztaktische Gründe (z. B. Wetter) oder aber dringliche medizinische Gründe (z. B. Hämorrhagie bei Abdominaltrauma) dafür sprechen und ein längere Transportzeit in ein regionales oder überregionales Traumzentrum sich entsprechend verbieten.

In allen anderen Fällen sollten die o. g. Transportempfehlungen der S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenbehandlung [8] berücksichtigt und der Patient primär nach adäquater prähospitaler Versorgung in ein regionales oder überregionales Traumazentrum bei entsprechendem Verletzungsmuster transportieren werden. Letztlich stellt dies hohe Anforderungen an den behandelnden Notarzt, da er die Entscheidung, welches Traumazentrum anzufahren ist, eigenständig treffen muss. Ebenso muss grundsätzliche auch noch einmal auf einen zeitgerechten, aber auch reflektierten Einsatz der Luftrettung hingewiesen werden. Hier eine strategische Anpassung vorzunehmen, sollte vom zuständigen Ärztlichen Leiter Rettungsdienst erwogen und ggf. begründet werden.

Fazit für die Praxis

  • Die Prähospitalzeit von Notrufeingang bis Krankenhausaufnahme hat sich im letzten Jahrzehnt trotz optimierter Leitstellentechnologie beim Schwerverletzten nicht relevant reduziert.

  • Schwerverletzte müssen bereits am Einsatzort einer effektiven Therapie zugeführt werden. Dazu gehört die Sicherung des Atemwegs, die Entlastung eines Spannungspneumothorax und das Stillen einer kritischen Blutung.

  • Die Verlagerung von prähospital bereits indizierten invasiven Maßnahmen in die klinische Versorgung aus Zeitgründen hat hinsichtlich der Gesamtversorgungsdauer bis zum Ende der Schockraumphase keinen Vorteil.

  • Im Fokus steht die effektive und zeitkritische Versorgung mit Beseitigung unmittelbar vitalbedrohlicher Zustände unter zeitgerechte Zuführung des Patienten in eine geeignete Zielklinik.

  • Die Auswahl der geeigneten Klinik für schwerverletzte Patienten erfordert eine hohe notärztliche Kompetenz. Hier können zur Unterstützung auch verfügbare apparative Komponenten (z. B. Sonographie) eine größere Rolle spielen.