Einführung

In Deutschland wurden im Jahr 2017 ca. 190.000 Knietotalendoprothesen (KTEP) implantiert [52]. Seit Jahren nimmt die Häufigkeit zu und die Indikation zum Gelenkersatz wird zunehmend auch auf jüngere und körperlich aktive Patienten ausgeweitet. Damit zählen die Erstimplantationen von KTEP zu den häufigsten Operationen bundesweit. Wesentliche Ziele der endoprothetischen Versorgung des Kniegelenks sind eine suffiziente Schmerzreduktion, das Wiederherstellen einer guten Gelenkfunktion und die damit verbundene Verbesserung der Lebensqualität von Patienten mit fortgeschrittener Gonarthrose. Zur Beurteilung der Ergebnisqualität von elektiven operativen Eingriffen gewinnt neben der Erfassung von postoperativen Komplikationen und revisionsfreien Implantatstandzeiten die Evaluation patientenbezogener Ergebnisparameter („patient-reported outcome measures“ [PROMS]; [43]) und der Patientenzufriedenheit [21] zunehmend an Bedeutung. Postoperativ können eine gute Funktion des Kniegelenks mit Schmerzreduktion in der überwiegenden Anzahl der Patienten erzielt werden [10], jedoch bleiben je nach Studie ca. 10–30 % der Patienten mit dem Operationsergebnis unzufrieden und/oder berichten über anhaltende postoperative Schmerzen [61]. Damit reicht der endoprothetische Ersatz des Kniegelenks nicht an die klinischen Ergebnisse der Primärimplantation von Hüfttotalendoprothesen (HTEP) heran. Die Implantation einer HTEP wurde mit einer Rate von bis zu 98 % Patientenzufriedenheit als Operation des Jahrhunderts bezeichnet [27]. Bei unzufriedenen Patienten mit KTEP kommt es gehäuft zu frühen Revisionsoperationen [23], deren Ergebnisse oft widersprüchlich bleiben und häufig nicht zur gewünschten Besserung führen.

In der Literatur existiert eine große Anzahl von Studien, die sich mit strukturellen Ursachen für anhaltende postoperative Beschwerden beschäftigen und diagnostische Algorithmen zur Abklärung persistierender Schmerzen entwickelt haben [56]. Im Gegensatz dazu ist die Literatur zu Prädiktoren von postoperativem Schmerz und Patientenzufriedenheit limitiert und hinsichtlich der untersuchten Patientenkollektive und verwendeten Methodik heterogen. Diese Arbeit gibt einen narrativen Überblick über Ursachen, Prädiktoren und Risikofaktoren von anhaltenden Schmerzen und Unzufriedenheit nach Primärimplantation von Kniegelenksendoprothesen.

Material und Methoden

Die Literaturrecherche wurde anhand der Suchergebnisse in der englischsprachigen medizinischen Datenbank PubMed durchgeführt. Die Suchbegriffe umfassten „total knee arthroplasty“, „postoperative pain“ sowie „dissatisfaction“. Die wesentlichsten Studien wurden gesichtet und kritisch bewertet. Einen Überblick über die wichtigsten Studien bietet Tab. 1.

Tab. 1 Wichtigste Studien zu Kernthemen dieser Übersichtsarbeit, unterteilt in drei Themengebiete

Ergebnisse

Prädiktive Faktoren für Patientenzufriedenheit

Patientenzufriedenheit korreliert stark mit postoperativem Schmerzerleben. Eine der größten Nachuntersuchungen zur postoperativen Patientenzufriedenheit wurde bei 27.372 Patienten des Schwedischen Knieendoprothesenregisters durchgeführt, die im Zeitraum zwischen 1981 und 1995 eine Kniegelenksendoprothese erhielten [42]. In dieser Arbeit lag der Anteil der unzufriedenen Patienten bei 17 % für nach Primärimplantation nicht revidierte und bei 41 % für revidierte KTEP. Allerdings sollte bei diesen Zahlen wie bei den folgenden Registerdaten berücksichtigt werden, dass der als „nicht zufrieden“ gewertete Anteil sich sowohl aus tatsächlich unzufriedenen Patienten als auch aus Patienten zusammensetzt, die keine Aussage treffen konnten, ob sie zufrieden sind oder nicht. So war bei mehreren Studien etwa die Hälfte dieser „unzufriedenen“ Patienten unschlüssig bzw. neutral.

Überraschenderweise war der Anteil der unzufriedenen Patienten über die Beobachtungszeit hinweg konstant, was einen untergeordneten Effekt von implantat- und operationsbezogener Innovation im o. g. Nachuntersuchungszeitraum impliziert. Frauen wiesen gegenüber Männern eine signifikant höhere Unzufriedenheitsrate (18 % vs. 16 %, p < 0,001) auf. Patienten mit einer langen Symptomatik vor der Operation wie beispielsweise Patienten mit rheumatoider Arthritis waren im Vergleich zu Patienten mit kürzerer präoperativer Symptomatik (z. B. bei avaskulärer Nekrose oder posttraumatischer Arthrose) zufriedener mit dem Operationsergebnis. In einer Subanalyse von 3600 Patienten wurde die Patientenzufriedenheit mit etablierten Scores wie dem Nottingham Health Profile (NHP, ein Fragebogen über den allgemeinen Gesundheitszustand), dem 12-Item Short-Form Health Survey (SF-12, ein weiterer Fragebogen über den allgemeinen Gesundheitszustand), dem Oxford-12 Item Knee Score (OKS-12, ein spezieller Fragebogen zur Beurteilung der Kniefunktion und -schmerzen) sowie dem Western Ontario and MacMaster Universities Osteoarthritis Index (WOMAC, ein Fragebogen zur Beurteilung der Auswirkungen von Knie- und Hüftgelenksarthrose) korreliert [16]. Zufriedenheit korrelierte am stärksten mit der Reduktion des präoperativen Schmerzes, gefolgt von der Verbesserung der Kniegelenksfunktion durch die Operation. Interessanterweise verhielt sich die Zufriedenheit einiger Patienten unabhängig von den postoperativen Scores, was die Komplexität der Evaluation von Zufriedenheit und die limitierte Validität von etablierten gesundheitsbezogenen und funktionsbezogenen Scores zur Einschätzung der Patientenzufriedenheit illustriert. Eine Registerdatenstudie des National Joint Registry von England und Wales bestätigte diese Aussagen zum Einfluss von Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung [3]: 18 % der nachuntersuchten 10.000 Patienten waren unzufrieden, weibliches Geschlecht und die Diagnose einer nichtentzündlichen Gonarthrose wurden als Risikofaktoren für eine geringere postoperative Zufriedenheit mit der Operation identifiziert. Laut dem Ontario Joint Replacement Register [6, 7], bei dem 1703 KTEP-Patienten nachuntersucht wurden, lag die Rate der unzufriedenen bzw. nicht zufriedenen Patienten bei 19 %. Eine deutlich erhöhte „risk ratio“ (RR) für postoperative Unzufriedenheit ergab sich neben einer erforderlichen Wechseloperation (RR: 1,9) bei Patienten, die vor der Operation extreme Schmerzen ohne Belastung im Liegen oder im Sitzen angaben (RR: 2,5). Das mit Abstand höchste Risiko für Unzufriedenheit bestand bei Patienten, deren Erwartungen an die Operation nicht erfüllt werden konnten (RR: 10,8; [6, 36]). Solche unerfüllten Erwartungen ergeben sich beispielsweise aus dem postoperativen Verlust des tiefen Kniens oder aus einer nicht erfüllten, unrealistischen Hoffnung auf maximale Bewegungsverbesserung oder Hoffnung auf Schmerzfreiheit [22, 31, 57]. Der Patient sollte sich bewusst sein, dass er sein Knie nach der Operation je nach präoperativer Beweglichkeit, verwendetem Endoprothesenmodell und individuellem Verlauf nicht uneingeschränkt beugen können wird und tiefes Knien nicht sicher möglich sein wird. Ebenso wie eine uneingeschränkte Sportfähigkeit ist das Ziel der völligen Schmerzfreiheit nicht immer erreichbar [12]. Die Patienten sollten somit auf eine Verbesserung ihrer Schmerzen und ihrer Kniefunktion eingestellt sein, nicht aber auf die Wiederherstellung eines gesunden Kniegelenks.

Shim et al. entwickelten kürzlich ein Modell zur Vorhersage eines schlechten postoperativen Ergebnisses [46]. Bei dieser Multicenterstudie wurden 721 Patienten prä- und postoperativ zu einer Reihe an soziodemografischen Faktoren, klinischen Scores sowie psychosozialen Faktoren befragt. Es ergaben sich als prädiktive Faktoren für niedrige postoperative Werte im weithin anerkannten Oxford Knee Score (OKS) ein bereits präoperativ niedriger OKS, wenige aktive Coping-Strategien, eine hohe postoperative Schmerzerwartung und chronisch weitreichende Schmerzen [33]. Dieses Modell könnte als eine Hilfestellung für die Entscheidung für oder gegen eine Operation dienen.

Zusammenfassend weisen die oben dargestellten Registerdaten eine konsistente Quote von ca. 18 % Patienten auf, die mit ihrer KTEP „unzufrieden“ sind. Das prä- und postoperative Schmerz- und Funktionsniveau sowie Patientenerwartungen wurden als prädiktiv relevante Faktoren identifiziert. Hieraus kann die Konsequenz abgeleitet werden, dass unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der Aufklärung des Patienten über realistische Erwartungen eine essenzielle Bedeutung zukommt.

Ursachen und Risikofaktoren für persistierende Schmerzen

Bei postoperativen Schmerzen nach KTEP, die über 12 Wochen bestehen, wird von „chronic post-surgical pain“ (CPSP) gesprochen [59].

Auch wenn über 80 % der Patienten nach Gelenkersatzoperation als erfolgreich operiert gelten und subjektiv zufrieden sind [3, 24, 35], haben nach aktuellen Studien nach Kniegelenksimplantation 13 bis 35 % [8, 39] weiterhin Schmerzen und Funktionseinschränkungen.

Strukturelle Ursachen

Die strukturellen Gründe für Schmerzen nach einer KTEP umfassen eine Fülle an implantat- oder implantationsassoziierten Problemen, die durch Revisionsoperationen behoben werden können. Als häufigster struktureller Grund für einen KTEP-Wechsel ist die aseptische Prothesenlockerung zu nennen [18]. Aseptische Lockerungen bei KTEP sind meist durch Polyethylenabrieb oder Versagen der knöchernen Verankerung durch „stress shielding“ verursacht und erst nach längerfristiger Standzeit zu erwarten [29]. Achs- oder Rotationsfehler der implantierten Komponenten werden als Hauptgründe für vorzeitige aseptische Lockerung und für postoperative Schmerzen vermutet [4, 37], weiterhin implantationsbedingte Bandstörungen (Instabilitäten oder zu straffe Kniegelenke mit Bewegungseinschränkung [30]). Eindeutige Cut-off-Werte für technisch „fehlerhaft“ implantierte Gelenke, insbesondere hinsichtlich der Rotation der implantierten Komponenten, sind jedoch bislang nicht evident. Auch wenn üblicherweise eine Innenrotation der Tibiakomponente von 18° sowie eine Außenrotation der Femurkomponente von 0 bis 3° als normwertig angesehen werden [34], ist die Definition einer „Fehlimplantation“ noch unzureichend abgesichert [60]. Einen weiteren Grund für persistierende Schmerzen stellt eine periprothetische Infektion dar, die mit oder ohne septische Lockerung auftreten kann. Eine periprothetische Infektion muss insbesondere in der Frühphase nach Implantation bei persistierenden Schmerzen ausgeschlossen werden. Weitere strukturelle Ursachen für Schmerzen nach KTEP zeigt Tab. 2 [51].

Tab. 2 Strukturelle Gründe für Schmerzen nach KTEP-Implantation

Nichtstrukturelle Ursachen

Die Bedeutung nichtstruktureller Ursachen ist weit größer als zunächst zu vermuten.

Eine Studie von Butler et al. [2] konnte zeigen, dass das Ergebnis und die Patientenzufriedenheit nach Gelenkersatzoperation durch sozioökonomische und patientenabhängige Faktoren deutlich besser vorhersagbar ist als durch implantatabhängige Faktoren (n = 102). Solche Faktoren sind beispielsweise verstärkte Schmerzen direkt postoperativ (NRS >5 in den ersten 5 postoperativen Tagen), das Auftreten von Überlastungsempfinden in den letzten 6 Monaten und sonstige Störungen wie Schlaf- oder Angststörungen [1]. Tab. 3 fasst weitere patientenassoziierte und soziodemografische Einflussfaktoren auf überdauernden Schmerz und postoperative Unzufriedenheit zusammen [2, 3, 17, 19, 20, 26, 48, 49, 53]. Daher sollen präoperativ die Konsistenz zwischen dem Arthroseschaden und den Beschwerden kritisch bewertet werden und psychische Störungen ausgeschlossen sein [44]. Falls psychische Störungen vorliegen, sollten diese vor der Operation behandelt werden [53].

Tab. 3 Negative Einflussfaktoren auf das postoperative Ergebnis

Es sollte zudem bei Patienten mit unikompartimenteller Arthrose im Vorfeld einer Operation auch die Option eines Teilgelenkersatzes abgewogen werden. Patienten mit Schlittenprothesen zeigen insgesamt einen höheren Anteil an sehr zufriedenen und einen geringeren Anteil an unzufriedenen Patienten als nach KTEP [28]. Bezüglich der korrekten Indikationsstellung muss auf die aktuelle Leitlinie verwiesen werden [14].

Auch wenn ein niedriger Arthrosegrad (Kellgren-Lawrence ≤2, fehlendes Knochen-auf-Knochen-Phänomen) zunächst als schlechte Operationsindikation eingeschätzt wird [30, 45], verbirgt sich hinter starken präoperativen Schmerzen bei eher geringem Verschleiß und dem Wunsch, durch Einbau einer KTEP definitive Verhältnisse herbeizuführen, meist psychische Komorbidität wie Somatisierung, Depressivität und Angst. Übermäßiges Schmerzerleben bei niedrigem Arthrosegrad sollte also präoperativ zur Abklärung auch psychosomatischer Schmerzursachen führen [1, 38].

Als einer der wenigen Schmerzfragebogen kann die Schmerz-Katastrophisierungs-Skala (PCS) ein schlechtes Operationsergebnis vorhersagen [20, 40]. Die PCS ist ein 1995 von Sullivan eingeführter Fragebogen, bei dem eine ängstliche oder negative Einstellung des Patienten gegenüber Schmerzen erkannt werden kann [54].

Während der prädiktive Wert des weiblichen Geschlechts als Risikofaktor für überdauernde Schmerzen und Unzufriedenheit widersprüchlich bewertet wird [5, 41], wird übereinstimmend ein jüngeres Alter (<60 Jahren) als risikoerhöhend gesehen [47].

Therapieoptionen bei nichtstrukturellen Ursachen

Für die Patienten, die nach der Gelenkersatzoperation chronische Schmerzen ohne eindeutige strukturelle Ursache entwickeln, soll eine erneute Operationsindikation sehr zurückhaltend gestellt werden, da hierdurch meist keine Verbesserung zu erzielen ist [9, 11, 13]. Behandelt man diese Patienten konservativ, ist zumindest eine gewisse Besserung zu erwarten [55, 58], es existiert jedoch bisher kein etabliertes, einheitliches Therapiekonzept.

Um Hinweise für nichtstrukturelle Schmerzursachen finden zu können, eignen sich Fragebogen, welche auf die unter „Ursachen und Risikofaktoren“ genannten Punkte eingehen. Der Deutsche Schmerzfragebogen [15] beinhaltet das Screening für Angst und Depression (HADS), ein Fragebogen, der Hinweise auf psychische Belastung liefern kann [62]. Der PCS-Fragebogen kann Katastrophisierungstendenzen eines Patienten identifizieren. Erhärtet sich aus Anamnese, klinischer, bildmorphologischer sowie laborchemischer Diagnostik der Verdacht auf eine nichtstrukturelle Schmerzursache, sollte über weitergehende Schmerztherapien nachgedacht werden.

Bei Patienten, die nicht nur durch ihre Schmerzen belastet sind oder diese nur unzureichend bewältigen, können medikamentöse Schmerztherapien oft nicht zufriedenstellend helfen. Hierfür bieten sich multidisziplinäre Therapien an [32]. Durch Integration von körperlich orientierter und psychologischer Therapie unter einem gemeinsamen Störungskonzept wird versucht, den Patienten wieder Vertrauen in seine Fähigkeiten und seinen Körper schöpfen zu lassen. Hierfür ist eine tragfähige Bindung des Patienten an seine behandelnde Umgebung notwendig [38].

Nichtstrukturell begründete Schmerzen sollten nicht mit Medikamenten behandelt werden.

Fazit für die Praxis

Postoperative Patientenzufriedenheit korreliert mit der postoperativen Schmerzlinderung.

Eine Risikostratifizierung für die Entwicklung eines CPSP und Patientenedukation im Vorfeld einer geplanten Operation können helfen, die Patientenzufriedenheit zu erhöhen. Bei Schmerzen über die akute Phase der Operation hinaus muss eine diagnostische Abklärung von operationsbezogenen Ursachen (Fehleinbau, Instabilität, Lockerung oder Infektion) stattfinden. Nach Ausschluss solcher struktureller Ursachen sollen unzufriedene Patienten multiprofessionalen Therapien zugeführt werden.

Idealerweise hätte ein Patient für eine KTEP

  • präoperativ

    • ausschließlich Schmerzen im Kniegelenk mit fortgeschrittener Gonarthrose,

    • ein Alter über 60 Jahre,

    • ausreichend psychosoziale Ressourcen, um die Belastungen nach der Operation zu bewältigen,

    • keine Vormedikation mit Opioiden und

    • eine realistische Erwartung an das Kniegelenk nach der Operation;

  • postoperativ

    • bei überdauernden Schmerzen den Ausschluss struktureller Ursachen erhalten und

    • nach Ausschluss struktureller Ursachen Zugang zu interdisziplinären Therapien.