Die erfolgreichste Behandlung einer Arthrose des Kniegelenks im Endstadium ist die primäre Endoprothese. Doch ein nicht unerheblicher Anteil der Patienten ist mit dem Ergebnis des Eingriffs aufgrund von Schmerzen nicht zufrieden. Mit dem hier vorgestellten Berliner diagnostischen Algorithmus soll die schmerzhafte Knietotalendoprothese (Knie-TEP) effizient untersucht werden, damit rasch eine adäquate Therapiestrategie abgeleitet werden kann.

Einleitung

Die primäre Knieendoprothetik stellt das erfolgreichste Therapiekonzept zur Behandlung des Endstadiums der Arthrose des Kniegelenkes dar. Epidemiologische Daten mit bis zu 165.000 Implantationen/Jahr in Deutschland mit steigender Tendenz unterstreichen die Bedeutung. Dennoch sind ca. 20 % der Patienten aufgrund persistierender Schmerzen nach knieendoprothetischer Versorgung unzufrieden [1]. So wird eine Steigerung der Revisionsoperationen auf über 600 % bis zum Jahre 2030 in den USA vorhergesagt [2]. Um trotz dieser hohen Zahlen dem Patienten ein optimales Behandlungskonzept anzubieten, ist ein strukturiertes Vorgehen essenziell. Der diagnostische Pfad richtet sich dabei vor allem nach der Häufigkeit der möglichen Ursachen, um eine effiziente Anwendung in der Praxis zu ermöglichen. Zu den häufigsten Revisionsursachen zählen die periprothetische Infektion, die aseptische Lockerung und die Instabilität des endoprothetisch versorgten Kniegelenkes [3, 4]. Quantitativ weniger häufig folgt das Malalignment, wobei unter diesem Begriff üblicherweise auch Malrotation, Overstuffing und Impingement subsumiert werden. Weitere klinisch relevante, jedoch seltene Ursachen, sind periprothetische Frakturen, Läsionen des Streckapparates, sekundäre Retropatellararthrosen und Polyethylenabrieb [3, 4]. Seltenere Ursachen, wie Kausalgien, extraartikuläre Ursachen, Allergie und Arthrofibrose, sind nach ergebnisloser primärer Diagnostik zu bedenken und auszuschließen. Unser hier dargestellter „Berliner diagnostischer Algorithmus“ ermöglicht die Analyse der schmerzhaften Knie-TEP unter Berücksichtigung der häufigsten Revisionsindikationen und die Ableitung einer adäquaten Therapiestrategie (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Diagnostischer Algorithmus der schmerzhaften Knie-TEP (CRP C-reaktives Protein, ROM range of motion, Sz Skelettszintigrafie, TEP Total-Endoprothese)

Vorgehen beim Berliner diagnostischen Algorithmus

Anamnese

Die Anamnese der Beschwerden ist das erste wichtige Element für die korrekte Diagnose. Dabei sind folgende Kriterien zum Schmerzcharakter zu erfragen:

  • Sind die präoperativen Schmerzen nach der OP verändert? (Eine fehlende Änderung spricht gegen das Knie als Schmerzursache.)

  • Seit wann bestehen die Schmerzen? (Ein erstmaliges Auftreten spät postoperativ hat eine andere Ursache als frühe postoperative Beschwerden.)

  • Liegen Ruheschmerzen oder belastungsabhängige Schmerzen vor? (Ruheschmerzen sprechen gegen eine mechanische Verursachung und eher für eine Infektion.)

  • Strahlen die Schmerzen aus oder liegt ein auffälliger Untersuchungsbefund angrenzender Gelenke vor? (Pathologien von z. B. LWS, Becken, Hüft- und Sprunggelenk können eine Schmerzprojektion in das Knie verursachen.)

  • Gibt es auffällige Begleitsymptome wie Parästhesien, mechanische/thermische Hyperalgesie oder trophische Störungen? (Hier können rheumatische, vaskuläre oder neurologische Grunderkrankungen vorliegen.)

Weitere anamnestische Hinweise, wie postoperative Komplikationen, prolongierte Sekretion, sofortiger Wundschmerz, empirische Antibiotikatherapie oder Revisionseingriffe können bereits zu einer Verdachtsdiagnose führen [5].

Basisdiagnostik

Ziel der Basisdiagnostik ist die Evaluation der häufigsten Ursachen der schmerzhaften Knie-TEP. In der klinischen Untersuchung sind folgende Parameter zu erheben:

  • Infektzeichen (calor, rubor, dolor, tumor und functio laesa). Das Vorliegen dieser Symptome spricht für eine periprothetische Infektion.

  • Bewegungsausmaß (wann/wo schmerzhaft, Beugehemmung vs. Streckdefizit). Das eingeschränkte Bewegungsausmaß allein ist unspezifisch für eine Diagnose (periprothetische Infektion, aseptische Lockerung, Malalignment, sekundäre Retropatellararthrose, periprothetische Fraktur, Arthrofibrose). Lediglich das aktive Streckdefizit bei passiv freier Streckung spricht spezifisch für eine Läsion des Streckapparates.

  • Stabilität frontal und sagittal (frontal in 0°, 30° und 90° sowie sagittal im Lachman-Test und Schubladentest). Hierdurch können bei passender klinischer Symptomatik Instabilitäten in Streckung, Midflexion und Beugung diagnostiziert werden.

  • Gleitverhalten der Patella (frontal und sagittal). Ein Fehlgleiten ist durch eine Insuffizienz der Weichteilstrukturen, ein Malalignment (Malrotation) der Prothesenkomponenten oder eine sekundäre Retropatellararthrose verursacht.

  • Untersuchung der kniegelenksumgebenden Weichteile und Muskelinsertionen, insbesondere auf eine Schmerzhaftigkeit im Bereich des Tuberculum gerdii (Ansatz Tractus iliotibialis), des medialen Kollateralbandes oder am Pes anserinus (Ansatz Hamstrings). Ansatztendinopathien in diesen Bereichen können Hinweise für Instabilität oder Malalignment (Malposition, Overstuffing, Impingement) sein.

Bei der radiologischen Basisdiagnostik ist die technische Ausführung entscheidend. Insbesondere bei der Ganzbeinstandaufnahme ist zu beachten, dass keine wesentliche Rotation oder Flexion vorliegt, da dies zu einer Verfälschung der dargestellten Achsverhältnisse führen kann [6, 7].

Als Standard gelten:

  • Kniegelenk in 2 Ebenen unter Belastung (insbesondere die streng seitliche Aufnahme ist notwendig): Diese Aufnahmen dienen der Beurteilung der Prothesenkomponenten in der Koronar- und Sagittalebene. Asymmetrische Verschmälerungen des Polyethylen und Osteolysen sind Hinweis auf ein PE-Abrieb, vollständige Saumbildungen zwischen Knochen und Implantat sind Zeichen der septischen oder aseptischen Lockerung. Grobe Instabilitäten werden durch eine Aufklappbarkeit des Gelenkspaltes koronar und durch eine vermehrte vordere oder hintere Schublade sagittal sichtbar. Darüber hinaus kann die Dimensionierung der Prothesenteile beurteilt werden (Overstuffing/Malposition). Die seitliche Aufnahme ermöglicht die Beurteilung der Höhe der Gelenklinie (Malpositionierung) und der Patella (Läsion des Streckapparates), des anterioren und posterioren femoralen Offsets (Overstuffing/Instabilität) sowie des tibialen Slopes (Malpositionierung).

  • Stress-Röntgenaufnahmen: Dynamische Aufnahmen unter Varus-/Valgusstress in 0°, 30° und 90° sowie in vorderer und hinterer Schublade in 90° machen eine koronare oder sagittale Instabilität sicht- und dokumentierbar.

  • Patella axial: Hiermit wird die Beurteilung der Patellaführung (Insuffizienz der Weichteile/Malrotation) und des patellofemoralen Gelenkspaltes/Kongruenz ermöglicht (sekundäre Retropatellararthrose).

  • Vorlage präoperativer Röntgenaufnahmen/Röntgenbilder der Gegenseite: Anhand dieser Aufnahmen kann das Ausmaß der zur Operation führenden Gonarthrose (extraartikuläre Ursache), die Veränderung der Gelenklinie (Malposition/Overstuffing), des Patellahöhenstandes (Malposition/Läsion des Streckapparates) und das native anteriore und posteriore Offset (Overstuffing/Instabilität) mit der aktuellen Situation verglichen werden.

Fakultativ sind:

  • Ganzbeinstandaufnahme: Auf dieser Aufnahme können zusätzlich die Achsverhältnisse in der Koronarebene (Malalignment) und die angrenzenden Gelenke (extraartikuläre Schmerzursache) beurteilt werden.

  • Patella-Defilee-Serie: Bei Verdacht einer patellofemoralen Fehlfunktion (Insuffizienz der Weichteile/Malalignment/Malrotation) kann der Patellalauf über weite Strecken des Bewegungsumfanges dargestellt werden.

  • Sonografie: Bei klinischem Verdacht auf eine Streckapparatinsuffizienz kann mittels Sonografie die Lokalisation und Ausdehnung einer möglichen Ruptur objektiviert werden.

  • Die Dopplersonografie mit eventuell weiterführender invasiver Diagnostik (Angiografie) ermöglicht den Ausschluss einer vaskulären Pathologie (extraartikuläre Pathologie).

  • Elektrophysiologische Untersuchungen dienen dem Ausschluss einer neurologischen Schmerzgenese (extraartikuläre Pathologie).

  • Psychosomatische Abklärungen sind wegführend zum Ausschluss einer psychosomatischen Grunderkrankung oder widersprüchlicher Untersuchungsbefunde (extraartikuläre Pathologie).

  • Temperaturmessung und ggf. 3-Phasen-Skelettszintigrafie zum Ausschluss eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms nur in Zusammenhang mit definierten klinischen Symptomen sind ebenfalls zu beachten (extraartikuläre Pathologie).

Die infektiologische Basisdiagnostik dient dem Ausschluss der periprothetischen Infektion (PPI). Diese ist insofern wichtig, da insbesondere Low-grade-Infektionen ohne klinische Infektionszeichen auftreten können. Im Gegensatz zum C-reaktiven Protein (CRP) spielt die Leukozytenanzahl im Serum in der Diagnostik der PPI aufgrund der geringen Sensitivität und Spezifität keine Rolle mehr. Insbesondere bei Low-grade-Infektionen können sich normalwertige Infektparameter zeigen. Daher ist die zusätzliche diagnostische Punktion des Kniegelenkes der Goldstandard in der Infektionsdiagnostik. Diese sollte mit mindestens 14-tägiger Antibiotikakarenz und aufgrund der antimikrobiellen Wirkung ohne ein Lokalanästhetikum durchgeführt werden [8]. Die Analyse der Gelenkflüssigkeit beinhaltet:

  • Mikrobiologische Kultur für 14 Tage (Signifikant erhöhter Erregernachweis langsam wachsender Bakterien ohne vermehrte Kontaminationen [9], die Gram-Färbung hat sich hingegen nicht bewährt [10].)

  • Bestimmung der Zellzahl und des prozentualen Anteils der neutrophilen Granulozyten (Bei liegender Prothese muss bei > 2000 Leukozyten/µl oder > 70 % neutrophilen Granulozyten von einer Protheseninfektion bis zum Beweis des Gegenteils ausgegangen werden [11]).

Weiterführende Diagnostik bei unklarem Befund

Lässt sich anhand der Basisdiagnostik keine eindeutige Diagnose stellen, ist die weiterführende Diagnostik notwendig. Die einzusetzenden Verfahren richten sich dabei nach der Verdachtsdiagnose:

  • Infektion/Arthrofibrose/Allergie: diagnostische Arthroskopie mit multipler Probenentnahme (Kombination aus Mikrobiologie und Histologie).

  • Infektion: Inlaywechsel und Sonikation (Lösung eines Biofilms durch Ultraschall).

  • Fehlpositionierung: Rotationscomputertomografie [12] (transversale Position der Komponenten, extraartikuläre Torsionsfehler und Komponentenüberhang).

  • Lockerung/Osteolysen: Computertomografie (artefaktreduziert, ermöglicht Beurteilung des Interface).

Eigene Daten

Zur Identifikation der Verteilung der revisionsbedürftigen Schmerzursachen und Ableitung des diagnostischen Algorithmus nach der Häufigkeit erfolgte die retrospektive Auswertung der Revisionsursachen in unserem Patientenkollektiv zwischen 2005 und 2010. Eingeschlossen wurden alle Patienten, die in diesem Zeitraum die Erstrevision einer Knie-TEP bei definierter Revisionsursache in unserer Klinik erhielten. Neben dem Versagensgrund wurde der Zeitraum seit Primärimplantation der Knie-TEP dokumentiert. In diese retrospektive Untersuchung konnten 163 Knie-TEP-Revisionen bei 163 Patienten eingeschlossen werden. Das durchschnittliche Alter betrug 69 ± 11 Jahre. Betroffen waren 34 % Männer und 66 % Frauen. Der Zeitraum seit der Indexoperation betrug durchschnittlich 4,8 ± 4,6 Jahre. 21 % der Wechseloperationen (34/163) waren durch eine PPI bedingt. Eine mechanische Ursache war in 79 % (129/163) der Fälle die Diagnose, die zur Revision geführt hat. Betrachtet man die mechanischen Revisionsursachen, so lag in 18 % (29/163) eine aseptische Lockerung, in 26 % (42/163) eine Instabilität und in 19 % (31/163) ein Malalignment einschließlich Malpositionierung, Malrotation oder Overstuffing vor. Dabei ist ein klarer Zusammenhang zwischen Versagenszeitpunkt und Ursache erkennbar. 62 % der Revisionen aufgrund einer Infektion erfolgten innerhalb der ersten 2 Jahre nach Indexoperation. Auf mechanischer Seite waren Instabilität und Malalignment die häufigste Ursache innerhalb der ersten 2 Jahre. Im späteren Verlauf überwiegt die aseptische Lockerung und auch erneut die Instabilität als dominierende Revisionsursache (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Auswertung der Revisionsgründe nach Knie-TEP hausintern (2005–2010) < 2 Jahre bzw. > 2 Jahre postoperativ nach Primärimplantation. Die Angaben beziehen sich jeweils auf die Gesamtpopulation N = 163. (PE Polyethylen, RPA Retropatellararthrose, TEP Total-Endoprothese)

Diskussion

Der vorliegende Algorithmus richtet sich nach der Häufigkeit und Bedeutung der Revisionsindikationen in der Knieendoprothetik. Somit besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, schnell und effizient zu einer Diagnose zu kommen.

Die medizinisch bedeutsamste und innerhalb der ersten 2 Jahre häufigste Revisionsursache ist die PPI. Die Diagnose erscheint in der Praxis schwierig, da ein signifikanter Anteil von Low-grade-Infektionen fälschlicherweise als aseptisch diagnostiziert wird [13]. Daher sollte bei jedem Patienten mit einer unklaren Schmerzsymptomatik bis zum Beweis des Gegenteils eine PPI angenommen werden. Dies ist insofern bedeutend, da die PPI eine höhere 5-Jahres-Mortalität als maligne Erkrankungen wie Mammakarzinom, Melanom und Hodgkin-Lymphom zeigt [14]. Berend et al. demonstrierten eine 7 %ige Letalität bei Patienten mit zweizeitigen Endoprothesenwechsel [15]. Das Vorliegen von Ruhe- und Nachtschmerzen sowie ein fehlendes schmerzfreies Intervall nach der Operation lassen die Verdachtsdiagnose der Infektion zu.

Für die erfolgreiche Diagnostik der PPI sind grundsätzlich unten stehende Befundkonstellationen richtungsweisend [11, 16]:

  • Fistel mit Kommunikation ins Gelenk.

  • Intraartikulärer Pus (Ausnahme Pseudopus bei Metall-Metall-Gleitpaarungen).

  • Positive Histologie (periprothetische Membran vom infektiösen Typ (II) oder Mischtyp (III) nach Krenn und Morawietz et al.) [17, 18].

  • Positive Mikrobiologie: positive Kultur der Synovialflüssigkeit, intraoperativer Gewebeproben oder der Sonikationsflüssigkeit. Für einen positiven Befund bei den Gewebeproben muss hierbei ein niedrig virulenter Erreger in mindestens 2 Proben detektiert werden. Im Falle eines hoch virulenten Erregers reicht die Detektion in einer Probe.

  • Leukozytenanzahl in der Synovialflüssigkeit > 2000/µl oder Anteil neutrophiler Granulozyten > 70 %. Eine Einschränkung liegt vor bei Erkrankungen aus dem rheumatologischen Formenkreis.

Sind die Kriterien anhand der Gelenkpunktion nicht eindeutig, sollte sich eine Untersuchung von 3–5 Gewebeproben anschließen. Diese Untersuchung ist zwar invasiv, stellt aber den aktuellen Goldstandard bezüglich Sensitivität und Spezifität dar. Abstriche sind der Entnahme von Gewebeproben in Sensitivität und Spezifität deutlich unterlegen und nicht mehr empfohlen [19]. Die Sonikation explantierter Komponenten ermöglicht die Zerstörung des Biofilms und damit die Freisetzung und den Nachweis der sessilen Bakterien. Die Kultivierung der Sonikationsflüssigkeit kann sowohl die Quantität der Erregernachweise steigern als auch die Sensitivität gegenüber allen zuvor erwähnten Nachweismethoden verbessern [20]. Radiologische Verfahren, wie die häufig eingesetzte Leukozytenszintigrafie, spielen aufgrund der geringen Sensitivität und Spezifität nur eine untergeordnete Rolle in der Infektionsdiagnostik [21, 22]. Neue molekulare Techniken, beispielsweise die PCR aus der Synovialflüssigkeit, zeigen eine hohe Detektion von Pathogenen mit jedoch ebenfalls hoher Anzahl an falsch positiven Resultaten [23]. Synoviale Biomarker wie Human-α-Defensin, ELA-2, BPI, NGAL und Lactoferrin weisen zwar eine hohe Spezifität und Sensitivität auf, sind in ihrer Wertigkeit in der klinischen Routine jedoch noch nicht bestätigt [24]. Die detaillierte Bewertung der einzelnen Parameter der Infektionsdiagnostik wird in einem separaten Artikel von Trampuz et al. in diesem Heft vorgenommen.

Die aseptische Lockerung gilt mit als häufigste mechanische Revisionsursache [3, 25, 26]. In unserem Patientenkollektiv ist sie nach mehr als 2 Jahren zusammen mit der Instabilität der dominierende Revisionsgrund. Anamnestisch überwiegen belastungsabhängige Beschwerden nach einem vorherigen schmerzfreien Intervall. Radiologisch zeigen sich meist klare Lockerungszeichen in Form von Saumbildungen. Eine durchgehende Ausdehnung > 2 mm oder eine zeitliche Progredienz sind beweisend für eine aseptische Lockerung [2729]. Davon abzugrenzen sind radiolucent lines. Dabei handelt es sich um knöcherne Reaktionen, die häufig als Lockerungssaum fehlinterpretiert werden. Sie treten vor allem bei unikondylären Endoprothesen und Revisionsimplantaten auf [29, 30]. Während der echte Lockerungssaum über die Zeit progredient ist, zeigen die radiolucent lines keine Zunahme. Die häufig zur Lockerungsdiagnostik eingesetzte 3-Phasen-Skelettszintigrafie ist aufgrund der geringen Spezifität nur wenig hilfreich [29]. Innerhalb der ersten 12–18 Monate nach Implantation ist eine Differenzierung zwischen Lockerung und Remodelling des Knochens in der Skelettszintigrafie unmöglich [31]. Im Gegensatz dazu ermöglicht die Computertomografie durch Sequenzen mit Artefaktunterdrückung eine Darstellung von Lockerungssäumen, die in den konventionellen Projektionsaufnahmen nicht sichtbar sind [29] (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Beispiel eines artefaktreduzierten Computertomogramms zur optimierten Darstellung einer Prothesenlockerung

Ebenfalls häufige Revisionsursache ist die Instabilität [3, 25, 26, 32]. Diese kann sowohl die Frontalebene, die Sagittalebene als auch die Rotation betreffen [33]. Die Herausforderung in der Diagnostik der Instabilität ist, dass nur etwa 50 % der Patienten mit einer instabilen Knie-TEP auch über ein Instabilitätsgefühl berichten [34]. In der klinischen Untersuchung zeigt sich eine vermehrte mediolaterale Aufklappbarkeit oder vermehrte anteroposteriore Translation, die jedoch häufig durch ein schmerzbedingtes Gegenspannen verschleiert wird. Im statischen Röntgen sind nur ausgeprägte Instabilitäten eindeutig zu erkennen. Zusätzliche Stressaufnahmen in der Frontal- und Sagittalebene objektivieren die Instabilität [35]. Die dynamische Durchführung mit dem Bildwandler ermöglicht zusätzlich die Visualisierung der Stabilität über alle Beugegrade (Midflexionsinstabilität) und die Korrelation zu der Schmerzangabe des Patienten (Abb. 4). Auch die sekundäre Retropatellararthrose kann indirektes Zeichen einer sagittalen Instabilität sein. Die Wertigkeit als primäre Schmerzursache ist hingegen umstritten.

Abb. 4
figure 4

Die radiologische Basisdiagnostik dieser schmerzhaften Knie-TEP zeigt regelrechte Achsverhältnisse und keine relevante Instabilität in der a.-p.-Aufnahme. In der seitlichen Aufnahme imponiert eine Reduktion des posterioren femoralen Offsets. In den dynamischen Stressaufnahmen unter dem Bildwandler sind eine vermehrte mediale Aufklappbarkeit sowie eine vermehrte hintere Schublade zu identifizieren (HSL hintere Schublade, VSL vordere Schublade)

Auch unter dem Oberbegriff Malalignment sind mögliche Ursachen für einen mechanisch bedingten Schmerz in der Literatur beschrieben [3638]. Dabei zeigt sich, dass Achsabweichungen der Rotation mit der größten Unzufriedenheit der Patienten verbunden sind. Abweichungen in der Koronarebene scheinen dabei klinisch am wenigsten bedeutend [39, 40]. Die Rotation der Implantatkomponenten kann auf konventionellen Röntgenbildern nicht sicher beurteilt werden. Die Rotationsanalyse mittels Computertomografie ist der Goldstandard. Als korrekte Rotation gilt die Ausrichtung in 3° Außenrotation zur posterioren Kondylenachse, 90° zur Whiteside-Line oder parallel zur chirurgischen Epikondylenachse. Nur letztere Landmarke ist nach Implantation einer Knie-TEP verwendbar. Bereits für geringe Abweichungen (> 3°), insbesondere der Femurkomponente, ist eine Instabilität oder eingeschränkte Funktion beschrieben [41]. Zur Beurteilung des koronaren und sagittalen Alignments sind eine Ganzbeinstandaufnahme und eine lange seitliche Röntgenaufnahme ausreichend. Eine Ausrichtung ± 3° von der Neutralen war bislang der akzeptierte Toleranzbereich der koronaren Implantatpositionierung [42]. Einige Studien zeigen jedoch keinen Nachteil, wenn dieser Bereich verfehlt wird und werfen die Frage nach einem individuellen Alignment für jeden Patienten auf. In der Sagittalebene fehlen publizierte Grenzwerte, sodass hier einzig die Instabilität in Flexion oder die klare Fehlfunktion des patellofemoralen Gelenkes als eindeutige Revisionsindikationen anzusehen sind [40, 43, 44].

Das Overstuffing zählt zu den Malpositionierungen, da es durch eine fehlerhafte Größenwahl, eine fehlerhafte Position oder Design des Implantates zu einer Überfüllung des Gelenkes führt. Eine solche Überfüllung ist aufgrund der variablen Anatomie anhand eines postoperativen Röntgenbildes nur schwer zu diagnostizieren. Die schmerzhafte belastungsabhängige Bewegungseinschränkung ohne Zeichen von Lockerung oder Fehlpositionierung ist häufig das einzige Symptom. Eine Sicherung der Diagnose gelingt erst durch den Vergleich der postoperativen Röntgenbilder mit präoperativen Aufnahmen oder Bildern der Gegenseite. Femorotibial kann dabei eine Verschiebung der Gelenklinie anhand verschiedener Landmarken evaluiert werden (30 % der transepikondylären Achse nach distal, Fibulaköpfchen, Tuberculum adductorium, Patellahöhenstand) [4547]. Auf den seitlichen Aufnahmen kann eine Veränderung des anterioren oder posterioren femoralen Offsets identifiziert werden. Das Prinzip des bikondylären Oberflächenersatzes ist, die gleiche Menge resezierten Knochens durch das Implantat zu ersetzen. Distal femoral führt eine zu geringe Resektion zu einem Streckdefizit, tibial zu einer Einschränkung des gesamten Bewegungsumfanges. In der Sagittalebene kann ein Overstuffing durch die gewählte Implantatgröße und -position verursacht sein und damit sowohl anterior als auch posterior eine Überfüllung des Gelenkes hervorrufen. Überdimensionierung oder exzentrische Positionierung können ebenfalls ein Weichteil-Impingement (Hoffa-Körper, Popliteussehne, mediales Kollateralband) und eine schmerzhafte Funktionseinschränkung induzieren [4850]. Ein mediolateraler Überstand der Tibiakomponente ist in der Regel auf konventionellen Röntgenaufnahmen erkennbar. Die Evaluation der anteroposterioren Ausdehnung der Tibia sowie der Femurkomponente benötigt hingegen die weiterführende Diagnostik in Form einer CT [49].

Die periprothetische Fraktur ist in der Regel aufgrund eines Unfallereignisses und anhand konventioneller Röntgenaufnahmen klar zu erkennen. Bei unklarem Befund ist die CT das weiterführende bildgebende Verfahren der Wahl.

Läsionen des Streckapparates können sowohl im Bereich des Ligamentum patellae, der Patella selbst oder der Quadricepssehne auftreten. Die Kombination aus fehlender aktiver Möglichkeit zur vollen Streckung und Patella baja (Quadricepssehnenruptur) oder Patella alta (Patellasehnenruptur) sichert die Diagnose. Klinisch kann bei intaktem Reservestreckapparat häufig eine Kompensation beobachtet werden [51]. Die Sonografie ist das Diagnostikum der Wahl.

Konnte anhand der bisherigen Diagnostik keine klare Schmerzursache identifiziert werden, muss an die seltenen Ursachen der schmerzhaften Knie-TEP gedacht werden. Ist keine Änderung der Schmerzen nach der Operation eingetreten, ist an eine extraartikuläre Schmerzursache zu denken. Gleiches gilt, wenn bei Betrachtung der präoperativen Röntgenaufnahmen das Ausmaß der degenerativen Veränderungen und die Schmerzhaftigkeit nicht zusammenpassen [52]. Hierbei können sowohl die angrenzenden Gelenke (LWS, Hüft- und Sprunggelenke) ursächlich sein, als auch eine Algodystrophie, vaskuläre Pathologien, neurologische oder psychische Erkrankungen als arthrotischer Knieschmerz imponieren [53].

Die Allergie (Spätreaktion vom Typ IV) gegen Implantat- oder Zementbestandteile als Ursache eines Implantatversagens ist in der Literatur nicht sicher belegt. Es existieren hierzu lediglich Fallberichte [54, 55]. Im Gegensatz dazu zeigten andere Studien keinerlei Auffälligkeiten, obwohl die eingesetzte Endoprothese das betreffende Allergen enthielt [56, 57]. In der Diagnostik ist auch hier primär die Infektion als wichtigste Differenzialdiagnose auszuschließen. Eine Allergietestung auf der Haut ist wenig zielführend, da es keinen Nachweis einer Verbindung zu einer allergischen Reaktion tiefer liegender Gewebe gibt [58, 59].

Die primäre Arthrofibrose stellt eine Ausschlussdiagnose dar. In der Literatur wird die Inzidenz mit 3–10 % angegeben [7]. Ein histopathologischer Hinweis auf diese Diagnose ist möglich, sodass die Konsensusklassifikation der periprothetischen Membran erweitert wurde [17]. Davon abzugrenzen ist die sekundäre Arthrofibrose durch eine bekannte biologische (Infektion) oder mechanische (Instabilität, Overstuffing, Lockerung) Ursache, die bei Behebung der Ursache eine bessere Prognose hat [60].

Trotz intensiver Diagnostik kann die Schmerzursache bei einigen Patienten nicht sicher identifiziert werden. Hier bietet sich eine Reevaluation anhand derselben diagnostischen Kriterien nach 6 Monaten an. Bleibt die Ursache unklar, ist eine Revision des Implantates nicht zielführend und mit einem hohen Risiko von persistierenden Beschwerden vergesellschaftet. Die Ausschöpfung aller konservativen Maßnahmen steht bei diesen Patienten im Vordergrund. Innerhalb der ersten 5 Jahre postoperativ kann mit einer Regredienz der Schmerzen unter konservativer Behandlung gerechnet werden [61].

Fazit für die Praxis

  • Die Diagnostik der schmerzhaften Knie-TEP stellt eine Herausforderung für den Untersucher dar.

  • Aufgrund multipler möglicher Ursachen ist eine strukturierte Analyse Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie.

  • Anhand des vorgestellten diagnostischen Algorithmus können die Ursachen der schmerzhaften Knie-TEP nach absteigender Häufigkeit effizient abgeklärt werden.

  • Ist die Beschwerdeursache trotz aller diagnostischen Maßnahmen nicht objektivierbar, ist eine Revision nicht zielführend und die konservative Behandlung fortzuführen.