Derzeit werden in Deutschland jährlich etwa 80.000 Knietotalendoprothesen (Knie-TEP) mit steigender Tendenz implantiert. Es besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen den sehr guten Langzeitergebnissen mit >95%iger Überlebensrate nach 10 Jahren und dem in der Literatur gleichzeitig beschriebenen Anteil von 12–23% unzufriedenen Patienten [11, 12, 13, 15, 18, 19]. Der prozentuale Anteil von operativen Revisionsnotwendigkeiten bei nicht gelockerten Knie-TEP nimmt dabei immer weiter zu. Achsfehlstellungen sowie die daraus resultierende pathologische Biomechanik mit ausgeprägten funktionellen Beschwerden stellen einen Hauptgrund für Revisionsoperationen nach Knie-TEP dar.

Weichteilimbalancen und eine fehlerhafte Biomechanik des implantierten Kniegelenks sind oft klinisch und röntgenologisch schwer zu diagnostizieren, scheinen jedoch eine wesentliche Ursache der divergierenden subjektiven und objektiven Wahrnehmung der Behandlungsergebnisse zu sein [7, 9, 25]. Entsprechend nimmt der prozentuale Anteil von operativen Revisionsnotwendigkeiten bei nicht gelockerten Kniegelenken in der Revisionsknieendoprothetik immer weiter zu. Im Jahr 2004 wurden von 72 Wechseloperationen am Kniegelenk in unserer Klinik nur noch 24 (33,3%) wegen einer Lockerung durchgeführt. Darüber hinaus korrelieren Malalignment und Malpositionierung mit einer mechanisch bedingten aseptischen Lockerung und stellen möglicherweise deren Hauptursache dar [1, 4, 30].

Achsfehler treten in der Knieendoprothetik sowohl primär infolge von Implantationsfehlern als auch sekundär durch progrediente Fehlstellung infolge von Implantatlockerungen, Instabilität, ausbleibender Integration, Kollaps von strukturierten Knochentransplantaten etc. auf.

Für die klinische Beurteilung hat sich folgende Unterteilung bewährt:

  • Achsfehlstellungen von Tibia und Femur (differenziert zwischen intra- und extraartikulär),

  • Veränderungen der Gelenklinie (bzw. korrekter der Gelenkfläche),

  • Veränderungen der Position der Patella.

Achsfehler, die primär die Tibia- oder die Femurkomponente betreffen, sind in allen Raumebenen möglich. Achsfehler betreffen jedoch nicht nur die klassischen 3 Raumebenen und somit primär das Tibia- und das Femurteil, sondern ebenso die Patella und die Höhe des Gelenkspalts (Tabelle 1). Nach Fehlern in allen Positionen ist daher radiologisch und klinisch danach zu fahnden.

Tabelle 1 Unterteilung der Achsfehler

Kombinationen mehrerer Achsfehler müssen nicht zwangsläufig zu einer klinischen Fehlstellung führen, sind aber praktisch immer mit einer pathologischen, biomechanischen Situation vergesellschaftet. Beispiele hierfür sind z. B. eine Varusposition der Tibia bei Valgusposition des Femurs mit daraus resultierender schräg verlaufender Gelenkfläche und gerader Gesamtachse oder aber der Ausgleich einer Varusposition der Tibia durch Innenrotation der Komponente (in Zusammenhang mit dem „posterioren slope“) und insgesamt gerader Beinachse.

Achsfehler müssen nicht implantatassoziiert sein und können auch bei korrekter Implantatpositionierung infolge einer primären, intraoperativen Bandverletzung oder sekundärer Instabilität auftreten (Tabelle 2).

Tabelle 2 Einteilung der Instabilitäten nach endoprothetischem Kniegelenkersatz

Von außerordentlicher klinischer Relevanz sind die häufig übersehenen Stellungsveränderungen der Patella nach TEP. Ursachen für die Veränderung der Position der Patella und eine daraus resultierende Malfunktion fasst Tabelle 3 zusammen.

Tabelle 3 Ursachen für die Veränderung der Patellaposition nach endoprothetischem Kniegelenkersatz

Klinische Symptomatik

Die klinische Symptomatik ist unspezifisch und variiert stark. Sie kann sowohl fehlen (z. B. inkorrekte Positionierung der Femurkomponente in der Sagittalebene, Abb. 1) als auch bis zum vollständigen Verlust der Funktionsfähigkeit, einhergehend mit starken Schmerzen, führen. Die klassischen Zeichen bei der klinischen Untersuchung sind die Instabilität, die Deformierung und die Bewegungseinschränkung. Sekundär treten Schmerzen, Ergussbildung und Überwärmung im Gelenk auf. Wesentliche Differentialdiagnosen zeigt Tabelle 4.

Abb. 1
figure 1

Femorales Notching durch vermehrte Extension des Femurteils

Tabelle 4 Differentialdiagnostische Ursachen für eine schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung des Kniegelenks

Diagnostischer Algorithmus

Während die Wertigkeit der Achsfehler in der Frontal- und Sagittalebene für die Schmerzhaftigkeit des Kniegelenks bisher nicht eindeutig belegt ist, erscheint die Entstehung funktioneller Beschwerden und postoperativer Schmerzen infolge einer femoralen Fehlrotation als gesichert [2, 5]. Insbesondere nach diesen in konventionellen Röntgenbildern nicht zu sichernden Fehlstellungen ist deshalb zu fahnden. Primär erfolgt immer eine Röntgenaufnahme in 2 Ebenen mit langer Platte. Bei dringendem Verdacht auf eine Fehlstellung in der Frontalebene bzw. auf eine schräg verlaufende Gelenklinie sind darüber hinaus Langaufnahmen im Stand, die sowohl den Hüftkopfmittelpunkt, das Kniegelenk und das Sprunggelenk abbilden, indiziert. Beurteilt wird dabei zunächst standardisiert das Vorliegen von Lockerungszeichen, infektbedingten oder abriebinduzierten Veränderungen.

Anschließend wird nach Fehlpositionierungen der Implantate gesucht. Die zur Beurteilung notwendigen Landmarken sind in Abb. 2 dargestellt. In der Frontalebene lassen sich ein Varus-/Valgusmalalignment von Tibia- und Femurteil, ein mediolaterales Überstehen der Komponenten sowie die Gelenklinie in Bezug zum Fibulaköpfchen beurteilen. Die Sagittalebene erlaubt die Kontrolle des tibialen „slopes“, der Flexion des Femurteils, der a.-p.-Position von Tibia- und Femurteil (Hoffa-Impingement bzw. Notching) sowie der Gelenklinie in Bezug zur Patellahöhe. Letztere entspricht zwar keiner Achsfehlstellung im engeren Sinne, ist aber von entscheidender klinischer Relevanz, da eine zu hoch stehende Patella (Patella alta) häufig zu einer verringerten Stabilität des Gelenks führt, eine zu tief stehende Patella (Patella baja) dagegen oftmals Ursache für eine schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung, insbesondere für den vorderen Knieschmerz, ist [21].

Abb. 2
figure 2

Korrektes Alignment der Implantate [a Abstand Gelenklinie zum Tuberculum adductorium (ca. 30 mm), b Abstand Gelenklinie zum Fibulaköpfchen (ca. 20 mm), c Länge der Patellarsehne, d Längsdurchmesser der Patella, c/d Insall-Salvati-Index (0,8–1,2), e Abstand Gelenklinie zur Patellaspitze, α Winkel zwischen anatomischer und mechanischer Femurachse (4–8°), β posteriorer tibialer Slope (0 – 5°)]

Tangentialaufnahmen der Patella (sog. „Sunrise-view-Aufnahmen“) oder Patella-défilé-Aufnahmen geben wertvolle Informationen über das femoropatellare Alignment und können Anhaltspunkte für eine Fehlrotation der Femur- oder seltener der Tibiakomponente geben. Darüber hinaus ist eine Bewertung hinsichtlich der Ursache eines möglicherweise vorhandenen Malalignments jedoch mit dieser Aufnahme allein nicht möglich.

Abschließend sollte daher bei schmerzhaftem Kniegelenk oder aber bei einer ausgeprägten Bewegungsstörung (Flexion <70°), bei der andere Ursachen mit den genannten Techniken ausgeschlossen worden sind, die Rotationsbestimmung der Tibia- und der Femurkomponente im CT erfolgen (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

CT-Anschnitt durch die femoralen Epikondylen zur Beurteilung der Rotation des Femurimplantats, pathologische Innenrotationsstellung von 8°

Planung des operativen Eingriffs

Ziel des geplanten operativen Eingriffs ist die Wiederherstellung normaler Gelenkverhältnisse im Sinne einer achskorrekten Implantation bei ausreichender Stabilität.

Zum Erreichen dieses Ziels ist zuerst die Frage zu klären, welchen Kopplungsgrad die zu implantierende Revisionsendoprothese haben soll. Grundsätzlich gilt, dass bei einem präoperativ vorhandenen Achsfehler immer eine pathologische biomechanische Situation vorliegt, die zu einer fehlerhaften Be- und evtl. auch Überbeanspruchung der anatomischen Bandstrukturen geführt hat. Die eingeschränkten Releasemöglichkeiten des hinteren Kreuzbandes (HKB), seine komplexe und in weiten Strecken noch unverstandene Kinematik sowie die guten reproduzierbaren Ergebnisse unter Verwendung kreuzbandsubstituierender Designs machen den Ersatz des HKB bei jeder achsstellungsbedingten Revision sinnvoll [25, 29].

Die Beurteilung der Kollateralbänder muss klinisch erfolgen und ist unter Relaxation im Operationssaal (OP) zu wiederholen. Dabei ist zu beachten, dass in Extension eine Kollateralbandinsuffizienz durch das Anspannen der dorsalen Kapselstrukturen verdeckt werden kann. Es ist daher zwingend erforderlich, die Stabilität in verschiedenen Flexionsstellungen (0°, 30°, 60°, 90°) zu prüfen. Eine sog. „Midflexionsinstabilität“ bei 30° und 60° deutet meist auf einen pathologischen Versatz der Gelenklinie hin [21]. Eine mit Flexion stetig zunehmende mediale Instabilität kann auf einen insuffizienten tiefen Innenbandanteil ebenso wie auf eine vermehrte Außenrotation des Femurteils hinweisen. Eine in Beugung stetig zunehmende laterale Instabilität deutet meist auf eine Innenrotation der Femurkomponente, seltener auf eine Durchtrennung der Popliteussehne hin [2, 5, 28].

Grundsätzlich sollte eine achsgeführte Prothese immer im OP vorgehalten werden, um auf neue, evtl. sich erst intraoperativ ergebene Aspekte adäquat reagieren zu können. Zuerst wird die Tibia geplant, d. h. deren Größe und deren korrekte Position. Die Gelenkfläche wird in einem Winkel von 90° zur mechanischen Achse in der Frontalebene eingezeichnet. Die dorsale Neigung ist vom verwendeten Implantat abhängig und liegt im Regelfall bei 0–3°. Danach ist die Notwendigkeit von Stielverlängerungen zu bestimmen. Semiconstraint- und Constraint-Prothesen benötigen ebenso eine Stielverankerung, wie alle Versorgungen bei ausgedehnten Knochendefektrekonstruktionen (≥1 cm).

Insbesondere wichtig ist für die Planung die Höhe der Gelenklinie. Für deren korrekte Bestimmung sind die entsprechenden anatomischen Landmarks zu verwenden (s. Abb. 2). Für die Tibia- und die Femurkomponente ist zu prüfen, ob asymmetrische Stiele („off-set stems“) für eine korrekte Implantation benötigt werden, um z. B. ein mediales Überstehen des Tibiaplateaus oder ein Notching des Femurteils zu vermeiden. Die Größe und Position des Femurteils wird eingezeichnet, wobei das zentrale Augenmerk auf die resultierende Position im Verhältnis zu den Femurkondylen und auf die resultierende Patellaposition zu legen ist, wohingegen bei der Verwendung von Stielen die Position in der Frontal- und Sagittalebene vergleichsweise einfach bestimmbar ist.

Operative Besonderheiten

Ist eine Instabilität Ursache der Revisionsoperation, wird bevorzugt eine gekoppelte Prothese Verwendung finden, da durch die pathologische Biomechanik des instabilen Kniegelenks weit überwiegend eine Alteration aller Bänder vorliegt [8, 22].

Die Implantation in der Frontalebene und der Sagittalebene wird weitestgehend durch die obligatorischen Stiele (Stems) dieser Prothesen bestimmt. Die genaue Rotationsausrichtung der Komponenten ist weniger bedeutend als bei ungekoppelten oder teilgekoppelten Prothesen, da die ligamentäre Situation weitestgehend unberücksichtigt bleiben kann, wenn die rotationsbestimmenden Strukturen (Kollateralbänder, Popliteussehne, HKB, Tractus iliotibialis, Hamstrings) reseziert werden. Unbedingt zu achten ist jedoch auf die Höhe der Gelenklinie.

Nachteile gekoppelter Prothesen sind die höhere Infektions- und Lockerungsrate sowie die eingeschränkten Revisionsmöglichkeit, v. a. bei Infektionen [10]. Die Zielstellung sollte daher bei jeder Revisionsoperation sein, nicht mehr „Kopplung als nötig“ zu implantieren. Die posterior stabilisierten und teilgekoppelten Prothesen stellen daher bei Achsfehlstellungen infolge von Lockerung oder bei primären Implantationsfehlern ohne wesentliche Instabilität die erste Wahl dar [25].

Besondere Schwierigkeiten bereitet die korrekte Bestimmung der Rotationsstellung der Femurkomponente bei Revisionseingriffen. Vor einer Wiederverwendung der alten Resektionsflächen ist dringend zu warnen. Rotationsfehler stellen nach unserer Erfahrung den häufigsten Implantationsfehler bei der Primäroperation dar. Aus diesem Grund sollte die Bestimmung der korrekten Rotation nach 2 Gesichtspunkten erfolgen, wenn eine nicht- oder teilgekoppelte Prothese bei der Revision Verwendung findet: Die initiale Bestimmung der Rotationsstellung der Femurkomponente erfolgt bei 90° Flexion, wobei diese nach der Tibia ausgerichtet wird. Dieser „funktionelle Ansatz“ ist danach mit der Lage der transepikondylären Achse („anatomische Ausrichtung“) zu vergleichen. Die Bestimmung der Epikondylen kann teilweise Schwierigkeiten bereiten. In der Literatur wird die Intraobserver-Abweichung mit durchschnittlich 5° (maximal 15°) und die Interobserver-Variabilität mit durchschnittlich 9° (maximal 15°) angegeben [17]. Durch Präparation der Bandansätze lässt sich dieses Problem jedoch reduzieren.

Besteht hier eine Abweichung von >5° zwischen diesen beiden Achsen, sollte noch einmal geprüft werden, ob das Weichteilrelease vollständig durchgeführt wurde. Verbleibt trotz eines adäquaten Weichteilreleases eine Achsdifferenz von >5°, empfehlen wir die Implantation einer gekoppelten Prothese, da sonst oftmals Einschränkungen der Stabilität oder der Funktion insbesondere in Beugung des Kniegelenks verbleiben [8].

Grundsätzlich gilt für alle Revisionseingriffe, dass die Knochenresektion so sparsam wie möglich erfolgen sollte. Insbesondere bei vorherbestehenden Achsfehlern sollten für solche Revisionen unterschiedliche metallische Keile („wedges“) neben allogenen Transplantaten zur Verfügung stehen, um die Notwendigkeit einer unbedingten 90° Resektion zur Frontalebene zu vermeiden. Eine schräge, knochensparende Resektionsebene kann z. B. mit schrägen Wedges und nachfolgender korrekter Stellung der Gelenklinie ausgeglichen werden (Abb. 4). Aus diesem Grund sollte das Verwendung findende Revisionssystem des Kniegelenks neben einer hohen Modularität unterschiedlichste Möglichkeiten des Defektaufbaus anbieten [14].

Abb. 4
figure 4

Varusfehlstellung der Tibiakomponente durch Nachgeben des medialen Plateaus (a). Hier war ein Knochendefekt ohne adäquate Protektion durch einen längeren tibialen Stiel mit Spongiosa gefüllt worden. Lösung durch Wechsel auf eine modulare Prothese mit metallischem medialen Tibiaaugmentat (b)

Asymmetrische Instabilität

Die asymmetrischen Instabilitäten sind die häufigsten mechanischen Komplikationen nach endoprothetischem Kniegelenkersatz [7, 26]. Infolge der ligamentären Asymmetrie oder bei inkorrekten Knochenresektionen resultiert eine Instabilität des Gelenks mit nachfolgender Achsfehlstellung (Abb. 5). Die häufigste Ursache ist dabei das inadäquate Release der präoperativ verkürzten Bänder. Bei der Revision solcher Fälle sollte bei festsitzenden Komponenten zuerst immer kontrolliert werden, ob durch ein Release der kontrakten Seite und die nachfolgende Implantation eines höheren Inlays eine vollständige Achskorrektur und gute Stabilität erreicht werden kann [6]. Dieser Ansatz wird durch die damit einhergehende Proximalisation der Gelenklinie limitiert und sollte daher bei HKB-Erhalt 3 mm Versatz bzw. 10 mm Inlayerhöhung nie überschreiten. Die Folgen wären eine Patella baja und eine Midflexionsinstabilität. Daher ist in den meisten Fällen die Prothese zu wechseln.

Abb. 5
figure 5

Valgusfehlstellung durch mediale ligamentäre Instabilität bei insuffizient versorgter Valgusgonarthrose. Zusätzlich steht die Patella lateral subluxiert aufgrund einer verbliebenen Außenrotationskontraktur der Tibia gegen das Femur

Bei einem primären oder sekundären Knochensubstanzverlust mit nachfolgender Deformität gelten die grundsätzlichen Regeln des Knochendefektaufbaus. Eine Resektion des Knochens am tiefsten Punkt ist im Regelfall die falsche Entscheidung. Die Resektion sollte sparsam (2 mm) erfolgen. Die Achskorrektur kann dann durch asymmetrische Wedges erreicht werden — ist dies nicht möglich, ist der Knochendefekt in Stufenform („step cuts“) zu resezieren, um die bestmögliche Abstützung des defektfüllenden Implantats, des Knochentransplantats bzw. bei kleineren Defekten des Zements zu erreichen.

Patellofemorales Malalignment

Unterschiedliche Designfaktoren und technische Fehler können Ursache eines patellofemoralen Malalignments sein (s. Tabelle 3). Folgende Vorgehensweisen sind notwendig:

  • Sollte die Tiefe der Patellargrube der Femurkomponente unzureichend sein (ältere Prothesenmodelle), ist die Prothese zu wechseln.

  • Bei Positionierung der Femurkomponente in Innenrotation kommt es zu einem verstärkten Zug auf den lateralen Halteapparat der Patella, wenn das Knie gebeugt wird (Abb. 6). Nach unseren Erfahrungen, sollte die Revision bei einem Achsfehler von ≥7° erfolgen und im Zweifelsfall dann eher in leichter Außenrotation implantiert werden (s. Abb. 3).

    Abb. 6
    figure 6

    Patellofemorales Maltracking mit lateraler Subluxation der Patella bei Innenrotationsfehlstellung des Femurteils (Patella-défilé-Aufnahme)

  • Fehlrotationen der Tibiakomponente führen zu einer Veränderung des Insertionspunktes der Patellarsehne. Eine Innenrotation der Tibiakomponente führt konsekutiv zu einer Lateralisierung der Tuberositas tibiae und somit zu einer externen Rotation des Unterschenkels, die von einer Instabilität bis zur Luxation der Patella führen kann (Abb. 7). Die Therapie besteht in einer Neuausrichtung des Tibiateils und nicht in dem operativen Versatz der Tuberositas tibiae, da meist die Ursache eine Malposition der Tibiakomponente und nicht eine pathologische intrinsische Tibiakopftorsion ist (Stellung Tuberositas tibiae zu Fibulaspitze zu Sprunggelenkgabel).

    Abb. 7
    figure 7

    CT-Anschnitt durch die Tuberositas tibiae zur Beurteilung der Rotation des Tibiaimplantats. Man erkennt die pathologische Innenrotation des tibialen Implantats um ca. 20° im Vergleich zur Referenz durch das mediale Drittel der Tuberositas tibiae und das geometrische Zentrum der Tibia

  • Weitere Ursache kann eine persistierende Außenrotationskontraktur nach primärer Implantation bei Valgusarthrose sein. Diese oft nicht beachtete rotatorische Komponente der ligamentären Valguspathologie wird insbesondere bei Verwendung rotierender Plattformen symptomatisch, da diese eine Kontrolle über die tibiofemorale Rotation voraussetzen und eine vorliegende Rotationskontraktur verstärken. Die Revision muss hier auf ein Implantat erfolgen, das die rotatorische Kontrolle gewährleistet, da ein alleiniger Weichteileingriff in diesen Situationen mit einem hohen Rezidivrisiko einhergeht. Im Regelfall wird daher ein Varus-/Valgus-stabilisiertes Kniesystem oder eine achsgekoppelte Prothese zu wählen sein.

  • Ein zu straffes laterales Retinakulum ist eine absolut seltene Ursache für eine Patellasubluxation oder -luxation. Hier sind zunächst alle anderen Ursachen auszuschließen. Die Revision erfolgt dann durch ein ausgedehntes laterales Release.

  • Eine ebenfalls meist nur symptomatische und daher oft unzureichende Therapie ist der alleinige Patellarückflächenersatz [20, 24]. Dennoch kann die höhere Kongruenz zum Femurschild, die Möglichkeit einer Lateralisation und Distalisation bei bewusst versetzter Implantation eines kleinen Rückflächenersatzes das patellofemorale Tracking verbessern.

Ausblick

Die wichtigste Option in der Therapie der Achsfehlstellungen nach Kniegelenkendoprothetik ist deren Prävention während der Primäroperation. Eine relevante Möglichkeit zur Vermeidung von Implantationsfehlern ist die Anwendung der Navigation. Die Literatur zeigt eine verbesserte Genauigkeit des Alignments der Achsen von Tibia- und Femurkomponente [3, 16, 27, 28]. Ob die Verbesserung der Implantatposition die Nachteile der Navigation rechtfertigt (Kosten, längere Operationsdauer, potentiell höheres Infektionsrisiko u. a.), bleibt abzuwarten.

Fazit für die Praxis

Die Evaluierung des Patienten mit einem schmerzhaften, funktionsgestörten Kniegelenk sollte nach einem standardisierten Algorithmus erfolgen. Vor der Entscheidung für eine Revisionsoperation aufgrund einer Achsfehlstellung ist zu klären, ob die Achsfehlstellung die geklagten Beschwerden erklärt oder ob andere Faktoren allein oder anteilig ursächlich sind.

„Noch tolerierbare“ Abweichungen von Normwerten sind bisher nicht klar definiert. Nach unseren Erfahrungen rechtfertigen Abweichungen in der Frontalebene von >10° und in der Transversalebene von >5° eine Revisionsoperation. Für die Sagittalebene kann die Operationsindikation nur durch funktionelle Gesichtspunkte begründet werden (z. B. Instabilität). Verschiebungen der Gelenklinie von ≥1 cm bzw. eine Schrägstellung der Gelenkfläche („Gelenklinie“) von >5° lassen eine Revisionsoperation bei schmerzhaften Funktionszuständen ebenfalls aussichtsreich erscheinen. Evidenzbasierte Daten dazu liegen derzeit jedoch noch nicht vor.