Die Rotation der femoralen Komponente beeinflusst erheblich die Kinematik einer Knieendoprothese, insbesondere des patellofemoralen Kompartiments [1, 2, 3, 9, 20, 21, 22]. Die chirurgische Epikondylenachse wird von vielen Autoren aufgrund biomechanischer und klinischer Untersuchungen zur Ausrichtung der femoralen Rotation empfohlen [17, 18]. Während der lateralen Epikondyle als anatomische Landmarke die Funktion des einzigen femoralen Ansatzes des lateralen Kollateralbandes zugeschrieben wird, werden 2 femorale Ansätze des medialen Seitenbandes differenziert. Die sog. chirurgische Epikondylenachse wird daher als Verbindung zwischen lateraler Epikondyle und dem Sulkus zwischen oberflächlichem und dem tiefen medialen femoralen Seitenbandansatz definiert [6, 16, 24]. Schon geringe Abweichungen von dieser Achse (>3°) führen zu Instabilität, eingeschränkter Funktion und Schmerzen [1, 3, 9].

Am Leichenpräparat konnte gezeigt werden, dass die Identifikation der Epikondylen, insbesondere des medialen Epikondylus und Sulkus, ungenau und unzureichend reproduzierbar ist [13]. Dementsprechend unbefriedigend ist auch die Präzision der intraoperativen Bestimmung der Epikondylenachse mit konventioneller Instrumentation [14] aber auch bei navigierter Prothesenimplantation [4, 8, 11, 12, 19, 23].

Um die Genauigkeit der Erfassung der Epikondylenachse zu verbessern ist eine Fehleranalyse der intraoperativen Epikondylenidentifikation erforderlich. Es ist bislang unklar, ob dieser Fehler zufällig verteilt oder systematisch ist und ob es Einflussfaktoren gibt, die eine Möglichkeit für eine Reduktion des Fehlers darstellen.

Ziel dieser Arbeit war es daher, die Abweichungen von intraoperativ mittels Navigation bestimmter Achsen und postoperativ computertomographisch objektivierter chirurgischer Epikondylenachsen zu erfassen. Größe und statistische Verteilung der Abweichungen sollten bestimmt und die Korrelation mit möglichen Einflussfaktoren untersucht werden.

Material und Methoden

Patienten

In die prospektive, durch die Ethikkommission und durch das Bundesamt für Strahlenschutz genehmigten Studie wurden 32 Patienten (8 männlich, 24 weiblich) eingebracht. Einschlusskriterien waren das Vorliegen einer primären Gonarthrose, ausgeschlossen wurden Patienten, die an dem betreffenden Kniegelenk voroperiert waren oder aufgrund der vorliegenden Fehlstellung oder Instabilität nicht mit einem ungekoppelten Oberflächenersatz versorgt werden konnten. Dokumentiert wurden Geschlecht, Fehlstellung in der Frontalebene, präoperative Instabilität, präoperatives Bewegungsausmaß (ROM), operierte Seite (rechts/links), Implantatgröße und Body-Mass-Index (BMI).

Operation

Die Operation fand in Rückenlage ohne Abspreizung des kontralateralen Beins statt. Das Navigationsgerät stand entsprechend der Empfehlung des Herstellers in allen Fällen medial des operierten Kniegelenks. Der Operateur stand stets auf der rechten Seite, d. h. bei rechten Kniegelenken lateral, bei linken medial des Operationssitus.

In allen Fällen wurde ein zementierter ungekoppelter Oberflächenersatz mit rotierender Plattform Typ Solution Plus (Fa. Endoplus, Marl) mit dem Galileo-System® (Fa. Precision Implants AG, Aarau, Schweiz) von einem Operateur (G.M.) navigiert implantiert.

Die Operationen wurden in Blutleere (350 mmHg) nach Single-shot-Antibiose (Unacid) durchgeführt. Nach medial parapatellarem Zugang wurden der femorale und tibiale Referenzmarker fixiert und die anatomischen Landmarken eingelesen. Die Operationstechnik entsprach einem „femur first approach“.

Die chirurgische Epikondylenachse sollte erfasst werden. Dazu wurde der Sulkus zwischen dem femoralen Ansatz des oberflächlichen und tiefen medialen Kollateralbandes und die laterale Epikondyle in das Navigationssystem eingelesen. Die Femurkomponente wurde nach der in das Navigationsgerät eingelesenen Epikondylenachse ausgerichtet.

Computertomographische Bestimmung der Abweichung

Das dreidimensionale (3D-)Implantatalignment wurde am 5. postoperativen Tag computertomographisch bestimmt. Entsprechend einem standardisierten Protokoll wurde ein 200 mm langer Scan (1 mm Schichtdicke) des Kniegelenks durchgeführt.

Folgende anatomischen Landmarken wurden in absoluten Raumkoordinaten (x, y, z) mit Image J (Public Domain, entwickelt am National Institutes of Health) bestimmt (Abb. 1):

Abb. 1
figure 1

CT-Ermittlung der chirurgischen Epikondylenachse als Verbindungslinie zwischen höchstem lateralen Punkt des distalen Femurs und tiefstem Punkt des Sulkus zwischen oberflächlichem und tiefem medialen Bandansatz

  • tiefster Punkt des Sulkus zwischen dem Ansatz des oberflächlichen und tiefen medialen Seitenbandes,

  • höchster Punkt des Ansatzes des lateralen Seitenbandes,

  • medialer femoraler Fixationspin,

  • lateraler femoraler Fixationspin.

Die Artefaktbildung durch das Femurteil erschwert die Identifikation der Epikondylen erheblich. Durch getrennte Darstellung der Epikondylen (im Knochenfenster) und des Femurteils (ohne einschränkendes Fenster) mit anschließender mathematischer Überlagerung konnte dieser Fehler minimiert werden (s. Abb. 1). Der Messfehler der derartig bestimmten Epikondylenachse beträgt ca. 1°. Die Genauigkeit des Navigationssystems wird ebenfalls mit ca. 1° angegeben.

Aus dem Winkel zwischen computertomographisch ermittelter chirurgischer Epikondylenachse und dem Femurteil einerseits und dem Winkel des Femurteils zur intraoperativ registrierten Epikondylenachse andererseits ergab sich der intraoperative Bestimmungsfehler (α).

Statistik

Die mittlere Abweichung unter Berücksichtigung der Richtung (Innen-/Außenrotation) wurde als arithmetisches Mittel und Standardabweichung angegeben. Der mittlere Fehler der Bestimmung der Epikondylenachse wurde als arithmetisches Mittel der Beträge von α mit Standardabweichung angegeben. Die Patienten wurden entsprechend der Merkmale Geschlecht und operierte Seite in jeweils 2 Gruppen eingeteilt und Unterschiede im Mittelwert und dem Fehler von α mit dem Mann-Whitney-U-Test untersucht. Der Zusammenhang zwischen der präoperativen Fehlstellung und α wurde mittels Pearson-Korrelationskoeffizienten wiedergegeben. Das Signifikanzniveau wurde für alle statistischen Tests auf p=0,05 festgelegt.

Ergebnisse

Die intraoperativ erfasste Epikondylenachse wich im Durchschnitt α=0,5±1,8° (5,0° Innenrotation bis 4,4° Außenrotation) von der computertomographisch ermittelten Epikondylenachse ab (Abb. 2a). Eine Orientierung des Femurteils einzig nach dieser Landmarke hätte 3 Ausreißer (10%) mit >3° Abweichung zur Folge gehabt. Der durchschnittliche Fehler betrug β=1,4±1,3° (maximal 5,0°; s. Abb. 2b).

Abb. 2
figure 2

Nominelle (a) und absolute (b) Abweichung der intraoperativ erfassten Achse von der chirurgischen Epikondylenachse

Geschlecht, präoperative Fehlstellung oder Instabilität zeigten statistisch keinen Zusammenhang zum Fehler in der Erfassung der chirurgischen Epikondylenachse. Selbst kontrakte und große Kniegelenke, quantifiziert durch präoperatives ROM (range of motion) und die Implantatgröße, waren nicht mit einer größeren Ungenauigkeit der Identifikation der Epikondylen vergesellschaftet. Adipositas konnte ebenfalls als Einflussgröße in der Erfassung der Epikondylenachse ausgeschlossen werden. Einzig die operierte Seite (rechts/links) zeigte einen statistisch signifikanten Zusammenhang zur Genauigkeit der Bestimmung der chirurgischen Epikondylenachse. So betrug der Fehler bei linken Kniegelenken β=0,9±0,7° (maximal 2,4°), bei rechten β=2,0±1,5° (maximal 5,0°, p=0,021; Abb. 3) ohne einen Trend in Richtung Innen- oder Außenrotation. Bei Einstellung der Rotation des Femurteils einzig nach der intraoperativ erfassten Epikondylenachse wären sämtliche Ausreißer rechte Kniegelenke gewesen.

Abb. 3
figure 3

Absolute Abweichung der intraoperativ erfassten Achse von der chirurgischen Epikondylenachse aufgeschlüsselt nach rechten und linken Kniegelenken

Diskussion

Rotationsfehler der femoralen Komponente werden für Flexions- und/oder Midflexionsinstabilitäten, ein pathologisches Patella-Tracking sowie Einschränkungen des ROM verantwortlich gemacht [1, 2, 3, 5, 9].

Zur Einstellung der Rotation des Femurteils stehen neben der chirurgischen Epikondylenachse weitere Landmarken zur Verfügung. Die anatomische Epikondylenachse, definiert durch den höchsten Punkt der medialen und lateralen Epikondyle, die dorsale Kondylenachse als Verbindungslinie der dorsalsten Punkte des medialen und lateralen Kondylus und die Whiteside-Linie als Verbindung der tiefsten Punkte der femoralen Trochlea. Neben diesen rein anatomischen Landmarken findet auch die sog. Gap-Technik breite Anwendung, bei der die Rotation des Femurteils so eingestellt wird, dass ein symmetrischer Beugespalt resultiert [7, 10, 15].

Alle Landmarken haben spezifische Vor- und Nachteile, keine konnte sich bislang als Goldstandard durchsetzen. Die Datenlage ist widersprüchlich, ob die Ausrichtung nach der anatomischen oder chirurgischen Epikondylenachse Vorteile bietet [16, 24]. Bei knöcherner Pathologie (Kondylen- oder Trochleahypoplasie) ist der Einsatz der dorsalen Kondylenachse oder der Whiteside-Linie problematisch, bei ligamentärer Pathologie (Insuffizienz oder Kontraktur) erscheint die Gap-Technik schwierig. Die Epikondylen zeigen als Bandinsertionsstellen keine Abhängigkeit von knöchernen oder ligamentären Pathologien, erfordern jedoch zur Identifikation eine zusätzliche Präparation.

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass die intraoperative Bestimmung der chirurgischen Epikondylenachse mit einem durchschnittlichen Fehler von 1,4±1,3° (maximal 5,0°) behaftet ist. Dieser war unabhängig von der präoperativen Fehlstellung, der Instabilität, der ROM, der Implantatgröße und dem BMI. Bei sorgfältiger Exposition des Gelenks scheint also auch in schwierigen Fällen mit Adipositas oder großem und kontraktem Gelenk eine genaue Identifikation der chirurgischen Epikondylenachse möglich.

Eine Möglichkeit, die Genauigkeit zu steigern, weist die durchgeführte Fehleranalyse. So zeigte sich als einzige Einflussgröße auf den Fehler in der Erfassung der chirurgischen Epikondylenachse die Seite der operierten Extremität. Eine Erklärung hierfür ist die Position des Operateurs zum Kniegelenk. Dieser stand in der vorliegenden Untersuchung stets auf der rechten Seite und daher bei rechten Kniegelenken lateral, bei linken medial des Gelenks. Daraus folgt, dass eine laterale Position zum Kniegelenk zu einem größeren Fehler in der Erfassung der Epikondylenachse führt als eine mediale. Auf die Identifikation des medialen Sulkus als anatomische Struktur zwischen 2 Bandansätzen scheint daher neben der Palpation die visuelle Orientierung eine entscheidende Rolle zu spielen, da diese bei medialer Position des Operateurs eingeschränkt wird. Die laterale Epikondyle scheint als prominente, einhöckrige Struktur primär durch Palpation gut lokalisierbar zu sein, sodass hier die visuelle Orientierung zweitrangig ist.

Die Vermutung, dass der mediale Sulkus schwieriger zu identifizieren ist und neben der Palpation eine visuelle Orientierung erfordert, spiegelt sich auch in der Studie von Jerosch et al. [13] wider. Hier konnte am Leichenpräparat gezeigt werden, dass die Varianz in der Palpation der lateralen Epikondyle 6,4 mm (maximal 13,2 mm), bei der medialen jedoch 9,7 mm (maximal 21,6 mm) beträgt.

Die vorliegenden Ergebnisse legen nahe, dass die visuelle Erfassung insbesondere des medialen Sulkus den Fehler in der Bestimmung der chirurgischen Epikondylenachse verringert.

Fazit für die Praxis

Eine mediale Position des Operateurs während der Erfassung der Epikondylen könnte zu einer höheren Genauigkeit in der Erfassung der chirurgischen Epikondylenachse führen.