Für den Unfallchirurgen ist die Charakterisierung von Knochendefekten und ihre adäquate Behandlung eine alltägliche Aufgabe. Ob Hochrasanztraumen zu Frakturen führen oder ob es beim Sturz auf einen osteoporosegeschwächten Knochen zum Einbruch der Metaphyse kommt, praktisch immer entsteht neben der Kontinuitätsunterbrechung des Knochens auch eine Defektzone, die bei der Wiederherstellung der dauerhaften Funktion zu berücksichtigen ist. Dies gilt auch dann, wenn angeborene oder erworbene Erkrankungen oder posttraumatische Folgezustände am Stütz- und Bewegungsapparat zur Resektion betroffener Knochenabschnitte führen.

Wenn es eine alltägliche Aufgabe des Unfallchirurgen ist, Knochendefekte zu behandeln, wo entsteht dann ein Problem? Es liegt nach unserer Auffassung nicht nur an der Vielfalt von Defektlokalisationen, von Defektausprägungen, von Knochen- und Weichteilkonditionen, von Patientengegebenheiten und an ganz unterschiedlichem chirurgischen Wissen, Können und Erfahrung, dass rational begründete Algorithmen selten vorgestellt und eingesetzt werden. Vielmehr liegt es auch an der Vielfalt von Therapieoptionen, die heute neben dem „klassischen“ Verfahren der autogenen Knochentransplantation Knochenersatzmaterialen in unüberschaubarer Variation, aufwändige Rekonstruktionsverfahren durch Segmenttransport oder vaskularisierte Knochentransplantate, knochenspezifische Wachstumsfaktoren und als spektakuläre Nahvision Stammzell- und Gentherapie sowie „tissue engineering“ von Kochen- und Weichgewebe beinhalten.

Im Folgenden versuchen wir durch einen systematischen Überblick, die aktuellen Möglichkeiten zur Überbrückung von Knochendefekten darzustellen. Dazu bietet es sich an, zunächst die Knochendefekte in wenigen Grundformen zu klassifizieren und eine Typologie der Defektüberbrückungsmöglichkeiten vorzunehmen. Daraus ergeben sich Empfehlungen für die Praxis, die an den Grundtypen des Knochendefekts orientiert sind und das Ziel jeder Knochendefektbehandlung, nämlich den dauerhaften belastungsstabilen Defektverschluss, die Wiederherstellung von Längen und Achsen und die Gewährleistung von Gelenkfunktionen, berücksichtigen.

Klassifikation von Knochendefekten

Es hat sich für uns bewährt, die Knochendefekte in 4 Grundtypen einzuteilen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Klassifikation von Knochendefekten mit Einteilung in 4 Grundtypen: a Wirbelsäulendefekt, b metaphysärer Defekt, c Halbschaftdefekt, d Schaftdefekt

Vor allem aufgrund der demographischen Entwicklung mit einer zunehmenden Anzahl von Patienten mit Osteoporose erlangen frakturbedingte Wirbelkörperdefekte und metaphysäre spongiöse Knochendefekte der Extremitäten mit oder ohne Beteiligung der knorpeligen Gelenkfläche eine große Bedeutung. An den langen Röhrenknochen kann man Halb- von Vollschaftdefekten abgrenzen, die v. a. bei offenen Frakturen oder nach Tumorresektionen entstehen.

Einteilung der Knochendefekte in 4 Grundtypen

Diese 4 Grundtypen können makromorphologisch und mikromorphologisch näher beschrieben werden. Makromorphologische Aspekte sind dabei die Ausdehnung in Länge, Breite und Tiefe sowie die Lokalisation des Defekts (mechanisch stark belastete, z. B. untere Extremität, oder wenig belastete Körperregionen, z. B. obere Extremität). Neben der Unterscheidung zwischen kortikalem oder/und spongiösem Defekt, mit oder ohne Gelenkbeteiligung spielt auch der Weichteilzustand bei Haut-, Muskel- und Sehnendefekten sowie die lokale Durchblutungssituation eine Rolle bei der Charakterisierung von Knochendefekten. Mikromorphologisch ist die „Lagerqualität“ zu berücksichtigen, wobei zwischen einem ersatzstarken, einem ersatzschwachen und einem ersatzunfähigen Lager unterschieden wird.

Das ersatzstarke Lager weist eine gute Vaskularisierung und eine gute Weichteildeckung mit regenerativer Kapazität auf. Als ersatzschwaches Lager bezeichnen wir ein wenig vaskularisiertes, evtl. bakteriell kontaminiertes Gewebe ohne genügende ortsständige Geweberegeneration von Knochen- und Bindegewebezellen. Ersatzunfähig sind z. B. atrophe Pseudarthrosen mit umgebenden Narbenplatten und spärlicher Blutversorgung.

Klinisch sind Wirbelkörper- und metaphysäre Defekte in der Regel als ersatzstark zu bezeichnen. Typisch für ein ersatzschwaches Lager ist der mit wenig gut durchblutetem Gewebe gedeckte Tibiaschaftdefekt. Auch zweit- und drittgradig offene Frakturen mit Weichteildefekten gehören zunächst einmal zu dieser Kategorie. Bei manifesten Knocheninfekten gehen wir von einem ersatzschwachen oder ersatzunfähigen Lager aus, v. a. wenn zusätzlich eine arterielle Verschlusskrankheit oder Diabetes mellitus vorliegen.

Prinzip der Therapie von Knochendefekten

Liegt ein ersatzschwaches oder ersatzunfähiges Lager vor, muss entweder zunächst im Sinne eines mehrzeitigen Verfahrens durch Débridement mit Infektsanierung, Revaskularisierung und Weichteildeckung ein ersatzstarkes Lager geschaffen werden oder primär ein biologisch leistungsstarkes Verfahren der Defektüberbrückung (s. unten) im Sinne eines einzeitigen Vorgehens gewählt werden. Beide Strategien benötigen in der Regel eine zusätzliche innere bzw. äußere Osteosynthese. Die Therapieverfahren müssen dabei patientenbezogen gesehen werden. Hierbei rücken v. a. Risikofaktoren für die Operation, die Compliance und auch die Erwartungen des Patienten in den Vordergrund.

Typologie der Knochendefektüberbrückung

Alle Materialien und Methoden zur Knochendefektüberbrückung müssen sich an 6 Kriterien messen lassen (Tab. 1). Dabei stehen die biologische Leistungsfähigkeit sowie die aktuelle und langfristige mechanische Beanspruchbarkeit im Vordergrund. Weitere wichtige Faktoren sind die Verfügbarkeit, der technische Aufwand und die Kosten. Zudem sind die Morbidität, die Komplikationsrate und die gesamte Behandlungsdauer zu berücksichtigen.

Tab. 1 Summarische Bewertung verschiedener Rekonstruktionsverfahren zur Knochendefektüberbrückung

Biologische Leistungsfähigkeit

Die biologische Leistungsfähigkeit im engeren Sinne wird mit der Fähigkeit zur Osteogenese, Osteoinduktion oder Osteokonduktion beschrieben. Ein osteogenes Material enthält lebende Zellen, die Knochen bilden können. Ein osteoinduktives Material stimuliert ortsständige oder transplantierte Zellen zur Differenzierung zu Osteoblasten und somit zur Knochenneubildung. Bei der Osteokonduktion dienen Leitschienen der gezielten Einsprossung von Zellen, die dann Knochen produzieren [47]. Osteogene Materialien (wie die autogene Spongiosa) sind durch ihre Wachstumsfaktoren und Struktur gleichzeitig auch osteoinduktiv und osteokonduktiv. Ebenso manche Knochenersatzmaterialien. Es wird daher der entsprechende Begriff für die jeweilige Hauptwirkung verwendet, die Grenzen sind fließend.

Im weiteren Sinne ist die biologische Leistungsfähigkeit an die Bedingung geknüpft, knochenregenerative Prozesse zu fördern und nicht zu stören oder zu behindern, was u. a. mit Begriffen wie physikalische Stabilität, Biokompatibilität oder dem Remodelling-Verhalten beschrieben wird.

Mechanische Beanspruchbarkeit

Alle Techniken der knöchernen Rekonstruktion müssen aus dem Blickwinkel der mechanischen Stabilität betrachtet werden.

Zum ungestörten Ein- und/oder Umbau des gewählten Materials ist jeweils eine definierte mechanische „Ruhe“ notwendig, die sich aus der Lage und Größe des Defekts und dem gewählten Therapieverfahren ergibt. Beispielsweise ist eine Vertebroplastie mit Knochenzement sofort belastungsstabil und bedarf keiner zusätzlichen Osteosynthese. Ein mit einem kortikospongiösen Span überbrückter Halbschaftdefekt ist teilbelastungsstabil und muss höchstens in seinem Lager fixiert werden, während Vollschaftdefekte immer eine zusätzliche äußere oder innere Osteosynthese benötigen.

Weitere Kriterien

Verfügbarkeit und technischer Aufwand erklären sich aus den Methoden selbst. In die Morbidität gehen z. B. die Entnahmemorbidität bei den autogenen Transplantaten und die Behandlungszeiten, beispielsweise bei der Kallusdistraktion ein. Die Langzeitstabilität beschreibt das tatsächlich anhand der Literatur nachvollziehbare Langzeitergebnis. Tab. 1 enthält eine summarische Bewertung der verschiedenen Rekonstruktionsverfahren.

Übersicht über aktuelle Therapieverfahren

Die einzelnen Verfahren zur Therapie von Knochendefekten sollen im Folgenden näher beschrieben werden. Die Gliederung ergibt sich dabei aus den in Abb. 1 dargestellten 4 klinisch relevanten Defekten (Tab. 2).

Tab. 2 Zusammenfassung der Therapieoptionen für posttraumatische Knochendefekte

Wirbelkörperdefekte

Defekte im Bereich der Wirbelsäule können traumatisch, aber auch durch Tumorinfiltration bedingt sein. Letztere entstehen besonders im Rahmen von Metastasierungen von Prostata-, Mamma-, Bronchial- und Schilddrüsenkarzinomen, Hypernephromen oder malignen Melanomen. Auch hämatoonkologische Erkrankungen (wie das multiple Myelom) führen zu stabilisierungswürdigen, tumorbedingten Defekten mit möglicher pathologischer Fraktur im Bereich der Wirbelsäule.

Traumatisch bedingt müssen die hochrasanztraumabedingten Wirbelkörperfrakturen von den osteoporosebedingten Frakturen abgegrenzt werden.

Bei den dargestellten Therapieverfahren soll in diesem Rahmen auf die osteosynthetische Stabilisierung von Wirbelkörperfrakturen nicht näher eingegangen werden. Ein ausführlicher, systematischer Literaturüberblick über Techniken, Komplikationen und Ergebnisse der chirurgischen Therapie traumatisch bedingter Frakturen der thorakalen und lumbalen Wirbelsäule wird von Verlaan et al. 2004 gegeben [86].

Bei der Therapie von Defekten im Bereich der Wirbelsäule lassen sich v. a. 2 Verfahren abgrenzen. Einerseits kommt die Spondylodese mittels autogenem Knochenspan, Metallimplantat oder dem Einsatz von Wachstumsfaktoren in Kombination mit Trägermaterialien in Betracht. Andererseits spielt die Stabilisierung von Frakturen und Auffüllung von Defekten mit Zementen im Rahmen der Vertebro-/Kyphoplastie eine wesentliche Rolle.

Autogener Knochenspan, Metallimplantate und Augmentation mit BMP

In Abb. 2 sind die verschiedenen Möglichkeiten zur Auffüllung von Defekten bei der Fusion bzw. zum Ersatz von Wirbelkörpern exemplarisch dargestellt. Bei einem in diesem Bereich in der Regel ersatzstarken Lager steht die mechanische Stabilität der eingesetzten Materialien im Vordergrund. Deshalb kommen vornehmlich bikortikale Knochenspäne aus dem Beckenkamm oder Metallimplantate mit oder ohne Anlagerung von spongiösem Knochen oder Wachstumsfaktoren zur Anwendung. Als biologisches Gewebe mit einer guten biologischen Leistungsfähigkeit sind bei der Verwendung von Knochenspänen zudem besonders die mechanische Beanspruchbarkeit und die Langzeitstabilität zu betonen. Der Einsatz ist jedoch durch die Morbidität an der Entnahmestelle und die begrenzte Verfügbarkeit limitiert. Ein ausführlicher Überblick über die Knochenspanentnahme am Becken mit Darstellung der verschiedenen operativen Techniken und Komplikationen unter Einbeziehung der aktuellen Literatur ist von Jäger et al. 2005 publiziert worden [40].

Abb. 2
figure 2

Therapie von Wirbelsäulendefekten: a, b Ventrodorsale Spondylodese an der HWS unter Einbringung eines autogenen Knochenspans und osteosynthetischer Stabilisierung. c Spondylodese an der LWS mit Platte und Titankorb nach Harms nach Ausräumung einer Spondylodiszitis und resultierendem großen Wirbelkörperdefekt. d, e Vertebroplastie mit CT-gesteuerter Einbringung von Knochenzement (PMMA)

Während des knöchernen Einheilungsprozesses des Knochenspans spielen biomechanische Aspekte eine besondere Rolle.

Die mechanische Beanspruchung muss ausreichend sein, um die Knochenneubildung zu stimulieren.

Bettruhe und zu rigide osteosynthetische Stabilisierung kann deshalb zu Resorption und mangelnder Einheilung führen [45]. Weitere für den Erfolg dieser Methode entscheidende Faktoren sind die stabile Verblockung und die Größe der Kontaktflächen zwischen Knochenspan und Empfängerknochen [62].

Ebenfalls ausreichende mechanische Stabilität wird bei der Implantation von metallischen Füllkörpern gewährleistet. Jedoch wirken diese nicht osteogenetisch oder osteoinduktiv. Um eine Langzeitstabilität durch kompletten knöchernen Durchbau zu erzielen, erfolgt deshalb teilweise die Augmentation mit autogener Spongiosa oder osteoinduktiven Wachstumsfaktoren in Kombination mit osteokonduktiven Knochenersatzmaterialien.

Bei den osteoinduktiven Wachstumsfaktoren kommen die „bone morphogenetic proteins (BMP) 2 und 7“ zur Anwendung. Erstmals wurden osteoinduktive Faktoren im Knochen von Urist 1965 nachgewiesen [83]. Im Laufe der Jahre konnten BMP aus Knochen isoliert werden, aber erst durch die Möglichkeit zur rekombinanten Herstellung war eine Produktion größerer Mengen des Wachstumsfaktors möglich, was die klinische Testung und folgende Anwendung ermöglicht. Anwendungsgebiete sind Pseudarthrosen von Tibia und Femur sowie segmentale Defekte langer Röhrenknochen [12].

Seit 2002 ist in den USA BMP-2 in einem Kollagenträgermaterial für die Anwendung bei der „anterior lumbar interbody fusion (ALIF)“ zugelassen [75]. In verschiedenen klinischen Studien zur ALIF konnte ein besseres Einwachsverhalten bei der Augmentation eines Titankorbes mit rhBMP-2 auf einem Kollagenträger als bei der Auffüllung mit autogener Spongiosa nachgewiesen werden [9, 13]. BMP-7 hat, gebunden an ein Trägermaterial, seit 2004 die FDA-Zulassung als Medizinprodukt als Alternative zur Spongiosatransplantation für Revisionsoperationen bei posterolateralen lumbalen Fusionen. Für das Ersatzmaterial mit Wachstumsfaktor zeigten sich ähnliche Ergebnisse im knöchernen Durchbau wie bei der Spongiosatransplantation [44, 85].

Vertebro-/Kyphoplastie

Kompressionsfrakturen der Wirbelsäule stellen die häufigste Frakturform dar. Während bei gesunden Patienten Flexionstraumata mit großer Krafteinwirkung als Ursache auszumachen sind, treten diese Frakturen bei Patienten mit Osteoporose ohne bzw. bei inadäquatem Trauma auf. So können in Europa bei 25% aller Frauen >50 Jahren Wirbelkörpereinbrüche mit >15% Höhenverlust radiologisch nachgewiesen werden [54]. Mit der seit 1987 durchgeführte Vertebroplastie [23] und der seit 2000 in Europa eingesetzten Ballonkyphoplastie [52] stehen 2 minimal-invasive Verfahren zur Stabilisierung von Wirbelkörperfrakturen zur Verfügung.

Im Gegensatz zur Vertebroplastie mit alleiniger Zementapplikation erfolgt bei der Ballonkyphoplastie zuerst eine Aufrichtung des frakturierten Wirbelkörpers durch einen Ballonkatheter. Der so entstandene Defekt wird anschließend mit Zement aufgefüllt. Abb. 2 zeigt die Stabilisierung einer Wirbelkörperfraktur mittels Vertebroplastie. Sowohl bei der Vertebro- als auch bei der Ballonkyphoplastie kommt es in >90% der Fälle zu einer Schmerzreduktion. Anschlussfrakturen werden in bis zu 20% der Fälle beobachtet, wobei ca. die Hälfte klinisch symptomatisch wird. Die Vor- und Nachteile der Methoden wurden ausführlich in der Literatur diskutiert. Einen aktuellen Überblick geben DaFonseca et al. [20] und Burton et al. [14].

Gewisse Einschränkungen entstehen für beide Verfahren auch aufgrund der verwendeten Zemente auf Polymethylmethacrylatbasis. Vor allem bei der Vertebroplastie besteht methodisch bedingt die Gefahr der Zementleckage, welche im CT in bis zu 40% der Fälle nachgewiesen werden kann, zumeist jedoch asymptomatisch bleibt. Die PMMA-Zemente werden aufgrund ihrer hohen primären mechanischen Festigkeit eingesetzt, sind jedoch v. a. durch die Wärmeentwicklung bei der Aushärtung mit daraus resultierenden möglichen thermischen Schäden des Rückenmarks sowie durch ihre fehlende Abbaubarkeit limitiert. Diese Materialien können nicht degradiert oder resorbiert werden, sodass ein Remodelling bzw. knöcherner Durchbau mit Langzeitstabilität verhindert wird. Im Gegensatz zu den im folgenden Kapitel dargestellten Knochenersatzmaterialien weisen PMMA-Zemente auch keine osteogenetischen, osteoinduktiven oder osteokonduktiven Eigenschaften auf. Deshalb wird intensiv nach neuen Materialien gesucht, die im Rahmen der Vertebro- und Ballonkyphoplastie eingesetzt werden können.

Metaphysäre Defekte

Knöcherne Defekte im Bereich der Metaphysen mit einem Volumenmaß von >2 cm3 erfordern in der Regel eine Auffüllung mit spongiösem Knochen oder Knochenersatzmaterialien.

Hierbei ist eine interessante Beobachtung, dass der Einsatz von Spongiosaplastiken durch die Verwendung von winkelstabilen Implantaten reduziert werden kann. Ist die Rekonstruktion der Gelenkfläche aufgrund traumatischer Destruktion nicht möglich, bleibt die endoprothetische Versorgung, in seltenen Fällen auch die Therapie mit osteochondralen Allografts.

Die Auffüllung metaphysärer Defekte erfolgt vornehmlich mit körpereigenem, spongiösem Knochen und wird zunehmend durch den Einsatz von Knochenersatzmaterialien verdrängt (Abb. 3). Die Notwendigkeit zur Stabilisierung ergibt sich einerseits aus dem Ziel einer möglichst exakten und übungsstabilen Rekonstruktion der Gelenkflächen und andererseits aus der Tatsache, dass der in der Metaphyse lokalisierte Übergang vom meist tragfähigen, dichten spongiösen Gelenkknochen der Epiphyse zum kortikalen Röhrenknochen der Diaphyse mit einer Rarifizierung der Spongiosastruktur und einer langsam kräftiger werdenden Kortikalis einher geht. Vor allem bei einer vorgegebenen Rarifizierung der Knochenstruktur im Rahmen der Osteoporose entstehen knöcherne Defekte, die zusätzlich zur osteosynthetischen Stabilisierung eine Auffüllung bedingen.

Abb. 3
figure 3

Therapie von metaphysären Knochendefekten mit Knochenersatzmaterialien: Auffüllung eines Defektes bei distaler Radiusfraktur mit Tricalciumphosphat-Zement. Röntgenaufnahmen präoperativ (a), postoperativ (b) und nach Entfernung des Osteosynthesematerials (18 Monate nach Implantation, c)

Die verwendeten Verfahren der Unterfütterung mit autogenem Knochen oder Knochenersatzmaterialien sind jeweils mit Vor- und Nachteilen behaftet, die im Folgenden dargestellt werden.

Autogene Spongiosatransplantation

Ähnlich wie bei der bereits angeführten autogenen Knochentransplantation in Form von Beckenkammspänen gelten auch die Nachteile der Entnahmemorbidität und der eingeschränkten Verfügbarkeit beim Einsatz autogener Spongiosa [40]. Jedoch sind hier die Mengen an entnommenem Knochen in der Regel geringer, zudem kann das Kortikalisfenster nach der Entnahme geschlossen werden, was kosmetische Beeinträchtigungen vermeiden lässt. Auch kann der postoperative Schmerz durch Anlage eines lokalen Schmerzkatheters deutlich gesenkt werden.

Entscheidende Vorteile der autogenen Spongiosatransplantation sind die biologischen Eigenschaften mit osteogenetischer, osteoinduktiver und osteokonduktiver Potenz.

Besonders durch die in Matrix und Osteoid gespeicherten Wachstumsfaktoren wie BMP, „Insulin-like growth factor“ (IGF), „transforming growth factor β“ (TGF-β), „basic fibroblast growth factor“ (BFGF) und „platelet-derived growth factor“ (PDGF) kommt es im Rahmen der physiologischen Umbauvorgänge nach osteoklastärer Resorption und lokaler Freisetzung zur Stimulation von Osteoblasten und ihren Vorläuferzellen [11]. Im Idealfall kommt es zum kompletten Remodelling mit Restitutio ad integrum und einer resultierenden hervorragenden Langzeitstabilität. Aufgrund der sehr guten biologischen Eigenschaften gilt die autogene Spongiosatransplantation weithin als „Goldstandard“, an dem Knochenersatzmaterialien gemessen werden.

Knochenersatzmaterialien

Mit dem Vorteil der fast uneingeschränkten Verfügbarkeit und keiner Entnahmemorbidität konkurrieren die verschiedenen Biomaterialien mit der Spongiosatransplantation. Nach Implantation sollen die anorganischen oder organischen Knochensubstitute strukturelle Elemente und deren Teilfunktion ersetzen und alleine oder zusammen mit anderen Substanzen den Knochenheilungsprozess fördern.

Die Indikation zum Einsatz von Knochenersatzmaterialien besteht derzeit v. a. im kleinen spongiösen, metaphysären Defekt im ersatzstarken Lager. Jedoch beschränkt sich die Wirkung zumeist auf eine Leitschienenfunktion, wobei körpereigener Knochen durch Einwachsen von Gewebe in das Material entstehen soll. Verschiedene Autoren geben einen Überblick über die vielen auf dem Markt befindlichen Materialien und Verfahren [2, 8, 34, 48, 51, 58, 61, 73, 74, 78, 90, 92].

Insgesamt sind die für den klinischen Einsatz zugelassenen Knochenersatzmaterialien noch deutlich durch ihre biologische Leistungsfähigkeit und ihre mechanischen Kenndaten limitiert.

Viele Biomaterialien weisen gute osteokonduktive Eigenschaften auf, haben dabei zunächst aber keine ausreichende primäre mechanische Stabilität. Sie sind zwar zumeist druckstabil, gegen Biegung und Scherung jedoch anfällig. Erfolgt der Einbau in den Defekt im Sinne eines osteoimplantären Verbundes ohne Resorption bzw. Remodelling mit komplettem knöchernen Umbau, kann dies langfristig zu Ermüdungsbrüchen des Materials führen. Verschiedene Ansätze sind deshalb in Erprobung, um die osteoinduktive und besonders die osteogenetische Potenz der verwendeten Substanzen zu verbessern. So wird in der Regel intraoperativ das Knochenersatzmaterial mit Blut oder Knochenmark beimpft. Dabei ist kritisch anzumerken, dass im Blut fast keine mesenchymalen Stamm- und Vorläuferzellen enthalten sind. Zudem ist aus In-vitro-Untersuchungen bekannt, dass, abhängig von der Art der Leitschiene, durch alleiniges Beträufeln nur etwa ein Drittel der aufgebrachten Zellen auf der Leitschiene anhaftet. Durch spezielle Besiedelungsstrategien über mehrere Stunden mit mehrmaligen Aufbringen der Zellen auf die Leitschienen kann jedoch eine Steigerung der Besiedelungseffizienz auf 90% erreicht werden [77].

Im Rahmen innovativer Strategien, von denen die Schlagworte tissue engineering, drug release und genetische Modifikation genannt werden sollen, kann durch die Kombination der Materialien mit Stamm- und Vorläuferzellen und induzierenden Faktoren das Indikationsspektrum wohl in Zukunft erweitert werden.

Endoprothesen

Obwohl die endoprothetische Versorgung primär eine Domäne der Therapie bei Arthrose ist, wird dieses Verfahren auch bei gelenknahen, metaphysären Defekten mit erheblichen Destruktionen des Knorpels bedingt durch erhebliches Trauma oder Tumorresektion angewandt (Abb. 4). Eine ausführliche Darstellung dazu findet sich in verschiedenen aktuellen Übersichtsarbeiten [10, 37, 43, 89]. Die Problematik der aseptischen Lockerung und die Therapie von periprothetischen Knochendefekten werden zudem in Radnay u. Scuderi [68] und in Sundfeldt et al. [82] ausführlich dargestellt. Besonders die letztgenannten Defekte, die im Rahmen von Prothesenwechseloperationen entstehen, werden gerne mit allogenen Knochentransplantaten aufgefüllt.

Abb. 4
figure 4

Therapie von metaphysären Knochendefekten mit Endoprothese: Defektüberbrückung mittels Tumorprothese nach kompartmentgerechter Resektion eines Leiomyosarkoms am distalen Femur links: a präoperatives Röntgenbild, b MRT, c intraoperativer Befund mit aufgeschnittenem Präparat, d postoperative Röntgenkontrolle

Allogene Knochentransplantation

Aufgrund der Verfügbarkeit größerer Mengen ist die allogene Knochentransplantation häufig 2. Wahl nach autogenem Knochen und wird in der Regel zumindest in Kombination mit autogenem Knochen oder zellulären Bestandteilen im Knochenmark verwendet. Die Ergänzung mit körpereigenen Zellen beruht auf den schlechten osteogenetischen, jedoch guten osteoinduktiven und osteokonduktiven Eigenschaften dieses Knochenersatzverfahrens.

Die Angaben über die Zahl der durchgeführten jährlichen Transplantationen schwanken entsprechend der Indikationsspektren und der Art der Prozessierung. So können frische, tiefgefrorene, gefriergetrocknete, durch verschiedene thermische und chemische Verfahren prozessierte, (teil)demineralisierte allogene Präparate bei Prothesenwechseln aber auch zur Unterfütterung von metaphysären Knochendefekten und im Dentalbereich zum Einsatz kommen [47, 69, 81].

Hauptrisiko der allogenen Knochentransplantation bleibt die Übertragung von viralen und nicht-viralen Krankheitserregern.

Dieser Nachteil soll durch strenge Richtlinien zum Führen von Knochenbanken, aber auch durch die verschiedenen Prozessierungsverfahren reduziert werden, sodass unprozessierter, nicht tiefgefrorener frischer allogener Knochen in der heutigen Zeit nicht mehr transplantiert wird [28, 65, 66, 67, 87].

Durch die thermischen, chemischen und physikalischen Verarbeitungsschritte kann eine höhere Transplantatsicherheit und eine Reduktion der Immunogenität erreicht werden. Jedoch führen alle diese Prozessierungsschritte mit Abtötung der zellulären Bestandteile auch zu einer Verschlechterung des Einwachsverhaltens und der mechanischen Belastbarkeit des Transplantats [28]. Sie sind v. a. beim Einsatz in größeren lasttragenden Defekten und bei der Rekonstruktion von Gelenkdefekten mit osteochondralen Transplantaten von besonderer Bedeutung.

Osteochondrale allogene Transplantation

Besonders bei ausgedehnten traumatischen oder tumorresektionsbedingten Gelenkdestruktionen bei jungen Patienten können osteochondrale Allotransplantate zum Einsatz kommen (Abb. 5). Zu unterscheiden sind dabei Rekonstruktionsversuche kompletter Gelenke mit frischen, gefäßgestielten Transplantaten [35, 36] von Teilgelenkrekonstruktionen mit frischen und prozessierten allogenen osteochondralen Transplantaten [31, 50, 56], welche hauptsächlich im angloamerikanischen Bereich zum Einsatz kommen. Die Problematik bei diesen Verfahren liegt in der Gefahr der Infektionsübertragung ohne Prozessierung und der Destruktion der zellulären Elemente des transplantierten Knorpelanteils bei chemischer oder thermischer Vorbehandlung [50].

Abb. 5
figure 5

Therapie von metaphysären Knochendefekten mit Allograft: a Riesenzelltumor am distalen Femur rechts, b nach marginaler Kürettage temporär aufgefüllt mit Knochenzement. Die mediale Femurkondyle eines tiefgefrorenen Knochentransplantats (c) wird in einer 2. Operation 12 Monate später bei Rezidivfreiheit implantiert (d). Die Röntgenkontrolle zeigt eine beginnende laterale Gonarthrose nach 5 Jahren (e)

In Untersuchungsergebnissen von Langzeitstudien nach Transplantationen am Kniegelenk sehen Gross et al. [31] insgesamt gute Ergebnisse nach 10 Jahren mit einer Konversionsrate zum prothetischen Kniegelenksersatz in ein Drittel der Patienten [79], wobei dann v. a. das knöcherne Lager ausreichend regeneriert war, was die Zahl der erneut erforderlichen Knochentransplantationen minimierte [55]. Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen zusätzlich, dass im Bereich des Kniegelenks bikondyläre Schäden und arthrotische Veränderungen Kontraindikationen für frische allogene osteochondrale Transplantationen darstellen [31], sodass die Transplantation von frischen gefäßgestielten bikondylären Allografts nicht mehr zum Einsatz kommt. Weitere Indikationsgebiete für allogene osteochondrale Transplantate werden im patellofemoralen Gelenk [41], im Sprunggelenk [53], am Talus [72] und an der Schulter [17] gesehen.

Halbschaftdefekte

In Abb. 6 ist die Therapie eines Halbschaftdefekts mit einem Gemisch aus autogener Spongiosa und kortikospongiösem Knochen dargestellt. Aufgrund der nur teilweise erhaltenen kortikalen Strukturen im Bereich der Diaphyse der Extremitätenknochen mit teilweise erhaltener mechanischer Stabilität bleibt die Notwendigkeit zur Vervollständigung des tragenden Knochenrohres durch Auffüllung mit autogenem Knochen oder Ersatzmaterialien. Wegen der Größe der Defekte reicht autogener Knochen jedoch oft nicht aus. Deshalb kann man autogene Transplantate mit allogenen Transplantaten sowie anorganischen bzw. organischen Knochenersatzmaterialien, osteoinduktiven Wachstumsfaktoren und zellulären Elementen des Knochenmarks kombinieren.

Abb. 6
figure 6

Therapie von Halbschaftdefekten: Ein ausgeprägter traumatischer Defekt am distalen Femur (a) wird primär stabilisiert (b) und sekundär durch Einbringung von kortikalem Knochen aus dem Beckenkamm sowie autogener Spongiosa aufgefüllt (c). Die Röntgenkontrolle nach 1 Jahr zeigt einen kompletten Durchbau (d)

Schaftdefekte

Im Gegensatz zum Halbschaftdefekt mit zumindest teilweise erhaltener Stabilität und erhaltener Länge der Extremität müssen beim Vollschaftdefekt >3 cm Defektgröße andere Verfahren, wie der Segmenttransport bzw. die Kallusdistraktion oder mikrovaskuläre autogene Transplantate zum Einsatz kommen [29, 64].

Segmenttransport und Kallusdistraktion

Die Kallusdistraktion ist eine effektive Methode zur Therapie segmentaler, langstreckiger Knochendefekte. Man unterscheidet dabei den Segmenttransport vom Konzept der primären Verkürzung mit sekundärer Verlängerung. Bei Ersterem erfolgt die Stabilisierung der Hauptfragmente in achsengerechter Stellung auf Distanz unter Erhaltung der Länge. Anschließend wird ein intermediäres Knochensegment durch Kortiko- oder Osteotomie vom größeren Fragment abgelöst [6] und durch den Defekt gezogen (1 mm/Tag). Hinter dem Segment entsteht durch den mechanischen Zug ein biologisch hochwertiges Regeneratgewebe, welches sich in tragfähigen Knochen umbildet.

Im Gegensatz zur primären Verkürzung mit sekundärer Verlängerung kann die Kallusdistraktion nur bei weitgehend geschlossenen Weichteilen durchgeführt werden.

Bei traumatisch bedingten Knochendefekten mit erheblichem Weichteilschaden erfolgt die achsengerechte Stabilisierung der Hauptfragmente zugunsten der umgebenden Weichteile unter Längenverlust. Nach Ausheilung mit gegebenenfalls zuvor erfolgter Infektsanierung, knöchernem Durchbau und Weichteilheilung schließt sich die sekundäre Verlängerung des Knochens in einer benachbarten, ungeschädigten Region an.

Bei beiden Vorgehensweisen wird zur Stabilisierung der Fragmente und zur Durchführung des Segmenttransports gerne der von Ilizarov eingeführte Fixateur externe eingesetzt [38], wobei aufgrund der langen Tragezeiten häufig Komplikationen auftreten [27, 60]. Neuartige Verfahren mit zentralem Zugseilsystem oder vollimplantierbare Marknagelsysteme bieten deshalb deutliche Vorteile [4]. Nach erfolgtem Segmenttransport erfolgt an der Dockingstelle bei beiden Verfahren die Anlagerung von autogenem spongiösem Knochen.

Im Folgenden werden die verschiedenen Verfahren zur Durchführung der Kallusdistraktion kurz beschrieben:

Ringfixateure

Bei der klassischen Technik nach Ilizarov wird die Stabilisierung mittels Ringfixateur vorgenommen, wobei die Hauptfragmente mit jeweils gekreuzten Kirschner-Drähten fixiert werden [33]. Nach Kortikotomie wird das Knochensegment mit 2 schräg in Zugrichtung verlaufenden Olivendrähten sowie einer Gewindespindel durch den Defekt gezogen. Als Nachteil dieser Methode ist die hohe Rate an Pininfektionen mit zumeist erheblichen Schmerzen anzusehen. Zudem bedeutet die zumeist voluminöse Konstruktion einen erheblichen Komfortverlust für den Patienten, zumal bei einem Defekt von ca. 10 cm mit einer Gesamttragezeit des Fixateurs von etwa 1 Jahr (Segmenttransport- und Konsolidierungsphase) gerechnet werden muss.

Monolaterale Fixateure

Zur Verbesserung des Patientenkomforts werden monolaterale Leichtmetallfixateure angewandt, die bei Spezialkonstruktionen ähnliche Optionen bieten können wie die Ringfixateure [76]. Am Oberschenkel kann die Kombination eines Ringfixateursystems mit einem monolateralen Fixateur als sog. Hybridfixateur von Vorteil sein.

Monorail-System

Zur Reduktion der Tragezeit des Fixateur externe auf ein Drittel der Gesamtzeit wurde ein System entwickelt, bei dem die Stabilisierung über einen Marknagel erfolgt und der Fixateur nur das Verschiebesegment transportiert [70]. Bei Erreichen der Dockingstelle erfolgt die Fixation des Segments im Marknagel und der Fixateur kann entfernt werden. Als problematisch ist die Gefahr der Ausbreitung von Pininfektionen auf den Marknagel zu werten. Zudem kann diese Methode nur angewandt werden, wenn eine ausreichende Stabilisierung der Segmente durch einen Marknagel möglich ist, was besonders bei sehr kurzen, gelenknahen Fragmenten schwierig sein kann.

Bilaterale Zugseilsysteme

Bei diesem System erfolgt die Stabilisierung mittels Ring- oder bilateralem Rohrfixateur, woran die Zugvorrichtung fixiert ist. Verschiedene bilaterale Zugseilsysteme unterscheiden sich durch die Befestigung und die Führung der Zugseile innerhalb der Extremität. Bei dem am weitesten verbreiteten System nach Weber [88] umschlingt das Stahlseil das Transportsegment semizirkulär und wird bilateral durch überkreuzte Bohrungen in Zugrichtung sowie in der Medianebene des Knochens ausgeleitet. Die Seilenden werden über Rollen am Fixateur umgelenkt und von Spindeln gezogen. Nachteile aller bilateralen Zugseilsysteme sind die Notwendigkeit zur synchronen Bedienung für einen richtungsstabilen Transport sowie die Gefahr des Seilrisses mit Notwendigkeit zur operativen Revision.

Zentrale Zugseilsysteme

Ein operativ und technisch aufwändigeres Verfahren mit zentralem Zugseil wurde von Baumgart et al. entwickelt [5]. Die Stabilisierung der Hauptfragmente erfolgt mittels Fixateur externe (z. B. monolateraler Rohrfixateur). Der Segmenttransport erfolgt mittels eines an der Segmentspitze oder einem Weichteilverdrängungskegel montierten Zugseils, das über eine Umlenkrolle im gegenüber liegenden Hauptfragment ausgeleitet wird und einem elektromotorischen Miniaturantrieb zugeführt wird (Abb. 7) [4]. Nach Erreichen der Dockingstelle erfolgt die Fixierung des Segments im Fixateur oder ein Verfahrenswechsel auf einen ungebohrten Marknagel bzw. eine durchgeschobene Platte, um die Fixateurtragezeiten zu minimieren.

Abb. 7
figure 7

Therapie von Schaftdefekten mit Segmenttransport/Kallusdistraktion (aus [4]): a Schematische Darstellung des Segmenttransports am Unterschenkel mit Hilfe eines zentralen Zugseilsystems und am Oberschenkel mit Hilfe eines voll implantierbaren Marknagels (b). Gezeigt ist zudem schematisch das Behandlungskonzept für den dargestellten Fall mit primärem Segmenttransport und anschließender Verlängerung. c-f Ein posttraumatischer Defekt (10 cm) am Oberschenkel (c) wird durch eine Kombination des Segmenttransports (d) mit Verlängerung nach Andocken des Fragments (e) unter Nutzung eines voll implantierbaren Marknagels zur Ausheilung unter korrekter Achsstellung und Länge gebracht (f)

Voll implantierbare Marknagelsysteme

Für den Segmenttransport und die Verlängerung am Ober- und Unterschenkel kann ein neu entwickeltes voll implantierbares System verwendet werden [3, 4]. Ein im Marknagel integrierter Miniaturantrieb zieht dabei das zu transportierende Segment geführt in einem Langloch. Über eine im Subkutangewebe implantierte Empfangsantenne und einen externen Sender erfolgt die Engergieeinkopplung und Steuerung des Systems (s. Abb. 7).

Mikrovaskuläre autogene Transplantate

Weitere Therapieoptionen bei langstreckigen Schaftdefekten stellen der freie Fibulatransfer oder andere gefäßgestielte Knochentransplantationen dar (Abb. 8). Neben den Schaftdefekten sind zusätzliche Indikationen an der oberen und unteren Extremität sowie ausgeprägte Defekte im Bereich des Schädelskeletts (Ober- bzw. Unterkiefer). Aber auch im Bereich der Handwurzel, des Handgelenks und der Klavikula können vaskularisierte Knochentransplantate eingesetzt werden [7, 18, 19, 21, 22, 24, 26, 80, 91].

Abb. 8
figure 8

Therapie von Schaftdefekten mit freiem Fibulatransfer: Ein langstreckiger Humerusschaftdefekt nach Schussverletzung und großflächiger Narbenbildung (a) wird mit Hilfe eines vaskularisierten osteokutanen Transplantats der Fibula überbrückt und stabilisiert (b). Die Verlaufskontrolle nach 1 Jahr zeigt eine gute Einheilung des Transplantats (c). Die Entnahmestelle am Unterschenkel (d) bleibt klinisch unauffällig

Die Entnahme des Knochens kann neben der Fibula an verschiedenen anderen Köperregionen erfolgen: Beckenkamm (vorderer oder hinterer Span), Rippe, Skapularand (lateral), Anteile langer Röhrenknochen (Radius, Femur und Humerus, jeweils distal) und Os metatarsale II. Erdmann et al. [24] geben in ihrer Analyse von 76 Patienten mit freiem Fibulatransfer einen Überblick über die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten, die Operationstechnik und Komplikationen unter Einbeziehung der Literatur. Ein Vorteil dieser Methode gegenüber der Kallusdistraktion ist die Möglichkeit der osteokutanen Knochentransplantation, wobei eine Hautinsel zur Weichteildeckung und als Vitalitätsindikator mit transplantiert wird. Im Gesichtsbereich kann die vaskularisierte Knochentransplantation auch mit anderen gestielten Lappenplastiken (wie z. B. der muskulokutanen Pektoralislappenplastik) kombiniert werden.

Angaben zur Hebedefektmorbidität am Unterschenkel liegen bei 17–38% mit Dysästhesien, chronischen Schmerzen, Spalthauttransplantatverlust, Wunddehiszenz, Kompartmentsyndrom, Instabilität und Fraktur des oberen Sprunggelenks, Peroneusparese und Großzehendeformität aufgrund von Vernarbungen im Bereich der Muskulatur [24]. Komplikationen im Bereich der Empfängerregion sind v. a. der Verschluss der Mikroanastomosen mit partiellem oder komplettem Lappenverlust, fehlende knöcherne Einheilung, Lockerung des Osteosynthesematerials, Hämatom, Infektion oder Wunddehiszenz [24]. Vor allem an der unteren Extremität sind zudem Ermüdungsbrüche des Transplantats zu beobachten, die jedoch zumeist unter Ruhigstellung verheilen.

Insgesamt liegt die Komplikationsrate bei diesem technisch sehr aufwändigen Verfahren relativ hoch. So beschreiben Erdmann et al. [24] bei 76 Fibulatransplantationen 53 operative Revisionen wie Anastomosenneuanlagen, Hämatomausräumungen oder Sekundärnähte im Bereich der Empfängerstelle. Dennoch bietet diese plastisch-rekonstruktive Technik der vaskularisierten Knochentransplantation bei der Therapie von größeren Knochendefekten aufgrund der hervorragenden biologischen Eigenschaften, des Einwachspotentials mit Durchbauraten von 80–90% und der zu erwartenden Langzeitstabilität letztlich doch Vorteile [24].

Sonderfälle

Nachdem die etablierten Therapieverfahren der autogenen und allogenen Knochentransplantation, Knochenersatzmaterialien und induktive Wachstumsfaktoren sowie Kallusdistraktion und vaskularisierte Knochentransplantationen anhand ihrer Indikatonsgebiete im Bereich der Wirbelsäule, metaphysärer Defekte und Halb-/Vollschaftdefekte dargestellt wurden, sollen vor der Vorstellung innovativer Therapieverfahren noch seltene, sehr aufwändige Sonderfälle Erwähnung finden. Diese Verfahren kommen v. a. bei kombinierten Knochen-Weichteil-Defekten zum Einsatz. In Abb. 9 ist die Umkehrplastik des Unterschenkels als Therapie eines ausgeprägten Defekts nach Osteosarkomresektion im Bereich des distalen Oberschenkelknochens mit Gebrauchsunfähigkeit der unteren Extremität dargestellt. Zudem ist die Makroreplantation einer amputierten Hand dargestellt. Bei beiden Verfahren ist der knöcherne Durchbau unabdingbar für die zu erzielende Stabilität und Funktion.

Abb. 9
figure 9

Therapie von Sonderfällen mit kombinierten Weichteil- und Knochendefekten: Umkehrplastik eines ausgeprägten Defekts nach Osteosarkomresektion im Bereich des distalen Oberschenkels (a) mit Gebrauchsunfähigkeit der unteren Extremität. b-d Funktionsaufnahmen bei kompletter knöcherner Einheilung (c). Makroreplantation der rechten Hand: präoperativ (e), postoperativ (f) und Verlaufskontrolle nach 1 Jahr (g, h)

Innovative, zukünftige Verfahren

„Tissue engineering“, Stammzelltherapie und Gentherapie sind Schlagwörter, die im Rahmen regenerativer Therapiestrategien genannt werden [71]. Es handelt sich dabei um interdisziplinäre Ansätze zur verbesserten Geweberegeneration, die noch auf die experimentelle Anwendung beschränkt sind, jedoch Hoffnung für die klinische Therapie von Knochendefekten wecken. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die Erfolge und Probleme im Zusammenhang mit „tissue engineering“ und Stammzellen im Bereich des Knochenersatzes gegeben werden. Zum Stellenwert der Gentherapie in Unfallchirurgie und Orthopädie wird auf den umfassenden Übersichtsartikel von Oberholzer et al. [57] verwiesen.

„Tissue engineering“

„Tissue engineering“ (TE) ist die Applikation von funktionell aktiven Zellen in unterstützenden Leitschienen unter kontrollierter Zugabe von Wachstumsfaktoren zur Herstellung von biologischen Ersatzstoffen als funktionellen Gewebeersatz (Abb. 10a). Im Labor soll also knochenähnliches Gewebe gezüchtet werden, welches die autogene Spongiosatransplantation in der operativen Behandlung ersetzen kann und in ihrer osteogenetischen Potenz übertreffen soll. Um nun das biologische Knochenwachstum in vitro nachahmen zu können, benötigt man osteoblastäre Zellen, die eine Matrix bilden können.

Abb. 10
figure 10

Therapie durch innovative, zukünftige Therapieverfahren: a Beim TE sollen im Labor ausgehend von funktionell aktiven Zellen in unterstützenden Leitschienen unter Zugabe von Wachstumsfaktoren biologische Ersatzstoffe generiert und im Bioreaktor kultiviert werden. Nach Implantation werden diese in situ eingebaut und führen nach Remodelling zur Restitutio ad integrum. b Regenerative Therapiekonzepte: Darstellung der komplexen Interaktion verschiedenster Fachrichtungen und Disziplinen mit dem gemeinsamen Ziel eines funktionellen Gewebeersatzes zur Regeneration des Knochens

Die mechanische Stabilität im entstehenden Konstrukt übernimmt zunächst eine Leitschiene. Diese muss eine Oberfläche aufweisen, an der die Zellen gut anhaften können. Zudem ist die innere und äußere Struktur mit interkonnektierendem Porensystem entscheidend, um eine Nährstoffversorgung der Zellen unter kontinuierlichem Medienfluss in dreidimensionalen (3D-)Zellkultursystemen (z. B. dem sog. Bioreaktor) zu ermöglichen. Vor allem im Bereich des Knochens ist das entscheidende therapeutische Ziel die Wiedererlangung der mechanischen Stabilität. Das in vitro hergestellte Konstrukt soll deshalb nach Implantation zunächst mechanische Aufgaben übernehmen und dann im Rahmen des „Remodelling“ resorbiert werden, während gleichzeitig neues Gewebe gebildet wird.

Das TE wurde Mitte der 1990er Jahre v. a. durch Langer und Vacanti [46] populär gemacht. Sie gaben dabei folgende Definition: „Tissue engineering is an interdisciplinary field that applies the principles of engineering and the life sciences toward the development of biological substitutes that restore, maintain, or improve tissue function“. Bereits 1993 haben sie die wichtigsten Schritte für „zukünftige Forschung“ aufgezeigt und bemerkt: „Few areas of technology will require more interdisciplinary research than tissue engineering or have the potential to affect more positively the quality and length of life“ [46].

Große Hoffnungen wurden durch optimistische wissenschaftliche Voraussagen geweckt [16, 30], wobei es schnell zu ersten klinischen Anwendungen und zum Züchtungsversuch von ganzen Fingern im Mausrücken kam [39, 84].

Jedoch konnte das TE bis heute keine breite klinische und kommerzielle Anwendung finden.

Zu groß sind die noch ungelösten Probleme der freien Verfügbarkeit und Lagerbarkeit, Zellquellen (autogen oder allogen) und der immunologischen Akzeptanz allogener Zelltransplantate [1]. Bis Ende 2002 wurden trotz mehrerer Milliarden US$ für Forschung und Entwicklung nur 20 TE-Produkte von der FDA für klinische Studien zugelassen, von welchen inzwischen vier zur klinischen Anwendung zugelassen wurden, jedoch bisher ohne kommerziellen Erfolg [49].

In den letzten Jahren kam es von kommerzieller Seite zudem zu einer Verschiebung der Aktivitäten im Bereich des TE von strukturellen Geweben (z. B. Haut, Knochen) hin zur alleinigen Applikation von Stammzellen [49].

Stammzelltherapie

Humane mesenchymale Stammzellen (hMSC) sind adulte Stammzellen und zeichnen sich durch ihre Fähigkeit zur Selbstreplikation und ihre Differenzierbarkeit in verschiedene Gewebe wie Knochen, Knorpel, Fett und Muskel aus [42, 63]. Dies beinhaltet die theoretische Möglichkeit einer unbegrenzten Zellvermehrung, an die sich eine Differenzierungsphase zu spezialisierten Zellen anschließen kann (z. B. zu Osteoblasten). Erfolgversprechend erscheint daher die Vorstellung im Rahmen des TE von Knochen, dem Patienten körpereigene Stammzellen zu entnehmen, sie unter optimalen Bedingungen in vitro zu vermehren und direkt in einen Defekt zu applizieren oder auf einer Leitschiene anzusetzen; anschließend werden die hMSC zu Osteoblasten differenziert und die Bildung von extrazellulärer Matrix induziert, sodass schließlich dieses besiedelte Konstrukt als Knochenersatz replantiert werden kann. Bis heute ist jedoch der definitive Nachweis der mesenchymalen Stammzellen erschwert, da es keine spezifischen Marker gibt.

Die Grundlagen der Isolation von hMSC haben Friedenstein [25], Owen [59] und Kollegen geschaffen. Im Weiteren isolierten v. a. Haynesworth et al. [32] und Caplan u. Goldberg [15] mesenchymale Stammzellen, wobei eine zusammenfassende Übersicht 1999 durch Pittenger et al. [63] publiziert wurde. Im Rahmen der Hochphase der Biotechbranche um die Jahrtausendwende wurden große Hoffnungen durch die Zelltherapie mit hMSC geweckt. Bis heute gibt es jedoch keine zugelassenen Therapieverfahren mit hMSC.

Ungelöste Fragestellungen

Alle neuen regenerativen Therapiekonzepte verbinden verschiedenste Fachrichtungen, die am gemeinsamen Ziel eines funktionellen Gewebeersatzes forschen (Abb. 10b). In enger Zusammenarbeit zwischen Medizinern, Biologen, Chemikern, Materialwissenschaftlern und Ingenieuren soll dabei ein vitalisiertes Konstrukt entstehen, das zur klinischen Anwendung kommen kann. Jedoch bleiben auch nach >10 Jahren intensiver Forschung auf dem Gebiet des TE entscheidende Fragen ungelöst. Welche Zellen sollen verwendet werden (autogen oder allogen)? Wie kann man eine ausreichende Zellzahl in der „Akuttherapie“ erlangen? Wie können autogene Zellen möglichst wenig invasiv gewonnen und anschließend vermehrt werden? Kann die Kultur ohne Verwendung xenogener Serumzusätze erfolgen, die aufgrund von Infektionsrisiken eine spätere Implantation verhindern? Wie kann die Differenzierung nicht invasiv während der Kultur gemessen werden? Soll/kann eine mechanische Stimulation während der Kulturphase erfolgen? Unter Zugabe welcher Wachstumsfaktoren kann man in welchen Konzentrationen welche Effekte erzielen? Hat die Zugabe von Wachstumsfaktoren in vitro einen Effekt in vivo? Kann es durch die Dedifferenzierung zu einem unerwünschten Zellwachstum kommen und wie kann eine mögliche Entartung der transplantierten Zellen verhindert werden?

Bei den Leitschienen bestehen die Anforderungen an Knochenersatzmaterialien bezüglich Sterilität, Toxizität, Kanzerogenität und Resorbierbarkeit fort. Darüber hinaus ist besonders wichtig, dass die innere und äußere Struktur ein möglichst gutes Einwachsen der Zellen in vitro und in vivo ermöglicht. Auch hier sind noch viele Fragen zur Besiedelung, Adhäsion und gezielten Stimulation auf der Leitschiene ungelöst. Ein ausführlicher Überblick über die Anforderungen an Biomaterialien im Rahmen des TE von Knochen, sowie über tierexperimentelle Studien und Zulassungsaspekte zum Thema wird in Schieker et al. [77] gegeben.

Insgesamt ist im Rahmen des TE mit den etablierten Kulturbedingungen derzeit eine Kultur von zellbesiedelten Konstrukten in vitro nur bis zu einer Größe von etwa 1 cm3 möglich.

Eine Vaskularisierung und damit Nährstoffversorgung im Inneren der Konstrukte kann bisher nur in vivo erfolgen. Dies wird im Sinne der regenerativen Strategien mit frühzeitiger Implantation angestrebt.

Fazit für die Praxis

Nach mehr als 100 Jahren der Entwicklung von Knochenersatzmaterialien und über 10 Jahre nach der Einführung des „tissue engineerings“ bleibt die autogene Knochentransplantation die Methode der Wahl für die Therapie vieler Knochendefekte, v. a. an der Wirbelsäule und in metaphysären Defekten. Neben diesen körpereigenen Transplantaten mit hervorragenden biologischen Eigenschaften, die jedoch aufgrund der Entnahme eine erhöhte Morbidität bedingen und nur in limitiertem Umfang zu gewinnen sind, kommen auch allogene bzw. alloplastische Materialien zum Einsatz. Ihnen sind als mögliche Nachteile verzögerte Einheilung, erhöhtes Infektionsrisiko und Materialermüdung/-lockerung zuzurechnen. Deshalb wurde, speziell für die Therapie von kleineren metaphysären Defekten im ersatzstarken Lager eine große Zahl anderer Ersatzmaterialien und -verfahren entwickelt, im Tierversuch erprobt und bereits klinisch angewandt. Hierbei sind die anorganischen und organischen Knochenersatzmaterialien sowie induktive Wachstumsfaktoren aus dem Knochen anzuführen. Für die Therapie langstreckiger Schaftdefekte stehen mit der Kallusdistraktion und dem vaskularisierten Fibulatransfer sehr aufwendige chirurgische Verfahren mit einer hervorragenden biologischen Potenz zur Verfügung.

Die fortwährende Suche nach neuen Verfahren zeigt jedoch, mit welchen Nachteilen die etablierten Methoden noch immer behaftet sind. Ideal wäre ein Knochenersatz aus dem Labor mit physiologischen Eigenschaften des Knochens, ohne Abstoßungsreaktionen der Zellen, welcher das Einwachsen des umliegenden Gewebes stimuliert und im Zuge des Remodelling resorbiert wird. TE, Stammzelltherapie und Gentherapie sind Strategien, die, obwohl bisher noch nicht klinisch angewandt und noch mit vielen Fragezeichen behaftet, für die Zukunft Hoffnungen wecken.