Lernziel

Die Ballonkyphoplastie ist ein operatives minimalinvasives Verfahren zur Aufrichtung und Stabilisierung von Wirbelkörperfrakturen. In Bauchlagerung und Intubationsnarkose (im Allgemeinen) oder Lokalanästhesie wird der frakturierte Wirbelkörper perkutan unter Bildwandlerkontrolle beidseits transpedikulär über Ballonkatheter aufgerichtet und der so entstandene Hohlraum mit Knochenzement gefüllt. Das Verfahren kommt bei schmerzhaften Wirbelkörperkompressionsfrakturen v. a. osteoporotischer, aber auch pathologischer und traumatischer Genese zur Anwendung. Gegenüber der Vertebroplastie, bei der die Zementapplikation ohne vorherige Wirbelkörperaufrichtung erfolgt, ist die Ballonkyphoplastie durch die Möglichkeit der Wiederherstellung der Form des Wirbelkörpers gekennzeichnet. Je nach Ursache, Patientenalter und Art der Fraktur kommen unterschiedliche Knochenzemente in Frage. Am häufigsten werden PMMA-Zemente (Polymethylmetacrylat) verwendet. Postoperativ können die Patienten nach kurzfristiger Bettruhe im Allgemeinen ohne Hilfsmittel mobilisiert werden und sind häufig schmerzfrei.

Wirbelkörperfrakturen

Sie sind in der Regel klinisch symptomatisch, ihre Diagnose wird radiologisch gestellt. Abgesehen von pathologischen Frakturen im Rahmen einer Osteoporose oder einer malignen Grunderkrankung entstehen Wirbelsäulenverletzungen durch die Einwirkung großer Kräfte, beispielsweise bei einem Sturz aus größerer Höhe oder einem Rasanztrauma bei einem Verkehrsunfall. Bei Überbiegung nach ventral kann es zu Wirbelkörperfrakturen mit Zerreißung des hinteren Längsbandes kommen, bei Überbiegung nach dorsal sind neben einer Zerreißung des vorderen Längsbandes auch Bogen- und Gelenkfortsatzfrakturen evtl. mit einer zusätzlichen Schädigung der Bandscheiben möglich.

Kompressionsfrakturen stellen die häufigste Frakturform dar. In Europa sind bei 25% aller Frauen über 50 Jahren Kompressionsfrakturen, definiert als Höhenverlust von mehr als 15%, radiologisch nachweisbar [14]. Die Wirbelkörperkompressionsfraktur ist die häufigste Fraktur bei Osteoporose und gilt seit Albright (1941) als ihr klassisches Kennzeichen. Die Schätzungen zur Inzidenz neuer Wirbelkörperfrakturen bei postmenopausaler Osteoporose liegen je nach Annahme über die Höhe der Dunkelziffer durch verschiedene Autoren zwischen 6 und 83/100 Patienten/Jahr. Die Inzidenz klinisch diagnostizierter Wirbelfrakturen ist mit jährlich 438.750 Frakturen in Europa vergleichbar der von Schenkelhalsfrakturen [2]. 49% aller Wirbelfrakturen treten im Bereich zwischen BWK11 und LWK3 auf, 11% in der mittleren BWS und 5% in der HWS.

Symptomatik

Klinisch äußert sich eine Wirbelfraktur durch Schmerzen im betroffenen Wirbelsäulenabschnitt, die nach paravertebral oder ventral ausstrahlen können. Je nach Ausdehnung der Verletzung besteht eine Geh-, Steh- und Bewegungseinschränkung. Meist finden sich ein deutlicher Stauchungsschmerz sowie ein Druck- und Klopfschmerz über dem Processus spinosus des frakturierten Wirbelkörpers. Bei einer Beteiligung des Rückenmarks oder der Neuroforamina können neurologische Defizite bis hin zur Querschnittlähmung auftreten.

Wirbelkörperfrakturen als Manifestation einer Osteoporose treten meist spontan oder als Folge eines minimalen und daher inadäquaten Traumas auf. Sie sind häufig asymptomatisch und werden erst im Rahmen diagnostischer Befunderhebungen bei Verdacht auf Osteoporose gefunden. Aber auch bei bekannter Osteoporose und Rückenschmerzen wird eine Wirbelfraktur oft aufgrund nicht durchgeführter bildgebender Diagnostik übersehen. Dabei sind 84% der diagnostizierten Frakturen symptomatisch, und 25% aller Patienten mit klinisch diagnostizierten Wirbelfrakturen werden stationär behandelt [16]. Dennoch erfolgt die Diagnose nicht selten erst Monate bis Jahre nach dem Frakturereignis, nachdem bereits multiple Frakturen oder ein ausgeprägter Höhenverlust des betroffenen Wirbelkörpers eingetreten sind und der Patient über chronische Rückenschmerzen klagt. Sowohl die akute als auch die chronische Schmerzsymptomatik nach erlittener Fraktur führen zu einer deutlichen Einschränkung der Mobilität und Lebensqualität. Endergebnis dieser Befundkonstellation ist eine gegenüber der gleichaltrigen Bevölkerung deutlich erhöhte Mortalität von 23–35% [2, 16].

Traumatische Wirbelfrakturen bei adäquatem Trauma dagegen werden häufig noch am Unfalltag diagnostiziert, auch wenn der Patient noch keine Rückenbeschwerden angibt, allein aufgrund der in den meisten Kliniken vorliegenden Richtlinien zur radiologischen Diagnostik bei Unfallopfern, die das konventionelle Röntgen des Beckens und der Wirbelsäule beinhalten.

Diagnostik bei Verdacht auf Wirbelkörperfraktur

Sie beginnt mit konventionellen Röntgenaufnahmen der Brust- und Lendenwirbelsäule in 2 Ebenen. Hierbei muss bedacht werden, dass frische Frakturen gelegentlich erst nach einigen Tagen durch eine vermehrte Sinterung des Wirbelkörpers im Röntgenbild erkennbar werden. Schrägaufnahmen zur Beurteilung der Gelenkfortsätze und der Foramina intervertebralia und Zielaufnahmen des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts können hilfreich sein.

Aussagekräftiger, aber auch aufwändiger und kostenintensiver ist die Diagnostik mittels Computer- (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT). Erstere eignet sich speziell zur Darstellung der Frakturlinien und damit der Begutachtung der Stabilität der Wirbelkörperhinterkante. Sie dient der Beurteilung des Spinalkanals und der Klassifikation der Fraktur und damit der Wahl der Therapie.

Das MRT zeigt eine evtl. Beteiligung des Myelons bzw. von Nervenwurzeln, es weist Hämatome im Spinalkanal nach und ist besonders gut zur Differenzierung zwischen alten und frischen Frakturen geeignet. Damit kann es entscheidend zur Klärung der Frage beitragen, ob eine Therapie (noch) indiziert ist.

Zum Ausschluss einer Rückenmarkbeteiligung ist primär eine klinische neurologische Untersuchung unerlässlich.

Klassifikation

Alle derzeit gebräuchlichen Klassifikationen für Wirbelfrakturen stützen sich bei der Einteilung der unterschiedlichen Frakturtypen auf die Anatomie eines Wirbelkörpers sowie auf die daraus resultierenden statischen Überlegungen. Bisher am umfassendsten und in Europa am gebräuchlichsten ist die Klassifikation nach Magerl u. Gertzbein [12], die so genannte AO-Klassifikation (AO: Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen). Sie orientiert sich an der 2-Säulen-Theorie, basiert auf anatomischen und pathomorphologischen Gegebenheiten und ist hierarchisch aufgebaut, d. h. der klinische Schweregrad der Fraktur spiegelt sich in der Typisierung wider. So sind beispielsweise Frakturen vom Typ A1 und A2 generell als stabil anzusehen, Typ-C-Frakturen immer als instabil. Den Übergang von stabilen zu instabilen Frakturen stellen die Typ-A3-Frakturen dar [15]. Ebenso korreliert das Auftreten von neurologischen Ausfällen mit dem Frakturtyp. Sie sind bei Typ-A-Frakturen selten (14%, A3 32%), bei B-Frakturen in 1/3 (32%) und bei C-Frakturen regelmäßig (55%) anzutreffen. Traumatische Wirbelfrakturen variieren in Form und Schwere, Typ-A-Frakturen nach AO sind jedoch häufiger (66%) als Typ-B- (14%) oder -C-Frakturen (19%) und spielen daher im Klinikalltag eine große Rolle. Nachteil der AO-Klassifikation ist ihre Untersucherabhängigkeit. Die Übereinstimmung bei unterschiedlichen Untersuchern beträgt lediglich 67% [1], zur exakten Einteilung ist eine Computertomographie des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts mit sagittaler und koronarer Rekonstruktion erforderlich.

Die Beurteilung einer Wirbelkörperfraktur als „stabil“ oder „instabil“ ist auch in der Literatur unterschiedlich . Die gebräuchlichste Anwendung der Bezeichnung „instabile Fraktur“ beschreibt eine Beteiligung der Wirbelkörperhinterkante jedweden Ausmaßes. Andere Autoren betrachten Frakturen, die in einer dynamischen radiologischen Untersuchung (z. B. im dorsalen Durchhang) noch eine Veränderung der Wirbelkörperhöhe zeigen, als „dynamisch instabil“.

Ballonkyphoplastie

Sie ist eine minimalinvasive perkutane Operationsmethode, bei der in Bauchlage über einen bitranspedikulären Zugang über Arbeitskanülen so genannte Ballonkatheter beidseits in den frakturierten Wirbelkörper eingebracht werden. Die Ballons werden dann unter kontinuierlicher Druckkontrolle mit wasserlöslichem Röntgenkontrastmittel gefüllt, bis eine ausreichende Wiederaufrichtung der Wirbelkörperhöhe durch das Schaffen eines situationsadäquaten Hohlraums zwischen der Grund- und Deckplatte erreicht ist. Dieses Kavum wird nach Entfernung der Ballonkatheter mit einem niedrig viskösen Knochenzement über die Arbeitskanülen gefüllt. Auf diese Weise werden das Ergebnis der Aufrichtung erhalten und die Fraktur stabilisiert [9].

Die Ballonkyphoplastie, die erstmals 1998 in den USA angewendet wurde und seit dem Jahr 2000 auch in Europa als operative Methode zur Behandlung schmerzhafter Wirbelkörperfrakturen eingesetzt wird [13], wird allgemein als eine Weiterentwicklung [11] der in den 1980er Jahren in Frankreich entwickelten Vertebroplastie angesehen. Der entscheidende Unterschied ist: Nur bei der Ballonkyphoplastie besteht die Möglichkeit über intravertebral platzierte Ballonkatheter ein Kavum für den zu applizierenden Knochenzement zu schaffen und so eine Wiederaufrichtung der Wirbelkörperhöhe zu erzielen (Abb. 1, 2).

Abb. 1
figure 1

Präoperativer Befund eines höhengeminderten Lendenwirbelkörpers

Abb. 2
figure 2

Postoperatives Röntgenbild nach Kyphoplastie eines Lendenwirbelkörpers

Die Vertebroplastie wurde 1987 erstmalig in Frankreich an einem Patienten mit Wirbelfrakturen bei Multiplem Myelom durchgeführt [4, 6]. Bei ihr wird ein mono- oder bipedikulärer Zugang zum frakturierten Wirbelkörper geschaffen. Über die Arbeitskanüle(n) wird unter hohem Druck niedrig visköser Knochenzement unter Bildwandlerkontrolle in den frakturierten Wirbelkörper gepresst [7]. Auf diese Weise er in seiner aktuellen Form stabilisiert und ein Fortschreiten der Sinterung verhindert. Eine direkte Wiederaufrichtung ist mit der Vertebroplastie im Allgemeinen nicht zu erzielen.

Als Ursache der Schmerzlinderung durch Ballonkyphoplastie werden in der Literatur mehrere Theorien diskutiert. Da anfangs ausschließlich unter Hitzeentwicklung aushärtende Polymethylmetacrylatzemente verwendet wurden, ging man zunächst davon aus, dass schmerzleitende Nervenfasern des Wirbelkörpers zerstört werden würden. Des Weiteren wurden zytotoxisch auf lokale Schmerzrezeptoren wirkende Monomere des PMMA-Zements für die Schmerzlinderung verantwortlich gemacht. In eigenen Studien konnten diese Theorien durch die Verwendung von neuen kalziumphosphathaltigen Zementarten, die ohne Hitzeentwicklung aushärten und die gleiche Schmerzlinderung bewirken [9], widerlegt werden. Am ehesten ist die interne Stabilisierung des frakturierten Wirbelkörpers mit der dadurch erzielten Reduktion von Mikrobewegungen und Reizung des Periosts für die sofortige postoperative Schmerzreduktion verantwortlich [8].

Knochenzemente

Sie werden seit den 1950er Jahren auf unterschiedlichste Art und Weise zur Stabilisierung der Wirbelsäule nach einem Trauma oder bei Frakturen im Rahmen eines malignen Geschehens verwendet. Biomechanische Untersuchungen ergaben eine verbesserte Kraftübertragung bei Platzierung des Zements im Wirbelkörper [6]. Im Rahmen der Ballonkyphoplastie finden verschiedene Knochenzementarten Anwendung.

Polymethylmetacrylat(PMMA)-Zemente

Sie kommen ähnlich wie im Rahmen der Endoprothetik zum Einsatz und sind die bisher hauptsächlich verwendeten Zemente. Eine bekannte und gefürchtete intraoperative Nebenwirkung ist der plötzliche Blutdruckabfall während der Applikation infolge eines embolischen Geschehens. Im Fall eines Zementaustritts kann es zur lokalen Gewebeschädigung kommen [4]. Ein weiterer Nachteil sind die fehlende ossäre Integration und damit die Ungewissheit über das langfristige Verhalten dieser Zemente im Körper. Deshalb werden sie bevorzugt bei älteren Patienten oder bei solchen mit verminderter Lebenserwartung angewendet.

Vorteile der PMMA-Zemente sind

  • ein relativ großes Zeitfenster zwischen Zementvorbereitung und -applikation,

  • die langjährige positive Erfahrung mit ihnen,

  • ihre Resistenz gegen Kompressions- und Scherkräfte sowie

  • der vergleichsweise günstige Preis.

Biokompatible, biologisch abbaubare Knochenzemente

Diese neuen Knochenersatzstoffe auf der Grundlage von Kalziumverbindungen werden bereits im Rahmen der Vertebroplastie und Kyphoplastie genutzt [3, 7]. Die osteokonduktiven Kalziumphosphatzemente haben das Anwendungsspektrum von Knochenzementen ergänzt und erlauben, bisher überwiegend im Rahmen von Studien, die Ausweitung des Indikationsspektrums der Ballonkyphoplastie auf traumatische und osteoporotische Wirbelkörperfrakturen auch beim jüngeren Patienten. Eine experimentelle Studie an humanen Kadaverwirbeln suggerierte, dass die Ballonkyphoplastie mit Kalziumphosphatzement eine sichere Methode in der Anwendung bei traumatischen Wirbelfrakturen darstellen könnte [17]. Die im Vergleich zu PMMA-Zementen etwa 10fach geringere Stabilität gegenüber Scher- und Biegekräften stellt jedoch ein Problem bei der Verwendung zur Stabilisierung instabiler Frakturen dar. Diese Anfälligkeit kann sich radiologisch in Zementrissen oder Resorptionszonen zeigen (Abb. 3). Ferner ist die zeitliche Spanne zwischen Resorption und Knochenzugewinn unbekannt. Dies könnte im Fall einer frühen Resorption vor Frakturheilung ohne adäquate Knochenneubildung zu sekundären Problemen führen.

Abb. 3
figure 3

Axiales CT-Bild eines Brustwirbelkörpers nach Kyphoplastie einer instabilen Fraktur, Zementrisse und Resorptionszonen

Indikationen

Derzeit anerkannt und zur Durchführung einer Ballonkyphoplastie untersucht sind:

  • akute und chronisch schmerzhafte stabile Sinterungsfrakturen der Brust- und Lendenwirbelsäule bei Osteoporose,

  • frische traumatische Wirbelkörperfrakturen bei Osteoporose,

  • pathologische Wirbelkörperfrakturen bei Metastasen und

  • Wirbelkörpertumoren (Hämangiom, Multiples Myelom) [5, 10, 13].

An besonderen Zentren und vorzugsweise unter Studienbedingungen kann eine traumatische Typ-A-Wirbelkörperfraktur auch ohne Vorliegen einer Osteoporose beim jüngeren Patienten im Einzelfall eine Indikation darstellen.

Kontraindikationen

Sie sind bei Frakturen mit ausgeprägter Hinterkantenbeteiligung gegeben. Dies gilt unabhängig vom Vorliegen eines neurologischen Defizits. Als technisch nicht durchführbar gilt die Ballonkyphoplastie bei Vertebra plana mit vollständigem Verlust der Wirbelkörperhöhe.

Weitere Ausschlusskriterien sind

  • eine Infektion des zu behandelnden Wirbelkörpers

  • Rückenschmerzen anderer Genese (z. B. bandscheibenbedingt, durch degenerative oder entzündlich-rheumatische Veränderungen),

  • unbeherrschbare Gerinnungsstörungen mit Blutungsneigung und dadurch bedingter Gefahr der Hämatombildung im Spinalkanal (Gefahr der Kompression des Myelons),

  • Allergie auf Bestandteile des Knochenzements,

  • Schwangerschaft oder

  • fehlende Operations- und Narkosefähigkeit aufgrund weiterer relevanter Erkrankungen.

Interdisziplinäre Indikationsstellung

Präoperativ erfolgen Frakturanamnese und klinische Untersuchung inklusive neurologischer Statuserhebung sowie bildgebende Diagnostik mittels Röntgen und ggf. CT und/oder MRT (Abb. 4). Bei allen Patienten sollte eine Abklärung auf das Vorliegen einer Osteoporose durch Frakturanamnese und radiologische Diagnostik sowie im Zweifel anhand einer Knochendichtemessung mittels DXA durchgeführt werden. Alle Patienten sollten präoperativ interdisziplinär (Unfallchirurgen/Orthopäden, Internisten, Radiologen) beurteilt werden, um eine fundierte Indikationsstellung nach den oben genannten Kriterien sicherzustellen und die ideale Behandlungsstrategie festzulegen.

Abb. 4
figure 4

Präoperative MRT der Lendenwirbelsäule bei Multiplem Myelom

Perioperatives Management

Bei Vorliegen einer Osteoporose muss eine leitlinienkonforme medikamentöse Therapie mit Kalzium, Vitamin D und Bisphosphonaten eingeleitet werden. Bei Vorliegen eines malignen Geschehens sind eine weiterführende onkologische Abklärung und ggf. Therapie erforderlich.

Postoperativ erfolgt eine erneute klinische Untersuchung inklusive zielgerichteter Erhebung des neurologischen Status. Nach einer Bettruhe von 24-48 h (je nach Zementart) werden eine Röntgen- und, wenn möglich, CT-Kontrolle des behandelten Wirbelsäulenabschnitts zur Beurteilung der Zementlage im Wirbelkörper durchgeführt. Anschließend beginnt die physiotherapeutische Mobilisation unter Vermeidung kyphosierender Körperhaltungen, in der Regel ohne Hilfsmittel. Der Patient kann je nach Frakturursache, Begleitverletzungen und Allgemeinzustand etwa ab dem 2. postoperativen Tag entlassen werden.

Komplikationen

Asymptomatische Zementaustritte sind die häufigste Komplikation einer Ballonkyphoplastie, sie traten in den bisherigen Studien bei osteoporotischen und malignombedingten Wirbelfrakturen mit einer Häufigkeit von 2–18% auf [11]. Zementaustritte müssen nach einer klinischen Untersuchung mittels CT abgeklärt werden.

In 2,5% der Fälle in der Literatur kam es bisher zu symptomatischen Komplikationen, z. B. zu Fehlpunktionen beim Operationszugang oder zu Zementaustritten in den Spinalkanal mit neurologischen Ausfällen und Embolien, vorzugsweise Lungenembolien, durch Abfluss des Zements in das venöse System.

Lagerungsbedingt sind, abhängig von der zugrunde liegenden systemischen Erkrankung, Frakturen der Rippen, des Sternums oder des Sakrums möglich.

Ob das Auftreten von weiteren osteoporotischen Sinterungsfrakturen in direkter Nachbarschaft zu ballonkyphoplastierten Wirbeln Folge der Grundkrankheit oder Folge der Behandlung sind, wird derzeit noch kontrovers diskutiert. Während in biomechanischen Studien über eine größere Steifigkeit des augmentierten Wirbels berichtet und daher eine erhöhte Frakturgefahr für benachbarte Wirbel postuliert wird, konnte in klinischen Studien bisher nicht schlüssig nachgewiesen werden, dass Anschlussfrakturen nach Ballonkyphoplastie häufiger sind als neu aufgetretene Frakturen bei Patienten mit Osteoporose und vorbestehender Wirbelkörperfraktur.

Nachbehandlung

Eine stationäre Rehabilitation ist postoperativ im Regelfall nicht notwendig. Empfehlenswert sind jedoch Krankengymnastik und Rückenschulung insbesondere bei Patienten mit Osteoporose.

Alle Patienten sollten in regelmäßigen Abständen zu klinischen und radiologischen Verlaufskontrollen einbestellt werden, wobei die Zeitabstände der Untersuchungen abhängig vom Allgemeinzustand und Therapieerfolg variiert werden können. Üblicherweise erfolgen die Nachkontrollen 1, 3, 6 und 12 Monate postoperativ, anschließend jährlich bzw. zeitnah bei neu aufgetretenen Beschwerden.

Routine sind bei allen Patienten an jedem Untersuchungszeitpunkt eine klinische Untersuchung und Röntgenaufnahmen des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts in 2 Ebenen zum Ausschluss einer sekundären Sinterung des ballonkyphoplastierten sowie der benachbarten Wirbelkörper. Bei Patienten mit fortbestehenden oder neu aufgetretenen Beschwerden können zusätzliche Untersuchungen wie CT und MRT erforderlich sein.

Ergebnisse

Aufgrund ihrer schmerzlindernden Wirkung sowie der sofortigen intravertebralen Stabilisierung und der damit gewährleisteten frühzeitigen Mobilisation der Patienten ist die Ballonkyphoplastie bei geeigneter Fraktur und Risikoprofil des Patienten der konservativen Therapie überlegen. Im Gegensatz zu Letzterer besteht zusätzlich die Möglichkeit einer dauerhaften relevanten Wiederaufrichtung der Wirbelkörperhöhe, sodass idealerweise Spätkomplikationen im Sinne einer Chronifizierung der Beschwerden durch Zunahme des Kyphosewinkels verhindert werden.

Auch eine Kombination aus Fixateur interne und Ballonkyphoplastie zur Behandlung von Typ-A3.1-Frakturen (Abb. 5) scheint erfolgreicher als die alleinige dorsale Stabilisierung oder gar konservative Therapie beim jüngeren Patienten zu sein. In dieser Kombination kann eine noch bessere Aufrichtung der Frakturen bei vernachlässigbarem Korrekturverlust ohne wesentliche Erhöhung der Komplikationsrate erreicht werden.

Abb. 5
figure 5

Traumatische LWK1-Fraktur mit deutlicher ventraler Kompression, a präoperatives Röntgenbild, b postoperatives Röntgenbild nach Anlage eines Fixateur interne und Kyphoplastie mit nahezu kompletter Wirbelkörperaufrichtung

Bei komplexeren Frakturen sowie Spaltfrakturen ist die Kyphoplastie keine den anderen operativen Prozeduren überlegene Alternative. Ob Weiterentwicklungen der Kalziumphosphatzemente mit erhöhter Resistenz gegenüber Scher- und Biegekräften dies in Frage stellen, bleibt abzuwarten. Die operative Durchführung der Kyphoplastie bei traumatischen Frakturen erfordert nicht zuletzt deutlich mehr Aufwand und Vorsicht als bei osteoporotischen Frakturen, da zur Wiederaufrichtung des Wirbelkörpers ein höherer Druck notwendig ist und bei der Zementapplikation die Gefahr des Zementaustritts durch komplexe Frakturlinien erhöht ist. Dazu kommt das aufwändigere Handling mancher Kalziumphosphatzemente mit einem Verarbeitungszeitfenster von wenigen Minuten, sodass eine rasche Zementapplikation unter kontrollierten Bedingungen notwendig ist. Der Operateur sollte grundsätzlich umfassende Erfahrung im Rahmen der Kyphoplastie osteoporotischer Frakturen gesammelt haben.

Empfehlungen

Die Indikationsstellung kann nur auf der Grundlage einer ausreichenden und technisch einwandfreien Diagnostik erfolgen. Röntgenaufnahmen des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts sowie eine Computertomographie sind für die korrekte Klassifizierung der vorliegenden Fraktur essenziell. Nach dieser richten sich die Indikation sowie ggf. die Planung des operativen Zugangs. Derzeit ist mindestens die Integrität einer Kortikalis der Grund- oder Deckplatte zu fordern.

Bei Verdacht auf Bandscheibenbeteiligung oder Kompromittierung nervaler Strukturen sollte zusätzlich eine MRT durchgeführt werden. Dies empfiehlt sich auch beim Vorliegen multipler Wirbelkörperfrakturen zur Unterscheidung zwischen frischeren und älteren Frakturen.

Anhand eigener Daten kann bei jüngeren Patienten ohne Osteoporose die Durchführung einer Kyphoplastie mit oder ohne Fixateur interne nur bei Frakturen der Typen A1 und A3.1 empfohlen werden. Bei zusätzlicher Stabilisierung mittels Fixateur interne sollte eine frühzeitige Osteosynthesematerialentfernung nach 6–9 Monaten angestrebt werden. Derzeit gilt: Spaltfrakturen sowie Berstungsfrakturen des Typs A3.3 und höhergradige Frakturen sollten nicht mittels Kyphoplastie mit Kalziumphosphatzementen behandelt werden. Der Fixateur interne bietet keinen ausreichenden Schutz gegen Scher- und Biegekräfte, denen die derzeitig verfügbaren „Biozemente“ nicht gewachsen sind.

Bei jüngeren Patienten ist Kalziumphosphat gegenüber PMMA aufgrund der osteointegrativen Eigenschaften zu bevorzugen, Langzeitergebnisse stehen jedoch bisher aus. Bei Patienten über 50 Jahren sollte die Indikation zur Verwendung von Kalziumphosphat generell kritisch überdacht werden, da PMMA deutlich bessere biomechanische Eigenschaften zur Versorgung von Wirbelfrakturen aufweist.

Die Ballonkyphoplastie sollte, wenn die Wiederaufrichtung der Wirbelkörperhöhe als Therapieziel im Vordergrund steht, möglichst frühzeitig innerhalb der ersten 2 Wochen nach dem Frakturereignis durchgeführt werden. Wesentlich später scheint die Wiederaufrichtung der Wirbelkörperhöhe nur noch in geringerem Umfang möglich zu sein. Bei länger bestehenden Frakturen insbesondere auf dem Boden einer Osteoporose oder eines Malignoms ist eine Ballonkyphoplastie bei bestehenden Schmerzen trotzdem sinnvoll und aufgrund der niedrigeren Komplikationsrate u. E. einer Vertebroplastie vorzuziehen.

Fragen zur Zertifizierung

Welche diagnostische Maßnahme sollte bei Verdacht auf eine Wirbelfraktur als erstes durchgeführt werden?

  • Magnetresonanztomographie des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts.

  • Röntgenaufnahmen des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts in 2 Ebenen.

  • Computertomographie des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts.

  • Skelettszintigraphie.

  • Knochendichtemessung.

Für die Beantwortung welcher Fragestellung ist die Magnetresonanztomographie der Wirbelsäule am wenigsten geeignet?

  • Handelt es sich bei der vorhandenen Wirbelfraktur um eine frische oder ältere Fraktur?

  • Liegt ein Wirbelkörperhämangiom vor?

  • Können die beklagten Schmerzen von einem Bandscheibenvorfall herrühren?

  • Könnte eine maligne Knochenerkrankung zugrunde liegen?

  • Um welchen Frakturtyp (nach AO) handelt es sich?

In welchem Wirbelsäulenabschnitt treten typischerweise am häufigsten Frakturen auf?

  • Halswirbelsäule.

  • Obere Brustwirbelsäule.

  • Mittlere Brustwirbelsäule.

  • Thorakolumbaler Übergang.

  • Untere Lendenwirbelsäule.

Welche Antwort ist richtig? Die AO-Klassifikation der Wirbelfrakturen beruht auf der ...

  • Denis-Klassifikation.

  • 3-Säulen-Theorie.

  • Load-sharing-Klassifikation.

  • McAfee-Klassifikation.

  • Klassifikation nach Magerl u. Gertzbein.

Welche Antwort ist richtig? Eine bekannte Nebenwirkung bei Anwendung von PMMA-Zementen ist ...

  • ein plötzlicher Blutdruckanstieg.

  • ein plötzlicher Blutdruckabfall.

  • ein plötzlicher Anstieg der Kalziumkonzentration.

  • ein plötzlicher Abfall der Kalziumkonzentration.

  • ein plötzlicher Anstieg der Phosphatkonzentration.

Welche Antwort ist richtig? Die häufigste Komplikation bei Durchführung einer Kyphoplastie ist/sind ...

  • der asymptomatische Zementaustritt.

  • die Lungenembolie.

  • neurologische Ausfälle durch Fehlpunktion.

  • die Sternumfraktur.

  • die Wundheilungsstörung.

Welche Antwort ist richtig? Die Nachbehandlung nach Kyphoplastie beinhaltet häufig ...

  • langfristige Bettruhe bis zur Frakturkonsolidierung.

  • Lymphdrainage.

  • Krankengymnastik und Rückenschulung.

  • Gewichtetraining.

  • Aerobic.

Eine 80-jährige Patientin wird nach einem häuslichen Sturz zu Ihnen in die Notaufnahme gebracht, sie klagt über Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie des Beckens. Welche Maßnahme würden Sie für am wenigsten notwendig erachten?

  • Komplette körperliche Untersuchung im Liegen.

  • Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule in 2 Ebenen sowie des Beckens.

  • Computertomographie des schmerzhaften Lendenwirbelsäulenabschnitts.

  • Grobneurologische Untersuchung der Beine.

  • Röntgenaufnahme der Halswirbelsäule in 2 Ebenen.

Bei einem 70-jährigen Patienten mit stabiler LWK1-Fraktur wurde eine Kyphoplastie durchgeführt, im postoperativen Röntgenbild besteht der Verdacht auf einen lateralen Zementaustritt. Welche Maßnahmen ergreifen Sie?

  • Keine, da Zementaustritte meistens asymptomatisch verlaufen.

  • Ich fordere ein neurologisches Konsil an.

  • Ich untersuche den Patienten, ordne Bettruhe an und veranlasse eine Computertomographie.

  • Ich untersuche den Patienten, ordne Bettruhe an und veranlasse eine Magnetresonanztomographie.

  • Ich untersuche den Patienten und veranlasse eine Myelographie.

Ein 25-jähriger Patient wird nach einem Sturz aus 5 m Höhe in den Schockraum Ihrer Klinik eingeliefert. Er ist wach und ansprechbar, klagt über starke Rückenschmerzen und kann auf Aufforderung die Zehen links nicht bewegen. In der durchgeführten Diagnostik inklusive CT zeigen sich instabile Wirbelkörperfrakturen von LWK3–5 mit Verlegung des Spinalkanals. Welche Therapieoptionen ziehen sie in Betracht?

  • Konservative Therapie mit Bettruhe und frühfunktioneller Behandlung.

  • Sofortige Kyphoplastie von LWK3–5 mit Kalziumphosphatzement.

  • Sofortige Operation von dorsal mit Anlage eines Fixateur interne und zusätzlicher Kyphoplastie von LWK3–5.

  • Operation im Verlauf mit dorsalem Zugang und Anlage eines Fixateur interne.

  • Sofortige Operation mit Ausräumung des Spinalkanals und dorsoventraler Stabilisierung.