FormalPara Beteiligte Fachgesellschaften

Deutsche Gesellschaft für Koloproktologie (DGK); federführend

Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV)

Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Coloproktologie (CACP)

Berufsverband der Coloproktologen Deutschlands (BCD)

Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)

Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG)

Schweizerische Arbeitsgruppe für Koloproktologie (SAKP)

Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Koloproktologie (ACP)

Einleitung und Definition

Eine Analfissur (von lat. „fissura“: Spalte, Riss) ist ein radiär verlaufender Defekt im Anoderm distal der Linea dentata. Es handelt sich um ein häufiges Krankheitsbild mit einem Lebenszeitrisiko von bis zu 11 % [17, 233]. Die Lebensqualität der Patienten kann aufgrund von Schmerzen deutlich eingeschränkt sein [152, 277]. Die akute Analfissur heilt häufig spontan. Die chronische Analfissur ist definiert durch eine Erkrankungsdauer, welche 6–8 Wochen überschreitet; außerdem bestehen in der Regel morphologische Veränderungen. In 80–90 % sind Analfissuren an der posterioren Kommissur, d. h. bei 6 Uhr in Steinschnittlage, lokalisiert [285]. Sekundäre Analfissuren, welche als Folge einer zugrunde liegenden Erkrankung entstehen, sind im Gegensatz zu den primären häufiger an atypischer Lokalisation vorhanden [17, 38]. Die meisten konservativen und operativen Therapiekonzepte zielen auf eine Reduktion des häufig zugrunde liegenden Sphinkter-Hypertonus.

1 Konsensbasiertes Statement

EK: Eine Analfissur ist eine radiär verlaufende Läsion im Anoderm distal der Linea dentata.

Konsensstärke: mehrheitliche Zustimmung (6/10, 60 %)

Auf der Konsensuskonferenz diskutierten die Teilnehmer ausführlich über die Grunddefinition der Fissur. Dabei wurden „Riss“, „Einriss“ und „Ulkus“ als mögliche Definitionen angeführt. Die o. g. Formulierung war als einzige mehrheitsfähig. Auch wurde auf die bedeutende Tatsache hingewiesen, dass die Lokalisation der Analfissur definitionsgemäß im Bereich des Anoderms liegt, also proximal der Linea anocutanea – in Abgrenzung zu Rhagaden der perianalen Haut, welche distal davon gelegen sind.

Methodik und Resultate der Literaturrecherche

Die vorliegende Leitlinie wurde auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie (DGK) sowie in Zusammenarbeit mit den o. g. Fachgesellschaften aus Deutschland, der Schweiz und Österreich verfasst. Die Methodik der Leitlinie ist ausführlich im Leitlinienreport erläutert (www.awmf.org). Bei der Erstellung wurden Leitlinien anderer Fachgesellschaften (American Society of Colon and Rectal Surgeons, 2017 [357], The Association of Coloproctology of Great Britain and Ireland, 2008 [84], American College of Gastroengerology, 2014 [379], Spanish Society of Gastroenterology, 2007 [16]) sowie ein italienisches Positionspapier [17] und die deutsche S1-Leitlinie aus dem Jahr 2008 herangezogen [312]. Diese wurden jedoch nicht als Evidenzquellen angesehen, und dementsprechend wurden keine Empfehlungen aus diesen Leitlinien hergeleitet. Aufgrund dessen wurde die methodische Qualität dieser Leitlinien nicht nach DELBI [28] bewertet.

Für die Erstellung der Leitlinie wurde eine umfassende Literaturrecherche durchgeführt. Hierfür wurde die Datenbank Medline (PubMed) durchsucht. Alle Studien, welche seit 1895 publiziert wurden, fanden Berücksichtigung. Stichtag der Recherche war der 16.02.2018. Die folgenden Suchbegriffe wurden verwendet: ″fissure in ano″ [MeSH Terms] OR (″fissure″[All Fields] AND ″ano″[All Fields]) OR ″fissure in ano″[All Fields] OR (″anal″[All Fields] AND ″fissure″[All Fields]) OR ″anal fissure″[All Fields]. Zudem wurde die Funktion „related article“ angewandt um ein größeres Datenvolumen zu erhalten. Alle Abstracts, welche auf diese Weise identifiziert wurden, wurden auf ihre Eignung für die Leitlinie überprüft. Die Recherche ergab insgesamt 2465 Literaturstellen, welche von 1895 bis 2018 veröffentlicht wurden. Ausgeschlossen wurden in diesem Schritt Studien, welche einen anderen Untersuchungsgegenstand als die (akute oder chronische) Analfissur hatten sowie Doppelpublikationen.

In einem zweiten Schritt wurden im Sinne einer hierarchischen Literaturrecherche alle Leitlinien, Metaanalysen von randomisierten kontrollierten Studien (RCT) und RCT anhand des Volltextes ausgewertet. Bei 208 Studien handelte es sich gemäß „Medline Terms“ um eine RCT, welche eingeschlossen wurden, wenn sie mindestens zwei Therapie-Arme zur Therapie der Analfissur aufwiesen. Ausschlusskriterien für den Volltext-Review waren 1) nichtrandomisierte Studien, 2) keine existierenden Daten zu den Endpunkten „Heilung“ und „Inkontinenz“ oder „Rezidiv“, 3) spezielle Patientencharakteristika (z. B. Kinder, sekundäre Analfissuren). Ingesamt 122 der eingeschlossen RCT untersuchten chronische Analfissuren, 8 RCT bezogen sich auf die akute Analfissur. Bei 17 Studien handelte es sich um relevante Metaanalysen; weiterhin fanden sich 5 Leitlinien. Nicht berücksichtigt wurden ältere Versionen der gleichen Metaanalyse bzw. Leitlinie oder solche welche nicht die Analfissur als Hauptthema hatten (Tab. 3; Abb. 1).

Hinsichtlich der einzelnen chirurgischen Verfahren bestand z. T. eine eingeschränkte Datenlage, weshalb in einem nächsten Schritt Studien jeglichen Studiendesigns, welche die operative (und konservative) Therapie von chronischen Analfissuren untersuchten und zwischen dem 01. Januar 2000 und dem Stichtag veröffentlicht wurden, einbezogen wurden. Die detaillierten Ergebnisse der Literaturrecherche sind im Diagramm nach dem System Preferred Reporting ltems for Systematic Reviews and Meta-analyses (PRISMA) dargestellt (Abb. 1). Die auf diese Weise ausgewählten Studien mit Ergebnissen zur Therapie der Analfissur sind in den Evidenztabellen (Tab. 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14 und 15) aufgelistet. Hierbei wurden die Parameter „Studiendesign“, „Anzahl Patienten“, „Heilungsrate“, „Inkontinenzrate“, „Rezidiv bzw. Erfolgsrate“, „andere Komplikationen“ sowie „Follow-up“, sofern in den Studien angegeben, erfasst.

Die Klassifikation von Evidenzlevel und Verzerrungsrisiko wurde entsprechend dem in Tab. 1 dargelegten System des Oxford Centre for Evidence-based Medicine in der Version von 2009 festgelegt [281, 304]. Die Empfehlungsgradierung wurde auf Basis des Diagramms in Abb. 2 bestimmt (übernommen von www.awmf.org). Auf der Konsensuskonferenz wurde die Zustimmung zu den einzelnen Statements und Empfehlungen (Konsensstärke) gemäß Tab. 2 kategorisiert. Bei mangelnder Evidenz wurden Statements und Empfehlungen auf der Grundlage des Diskurses unter den Mitgliedern der Leitliniengruppe beschlossen und als „Expertenkonsens (EK)“ gekennzeichnet. Die Empfehlungsstärke lässt sich aus den abgestuften Formulierungen (soll/sollte/kann) entsprechend der Abb. 2 ableiten.

Der Text und die Empfehlungen der Leitlinie wurden an der Konsensuskonferenz am 17.03.2018 in München im Rahmen des 44. Deutschen Koloproktologen Kongresses ausgearbeitet. Die Vorbereitung des Textes sowie die systematische Literaturrecherche wurden im Vorfeld durch den Erst-Autoren und die Letzt-Autorin (L.M. und S.E.) durchgeführt. Die einzelnen Schritte in der Literaturrecherche, die Studienauswahl und die Datenextraktion wurden durch diese dabei unabhängig voneinander durchgeführt und gegenseitig geprüft.

Bei der Konsensuskonferenz nahmen abgesandte Vertreter der jeweiligen o. g. Fachgesellschaften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz teil. Zudem wurde nach Vorliegen der definitiven Fassung der Leitlinie noch die Anerkennung der Vorstände der Fachgesellschaften eingeholt.

Die Konsensuskonferenz wurde von der zertifizierten Leitlinienberaterin der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), Frau Dr. Muche-Borowski, moderiert. Durch Frau Dr. Muche-Borowski erfolgte auch eine methodische Überprüfung der Leitlinie.

Die Gültigkeit der Leitlinie wurde für 5 Jahre festgelegt und somit ist eine erste Überarbeitung für 06/2024 geplant.

Abb. 1
figure 1

PRISMA Flow-Chart zur Literaturrecherche

Tab. 1 Modifiziertes Schema der Evidenzgradierung nach Oxford (Version 2009), verfügbar unter www.cebm.net
Abb. 2
figure 2

Evidenzlevel und Empfehlungsgradierung. (Übernommen von www.awmf.org)

Tab. 2 Graduierung der Konsensstärke
Tab. 3 In der Leitlinie berücksichtigte relevante Metaanalysen und Guidelines

Pathogenese

Der genaue Entstehungsmechanismus der Analfissur ist bis heute ungeklärt. In der Literatur wird oftmals ein erhöhter Tonus des M. sphincter ani internus als zentraler Punkt angesehen, wobei offenbleibt, ob es sich hierbei um die Ursache oder die Folge der Fissur handelt. Eine Studie aus dem Jahr 1996, welche den maximalen Sphinkterruhedruck bei Fissurpatienten ermittelte, ergab einen signifikant erhöhten medianen Tonus von 121 mm Hg (im Vergleich zu den Kontrollpatienten mit einem medianen Tonus von 69 mm Hg [55]) und einen reduzierten Blutfluss mit konsekutiver Ischämie und mangelnder Abheilung [341]. Ein normaler Ruhedruck wird in der Literatur häufig als <90 mm Hg definiert [306, 341]. Weitere Studien, welche Laser-Doppler-Flow-Untersuchungen und Post-mortem-Arteriographien durchführten, demonstrierten eine Rarefizierung von Ästen der A. rectalis inferior an der posterioren Kommissur – und damit an der Prädilektionsstelle von primären Analfissuren [215]. Allerdings gibt es auch Patienten mit einer Analfissur und erniedrigtem Ruhedruck; insbesondere sind Frauen mit postpartaler Analfissur zu erwähnen [82]. In einer Fall-Kontroll-Studie wurde zudem beschrieben, dass bei anterioren Fissuren im Vergleich zur Kontrollgruppe der Sphinkterruhedruck nicht signifikant erhöht war [341].

Einige Autoren sehen auch eine nichtdrainierte, Low-grade-Infektion als wichtigen pathogenetischen Punkt an und demonstrierten in Studien intraoperativ-makroskopisch sowie pathologisch subkutane Fisteln im Bereich der Fissur [8, 294]. Allerdings spricht der Erfolg der meisten Therapiekonzepte – wie der lateralen Sphinkterotomie –, welche den Sphinkterdruck reduzieren, rückschließend für den Hypertonus als zentralen Punkt im Circulus vitiosus aus Hypertonus, Ischämie, Entzündung und Schmerz.

2 Evidenzbasiertes Statement

Die exakte Pathogenese der Analfissur ist bis dato ungeklärt. In den meisten Studien wird eine Hypertonie des M. sphincter ani internus mit folgender Ischämie, Schmerz- und Entzündungsreiz und dadurch reflektorisch weiter ansteigendem Sphinktertonus als zentralem Punkt angesehen.

Evidenzlevel: 2b [215, 341]

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

Ätiologie

Primäre Analfissuren sind definitionsgemäß solche, die – im Gegensatz zu sekundären Analfissuren – nicht durch eine zugrunde liegende Erkrankung hervorgerufen werden. Da dem Hypertonus des Schließmuskels eine zentrale Rolle in der Pathogenese der Analfissur zugeschrieben wird, werden folglich Faktoren, welche den Sphinktertonus erhöhen, als mögliche Ursachen diskutiert. Zu nennen sind hier vor allem die Obstipation [103] und harter Stuhl. Eine faserarme Diät gilt dementsprechend als Risikofaktor [189], ebenso die Adipositas und der Hypothyreoidismus [243]. Die Obstipation wird zudem als abhängiger Risikofaktor im Rahmen einer Schwangerschaft in Verbindung mit der Analfissur gebracht. In einer Studie von Abramowitz et al. wurde bei einem Drittel aller Gebärenden postpartal eine Analfissur diagnostiziert [2]. Die Odds-Ratio (OR) für Gebärende mit Obstipation, die an einer Analfissur erkrankten, betrug 5,7 (95 % Konfidenzintervall [KI] 2,7–12). In einer prospektiven Studie aus dem Jahr 2014 [303] waren weitere Risikofaktoren ein Geburtsgewicht über 3800 g, Presswehen über 20 min und eine positive Anamnese für anale Erkrankungen.

Gleichzeitig wurde jedoch auch bei Patienten mit Diarrhoe eine erhöhte Inzidenz von Analfissuren beschrieben. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass der Sphinktertonus erhöht werden muss, um den flüssigen Stuhl halten zu können [38].

Sekundäre Analfissuren können auf dem Boden von verschiedensten bakteriellen, viralen, entzündlichen und immunologischen Erkrankungen sowie medikamentös-toxisch (z. T. basierend auf einzelnen Fallberichten; Nicorandil, Ergotamin, Isotretionin [10, 81, 104, 220]), traumatisch oder iatrogen nach operativen analen Eingriffen entstehen. Die erregerbedingten, venerischen Erkrankungen umfassen Infektionen mit HIV, CMV, Herpes simplex (HSV), Chlamydia trachomatis (Serotypen S–K, L1–L3) sowie Tuberkulose, Syphilis, Gonorrhoe, Histoplasmose und Leishmaniose. Oft zeigen die sekundären Analfissuren den Aspekt einer oder mehrerer Ulzerationen im Analkanal bzw. am Analrand. Diese Läsionen sind besonders häufig bei speziellen sexuellen Praktiken oder Patientenkollektiven, welche solche anwenden, z. B. Men having Sex with Men (MSM). Dieses Patientenkollektiv weist eine höhere Rate von Koinfektionen mit venerischen Erkrankungen auf. Damit kann ein Keimnachweis auch eine Koinzidenz und nicht kausal sein. Nichtsdestotrotz sollte die Infektion erregergerecht behandelt werden [50, 96, 256, 337]. Hervorzuheben ist die relativ hohe Rate an Analfissuren unter Patienten mit einer HIV-Infektion. In einer Kohorten-Untersuchung aus dem Jahr 2009 wiesen 10,6 % aller Patienten Analfissuren auf [3].

In der Literatur variiert der Anteil von Patienten mit Morbus Crohn, welche eine perianale Pathologie haben, deutlich und wird zwischen 3,8 und 80 % angegeben [85]. Auch die Inzidenz an Analfissuren schwankt, wobei Konsens besteht, dass sie deutlich häufiger als in der Gesamtbevölkerung ist. Die Colitis ulcerosa hingegen ist nicht überdurchschnittlich mit der Analfissur assoziiert [242]. In zwei Kohortenstudien aus dem Jahr 1985 gaben die Autoren die Inzidenz von Analfissuren bei M.-Crohn-Patienten mit 35 % respektive 59 % an [234, 391]. In einer aktuellen Studie identifizierten Malaty et al. über die Datenbank der USA National Veterans Affairs 60.376 Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, wobei 6 % aller Patienten mit M. Crohn eine Analfissur aufwiesen [242]. Die Fissurlokalisation ist bei M.-Crohn-Patienten gehäuft an atypischer Stelle und wird beispielsweise von D’Ugo et al. mit 43,9 % (nicht posteriore Fissuren) angegeben [85]. Andersson et al. untersuchten M.-Crohn-Patienten ohne makroskopische Proktitis und fanden einen signifikant erhöhten Sphinkter-Ruhetonus, welchen sie als Erklärung für möglicherweise im Verlauf auftretende Fissuren heranzogen [23].

In der Literatur besteht kein Konsens bzgl. der Therapie von Analfissuren bei M. Crohn. Es wurde jedoch über gehäufte postoperative Komplikationen nach chirurgischen Eingriffen berichtet. In einer retrospektiven Auswertung prospektiv erhobener Daten aus dem Jahr 2015 wurden 14 Patienten, nach vorangegangener konservativer Therapie, einer chirurgischen Therapie unterzogen. Acht Patienten erhielten eine Fissurektomie (mit und ohne Botulinumtoxin-Injektion), 6 Patienten eine laterale Sphinkterotomie. Insgesamt 57,1 % der operierten Patienten entwickelten Komplikationen, insbesondere Wundinfektionen. Zusammenfassend empfehlen die Autoren deshalb eine primäre konservative Therapie und – falls nötig – eine möglichst minimal-invasive chirurgische Therapie [85]. Die aktuelle deutsche S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des M. Crohn“ [305], die europäische Leitlinie „3rd European Evidence-based Consensus on the Diagnosis and Management of Crohn’s“ [137] sowie auch die amerikanische Leitlinie „Clinical Practice Guideline for the Surgical Management of Crohn’s Disease“ [358] geben keine Empfehlungen zur Therapie der Analfissur ab. Die Bewertung der Evidenz von Studien zur Therapie der Analfissur bei M. Crohn ist nicht Inhalt der vorliegenden Leitlinie.

3 Konsensbasiertes Statement

EK: Als sekundäre (oder atypische) Analfissuren werden im Gegensatz zu den primären solche bezeichnet, die als Folge einer Grunderkrankung entstehen. Sie sind häufiger als primäre Analfissuren an atypischer Lokalisation (lateral) und multifokal vorhanden.

Konsensstärke: Konsens (9/10, 90 %)

Epidemiologie

Die Analfissur gilt gemeinhin als eine häufige Erkrankung. Publizierte epidemiologische Daten zur Inzidenz und Prävalenz sind jedoch rar. In einer retrospektiven Fall-Kontroll-Studie aus dem Jahr 2014, welche 1243 Patienten mit Analfissuren einschloss, errechneten Mapel et al. eine Inzidenz von 1,1 auf 1000 Patientenjahre, entsprechend einem Lebenszeitrisiko von 7,8 %. Durch eine Extrapolation der Kohortendaten ermittelten sie weiterhin, dass pro Jahr in den USA ca. 342.000 Analfissuren neu diagnostiziert werden – vergleichsweise so viele wie Appendektomien pro Jahr. Das mediane Erkrankungsalter lag bei Frauen bei 40,9 Jahren und bei Männern bei 46,6 Jahren [243].

Eine statistisch signifikante Geschlechterpräferenz bestand nicht, jedoch wird in der Literatur ein vermehrtes Auftreten der Analfissur während der Schwangerschaft und post partum beschrieben [17, 38, 233].

Die Analfissur kommt ebenfalls bei Kindern vor, wobei auch bei diesen keine exakten epidemiologischen Daten vorliegen. In der oben zitierten Studie von Mapel et al. wurden lediglich Kinder von 6 bis 17 Jahren eingeschlossen. Diese machten 12 % aller Fälle aus [243]. Lambe et al. beschreiben allerdings die Peak-Inzidenz im Kindesalter zwischen 6 und 24 Monaten; ein Zeitraum, der koinzidentiell mit der Entwöhnung von der Muttermilch zusammenfällt [219]. Auch bei Kindern wird die Obstipation als möglicher Risikofaktor betrachtet; es bestehen indes widersprüchliche Angaben darüber, ob Ernährungsgewohnheiten (Muttermilch, Kuhmilch, künstliche Säuglingsnahrung) einen Risikofaktor darstellen [24, 193]. Wichtig zu erwähnen ist das gehäufte Auftreten nach analem Missbrauch [298].

Einzelne Studien beschreiben die Therapie akuter und chronischer Analfissuren bei Kindern mit GTN [91], Botulinumtoxin [184, 208], Nifedipin-Gel [214] und Fissurektomie [219]. Die Bewertung der Evidenz dieser Studien sowie eine Therapieempfehlung zur Behandlung von Kindern mit Analfissur ist nicht Inhalt der vorliegenden Leitlinie.

4 Evidenzbasiertes Statement

Genaue epidemiologische Daten zur Inzidenz und Prävalenz der Analfissur existieren nicht. Studien mit umschriebenen Patientenkollektiven errechneten ein Lebenszeitrisiko von bis zu 8 %.

Evidenzlevel: 4 [17, 38, 233, 243]

Konsensstärke: starker Konsens (100 %, 10/10)

Diagnostik

In der Anamnese beschreiben Patienten häufig einen starken, reißenden analen Schmerz während der Defäkation. Je nachdem, ob es sich um eine akute oder chronische Analfissur handelt, kann der Schmerz für 1–2 oder auch mehrere Stunden nach der Defäkation anhalten. Oft bemerken Patienten zudem Blutauflagerungen auf dem Stuhl oder Spuren von hellrotem Blut auf dem Toilettenpapier. Entsprechend der Pathogenese und Ätiologie der Analfissur umfasst die Anamnese Fragen nach der vorbestehenden Medikation, Vorerkrankungen und analen Voroperationen, Obstipation und Diarrhoe, dem Defäkationsverhalten und nach speziellen analen sexuellen Praktiken.

Die proktologische Untersuchung umfasst die Inspektion, Palpation und – falls möglich – Proktoskopie. Sie dient der Bestätigung der Verdachtsdiagnose respektive dem Ausschluss möglicher Differenzialdiagnosen. Erkrankungen, welche sich ähnlich präsentieren können wie eine Analfissur umfassen kryptogene Perianalabszesse und Analfisteln, Hautkrankheiten und Präkanzerosen sowie Lymphome, tiefsitzende Rektumkarzinome und das Analkarzinom [94]. Die weitere Diagnostik (MRT, CT, Endosonographie, Koloskopie und Biopsie etc.) richtet sich nach der jeweiligen Verdachtsdiagnose.

In einer verblindeten Studie von Jones et al. wurde interessanterweise festgestellt, dass die Spezifität bzgl. der Detektion eines erhöhten Sphinktertonus bei Patienten mit chronischer Analfissur in der digital-rektalen Untersuchung lediglich 16 % betrug [196]. Wiederum beschrieben Prohm et al., dass die präoperative Manometrie in ihrer Studie keinen Einfluss auf das postoperative Ergebnis nach lateraler Internus-Sphinkterotomie (LIS) hat und schließen demnach, dass diese möglicherweise überfüssig sei [306].

5 Konsensbasierte Empfehlung

EK: Anamnestisch ist der defäkationsabhängige anale Schmerz fast pathognomonisch. Neben der spezifischen und allgemeinen Anamneseerhebung soll eine Inspektion und Palpation erfolgen, wobei sich durch Spreizung der Nates meist schon die Fissur darstellen lässt. Eine Proktoskopie sollte erfolgen; ist jedoch häufig aufgrund der Schmerzhaftigkeit und des erhöhten Sphinktertonus initial nicht möglich.

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

6 Evidenzbasiertes Statement

Die chronische Analfissur kann von der akuten durch das zeitliche Kriterium (Symptomatik länger als 6–8 Wochen) sowie durch folgende mögliche morphologische Veränderungen abgegrenzt werden:

  • hypertrophe Analpapille,

  • Vorpostenfalte bzw. Wächtermariske,

  • Ulkus mit Randwall,

  • freiliegende Fasern des M. sphincter internus.

Evidenzlevel: 4 [168, 180]

Konsensstärke: Konsens (9/10, 90 %)

Über dieses Statement wurde an der Konsensuskonferenz ausgiebig diskutiert: Ist ein Kriterium (zeitliche Dauer oder morphologische Veränderungen) hinreichend zur Definition, oder müssen beide Kriterien erfüllt sein? Einzelne Diskussionsteilnehmer argumentierten, dass – sofern nur eine zeitliche Abgrenzung verwendet würde – wiederkehrende akute Fissuren fälschlicherweise als chronische Fissuren klassifiziert werden könnten. Auf der anderen Seite besteht ein nachgewiesener Zusammenhang von Symptomdauer und Therapieerfolg der konservativen Therapie [101]. Außerdem wird das zeitliche Kriterium in Studien oft alleine zur Definition der chronischen Fissur herangezogen. Aus diesem Grund wurde die angeführte Formulierung („kann“) gewählt, welche beide Kriterien für sich alleine als hinreichend betrachtet, wobei dennoch auf die Problematik der doppelten Definition aufmerksam gemacht wird.

7 Konsensbasierte Empfehlung

EK: Bei Vorliegen einer (akuten oder chronischen) Analfissur an atypischer Lokalisation sollte eine stufenweise und der individuellen Anamnese angepasste weitere Diagnostik erfolgen. Diese kann serologische und mikrobiologische Untersuchungen beinhalten (HIV, CMV, Chlamydia trachomatis, Lymphogranuloma venerum, Neissereia gonorrhoe, Histoplasmose, Leishmaniose); bei Verdacht auf M. Crohn soll eine Koloskopie mit Biopsie-Entnahme erfolgen. (Vgl. S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des M. Crohn“, 2014; [305].)

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

8 Konsensbasierte Empfehlung

EK: Bestehen Zweifel an der Verdachtsdiagnose einer akuten Analfissur und ist eine Proktoskopie aufgrund der Schmerzhaftigkeit nicht möglich, sollte eine Untersuchung in Narkose erfolgen.

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

9 Konsensbasierte Empfehlung

EK: Bei persistierender Symptomatik unter konservativer Therapie über 6–8 Wochen soll eine Proktoskopie erfolgen. Ist diese schmerzbedingt nicht möglich, soll eine Untersuchung in Narkose erfolgen.

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

10 Konsensbasierte Empfehlung

EK: Zur Differenzialdiagnose von kryptogenen Perianalabszessen und -fisteln sowie Malignomen können weitere Spezialuntersuchungen erfolgen (Endosonographie, MRT, Biopsie-Entnahme etc.).

Konsensstärke: starker Konsens (100 %, 10/10)

Therapie der akuten Analfissur

Die Spontanheilungsrate akuter Analfissuren gilt als sehr hoch. Somit stellt sich stets die Frage nach einer möglichen Verzerrung von Studien zur Wirksamkeit medizinischer Eingriffe. Zudem muss die klinische Relevanz der Therapeutika vor dem Hintergrund der Spontanheilungsrate beurteilt werden.

In einer randomisierten Studie aus dem Jahr 1986 heilten 87 % der akuten Analfissuren nach einer 3‑wöchigen Therapie mit Kleie und Sitzbädern, 60 % mit Lidocain-Salbe und 82,4 % mit Hydrocortison-Salbe. Die Unterschiede in den Heilungsraten waren jeweils statistisch signifikant [191]. Allerdings bestanden in dieser Studie nur ein kurzes Follow-up, eine hohe Drop-out-Rate und zudem waren Patienten mit möglichen sekundären Fissuren eingeschlossen. Ein Patient in der Hydrocortison-Gruppe (n = 34) entwickelte einen ausgeprägten lokalen Herpes-Befall während der Therapie.

Im Gegensatz zu Jensen et al. konnten Gupta et al. in ihrer randomisierten Studie keine signifikante Zunahme der Heilungsrate bei Patienten, welche Sitzbäder durchführten, feststellen. Die Heilungsrate nach 4 Wochen betrug 85,1 % in der Sitzbad-Gruppe und 84 % in der Kontrollgruppe. Allerdings hatten die Patienten in der Sitzbad-Gruppe einen signifikant höheren Zufriedenheitswert. Im Hinblick auf mögliche Verzerrungen ist zu erwähnen, dass in dieser Studie beide Gruppen Stuhlregulanzien erhielten [153]. Ein systematisches Review zu Sitzbädern, welches diverse anorektale Pathologien einschloss, konnte ebenfalls keinen signifikanten Nachweis für die Nützlichkeit des Sitzbades erbringen [366].

Eine RCT aus dem Jahr 1999 zeigte einen deutlichen Vorteil für Patienten, welche eine Therapie mit Nifedipin-Salbe über 3 Wochen erhielten. Die Heilungsrate entsprach 95 %. Diejenigen Patienten, welche mit einer Kombination aus Lidocain- und Hydrocortison-Salbe behandelt wurden, hatten lediglich eine Heilungsrate von 50 % innerhalb von 3 Wochen [26]. Katsinelos et al. berichteten in einer prospektiven Kohortenstudie über eine Heilungsrate von 85,2 % bei Therapie mit Nifedipin-Salbe über 8 Wochen [203].

Die Nitrate, welche ebenfalls eine medikamentöse Relaxation des Schließmuskels bewirken, können bei der Therapie der akuten Fissur ebenfalls erfolgreich eingesetzt werden [40, 311]. Die Evidenz dazu ist schwächer als für die lokale Anwendung von Nifedipine.

Eine einzige Studie untersuchte in einer Subgruppenanalyse (bilaterale vs. posteriore Injektion) die Therapie mit Botulinumtoxin A bei akuten Fissuren [279]. Die Heilungsrate entsprach 90 % vs. 85 % in einer medianen Zeit von 5,2 vs. 5,4 Wochen (und ergab somit keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Applikationsarten). Ein lokales Hämatom trat in 10 % der Fälle auf.

Die Rezidivrate nach Abheilung einer akuten Analfissur ist jedoch ebenfalls hoch. Jensen et al. untersuchten Patienten nach Heilung einer erstmaligen Analfissur unter konservativer Therapie: Patienten, welche lediglich Placebo einnahmen, hatten innerhalb von 18 Monaten in 68 % der Fälle ein Rezidiv einer Analfissur. Die Gruppe, welche 15 g Kleie täglich über ein Jahr einnahm, hatte lediglich eine Rezidivrate von 16 % [190]. Interessanterweise stellten Gupta et al. in einer RCT fest, dass der Konsum von rotem Chili zu einer deutlichen Schmerzzunahme bei Patienten mit akuter Analfissur führt [155].

In Tab. 4 sind die Ergebnisse der Studien zu akuten Analfissuren zusammengefasst.

Wie in allen folgenden Evidenztabellen, wurden alle bekannten RCT und zusätzlich die ab 01.01.2000 publizierten Studien dargestellt. Weitere Voraussetzungen zur Aufnahme in die jeweilige Tabelle sind, dass 1. die Gesamtpatientenzahl (alle Therapiearme/-gruppen zusammengezählt) >15 Patienten war und 2. etwas zu den Resultaten der Therapie bezüglich einem der folgenden Parameter beschrieben wurde: Heilung, Erfolg, Inkontinenz, Rezidiv und/oder Komplikationen.

11 Evidenzbasiertes Statement

Die Spontanheilungsrate akuter Analfissuren gilt als hoch. Exakte Daten liegen nicht vor. Unter konservativer Therapie heilen 60–90 % der akuten Analfissuren.

Evidenzlevel: 2b [17, 26, 191, 203, 366]

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

12 Konsensbasierte (1) und evidenzbasierte (2) Empfehlung

Empfehlungsgrad EK/B: 1) Es soll eine ballaststoffreiche Ernährung respektive Nahrungsergänzung (z. B. zusätzlich Flohsamenschalen) durchgeführt werden. 2) Die langfristige Aufnahme von ballast- und faserreichen Nahrungsmitteln sollte auch zur Rezidivprophylaxe empfohlen werden.

Evidenzlevel: 2b [190, 191]

Konsensstärke: 1) Konsens (9/10, 90 %), 2) starker Konsens (10/10, 100 %)

13 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad 0: Sitzbäder können durchgeführt werden und den Patientenkomfort erhöhen; sie haben jedoch keinen Einfluss auf die Heilungsrate. Vereinzelt wurden hierdurch hervorgerufene Hautirritationen beschrieben.

Evidenzlevel: 2b [153, 167, 191, 366]

Konsensstärke: starker Konsens (100 %, 10/10)

14 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad B: Eine lokale Applikation von Kalziumantagonisten (wie z. B. Nifedipin) sollte für 3–8 Wochen erfolgen.

Evidenzlevel: 2b [26, 123, 203]

Konsensstärke: Konsens (100 %, 10/10)

15 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad 0: Lokalanästhetika können zur Symptomlinderung appliziert werden. Die Heilungsrate wird hierdurch nicht beeinträchtigt. In Studien zu chronischen Analfissuren liegt die Wirkungsrate von Lokalanästhetika und Steroiden im Bereich derer von Placebo. Mögliche Nebenwirkungen sind selten; vereinzelt wurden Hautirritationen und Infekte beschrieben. Der Einsatz von Steroiden sollte Patienten mit Nebenerkrankungen, wie einem lokalen Ekzem, vorbehalten bleiben.

Evidenzlevel: 2b [269]

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

16 Konsensbasierte Empfehlung

EK: Eine Therapie mit Botulinumtoxin soll bei akuten Fissuren nicht erfolgen, insbesondere auch im Hinblick auf die hohe (Spontan‑)Heilungsrate, die verursachten Kosten, Schmerzen durch die Applikation und die Applikationsrisiken.

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

Tab. 4 Studien zur Therapie von akuten Analfissuren

Therapie der chronischen Analfissur (Therapiealgorithmus)

Im Vergleich zur akuten Fissur heilt die chronische Form deutlich seltener unter konservativer Therapie. Emile et al. [101] zeigten in ihrer prospektiven Studie eine negative Korrelation zwischen der Dauer der Symptomatik von Fissuren und deren Heilungsrate; Arslan et al. [33] demonstrierten eine solche für das Vorliegen sekundärer morphologischer Veränderungen und der Heilungsrate. Insgesamt heilen unter konservativer Therapie immerhin etwa 50 % der chronischen Analfissuren [95, 268, 269]. Zusammen mit der sicheren und risikoarmen Anwendung wird dies oftmals als Argument für einen primären konservativen Therapieversuch herangezogen. In einer Metaanalyse von Nelson et al. [269] wird indes lakonisch konstatiert, dass die konservative Therapie (Nitrate, Kalziumkanalantagonisten [CCA], Botulinumtoxin) zwar durchgeführt werden kann, jedoch „mit einer Heilungschance, die nur marginal besser ist als die von Placebo“. Unbestritten ist, dass die chirurgischen Verfahren höhere Heilungsraten, schnellere Symptomfreiheit und niedrigere Rezidivraten aufweisen [95, 269].

Die aktuelle Leitlinie der American Society of Colon and Rectal Surgeons weist zudem auf die geringere Compliance bei lang dauernder konservativer Therapie hin und sieht auch deshalb die laterale Internus-Sphinkterotomie als mögliche primäre Therapieoption, ohne dass vorher ein Versagen der konservativen Therapie bestätigt sein müsste – sofern keine Inkontinenz, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, geburtstraumatischen Verletzungen oder anale Operationen vorbestehen [357].

Die 2008 erstellte Leitlinie der Association of Coloproctology of Great Britain and Ireland hingegen empfiehlt CCA als Erstlinientherapie in einem Therapiealgorithmus bestehend aus CCA, Botulinumtoxin und chirurgischem Vorgehen [84]. Auch das American College of Gastroenterology befürwortet einen Therapieversuch mit CCA oder Nitraten, bevor eine chirurgische Intervention indiziert wird [379].

Brisinda et al. führten 2014 eine Kostenanalyse auf dem Boden von drei möglichen therapeutischen Algorithmen durch, basierend auf GTN, Nifedipin und Botulinumtoxin [58]. Zusammenfassend empfehlen sie Botulinumtoxin als kosteneffiziente Erstlinientherapie. Essani et al. [107] empfehlen in ihrer Kostenanalyse einen Algorithmus, der auf der Abfolge „GTN, Botulinumtoxin, Chirurgie“ beruht. Christie et al. folgen dieser Argumentation [78]. Die Studienergebnisse sind jedoch schwierig in die reale klinische Welt zu übertragen: versteckte Kosten für Nachkontrollen und Arbeitsausfall, unterschiedliche Ausgaben durch Komplikationen (z. B. Folgekosten bei Inkontinenz), nicht einberechnete Rezidivraten und v. a. auch die in der Literatur deutlich variierenden und zugrunde gelegten Angaben der Heilungsraten.

17 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad A: Allen Patienten soll ein konservativer Therapieversuch über 6 Wochen angeboten werden, bevor eine operative Therapie eingeleitet wird. Auf Wunsch des Patienten oder bei zusätzlich bestehender Fistel und/oder ausgeprägten sekundären morphologischen Veränderungen kann auch eine chirurgische Therapie als Erstlinientherapie durchgeführt werden.

Evidenzlevel: 1a [95, 269]

Konsensstärke: Konsens (10/10, 100 %)

Ein möglicher Behandlungsalgorithmus der chronischen Analfissur ist in Abb. 3 dargestellt.

Kalziumkanalantagonisten (CCA)

Kalziumkanalblocker führen über den verringerten Einstrom von Kalziumionen in glatte Muskelzellen zu einer reduzierten Kontraktilität und damit zur Vasodilatation und zur Reduktion des Sphinktertonus.

In der 2012 publizierten Metaanalyse von Nelson et al. [269] waren CCA und Nitrate äquivalent in ihrer Heilungsrate, jedoch wiesen CCA signifikant weniger Nebenwirkungen auf.

Sowohl die orale Einnahme von Nifedipin als auch die topische Applikation zur Therapie der chronischen Analfissur sind möglich. Vergleichende RCT fanden eine gleichwertige [5] oder bessere [144, 194] Heilungsrate der topischen Therapie. In einer Metaanalyse von vier randomisierten Studien durch Sahebally et al. [321] waren topische CCA mit einer signifikant geringeren Rate an nichtgeheilten Fissuren verbunden (21,3 % vs. 38,4 %; OR = 2,65, 95 % KI 1,50–4,69; p = 0,0008) im Vergleich zu oralen CCA. Ein signifikanter Unterschied bzgl. der Rezidivrate bestand nicht, ebenso nicht in den Nebenwirkungen. Nachdem die Autoren eine Studie, welche erhebliche Bias beinhaltete, ausschlossen, waren topische CCA mit signifikant weniger Nebenwirkungen verbunden (4,3 % vs. 38,0 %; OR = 13,16, 95 % KI 5,05–34,3; p < 0,00001).

In der Metaanalyse von Nelson et al. [268] bestanden Kopfschmerzen bei oraler Einnahme von CCA in 37,5 %, bei topischer Applikation in 16 % und bei Placebo in 8,4 %. Außerdem wurden an weiteren vereinzelten Nebenwirkungen allergische Reaktionen, Flushing sowie Ödeme beschrieben [5, 144, 194].

CCA sind in Deutschland bis dato nicht offiziell für die Indikation der Analfissurtherapie zugelassen und stellen damit eine Off-label-Therapie dar. Häufig verwendete topische Rezepturen sind Nifedipin 0,2 % oder Diltiazem 2 %.

18 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad B: Lokal applizierte Kalziumantagonisten sollten die medikamentöse Erstlinientherapie bei chronischen Analfissuren sein. Ihre Wirksamkeit ist vergleichbar derer von Nitraten, jedoch haben sie weniger systemische Nebenwirkungen. Orale Kalziumantagonisten können ebenfalls zur Therapie verwendet werden. Aufgrund des günstigeren Verhältnisses von Wirkung und Nebenwirkung sollte die topische Anwendung präferiert werden.

Evidenzlevel: 1a [5, 95, 144, 194, 269, 321]

Konsensstärke: Konsens (9/10, 90 %)

Auf der Konsensuskonferenz wurde über diese Empfehlung eingehend diskutiert. Einige der Diskussionsteilnehmer wiesen darauf hin, dass die Studien bezüglich Nebenwirkungen oft mit zu hoher Konzentration der Nitrate (GTN 0,4 %) durchgeführt wurden. ISDN und GTN 0,2 % haben möglicherweise deutlich niedrigere Nebenwirkungsraten. Zudem wurde argumentiert, dass Nitrate in Deutschland das einzige zugelassene Arzneimittel für die konservative Therapie der chronischen Analfissur sind und deshalb den CCA nicht nachgestellt sein dürften. Die Mehrheit der Teilnehmer war mit der obigen Formulierung abschließend einverstanden, da in der Literatur eine eindeutige Überlegenheit der CCA gegenüber den Nitraten bezüglich Nebenwirkungen besteht und da eine offizielle Zulassung der Substanzen (Nifedipin/Diltiazem) durch die zuständigen Behörden dringend anzustreben ist.

Die Tab. 5 zeigt alle RCT und die seit 01.01.2000 durchgeführten weiteren Studien zur Therapie mit CCA.

Tab. 5 Studien zur Behandlung der chronischen Analfissur mit Kalziumkanalantagonisten (CCA)

Nitrate

Nitrate wie Gylceryltrinitrat (GTN) wirken durch die Freisetzung von Stickstoffmonoxid relaxierend auf glatte Muskelzellen und führen somit zur Senkung des analen Ruhedrucks [235]. In der Metaanalyse von Nelson et al. [269] wies GTN zwar signifikant, aber nur geringfügig bessere Heilungsraten als Placebo auf (48,9 % vs. 35,5 %; p < 0,0009).

In ca. 50 % der geheilten Fissuren kam es zu einem Rezidiv. CCA und Nitrate wiesen keinen signifikanten Unterschied bzgl. der Heilungsrate auf (OR 0,88, 95 % KI 0,54–1,42); Nitrate hatten jedoch eine deutlich höhere Rate an Nebenwirkungen, insbesondere Kopfschmerzen (OR 6,90; 95 % KI 3,89–12,25). Die aus allen Studien kombinierte Rate an Kopfschmerzen durch GTN betrug 30 % respektive 28 % [268] in einem Update der Metaanalyse durch Nelson et al. 2017. In einem systematischen Review und Metaanalyse von 7 RCT zum Vergleich von CCA und Nitraten durch Sajid et al. im Jahr 2013 bestätigten sich diese Befunde [327]. Kopfschmerzen werden oft als ein Grund für Incompliance und Therapieabbruch in der Literatur beschrieben.

Nelson et al. [269] untersuchten des Weiteren in 4 RCT die Wirkung der Dosis von GTN (von 0,05 bis 0,4 %, niedrig vs. hoch). Weder die Dosierung noch der Applikationsort (topisch vs. intraanal) führten zu einem Unterschied in der Heilungsrate.

In einer multivariaten Analyse identifizierten Pitt et al. [300] eine bestehende Wächtermariske oder eine Erkrankungsdauer >6 Monaten als Risikofaktoren für das Nicht-Heilen einer Fissur unter GTN-Therapie.

Gagliardi et al. [123] untersuchten in ihrer prospektiven randomisierten Studie die optimale Therapiedauer von GTN und verglichen 2 Patientengruppen mit einer Therapiedauer von 40 und 80 Tagen. Die optimale Behandlungsdauer lag bei 6 Wochen; danach war keine Besserung der Symptome mehr zu erwarten. Lediglich bei Patienten, die bereits eine deutliche Besserung ihrer Symptome, jedoch keine Heilung erlangt hatten, konnte eine verlängerte Therapie über 80 Tage einen Heilungserfolg (Crossover) erbringen.

19 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad 0: Lokal applizierte Nitrate wie GTN können zur Therapie der chronischen Analfissur verwendet werden. Sie haben eine ähnlich hohe Heilungsrate wie Kalziumantagonisten. Limitierend ist, dass häufiger Nebenwirkungen, insbesondere in ca. 30 % Kopfschmerzen, bestehen.

Evidenzlevel: 1a [47, 95, 269]

Konsensstärke: Konsens (10/10, 100 %)

Über die Reihenfolge der Nennung und Gewichtung einer lokalen Therapie mit Kalziumantagonisten bzw. der Nitrate wurde sowohl an der Leitlinienkonferenz als auch danach heftig diskutiert. Einige der Konferenzteilnehmer und der Koautoren sind der Meinung, dass die negativen Nebenwirkungen der Nitrate in der Literatur zu stark hervorgehoben werden, da diese nur bei Konzentrationen >0,2 % so ausgeprägt seien. Weiter würde der für den Patienten angenehme, lokale, kühlende Effekt der Nitrate diese negativen Nebenwirkungen (v. a. Kopfschmerzen), wenigstens zum Teil, aufwiegen. Allerdings kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass die publizierte Evidenz mit mehreren randomisieren Studien, welche meistens mit GTN 0,2 % durchgeführt wurden, diesen Argumenten widerspricht.

Wir haben uns deshalb auf die Beibehaltung der Gewichtung der Lokaltherapeutika geeinigt.

Die Tab. 6 zeigt alle RCT und die seit 01.01.2000 durchgeführten weiteren Studien zur Therapie mit Nitraten.

Tab. 6 Studien zur Therapie der chronischen Analfissur mit Nitraten

Botulinumtoxin A

Botulinumtoxin A (nachfolgend: Botulinumtoxin) ist ein neurotoxisches Protein und hemmt die Erregungsübertragung von der Nerven- zur Muskelzelle im Sinne eines Muskelrelaxans. Auf diese Weise führt es nach lokaler Injektion zu einer Reduktion des Ruhetonus des M. sphincter ani internus [195].

In einer aktuellen Network-Metaanalyse von Ebinger et al. [95] lag die Heilungsrate von Botulinumtoxin bei 62,6 % im Vergleich zu 93,1 % bei Patienten nach LIS und 58,6 % bei Patienten mit konservativer Therapie (CCA, Nitrate, Pacebo). In den 16 Studien der Metaanalyse, von denen ein Therapiearm Botulinumtoxin beinhaltete, erstreckten sich die Heilungsraten von 25 % [113] bis zu 96 % [61]. Brisinda et al. [61] demonstrierten 1999 die höchste Heilungsrate; sie injizierten 20 U Botox® einem Präparat von Botulinumtoxin. Hinsichtlich möglicher Bias ist zu erwähnen, dass die Studie nicht verblindet war. Festen et al. [113] hatten die niedrigste Heilungsrate, wobei der Therapieansatz demjenigen von Brisinda et al. äquivalent war. Allerdings wurde die Studie aufgrund von Schwierigkeiten bei der Rekrutierung vorzeitig geschlossen und zeigte eine hohe Drop-out-Rate, was möglicherweise zu einer Verzerrung beitragen haben könnte.

In der Random-effects-Metaanalyse hatte LIS ein deutlich höheres Risiko für Inkontinenz mit einer OR von 6,81 (95 % KI 3,08–15,06), im Vergleich zu Botulinumtoxin mit einer OR von 1,63 (95 % KI 0,71–3,74) und der konservativen Therapie, welche als Referenzpunkt diente [95].

In einer Metaanalyse von 6 RCT durch Sahebally et al. [322], welche Botulinumtoxin mit Nitraten verglich, zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Rate an nichtgeheilten Fissuren (OR = 0,47; 95 % KI 0,13–1,68; p = 0,24, Botulinumtoxin 28,6 %, Nitrate 42,1 % nichtgeheilt) oder Rezidiven (OR = 0,70; 95 % KI 0,39–1,25; p = 0,22, Botulinumtoxin 18,5 %, Nitrat 25,1 %). Jedoch war Botulinumtoxin mit einer höheren Rate an transienter Inkontinenz (OR = 2,53; 95 % KI 0,98–6,57; p = 0,06) verbunden, wiederum aber mit weniger Gesamt-Nebenwirkungen (OR = 0,12; 95 % KI 0,02–0,63; p = 0,01), insbesondere Kopfschmerzen.

Sajid et al. [324] führten eine Metaanalyse mit 4 RCT zum Vergleich von Botulinumtoxin und LIS durch. LIS hatte eine signifikant höhere Heilungsrate und geringere Rezidivrate als Botulinumtoxin. Im Random-effects-Modell bestand eine höhere Rate an Komplikationen und transienter Inkontinenz in der LIS-Gruppe. Da allerdings eine signifikante Heterogenität der Studien bestand, konnte diesbezüglich keine signifikante Aussage getroffen werden.

Shao et al. führten eine Metaanalyse mit 4 RCT durch, welche LIS und Botulinumtoxin verglichen [342]. Die Heilungsrate war signifikant höher in der LIS-Gruppe und die Rezidivrate höher in der Botulinumtoxin-Gruppe. LIS war dagegen mit einer höheren Rate an Inkontinenz verbunden.

Eine weitere Metaanalyse wurde von Chen et al. [74] durchgeführt, welche ebenfalls die höhere Heilungsrate von LIS bei niedrigerer Inkontinenzrate von Botulinumtoxin bestätigte.

Zu erwähnen ist, dass Botulinumtoxin in Deutschland bis dato nicht offiziell für die Indikation der Analfissurtherapie zugelassen ist und damit eine Off-label-Therapie darstellt.

20 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad 0: Botulinumtoxin weist in Metaanalysen geringfügig, aber signifikant höhere Heilungsraten im Vergleich zu GTN und CCA auf. In Zusammenschau von Heilungsrate, verursachten Kosten und der zumeist schmerzhaften Applikation (welche ggf. in Narkose erfolgen muss), kann es bei Therapieresistenz auf Kalziumantagonisten mit dem Patienten als Zweitlinientherapie alternativ zu einem operativen Vorgehen besprochen werden.

Evidenzlevel: 1a [95, 268, 269, 342]

Konsensstärke: Konsens (10/10, 100 %)

Botulinumtoxin und Dosierung

Die angewandten Injektionsorte in der Therapie chronischer Analfissuren (einseitig, beidseitig, anterior, posterior im Bereich des M. sphincter ani internus) sowie die Dosierungen variieren beträchtlich in der Literatur – z. T. mit widersprüchlichen Ergebnissen. Auf dem Markt gibt es zudem verschiedene Botulinumtoxin-A-Präparate. Da Botox® das am häufigsten angewandte Präparat in den Studien ist, sind die Dosierungen (zur Erhöhung der Lesbarkeit) in Einheiten (Abkürzung: U für Units) dafür angegeben. Dysport® ist ein anderes Botulinumtoxin-A-Präparat. Es scheint gleich gut für die Therapie der Analfissur geeignet, die Dosierung ist allerdings in Einheiten ca. 3‑ bis 4‑mal höher (und der Preis pro Einheit entsprechend günstiger; [57, 375]).

Im Jahr 2016 führten Bobkiewicz et al. [51] eine Metaanalyse mit der Frage nach einer dosisabhängigen Wirkung von Botulinumtoxin durch: 34 prospektive Studien mit Dosierungen zwischen 5 und 80 U pro Sitzung wurden eingeschlossen. Die Effizienz von Botulinumtoxin rangierte zwischen 33 und 95 %; 2,2 % der Patienten wiesen perianale Komplikationen auf. Die Autoren stellten in der Metaanalyse weder eine dosisabhängige Änderung der Heilungsrate noch der Komplikationsrate fest.

In der Cochrane-Metaanalyse von Nelson et al. aus dem Jahr 2012 wurden 2 RCT einbezogen, welche Dosierungen von Botulinumtoxin verglichen: Jost et al. ([198]; 20 U vs. 40 U) und Brisinda et al. (20 U vs. 30 U; [62]). Die Metaanalyse ergab keine statistisch signifikanten Unterschiede bzgl. der Dosierung auf die Heilungsrate. Lin et al. [229] führten eine Metaanalyse mit 18 Studien durch. Eine niedrigere Dosis war genauso effektiv wie eine höhere bei reduziertem Risiko für Inkontinenz und Langzeitrezidiv. Jedoch waren die Metaanalysen limitiert durch die z. T. niedrige Qualität der Studien.

Gründe für die Dosisunabhängigkeit und die inkonsistenten Ergebnisse in der Literatur, könnte u. a. das Vorhandensein von Antikörpern sein, ein individuell unterschiedliches Ansprechen der Zellen auf Botulinumtoxin aufgrund unterschiedlicher Bindungsaffinität sowie die Diffusion des Toxin aus dem Zielbereich. Eine Diffusion in den Bereich des M. sphincter externus wird auch als Erklärung für vermehrte Nebenwirkungen, d. h. vor allem eine transiente Inkontinenz herangezogen [51, 58].

21 Evidenzbasiertes Statement (1) und konsensbasierte Empfehlung (2)

Empfehlungsgrad 0/EK: 1) Aktuelle Metaanalysen konnten keinen dosisabhängigen Effekt von Botuliumtoxin Typ A nachweisen. Auch bestehen keine verlässlichen Prädiktoren, inwiefern verschiedene Patienten auf Botulinumtoxin ansprechen. 2) Bei hypertonem Sphinkter kann bei erstmaliger Applikation eine Dosierung von 20–40 U Botox®-Äquivalent intrasphinktär erfolgen.

Evidenzlevel: 1a [51, 229, 269]

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

Die Tab. 7 zeigt alle RCT und die seit 01.01.2000 durchgeführten weiteren Studien zur Therapie mit Botulinumtoxin.

Tab. 7 Studien zur Therapie der chronischen Analfissur mit Botulinumtoxin

Sonstige konservative Therapien

Einzelne, teils randomisierte Studien untersuchten weitere konservative Therapieformen. Zu erwähnen sind die perkutane tibiale und sakrale Nervenstimulation [393, 394, 396], (kryothermale) anale Dilatatoren [90, 335] sowie Gonyautoxin [132, 133], welche teils erstaunlich hohe Heilungsraten aufweisen. Zur Ableitung von mehr als offenen Empfehlungen (d. h. „kann“) sind jedoch weitere Studien mit höheren Fallzahlen nötig.

22 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad 0: Anale Dilatatoren können zur alleinigen konservativen Behandlung oder in Kombination mit sphinkterrelaxierenden Medikamenten eingesetzt werden.

Evidenzlevel: 2b [90, 125, 127, 147, 248, 335, 336, 347, 348]

Konsensstärke: Konsens (10/10, 100 %)

Die Expertengruppe hat entschieden, diese Empfehlung einzufügen, obwohl die Datenlage bezüglich der Therapie mit Dilatatoren bei chronischen Analfissuren dünn ist und die Studien zu einem großen Teil von einer einzelnen Forschungsgruppe stammen [347, 348]. Grund hierfür ist, dass die Anwendung von analen Dilatatoren in den proktologischen Praxen in Deutschland gebräuchlich ist und v. a. bei akuten Fissuren gute Erfolge beschrieben wurden sowie keine negativen Auswirkungen bekannt sind.

Die Tab. 8 zeigt alle RCT und die seit 01.01.2000 durchgeführten weiteren Studien zur Therapie mit anderen konservativen Medikamenten/Maßnahmen.

Tab. 8 Studien zur Therapie der chronischen Analfissur mit sonstigen konservativen Mitteln

Therapie der chronischen Analfissur (chirurgisch)

Im Folgenden werden die gängigen operativen Therapien diskutiert.

Fissurektomie

Bei der Fissurektomie nach Gabriel [122] wird die Fissur samt entzündlichem und vernarbtem Gewebe unter Schonung des Schließmuskels flach exzidiert und ein perianales Drainage-Dreieck angelegt.

Es gibt nur wenige RCT und Studien, welche die Fissurektomie – ohne zusätzliche Therapie – wie einen Advancement-Flap oder Botulinumtoxin – analysieren.

Nelson et al. bezogen 2 RCT in ihre Metaanalyse ein [259, 381]. Beide Studien zeigten, dass die Sphinkterotomie signifikant weniger nichtgeheilte Fissuren ergab im Vergleich zur Fissurektomie (OR 8,07; 95 % KI 1,42–45,84), wobei es keinen signifikanten Unterschied in der Inkontinenz-Rate gab. In einer Network-Metaanalyse von Ebinger et al. [95] wurde die Fissurektomie zusammen mit dem Advancement-Flap gruppiert, sodass insgesamt 5 Studien einbezogen wurden. Der Grund hierfür war, dass bei beiden Verfahren derselbe therapeutische Angriffspunkt besteht. In dieser Studie betrug die Heilungsrate nach Fissurektomie und Advancement-Flap 79,8 %, im Vergleich zu 93,1 % bei LIS. Die Inkontinenzrate betrug 4,9 % im Vergleich zu 9,4 % bei LIS.

Im Jahr 2003 publizierten Hancke et al. [174] eine prospektive randomisierte Studie, welche die Fissurektomie mit der LIS verglich. Bei den 60 eingeschlossenen Patienten wurden nach 3 Monaten eine Heilungsrate von 73 % in der Fissurektomie-Gruppe und 80 % in der LIS-Gruppe festgestellt. Die Rate an postoperativer Inkontinenz betrug 20 % für LIS und 11 % für Fissurektomie.

Schornage et al. [340] führten eine Fall-Kontroll-Studie durch mit einem langen Follow-up. Fünf Jahre nach Fissurektomie wurden standardisierte Fragebögen an die Patienten versandt. 81 % der 53 Patienten retournierten den Frage-Bogen. 11,6 % hatten ein Fissur-Rezidiv. Der mediane Vaizey-Score für Inkontinenz (0–24) bei Patienten, welche vor der Fissurektomie kontinent waren, lag bei 0,8, verglichen mit 0,4 in der Kontrollgruppe.

In der RCT von Mousavi et al. [259] wurden 3,3 % Harnverhalte, keine Infektionen oder Abszesse und keine postoperative Blutung verzeichnet. In der Studie von Abramowitz et al. traten Harnverhalte in 1,2 % und Infekte in 1,5 % der Fälle auf.

Die aktuelle US-amerikanische Leitlinie [357] nimmt keine Stellung zur Fissurektomie; diese Operation hat traditionell in den USA eine geringe Bedeutung, wobei epidemiologische Daten zu Operationszahlen fehlen. Die Leitlinie der Association of Coloproctology of Great Britain and Ireland [84] erwähnt die Fissurektomie, gibt jedoch ebenfalls keine Empfehlung ab.

23 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad B: Die Fissurektomie weist eine höhere Heilungsrate auf als alle konservativen Therapien, jedoch eine geringere als die laterale Internus-Sphinkterotomie (LIS). In Anbetracht der geringeren Inkontinenzrate sollte die Fissurektomie die Erstlinientherapie bei den operativen Verfahren sein.

Evidenzlevel: 1b [95, 269]

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

Die Tab. 9 zeigt alle RCT und die seit 01.01.2000 durchgeführten weiteren Studien zur Fissurektomie.

Tab. 9 Studien zur Therapie der chronischen Analfissur mit Fissurektomie

Fissurektomie kombiniert mit Botulinumtoxin

Die kombinierte Therapie einer Fissurektomie mit Botulinumtoxin-Injektion könnte einen zusätzlichen Nutzen erbringen, da sie beide pathogenetischen Faktoren der Fissur angreift: zum einen die Sphinkterhypertonie, und zum anderen die fibrotisch-entzündliche Ulzeration.

Randomisierte kontrollierte Studien liegen bis dato unseres Wissens nicht vor.

In einer prospektiven Studie untersuchten Barnes et al. [44] die kombinierte Wirkung der Fissurektomie mit Botulinumtoxin-Injektion. Nach 12 Wochen betrug die Heilungsrate 68 %, weitere 29 Patienten gaben eine Symptomlinderung an. In der postoperativen Phase gaben 6,9 % eine Inkontinenz an, wobei alle Patienten über eine normale Kontinenz nach 12 Wochen berichteten. Weitere Komplikationen traten keine auf. Lindsey et al. [230] führten eine prospektive Studie an Patienten durch, welche keinen Heilungserfolg nach konservativer Therapie verzeichneten. Die 30 eingeschlossenen Patienten erhielten eine Fissurektomie kombiniert mit 25 U Botulinumtoxin. Nach einer medianen Zeit von 16,4 Wochen waren 93 % der Fissuren geheilt. Bei 7 % der Patienten bestand eine vorübergehende Inkontinenz. Scholz et al. [339] führten eine retrospektive Studie durch: 40 Patienten erhielten eine kombinierte Fissurektomie und Botulinumtoxin (10 U beidseits). Nach 6 Wochen waren 95 % der Patienten symptomfrei. Es wurden keine Komplikationen oder Nebenwirkungen beobachtet. 93 % der Patienten beantworteten einen Fragebogen, welcher ein Jahr postoperativ versandt wurde. Bei 10 % der Patienten bestand eine Rezidiv-Analfissur, sodass die Gesamt-Erfolgsrate auf 79 % mit einer Kaplan-Meier-Analyse errechnet wurde. Aivaz et al. [9] führten eine retrospektive Studie durch, welche die kombinierte Fissurektomie und Botulinumtoxin-Injektion (80 U) gegenüber der LIS verglich. Die Entscheidung zwischen den beiden Therapieoptionen wurde durch den Patienten getroffen. Die Heilungsrate bei der Fissurektomie und Botulinumtoxin-Gruppe betrug 74 % vs. 90 % bei den LIS-Patienten (p = 0,13). Die Rate an Rezidiven war 0 % in der LIS-Gruppe und 5 % in der Fissurektomie-Gruppe. Alle Ergebnisse waren gemäß p-Wert nicht signifikant [9]. Welchen Anteil eine zusätzliche Botulinumtoxin-Injektion bei der Fissurektomie an der Heilung hat, bleibt aufgrund der aktuellen Datenlage noch ungeklärt. In einer Pilotstudie haben Arthur et al. [35] für die Fissurektomie eine Heilungsrate von 83 % und für die Fissurektomie mit Botulinumtoxin-Injektion eine Heilungsrate von 89 % nach 3 Monaten gezeigt. Allerdings war der Unterschied nicht statistisch signifikant.

24 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad 0: Botulinumtoxin kann zusätzlich bei einem operativen Eingriff (Fissurektomie, Advancement-Flap) zur Sphinkterrelaxation appliziert werden.

Evidenzlevel: 4 [42, 44, 95, 230, 268, 269, 290, 339, 390]

Konsensstärke: starker Konsens (100 %, 10/10)

Die Tab. 10 zeigt alle RCT und die seit 01.01.2000 durchgeführten weiteren Studien zur Fissurektomie kombiniert mit Botulinumtoxin.

Tab. 10 Studien zur Therapie der chronischen Analfissur mit einer Kombination von Fissurektomie und Botulinumtoxin

Analer Advancement-Flap

Es wurden verschiedene Varianten des Advancement-Flaps in der Literatur beschrieben. Teils wird anale Mukosa über die Fissurektomie-Wunde mobilisiert und teils wird perianale Haut von außen über die Fissur verschoben (V-Y-Flap, „Haus“-Flap, Dermal-Flap).

Eine kürzlich publizierte Metaanalyse aus dem Jahr 2018 [323] verglich den analen Advancement-Flap mit der lateralen Sphinkterotomie. Es wurden zwei randomisierte kontrollierte Studien und zwei retrospektive Studien eingeschlossen, wobei eine hohe klinische Heterogenität zwischen den Studien bestand. In der Random-effects-Analyse war der anale Advancement-Flap im Vergleich zur lateralen Sphinkterotomie mit einer deutlich niedrigen Rate an Inkontinenz verbunden (OR = 0,06; 95 % KI 0,01–0,36; p = 0,002). Ein signifikanter Unterschied bzgl. der Rate an nicht geheilten Fissuren (OR = 2,21; 95 % KI 0,25–19,33; p = 0,47) oder Wundkomplikationen (OR = 1,41; 95 % KI 0,50–4,99; p = 0,051) bestand nicht.

Giordano et al. [138] führten eine prospektive Studie an 52 Patienten durch. Alle Fissuren heilten. Die Kontinenz war bei keinem Patienten beeinträchtigt. Es bestanden 5,9 % früh-postoperative Flap-Dehiszenzen; 5,7 % der Patienten entwickelten im Verlauf Fissuren an einer anderen Lokalisation.

Ouassi et al. [280] führten eine retrospektive, monozentrische Studie durch: 26 Patienten erhielten einen analen Advancement-Flap. Nach einem Follow-up von 2 Jahren waren alle Patienten schmerzfrei und hatten keine Rezidiv-Fissur oder neu aufgetretene Inkontinenz.

Abramowitz et al. führten eine prospektive, multizentrische Studie durch: 257 Patienten wurden eingeschlossen. Bei 83 % der Patienten wurde eine Anoplastie mit Fissurektomie durchgeführt. Die Haupt-Komplikationen waren Harnverhalt (n = 3) und Wundinfektion (n = 4). Nach einer medianen Zeit von 7,5 Wochen waren 100 % dieser Patienten geheilt. Ein Jahr postoperativ wurde ein Fragebogen versandt, welcher von 79 % der Patienten beantwortet wurde. Keiner dieser Patienten berichtete über ein Rezidiv. Eine neu aufgetretene Inkontinenz bestand bei 7 % der Patienten, allerdings wurde beobachtet, dass eine präoperativ bestehende Inkontinenz bei 15 % nicht mehr existierte, sodass die klinische Bedeutung dieser Befunde in Frage gestellt werden muss. Die wenigen Patienten, welche keine Anoplastie hatten, schnitten jedoch nicht weniger gut ab [4].

Im Jahr 2010 veröffentlichten Hancke et al. eine retrospektive Vergleichsstudie zwischen offener LIS und Fissurektomie mit Dermalflap. Im Langzeit-Follow-up (78,5 Monaten nach LIS und 88,4 Monaten nach Dermalflap) litten 10 von 30 Patienten in der LIS-Gruppe gegenüber 1/29 Patienten in der Dermalflap-Gruppe unter Inkontinenz, wobei in keiner Gruppe Reoperationen aufgrund von Rezidiven durchgeführt werden mussten [173].

25 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad 0: Der Advancement-Flap kann ergänzend zur konventionellen Fissurektomie als operative Erstlinientherapie oder als Zweitlinientherapie nach erfolgloser Fissurektomie durchgeführt werden.

Evidenzlevel: 2b [71, 95, 224, 225, 272, 288, 289, 293, 323, 351, 352]

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

Die Tab. 11 zeigt alle RCT und alle seit 01.01.2000 durchgeführten weiteren Studien zu den Flap-Verfahren nach „Fissurektomie“.

Tab. 11 Studien zur Therapie der chronischen Analfissur mit Lappenplastiken

Laterale Internus-Sphinkterotomie (LIS)

In der aktuellen US-amerikanischen Leitlinie wird die LIS aufgrund ihrer hohen Heilungsraten als der Goldstandard unter den chirurgischen Verfahren angesehen, unterstützt von einer Level-1a-Evidenz und mit starker Empfehlung: „Von allen chirurgischen Optionen ist die LIS die Therapie der Wahl für chronische Analfissuren“ [357].

Doch in der Literatur besteht ein andauernder Diskurs über die Rate an postoperativer Inkontinenz. Einzelne RCT und auch mehrere Metaanalysen [95, 267, 268] liefern inkonsistente Ergebnisse.

Im Jahr 2003 publizierten Hancke et al. [174] die erste prospektive randomisierte Studie, welche die LIS mit der in Deutschland verbreiteten Fissurektomie verglich. Bei den 60 eingeschlossenen Patienten wurde nach 3 Monaten eine Heilungsrate von 73 % in der Fissurektomie-Gruppe und 80 % in der LIS-Gruppe festgestellt. Die Rate an postoperativer Inkontinenz betrug 20 % für LIS und 11 % für Fissurektomie. Die Autoren schlossen daraus, dass auf die LIS in Zukunft verzichtet werden sollte, auch wenn – wie in einem Nebensatz erwähnt – der Unterschied in der Inkontinenzrate im exakten Test nach Fischer nicht mehr signifikant war. Im Jahr 2004 publizierten Hasse et al. [179] in Der Chirurg ihre Daten aus einer Kohortenstudie mit 209 von 523 Patienten, welche sich aufgrund einer chronischen Analfissur zwischen 1986 und 1997 einer lateralen Sphinkterotomie unterzogen, nach einem medianen Follow-up von 124 Monaten. Die Heilungsrate war mit 94,7 % hoch. Allerdings bestand in der 12. postoperativen Woche bei 14,8 % der Patienten eine Inkontinenz im Stadium I und II nach Parks. Im Langzeit-Follow-up erhöhte sich diese Zahl auf 21 %, wovon 60 % der Inkontinenzen schwergradig ausfielen.

Die Publikationen dieser beiden deutschsprachigen Studien dürfen als Wendepunkt in der chirurgischen Therapie der Analfissur in Deutschland angesehen werden, wonach die LIS zunehmend aus dem klinischen Alltag verbannt wurde – auch wenn keine exakten epidemiologischen Daten vorliegen. Interessante Resultate lieferte diesbezüglich eine aktuelle deskriptive Studie aus Spanien [6]. Chirurgen wurden angeschrieben und zu ihrem Therapie-Algorithmus in Bezug auf die chronische Analfissur befragt. 152 Chirurgen beantworteten das Schreiben: 93,38 % wählten als ersten Therapieschritt eine pharmazeutische Option. Nach Versagen dieser Therapie wählten 43,4 % der Angefragten die LIS als häufigstes chirurgisches Verfahren.

Eine Metaanalyse von 22 randomisierten, prospektiven und retrospektiven Studien aus dem Jahr 2013 [131] bestätigte die hohe Rate an Inkontinenz nach LIS mit 14 % (95 % KI 0,09–0,2), wobei die mediane Follow-up-Zeit zwischen 24 und 124 Monaten lag. Nelson et al. konstatierten in ihrer Metaanalyse von RCT [267] keinen signifikanten Unterschied in der Inkontinenzrate zwischen den verschiedenen operativen Verfahren. In einem Update der Metaanalyse betrug die Heilungsrate von LIS 94 %, die Inkontinenzrate 4,4 %, respektive 4,3 % nach 6 Monaten und in allen eingeschlossenen Studien, welche nach dem Jahr 2000 publiziert wurden, bei 3,9 % [268].

Ebinger et al. [95] ermittelten in ihrer Network-Metaanalyse ebenfalls, dass LIS die effizienteste Therapie mit einer Heilungsrate von 93,1 % war. Jedoch litten 9,4 % aller Patienten unter postoperativer Inkontinenz. Die OR für Inkontinenz im Vergleich zur konservativen Therapie betrug für LIS 6,81 (95 % KI 3,08–15,06) und 3,94 (95 % KI 1,03–15,08) für Fissurektomie und Advancement-Flap. In der Network-Metaanalyse für Inkontinenz bestand keine signifikante Heterogenität in allen statistischen Modellen. Mögliche Gründe für die divergierenden Ergebnisse können darin gesehen werden, dass im Vergleich zur konventionellen paarweisen Metanalyse eine Network-Metaanalyse auch die relative Effizienz respektive das relative Risiko jeglicher Interventionen über indirekte Vergleiche berechnen kann. Weitere Parameter, welche zu widersprüchlichen Angaben bzgl. Inkontinenzrate führen können, sind geringe Follow-up-Zeit, nicht erfasste Unterschiede zwischen kompletter oder partieller LIS sowie Unterschiede im Ausmaß der Inzision (bis zum Fissurende oder bis zur Linea dentata).

Aufgrund der divergierenden Ergebnisse in der Literatur ist eine abschließende Beurteilung nicht möglich. Hervorzuheben scheint jedoch insbesondere die hohe Rate an Inkontinenz in deutschsprachigen Publikationen, d. h. im von der vorliegenden Leitlinie betroffenen Patientenkollektiv. Schließlich geht es um eine Abwägung der hohen Effizienz von LIS gegen das Risiko der Inkontinenz.

26 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad A: Die laterale interne Sphinkterotomie weist persistierend in RCT und Metaanalysen die höchsten Heilungsraten auf. In Bezug auf die postoperative Inkontinenz bestehen jedoch ebenfalls z. T. deutlich höhere Raten als bei der Fissurektomie, wobei die Literatur inkonsistent ist. Die LIS soll deshalb in Abwägung dieser Befunde nicht als Erstlinientherapie angewandt werden. In Einzelfällen kann die LIS jedoch nach Ausschöpfen aller anderen Therapieoptionen mit dem Patienten in Anbetracht seiner persönlichen Anamnese, seines Risikos für Inkontinenz und seiner Präferenzen diskutiert werden.

Evidenzlevel: 1a [95, 131, 267, 268]

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

27 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad A: Bei Patienten post partum, mit erniedrigtem Sphinktertonus oder vorherigen analen Operationen soll eine LIS, auch bei Versagen anderer operativer Therapien, nur zurückhaltend angewendet werden, um eine postoperative Inkontinenz zu vermeiden.

Evidenzlevel: 4 [88, 206, 319, 371]

Konsensstärke: starker Konsens (100 %, 10/10)

Diese beiden Empfehlungen (26, 27) sind das Ergebnis der Hauptdiskussion der Konsensuskonferenz. Die Diskussion hatte schon im Vorfeld begonnen. Inhalt der Diskussion war, ob die LIS überhaupt als Therapieoption aufgeführt werden dürfe, da viele verzögert einsetzende Inkontinenzen (im Durchschnitt nach 10 Jahren [226]) beschrieben wurden und die Expertise für die LIS im deutschsprachigen Raum aktuell eingeschränkt ist. Anderseits ist die Studienlage zur LIS deutlich umfangreicher als zur Fissurektomie. Zudem ist bei anderen Pathologien (z. B. Fisteln) die Durchtrennung des Sphinkters im deutschsprachigen Raum durchaus üblich. Deshalb einigte sich die Konferenz einstimmig, dass im Rezidivfall und bei entsprechendem Wunsch des aufgeklärten Patienten die LIS als Therapiealternative in Frage kommt.

Offene und geschlossene LIS

Die offene laterale Internus-Sphinkterotomie wird mittels einer 1–2 cm [201] Inzision im intersphinktären Raum und durch Teilung des M. sphincter internus unter Sicht durchgeführt. Die geschlossene laterale Sphinkterotomie wird mittels Stichinzision im intersphinktären Raum und blinder Teilung des M. sphincter internus unter digitaler Kontrolle durchgeführt. In der Metaanalyse von Nelson et al. [267] zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in Heilungs- und Inkontinenzrate.

Die von Gupta beschriebene und von ihm in einer randomisierten sowie mehreren prospektiven und retrospektiven Studien untersuchte Sphinkterolyse stellt eine mit direktem Fingerdruck durchgeführte Form der geschlossenen lateralen Internus-Sphinkterotomie dar [169]. Trotz guten Resultaten erscheint das Verfahren für den allgemeinen Gebrauch nicht empfehlenswert, da es unkontrolliert ist und mit geringeren Fallzahlen als der von Gupta (>200–300 pro Jahr) wohl nur unter hohem Risiko für den Patienten zu erlernen ist.

28 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad 0: Die offene und geschlossene laterale Sphinkterotomie erzielen ähnliche Ergebnisse bzgl. Heilung und Nebenwirkungen und können gleichwertig angewendet werden.

Evidenzlevel: 1a [267, 268]

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

Die Tab. 12 zeigt alle RCT und die seit 01.01.2000 durchgeführten weiteren Studien zur Therapie mit der lateralen Internus-Sphinkterotomie (LIS).

Tab. 12 Studien zur Behandlung der chronischen Analfissur mit lateraler Internus-Sphinkterotomie

Anale Dilatation

Die manuelle anale Dilatation nach Lord weist in der Literatur persistierend das höchste Risiko für eine postoperative Inkontinenz auf sowie eine geringere Heilungsrate als die LIS. In einer Network-Metaanalyse aus dem Jahr 2017 betrug die postoperative Inkontinenz über 18 %. Sie sollte – übereinstimmend mit anderen Leitlinien [84, 357] – nicht mehr in der klinischen Praxis angewandt werden. Nichtdestotrotz gibt es Variationen der analen Dilatation, welche eine kontrollierte Dilatation anstreben und hohe Heilungsraten bei niedrigen Inkontinenzraten [53, 124, 397] erreichen. Hier sind weitere standardisierte RCT nötig, um Empfehlungen abzuleiten.

29 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad A: Die (unkontrollierte und manuelle) anale Dilatation weist eine geringere Heilungsrate als die LIS und die höchste postoperative Inkontinenzrate aller Verfahren auf und soll daher nicht eingesetzt werden.

Evidenzlevel: 1a [95, 267]

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

Die Tab. 13 zeigt alle RCT und die seit 01.01.2000 durchgeführten weiteren Studien zur (manuellen) analen Dilatation.

Tab. 13 Studien zur Behandlung der chronischen Analfissur mit (Manueller) Analdilatation (MAD)

Sonstige operative Verfahren

Einzelne Studien untersuchten weitere noch nicht etablierte operative Therapieformen. Zu erwähnen ist z. B. die Behandlung mit dem fraktionierten CO2-Laser [106].

Die Tab. 14 zeigt alle RCT und die seit 01.01.2000 durchgeführten weiteren Studien zu weiteren operativen Verfahren für die Analfissur.

Tab. 14 Studien zur Behandlung der chronischen Analfissur mit „sonstigen“ operativen Verfahren

Resektion sekundärer morphologischer Veränderungen

Gupta et al. [168] randomisierten Patienten, welche sich einer Sphinkterotomie unterzogen in 2 Gruppen. Bei der ersten Gruppe erfolgte zusätzlich zur Sphinkterotomie die Resektion von hypertrophen Analpapillen oder analen Polypen; bei der zweiten Gruppe wurden selbige belassen. Zwei Jahre nach der Intervention erfolgte ein standardisiertes Interview zur postoperativen Zufriedenheit: 84 % der Patienten aus der Gruppe, bei welcher die sekundären Veränderungen mitentfernt wurden, beschrieben das Ergebnis als „exzellent oder gut“, im Vergleich zu lediglich 58 % aus der Kontrollgruppe. Der mittlere Zufriedenheitswert betrug 9,2 auf einer visuellen Analogskala im Vergleich zu 8,1 in der Kontrollgruppe (p = 0,004). Patienten aus der Kontrollgruppe beschrieben oftmals „ein Gefühl der inkompletten Therapie“. Inwiefern die Resektion auch zu einer Verbesserung der Rezidivrate führte, ist nicht bekannt [168].

In einer folgenden RCT aus dem Jahr 2004 bestätigten Gupta et al. [158] diese Befunde. Rezidive traten in beiden Gruppen nicht auf. Insbesondere bestanden bei der Resektions-Gruppe ein Jahr nach der Operation signifikant weniger Schmerzen und Irritationen während der Defäkation, (5 % vs. 26 %; p = 0,0011), ein geringeres Fremdkörpergefühl (3 % vs. 32 %; p = 0,0006) und weniger analer Pruritus und Stuhlschmieren (7 % vs. 32 %; p = 0,0008).

30 Evidenzbasiertes Empfehlung

Empfehlungsgrad A: Bei der operativen Therapie soll eine gleichzeitige Resektion der sekundären morphologischen Veränderungen (d. h. Wächtermariske/Vorpostenfalte, sklerosierte Randwälle, hypertrophe Analpapillen, fibrosierte Analpolypen und vernarbte Anteile des M. sphincter ani internus) erfolgen.

Evidenzlevel: 1b [158, 168]

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

Die Tab. 15 zeigt alle RCT und die seit 01.01.2000 durchgeführten weiteren Studien zur Resektion von sekundären morphologischen Veränderungen.

Tab. 15 Studien zur Therapie der chronischen Analfissur bezüglich gleichzeitiger Resektion von sekundären Veränderungen

Histologische Untersuchung des exzidierten Gewebes nach Fissurektomie

In einer prospektiven, monozentrischen Studie lieβen Bauer et al. [45] 2997 Präparate nach Hämorrhoidektomie und Fissurektomie zur histologischen Untersuchung einsenden. Alle Präparate waren zuvor durch den Operateur inspektorisch und manuell untersucht und als unauffällig befundet worden. Histologisch wurde in 3,2 % der Präparate eine anale intraepitheliale Neoplasie (AIN) festgestellt, wovon 28 % High-grade-Dysplasien darstellten. Fuchs et al. [121] untersuchten im Rahmen eines Screening-Programms 400 HIV-positive Männer, von welchen 98 % Männer waren, welche Sex mit Männern hatten (MSM). 41 % dieser Patienten hatten eine anale Low-grade-Dysplasie, 24 % eine High-grade-Dysplasie und 0,5 % ein invasives Analkarzinom.

Etienney et al. [108] analysierten in ihrer Studie die Bedeutung von auffälligen zytologischen Abstrichen im Vergleich zum histologischen Befund und der HPV-PCR, wofür 300 Patienten, welche eine Hämorrhoidektomie respektive Fissurektomie erhielten, untersucht wurden. Histologisch wiesen 7,7 % der Präparate eine AIN auf. Allerdings waren unter den Patienten auch 12 %, welche ein erhöhtes Risiko für HPV-assoziierte Erkrankungen aufwiesen (z. B. eine HIV-Infektion).

Eine schwedische Registerstudie, welche 45.186 Patienten mit benignen analen entzündlichen Erkrankungen einschloss (Fissuren, Fisteln, Abszesse), detektierte ein signifikant erhöhtes Langzeitrisiko für ein Analkarzinom [270].

Die klinische Relevanz von routinemäßigen histologischen Untersuchungen bei Fissurektomie bleibt offen. Vergleichende Studien zur möglichen Reduktion von Morbidität bzw. zum krebsspezifischem Überleben existieren nicht. In Zusammenschau der oben erwähnten Studien hat sich die Konsensuskonferenz explizit auf eine Empfehlung Grad A zur histologischen Untersuchung jeglichen exzidierten Fissurgewebes und nicht nur desjenigen, welches makroskopisch auffällig ist, entschieden.

31 Evidenzbasierte Empfehlung

Empfehlungsgrad A: Eine histologische Untersuchung des exzidierten Gewebes nach Fissurektomie soll erfolgen.

Evidenzlevel: 1b [45, 108, 121]

Konsensstärke: starker Konsens (100 %, 10/10)

Pudendusblock

Studien, welche den Pudendusblock speziell bei Analfissuren als zusätzliche Form der Anästhesie hinsichtlich der postoperativen Schmerzen evaluieren, existieren aktuell nicht.

Alkaldi et al. untersuchten das Ausmaß postoperativer Schmerzen nach lateraler Sphinkterotomie bei alleiniger Anästhesie mittels Pudendusblock vs. Rückenmarkänasthesie und fanden keinen Unterschied im postoperativen Ergebnis [15]. Komplikationen durch den Pudendusblock werden als selten beschrieben und umfassen allgemeine Risiken wie die akzidenzielle intravaskuläre Injektion, Infektionen und Abszesse sowie retroperitoneale Hämatome. Ein spezielles Risiko der Intervention ist eine versehentliche Ischiadikusblockade und der Harnverhalt [119, 240, 318]. Aldabbas et al. führten 2014 eine randomisierte kontrollierte Studie bei verschiedenen, nicht näher bezeichneten analen Operationen durch [13]. Die Inzidenz an starken Schmerzen innerhalb der ersten postoperativen 48 h nahm in den beiden Gruppen, welche zusätzlich zur Allgemeinnarkose respektive zur Spinalanästhesie einen Pudendusblock erhielten, signifikant ab. Imbelloni et al. [186] untersuchten in ihrer RCT die postoperativen Schmerzen nach Hämorroidektomie und beidseitigem Pudendusblock. Die postoperativen Schmerzen waren in der Pudendusblock-Gruppe geringer; ebenso bestanden ein niedrigerer Schmerzmittelbedarf und eine höhere Patientenzufriedenheit ohne zusätzliche auftretende Komplikationen.

Diese Befunde wurden durch eine weitere randomisierte Studie von Naja et al. [263] und einen weiteren systematischen Review zum Schmerzmanagement nach Hämorrhoidektomie aus dem Jahr 2017 bestätigt [331].

32 Konsensbasierte Empfehlung

EK: Eine adäquate postoperative Analgesie ist sinnvoll. Ein Pudendusblock kann die postoperativen Schmerzen reduzieren und bei den operativen Verfahren zusätzlich zur gewählten Anästhesieform angewendet werden.

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)

Nachbehandlung und Rezidivprophylaxe

Bezüglich der Nachbehandlung und Rezidivprophylaxe nach Fissurektomie und anderen operativen Verfahren liegen aktuell unseres Wissens keine Studien vor. Zur Nachbehandlung offener perianaler Wunden verweisen wir auf die deutsche S3-Leitlinie „Analfistel“ [276].

Abb. 3
figure 3

Möglicher, schematisierter Behandlungsalgorithmus bei primärer chronischer Analfissur

33 Konsensbasierte Empfehlung

EK: Zur Nachbehandlung und Rezidivprophylaxe nach operativen Verfahren kann eine Therapie mit lokal applizierten CCA respektive GTN sowie Stuhlregulation, z. B. mit Flohsamenschalen, erfolgen. Eine Nachkontrolle inklusive Proktoskopie kann nach 6 Wochen erfolgen.

Konsensstärke: starker Konsens (10/10, 100 %)