Zusammenfassung
Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Status von Landesverfassungsgerichten, d. h. der Stellung der obersten Gerichte in den politischen Ordnungen der Bundesländer. Er kommt zu einer doppelten Schlussfolgerung. Erstens zeigt er, dass der Status der Landesverfassungsgerichte in rechtlicher Hinsicht variierend ausgestaltet ist. Die in allen Bundesländern zu findende Trias aus verfassungsrechtlicher Grundlage, einfachgesetzlicher Konkretisierung sowie durch das Gericht selbst verabschiedeter Geschäftsordnung weist ebenso Unterschiede auf wie die organisationsstrukturelle Ausgestaltung und das Kompetenzprofil der Landesverfassungsgerichte. Damit verknüpft ist, zweitens, der Befund, dass Landesverfassungsgerichte statusrechtlich in dreierlei Hinsicht eingeschränkt sind: Sie sind personalrechtlich, organisatorisch und haushaltsrechtlich eingebettet. Landesverfassungsgerichte erfüllen folglich die in der Statusdenkschrift des Bundesverfassungsgerichtes formulierten Bedingungen lediglich in modifizierter Form. Sie sind ein Sonderfall des „deutschen Modells“ der Verfassungsrechtsprechung. Sie sind in den Bundesländern zwar allen anderen Gerichtszweigen übergeordnet, dem Bundesverfassungsgericht – zumindest teilweise – jedoch untergeordnet.
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Notes
- 1.
Die wichtigsten Dokumente zum sogenannten Status-Streit des Bundesverfassungsgerichtes sind veröffentlicht in: JöR (N.F.), 6(1957), S. 109–221 (=Statusbericht 1957).
- 2.
Die weitere Darstellung fußt auf Überlegungen, die ich bereits an anderer Stelle veröffentlicht habe; Reutter 2017a.
- 3.
Früher waren die Verfassungsgerichte ohnehin meist bei anderen Ressorts etatisiert. Nach Starck (1983, S. 166) ging die Praxis Anfang der 1980er Jahre dahin, dass der Haushalt des Verfassungsgerichtes „bei dem Gericht ressortierte, bei dem das Verfassungsgericht gebildet“ war (so in Bayern, Bremen und Rheinland-Pfalz), oder dass „er bei der Staatskanzlei bzw. unmittelbar beim Justizminister angesiedelt“ war (so in Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und im Saarland).
- 4.
Gesetz vom 21. Juli 2018 (GV. NRW. S. 400), in Kraft getreten ist das Gesetz am 1. Januar 2019. Im Weiteren folge ich meinen Ausführungen in: Reutter 2017a, S. 15–23.
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Reutter, W. (2020). Zum Status der Landesverfassungsgerichte als Verfassungsorgane. In: Reutter, W. (eds) Verfassungsgerichtsbarkeit in Bundesländern. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28961-4_6
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