Einleitung

Bei gesunden Personen ist ein Vitamin-D-Mangel sehr häufig, bei kritisch Kranken mit lebensbedrohlichen Erkrankungen schwanken die Zahlen zur Prävalenz je nach Definition und Region zwischen 35 % (Mangel definiert als < 50 nmol/L) und 100 % (Mangel < 75 nmol/L; [1, 2]). Mit zunehmenden Erkenntnissen über die pleiotropen Effekte von Vitamin D wuchs auch das Interesse der Intensivmedizin an dem Hormon. In einer wachsenden Anzahl von Beobachtungsstudien wird ein Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Defizienz und schweren Krankheitsverläufen, schlechtem Outcome und Mortalität beschrieben [3, 4]. Diese Arbeit soll einen Überblick über die bisher verfügbare Literatur auf diesem Gebiet geben.

Definitionen

Definitionen für normale Vitamin-D-Blutspiegel sind nicht einheitlich geregelt, am weitesten verbreitet ist die Definition von Vitamin-D-Mangel als 25(OH)D (Calcidiol)-Spiegel unter 20 ng/ml (50 nmol/l, Umrechnungsfaktor 2,5), Insuffizienz zwischen 21 und 29 ng/ml und Suffizienz zwischen 30 und 100 ng/ml. Eine Vitamin-D-Intoxikation tritt üblicherweise erst ab 25(OH)D-Konzentrationen von über 150 ng/ml auf [5, 6].

Physiologie

Menschen können Vitamin D über die Nahrung aufnehmen (besonders hohe Konzentrationen in fettreichem Fisch, Eigelb, Shiitake-Pilzen), ein weitaus bedeutenderer Anteil wird jedoch im Körper synthetisiert. 7‑Dehydrocholesterol wird in der Haut unter Exposition von UV-B-Licht zu Cholecalciferol (Vitamin D3) umgewandelt, welches darauffolgend in der Leber zu 25(OH)D und in der Niere zu 1,25(OH)2D (Calcitriol) verstoffwechselt wird. Die Abhängigkeit der Synthese von UV-B-Licht erklärt die typischen saisonalen Schwankungen des Vitamin-D-Spiegels mit Höchstwerten zu Sommerende und Tiefpunkt zu Winterende [7, 8].

Die biologische Wirkung der aktiven Form von Vitamin D3 wird durch den nuklearen Vitamin-D-Rezeptor (VDR) vermittelt, ein ligandenabhängiger Transkriptionsfaktor, der traditionellerweise mit der Regulation des Kalzium- und Phosphathaushalts und des Knochenstoffwechsels in Zusammenhang gebracht wird. Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass Vitamin D auch an der Regulation einer Vielzahl von anderen Prozessen wie etwa Zellproliferation, Differenzierung und Immunmodulation beteiligt ist [9]. In einem Vitamin-D-Knockout-Mausmodell wurde vermutet, dass bis zu 3 % des Genoms direkt oder indirekt durch Vitamin D reguliert werden [10]. Vitamin-D-responsive Gene können durch VDR auf unterschiedlichen Wegen moduliert werden, wodurch die Genexpression positiv oder negativ beeinflusst wird. So wird unter anderem die Expression verschiedener Zytokine gehemmt, die inflammatorische oder hyperproliferative Effekte haben, wie beispielsweise Interleukin 2 (IL-2), Interleukin 12 (IL-12), Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), Interferon-γ (IFN-γ) und Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor (GM-CSF; [11]). Die immunmodulatorische Komponente von Vitamin D zeigt außerdem vielversprechende Wirkungen bei Transplantatempfängern. 1,25-(OH)2D3 und dessen Analoga wurden entweder als alleiniger Wirkstoff oder in Kombination mit anderen Immunsuppresiva, wie Cyclosporin, in experimentellen Modellen getestet. Die Behandlung mit Vitamin D3 führte zu einer verringerten Transplantatabstoßung [12]. In einem 2017 von Martineau et al. veröffentlichten systematischen Review mit Metaanalyse individueller Patientendaten von 10.933 Patienten konnte ein klarer Benefit einer Vitamin-D-Supplementation als wirksame Präventionsmaßnahme gegen akute Atemwegsinfektionen gezeigt werden, besonders bei Patienten, die einen schweren Vitamin-D-Mangel haben und deren Ausgangswerte unter 25 nmol/l liegen. Individuelle Daten aus 25 randomisiert kontrollierten Studien flossen in diese Analyse ein [13].

Ursachen für Mangel

Zu den wichtigsten Ursachen für Vitamin-D-Mangel zählen verminderte Synthese in der Haut, verringerte Absorption und erworbene oder angeborene Erkrankungen des Vitamin-D-Metabolismus [7]. Ausreichende Vitamin-D-Aufnahme über die Nahrung erweist sich als schwierig; die mittlere tägliche Zufuhr liegt bei Männern bei 116 IU (international units, entspricht 2,9 μg) und bei Frauen bei 88 IU (2,2 μg), die empfohlene Tageszufuhr für Erwachsene läge bei 600–800 IU/Tag [14]. Therapeutische Interventionen wie Operationen, Flüssigkeitsgabe, extrakorporale Membranoxygenierung, kardiopulmonale Bypässe und Plasmaaustausch führen zusätzlich zur kritischen Krankheit an sich zu einer weiteren Reduktion der Vitamin-D-Spiegel [15]. Zudem haben Intensivpatienten vermutlich einen höheren Bedarf an Vitamin D sowie ein hohes Risiko für Störungen der Vitamin-D-Achse aufgrund von Dysfunktionen der Leber, Nebenschilddrüsen oder Nieren, was die Umwandlung von 25(OH)D zum aktiven Hormon hemmt [8, 16].

Substitutionstherapie

In Europa ist zur Substitutionstherapie aktuell eher die Verwendung von Vitamin D3 üblich, während in den USA vorwiegend Vitamin D2 eingesetzt wird. Die Frage, was davon sich besser eignet, ist nach wie vor nicht vollständig geklärt.

Die Richtlinien zu Vitamin-D-Substitution bei Intensivpatienten sehen aktuell keine beziehungsweise nur eine niedrig dosierte (200–800 IU/Tag) Gabe von Vitamin D vor, was nicht mehr als der empfohlenen minimalen Zufuhr für gesunde Individuen entspricht [17]. Es ist jedoch bekannt, dass es bei solch niedriger Dosierung bis zur Normalisierung der Vitamin-D-Werte mehrere Monate dauern kann, bei hospitalisierten Patienten normale Spiegel eventuell auch gar nicht erreicht werden können [18, 19]. Aufgrund dessen scheint eine hochdosierte Supplementierung eine attraktive Maßnahme. Dazu wurden bereits Studien mit Vitamin-D3-Gaben bis zu 540.000 IU durchgeführt, bei denen ein rascher und gefahrloser Ausgleich des Vitamin-D-Mangels erzielt werden konnte [18, 20, 21].

Material und Methoden

Die benötigten wissenschaftlichen Artikel wurden in erster Linie über die Online-Datenbank PubMed gesucht. Mittels der Fachsystematik MeSH (Medical Subject Headings) wurden mit den Schlagwörtern „Vitamin D“, „Vitamin D Deficiency“ und „ICU“ relevante Artikel gefunden. Anhand des Abstracts wurde entschieden, welche Artikel zum Thema von Bedeutung waren. Einige Arbeiten wurden auch durch Verweise aus anderen Artikeln gefunden.

Die Arbeiten wurden in ICU-Beobachtungsstudien, ICU-Beobachtungsstudien bei Kindern, relevante Beobachtungsstudien außerhalb der ICU, Interventionsstudien und Metaanalysen eingeteilt.

Innerhalb der Kategorien wurden die Arbeiten chronologisch sortiert und wichtige Fakten in Übersichtstabellen vergleichend aufgelistet. Zu den Hauptpunkten zählten der Studienort, die Anzahl der in die Studie eingeschlossenen Patienten, Studiendesign, Mortalität und weitere Ergebnisse. Bei Interventionsstudien wurde auch die Art der Intervention beschrieben.

Hauptfragestellung der Literaturrecherche war, inwiefern sich ein Vitamin-D-Mangel auf Mortalität und Morbidität bei Intensivpatienten auswirkt und ob eine Substitution eine Verbesserung des Outcomes bewirken kann.

Ergebnisse – Vitamin-D-Mangel bei kritisch Kranken

Im Zuge der Literaturrecherche wurden 55 zum Thema relevante Arbeiten gefunden. Ein Überblick über die Studien (ICU-Beobachtungsstudien, ICU-Beobachtungsstudien bei Kindern, relevante Beobachtungsstudien außerhalb der ICU, Interventionsstudien) findet sich in den Tab. 123 und 4.

Tab. 1 ICU-Beobachtungsstudien, chronologisch geordnet
Tab. 2 ICU-Beobachtungsstudien bei Kindern
Tab. 3 Beobachtungsstudien, nicht ICU
Tab. 4 ICU-Interventionsstudien

2003 wurde von van den Berghe et al. die erste Interventionsstudie zu Vitamin D im ICU-Setting publiziert. 22 ICU-Patienten wurden Kontrollpersonen gegenübergestellt und zu täglich 200 IU (low dose) oder 500 IU (high dose) intravenösem Cholecalciferol randomisiert. Eine tägliche Verabreichung von 500 IU Cholecalciferol normalisierte den Vitamin-D-Status nicht. Darüber hinaus verstärkte sich mit längerem ICU-Aufenthalt die Knochenresorption auf das bis zu 15-Fache der normalen Werte und war assoziiert mit gehemmter Osteoblastenfunktion [60].

Amrein et al. führten 2011 erstmals eine randomisiert kontrollierte Studie zu wirklich hochdosierter Vitamin-D-Supplementierung bei Intensivpatienten durch mit dem Ziel, die Sicherheit und Effizienz einer einzelnen oralen hochdosierten Vitamin-D3-Supplementierung im ICU-Setting zu evaluieren. 25 Vitamin-D-defiziente ICU-Patienten erhielten entweder 540.000 IU Cholecalciferol oder ein Placebo. Binnen 7 Tagen normalisierten sich in der Interventionsgruppe bei 8 von 10 Patienten die Vitamin-D-Werte. Der mittlere Anstieg des Serum-25(OH)D lag bei 25 ng/ml, der höchste erreichte 25(OH)D-Wert bei 64 ng/ml, während bei zwei Patienten die Werte nur sehr gering (7 ng/ml) oder nicht (1 ng/ml) anstiegen. Es gab keine Fälle von Hyperkalziämie oder Hyperkalziurie [61].

Im Anschluss an diese Pilotstudie führten Amrein et al. die bisher größte Vitamin-D-Interventionsstudie im ICU-Setting durch. 475 Vitamin-D-defiziente ICU-Patienten erhielten entweder hochdosiertes Vitamin D3 oder ein Placebo. Der Initialdosis von 540.000 IU Cholecalciferol folgten fünf monatliche Erhaltungsdosen von 90.000 IU. Binnen 7 Tagen erreichten 52,2 % der Patienten der Interventionsgruppe Vitamin-D-Suffizienz, mit einem Anstieg des 25(OH)D von 13,0 ± 4,8 auf 35,5 ± 20,6 ng/ml. Dauer des ICU- und Krankenhausaufenthalts sowie Krankenhaus- und 6‑Monats-Mortalität unterschieden sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen. In der Subgruppe der Patienten mit schwerem Vitamin-D-Mangel zu Beginn (≤12 ng/ml, n = 200) war jedoch in der Interventionsgruppe sowohl die Krankenhaus- als auch die 6‑Monats-Mortalität signifikant niedriger (28,6 % vs. 46,1 %, p = 0,010, und 34,7 % vs. 50,0 %, p = 0,021; [18]).

In der Interventionsstudie von Leaf et al. wurde untersucht, ob eine einmalige intravenöse Gabe des kurzwirksamen Metaboliten 1,25(OH)2D positive Auswirkungen auf Marker des angeborenen Immunsystems, Entzündung und Nierenversagen hat. 67 ICU-Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock wurden auf zwei Gruppen aufgeteilt, eine Gruppe erhielt 2 μg Calcitriol intravenös, die andere ein Placebo. 24 h nach der Intervention hatten die Patienten, denen Calcitriol verabreicht worden war (n = 36), ähnliche Plasmakonzentrationen an Cathelicidin wie Patienten der Placebogruppe (n = 31, p = 0,16). Bei der Calcitriol-Gruppe wurde eine höhere Cathelicidin- (p = 0,04) und IL-10- (p = 0,03) mRNA-Expression gemessen als in der Placebogruppe. Konzentrationen an Plasmazytokinen sowie Nierenschädigungsparametern waren vergleichbar hoch (p > 0,05). Calcitriol hatte keinen Effekt auf klinische Outcomes, keinerlei Nebenwirkungen wurden beobachtet [63].

Nair et al. verglichen in einer randomisierten Interventionsstudie den Effekt von zwei unterschiedlich hohen Dosierungen intramuskulären Cholecalciferols auf Serumspiegel von 25(OH)D, sowie Kalzium, Phosphat, PTH, CRP, IL-6 und Cathelicidin. 50 erwachsene ICU-Patienten mit SIRS wurden randomisiert auf zwei Gruppen aufgeteilt und erhielten entweder 150.000 IU oder 300.000 IU intramuskuläres Cholecalciferol. Vor der Randomisierung wurden 28 der 50 Patienten (56 %) als Vitamin-D-defizient eingestuft (25(OH)D < 50 nmol/L). Einzeldosen sowohl von 150.000 IU, als auch 300.000 IU intramuskulären Cholecalciferols konnten einen Vitamin-D-Mangel erfolgreich ausgleichen (8 von 10 bzw. 10 von 12 hatten an Tag 14 suffiziente Spiegel), wobei ein stärkerer Anstieg des Vitamin-D-Spiegels mit einem stärkeren Cathelicidin-Anstieg einherging. Die Mortalitätsrate im Krankenhaus unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen [64].

In der Arbeit von Quraishi et al. wurden Veränderungen von Vitamin-D-Status und Cathelicidin bei septischen ICU-Patienten, die entweder Cholecalciferol oder ein Placebo erhielten, verglichen. 30 Patienten wurden drei verschiedenen Gruppen zugeordnet, 10 Patienten erhielten 200.000 IU Cholecalciferol enteral, 10 Patienten 400.000 IU und weitere 10 ein Placebo. Die Gruppen wurden mittels Kruskal-Wallis-Tests verglichen. Im Vergleich zum Ausgangswert lag die mittlere Änderung des Gesamt-25(OH)D in der Placebogruppe an Tag 5 bei 3 (−3 bis 8)%, der 200.000-IU-Cholecalciferol-Gruppe bei 49 (30–82)% und der 400.000-IU-Gruppe bei 69 (55–106)% (p < 0,001). Das bioverfügbare 25(OH)D steigerte sich um 4 (−8 bis 7)%, 45 (40–70)% und 96 (58–136)% (p < 0,01), die Konzentration von LL-37 um −17 (−9 bis −23)%, 4 (−10 bis 14)% und 30 (23–48)% (p = 0,04). Zwischen bioverfügbarem 25(OH)D und LL-37 wurde eine positive Korrelation beobachtet (Spearmans-Rangkorrelationskoeffizient = 0,44, p = 0,03), jedoch nicht zwischen Gesamt-25(OH)D und LL-37. In keiner der Gruppen wurden Zwischenfälle aufgrund der Cholecalciferol-Therapie beobachtet [65].

In der Pilotstudie von Han et al. wurde ebenfalls hochdosiertes, enteral verabreichtes Cholecalciferol mit Placebo verglichen. 9 mechanisch beatmete ICU-Patienten erhielten 250.000 IU Cholecalciferol (auf fünf Tage aufgeteilt), 11 Patienten 500.000 IU und 10 Patienten ein Placebo. Zu Beginn der Studie hatten 13 Patienten (43 %) einen Vitamin-D-Mangel. Die 250.000-IU- und 500.000-IU-Behandlungsschemata führten jeweils zu einem signifikanten Anstieg der durchschnittlichen 25(OH)D-Plasmakonzentration. An Tag 7 lagen die Werte bei 45,7 ± 19,6 ng/ml beziehungsweise 55,2 ± 14,4 ng/ml, im Vergleich zu unveränderten Werten in der Placebogruppe (21 ± 11,2 ng/ml), p < 0,001. In beiden Interventionsgruppen kam es zu einer signifikanten Verkürzung der Krankenhausaufenthaltsdauer, verglichen mit Placebo (25 ± 14 und 18 ± 11, im Vergleich zu 36 ± 19 Tage; p = 0,03). Bei anderen klinischen Outcomes wurden keine signifikanten Unterschiede festgestellt [66].

In der darauffolgenden Arbeit untersuchten Han et al. anhand derselben Patienten den Zusammenhang zwischen der vorangegangenen hochdosierten Vitamin-D-Substitution und freiem 25(OH)D, die Beziehung zwischen freiem 25(OH)D und zirkulierendem Cathelicidin (LL-37) und humanem Beta-Defensin 2 (hBD-2) und die Assoziation der genannten antimikrobiellen Peptide und freiem 25(OH)D mit der Phagozytosefunktion alveolärer Makrophagen. Die Plasmakonzentration von freiem 25(OH)D korrelierte mit der Gesamt-25(OH)D-Konzentration (r = 0,82, p < 0,001). Die 500.000-IU-Dosierung von Vitamin D führte zu einem stärkeren Anstieg an freiem 25(OH)D als die niedrigere Dosis. Die prozentuale Änderung der hCAP18-mRNA war positiv assoziiert mit der prozentualen Änderung an freiem 25(OH)D an Tag 7 und Tag 14 (r = 0,48, p = 0,04; r = 0,59, p = 0,03). Die Plasmakonzentration von LL-37 korrelierte zudem mit dem Prozentsatz an Alveolarmakrophagen mit Phagozytoseaktivität (r = 0,51, p = 0,04; [67]).

Grossmann et al. führten 2012 eine randomisierte, placebokontrollierte Studie über den Effekt von Vitamin D bei Patienten mit Cystischer Fibrose durch [62]. 30 Erwachsenen, die aufgrund einer pulmonalen Exazerbation hospitalisiert worden waren, wurden entweder 250.000 IU Cholecalciferol oder ein Placebo verabreicht.

Der mittlere 25(OH)D-Serumspiegel stieg in der Vitamin-D-Gruppe von 30,6 ± 3,2 ng/ml auf 58,1 ± 3,5 ng/ml (p < 0,001) nach einer Woche, und 36,7 ± 2,6 ng/ml nach 12 Wochen (P = 0,06), die Werte in der Placebogruppe blieben unverändert. Patienten der Vitamin-D-Gruppe hatten eine höhere 1‑Jahres-Überlebensrate (14 von 15 vs. 10 von 15, P = 0,029) und mehr krankenhausfreie Tage (169 vs. 133, P = 0,036) sowie mehr Tage ohne IV-Antibiose (154 vs. 121, P = 0,073; [62]).

Metaanalysen

Eine erste Metaanalyse randomisiert kontrollierter Studien zu Vitamin D und Outcome bei Intensivpatienten wurde 2016 von Weng et al. veröffentlicht [68]. Vier RCTs [16, 18, 63, 65] mit insgesamt 602 Patienten wurden berücksichtigt. Die Datenanalyse ergab, dass durch Vitamin-D-Supplementierung das Mortalitätsrisiko nicht signifikant gesenkt werden konnte. Die Krankenhausaufenthaltsdauer wurde signifikant verkürzt (im Mittel −6,7 Tage, 95 %-CI −13,05 bis −0,35), die ICU-Aufenthaltsdauer nicht signifikant beeinflusst, wobei die durchgeführte TSA („trial sequential analysis“) zeigte, dass die Stichprobe zu klein war, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten [68]. Es muss also erwähnt werden, dass diese Metaanalyse schwerwiegende methodische Probleme aufweist und die Studienselektion unvollständig war [69].

Putzu et al. veröffentlichten 2017 [70] eine Metaanalyse, in die sieben Studien mit insgesamt 716 Patienten einflossen [18, 61,62,63, 65, 66, 71]. Eine Vitamin-D-Substitution war mit signifikant niedrigerer Mortalität assoziiert als Gabe von Placebo (101/320 (32 %) vs. 123/307 (40 %); OR 0,70 (95 % CI 0,50–0,98); p = 0,04). Bei unerwünschten Zwischenfällen und anderen sekundären Endpunkten wurden keine Unterschiede gefunden [70]. Zu dieser Metaanalyse muss einschränkend gesagt werden, dass die Grossmann-Studie Patienten mit Exazerbation bei Cystischer Fibrose einschloss und ohne diese Studie die Resultate nicht mehr signifikant wären.

Die zuletzt erschienene Metaanalyse von Langlois et al. berücksichtigte sechs RCTs [18, 61,24,25,26,, 63,64,65,66] mit insgesamt 695 Patienten. Keine der untersuchten Parameter (Mortalität, ICU-/Krankenhausaufenthaltsdauer, Infekte, Beatmungsdauer) wurden signifikant durch Vitamin-D-Gabe beeinflusst. Die Autoren kommen aufgrund dieser Ergebnisse zu der Schlussfolgerung, dass Vitamin-D-Gabe nicht zu einer Verbesserung des klinischen Outcomes führt, die statistische Ungenauigkeit jedoch durch die kleine Anzahl an verfügbaren Studien erklärt werden könnte [72]. Auch in dieser letzten Metaanalyse liegen leider schwerwiegende methodische Probleme vor, zum Beispiel wurde die Studie von Nair et al. inkludiert und offensichtlich der 150,000-IU-Vitamin-D3-Arm in die Placebogruppenanalyse integriert.

Diskussion

Im Zuge der Literaturrecherche wurden 30 Beobachtungsstudien im ICU-Setting, vier ICU-Beobachtungsstudien bei Kindern, neun relevante Beobachtungsstudien außerhalb des ICU-Settings, neun Interventionsstudien und drei Metaanalysen gefunden und strukturiert aufgearbeitet. Die Anzahl der Patienten variierte bei den Beobachtungsstudien zwischen 52 und 24.094, bei den Interventionsstudien zwischen 22 und 475.

Die Ergebnisse der Studien erweisen sich als ähnlich heterogen wie die Studien und ihre Endpunkte selbst. In 16 der ICU-Beobachtungsstudien zeigte sich eine Tendenz zu erhöhter Mortalität bei Vitamin-D-Mangel, bei 10 wurde kein Zusammenhang der beiden Parameter gefunden. Ebenso uneinheitlich waren die Resultate hinsichtlich Morbidität. Einige Arbeiten liefern Hinweise auf verlängerte Aufenthaltsdauer (ICU [19, 28,35,36,, 35, 39, 73] und Krankenhaus [29, 36]) und somit auch höhere Behandlungskosten [24, 28] bei Vitamin-D-defizienten Patienten, andere beschreiben Unterschiede bei Cathelicidin-Spiegel [2, 40], Infekten [19, 29, 31,43,, 38, 45], Organdysfunktion [29, 31, 32] und Sepsis [23, 31, 34]. Bei drei Studien [30,49,, 43, 46] wurden keinerlei signifikante Zusammenhänge zwischen Vitamin-D-Spiegel und Outcome gefunden.

Klar ist, dass ein Vitamin-D-Mangel bei kritisch Kranken ein besonders häufiges Problem darstellt, bedingt durch eine Vielfalt an ungünstigen Faktoren, die bei diesen Patienten vorhanden sind. Die Interventionsstudie von van den Berghe et al. demonstrierte, dass die für kritisch Kranke empfohlene Dosierung von 500 IU Vitamin D täglich einen Vitamin-D-Mangel bei diesen Patienten nicht ausgleichen konnte. Die Jahre später darauf folgenden Studien von Amrein, Nair und Quraishi zeigten, dass sehr hochdosiertes Vitamin D3 auch als Einzeldosis zu rascher und sicherer Normalisierung der Vitamin-D-Spiegel führte [60, 61, 64, 65]. Das zentrale Ergebnis der größten bisher durchgeführten Interventionsstudie von Amrein et al. war, dass in der Subgruppe der Patienten mit 25(OH)D-Spiegel von <12 ng/ml die Mortalität durch hochdosierte Vitamin-D-Substitution signifikant gesenkt werden konnte.

Die Aussagekraft bezüglich Outcome der bisherigen Interventionsstudien und Metaanalysen ist durch die großteils sehr geringe Teilnehmerzahl beschränkt. In der Studie von Grossmann et al. lag zudem auch vor der Intervention kein Vitamin-D-Mangel vor (mittlerer Spiegel von 30,6 ± 3,2 ng/ml). In der Arbeit von Nair et al. gab es keine wirkliche Placebogruppe, da nur die Unterschiede zwischen 150.000 IU und 300.000 IU untersucht wurden.

Kürzlich wurden innerhalb weniger Monate die ersten drei Metaanalysen zu Vitamin D und Mortalität bei kritischer Erkrankung publiziert, wobei jede dieser Analysen spezifische methodische Probleme aufweist, zusätzlich zu dem Faktum, dass eine Metaanalyse bei den bisher gut 700 analysierbaren Patienten nicht sinnvoll ist.

Sehr für eine hochdosierte Vitamin-D-Substitution bei kritisch Kranken sprechen die günstigen Kosten und das geringe Nebenwirkungsprofil der Intervention. Selbst bei verabreichten Dosen von 540.000 IU Cholecalciferol traten keine vermehrten unerwünschten Wirkungen auf [18]. Der Vitamin-D-Spiegel der Patienten sollte jedoch trotz allem im Auge behalten werden, da Konzentrationen von über 60 ng/ml ebenso mit erhöhter Mortalität assoziiert sind wie Werte unter 20 ng/ml [74].

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Vitamin-D-Mangel bei kritisch Kranken sehr häufig ist und mit schlechterem Outcome assoziiert zu sein scheint. Die bisher vorhandenen Daten aus Beobachtungs- und Interventionsstudien liefern Hinweise auf positive Auswirkungen einer hochdosierten Vitamin-D-Substitution in diesem Patientenkollektiv, die Ergebnisse sind jedoch sehr heterogen und die bisherigen Studien teils mangelhaft. Auch die komplexen Mechanismen, die sich hinter den Auswirkungen des Hormons befinden, sind nicht restlos geklärt. Um die vermuteten positiven Effekte einer Vitamin-D-Gabe in diesem Kontext weiter zu untersuchen, bedarf es dringend großer Phase-III-Interventionsstudien bei kritisch kranken Erwachsenen und Kindern. Zwei große wichtige Studien sind bereits in Planung beziehungsweise gestartet, die VIOLET-Studie aus dem PETAL-Netzwerk (NCT03096314) sowie die VITDALIZE-Studie in Graz (NCT03188796).