Der Masterstudienlehrgang Neuroorthopädie – Disability Management an der Donau-Universität Krems ist ein multidisziplinärer Lehrgang, in dem viele Möglichkeiten zur Behandlung der infantilen Zerebralparese (ICP) gelehrt werden. Manuelle Medizin ist jedoch nicht darunter. Es stellte sich die Frage, ob manuelle Medizin auch bei Patienten mit besonderen Bedürfnissen angewandt werden kann oder soll und ob es geeignete Mittel gibt, die Effekte zu messen. Die Thematik wurde im Rahmen einer Masterthese aufgearbeitet.

Manuelle Medizin ist im Allgemeinen für die Behandlung von Schmerzen und Dysfunktionen am Bewegungsapparat bekannt. Bei Kindern ist das Behandlungsziel, eine physiologische Entwicklung zu erreichen. Die Behandlung von Patienten mit ICP wird auch in der Ausbildung zum Manualtherapeuten nur kurz gestreift.

Im Rahmen der Recherche für diese Masterthese zeigten sich erstaunliche Ergebnisse. Gezeigt werden konnte, dass v. a. grobmotorische Funktionen verbessert werden können, dass sich dies auch messen lässt und dass es zu einer deutlichen Besserung der Beweglichkeit kommt, wenn zusätzlich eine extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) durchgeführt wird.

Ein geeignetes Messinstrument ist der Gross Motor Function Measure (GMFM). Er wurde vom Canadian Child Center for Childhood Disability Research McMaster University, Faculty of Health Sciences in Hamilton, entwickelt und dient zur Messung grobmotorischer Funktionen. Der GMFM-88 entspricht der älteren und längeren Version und ist auch für Kinder mit Down-Syndrom verwendbar; GMFM-66 stellt eine kürzere Version des GMFM-88 dar und wurde ausschließlich für Kinder mit ICP validiert. Dabei erfolgt die Testung von 88 bzw. 66 Übungen. Die Aufgaben sind in 5 Untergruppen zusammengefasst. Diese Untergruppen werden als Dimensionen bezeichnet und setzen sich wie folgt zusammen:

  1. 1.

    Liegen und Drehen: Bewegungsaufgaben, die in Rücken- und Bauchlage durchgeführt werden

  2. 2.

    Krabbeln und Knien: Bewegungsaufgaben im Vierfüßlerstand und im Knien

  3. 3.

    Sitzen

  4. 4.

    Stehen

  5. 5.

    Gehen, Laufen und Springen

Jede Dimension geht gleichermaßen in die Gesamtbewertung ein. Der „total goal score“ (Zieldimensionen) ist ein Prozentwert, der die grobmotorische Gesamtleistung in Beziehung zu derjenigen eines gesunden 5‑jährigen Kindes setzt. Er berechnet sich, indem nur diejenigen Dimensionen betrachtet werden, bei denen funktionelle Veränderungen durch die Therapie zu erwarten sind. Bei der Bewertung des Tests zählt nicht die Qualität einer durchgeführten Bewegung, sondern nur die Quantität und somit das Maß des erreichten vorgegebenen Ziels.

Die Bewertung der einzelnen GMFM-Aufgaben erfolgt mithilfe einer 4‑Punkte-Skala. Bei jeder der 88 bzw. 66 Aufgaben können maximal 3 Punkte vergeben werden. Die Punkte 0 bis 3 werden wie folgt vergeben [11]:

  • 0 = Patient initiiert nicht die Bewegungsaufgabe

  • 1 = Patient initiiert weniger als 10 % der Bewegungsaufgabe

  • 2 = Patient vervollständigt teilweise die Bewegungsaufgabe (10 % bis weniger als 100 %)

  • 3 = Patient vervollständigt die gestellte Aufgabe zu 100 %

Methode

Bei der Arbeit handelt es ich um eine reine Literaturrecherche. Dazu wurde die derzeit verfügbare Literatur gesammelt, verglichen und analysiert. Die Studien wurden auf PubMed, in den Fachzeitschriften zum Fachgebiet und bei den Autoren gesucht.

Die gesuchten Keywords waren: Manuelle Medizin, Atlastherapie, infantile Zerebralparese, „manual therapy“, „osteopathy“, „cerebral palsy“, „manual manipulation“, „osteopathic manipulative treatment“.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 10 Arbeiten, davon 2 englisch- und 8 deutschsprachige, miteinander verglichen. In keiner der Arbeiten kam es zu einer Verschlechterung der Funktionen der Patienten. Die Therapieregime in den Arbeiten waren sehr heterogen. Als beste Behandlungsvariante stellte sich die Komplextherapie heraus. Die Behandlung mit den Mitteln der manuellen Medizin werktäglich über 2 Wochen und halbjährlich wiederholt zeigt sehr gute Ergebnisse im Bereich des GMFM-Scores.

In den Arbeiten aus dem englischsprachigen Raum wurde ausschließlich manuelle Medizin mit Akupunktur oder klassischer Physiotherapie verglichen. Die Ergebnisse sind etwas schlechter als in den deutschen Arbeiten, jedoch kommt es auch hier zu einer Verbesserung des GMFM-Scores.

Mit konventioneller Physiotherapie allein konnte keine Funktion verbessert, sondern nur der Ist-Zustand gehalten werden. Als äußerst hilfreich hat sich die ESWT als Adjuvans zur manuellen Medizin gezeigt.

Ergebnisanalyse

Gefunden wurden 13 Studien, die die Behandlung von Kindern mit ICP mit den Mitteln der manuellen Medizin thematisierten. Die Arbeiten stammen aus den Jahren 1991 bis 2013. Von den gefundenen Studien erfüllten 3 nicht die Einschlusskriterien. Eine der Arbeiten fokussierte auf die postoperative Rehabilitation von Kindern mit ICP; dabei handelt es allerdings um Einzelfallberichte. Eine zweite beschäftigte sich mit muskelkranken Kindern und erfüllte somit nicht die Einschlusskriterien. Bei der dritten Arbeit handelt es sich um eine Zusammenfassung der bestehenden Literatur. Somit konnten 10 Studien näher analysiert und miteinander verglichen werden (Tab. 1). Untersucht wurden insgesamt 850 Kinder mit ICP im Alter von 18 Monaten bis 30 Jahren.

Einschlusskriterien waren zerebrale Bewegungsstörung, geografische Gegebenheiten (wie der Wohnort der Probanden), normale bis mittelgradig beeinträchtigte intellektuelle Fähigkeiten, der Rosenbaum-Score und Lage des Nachnamens im Alphabet. Dreimal gab es keine Informationen zu den Einschlusskriterien.

Ausgeschlossen wurden Patienten, bei denen die Physiotherapie in den letzten 6 Monaten geändert wurde und die neue Medikamente in den letzten 3 Monaten erhalten hatten, ferner Patienten mit akuten Infektionen, Verletzungen oder Operationen in den letzten 6 Monaten, Botulinumtoxininjektionen in den letzten 6 Monaten, neu aufgetretenem Anfallsleiden, Wechsel der Orthesen, neurodegenerativen Erkrankungen sowie Patienten mit mentaler Retardierung und eingeschränkter Kooperationsfähigkeit.

Aufgrund ethischer Bedenken gab es nur in 3 Studien eine Kontrollgruppe, wobei in einer Arbeit die Kontrollgruppe aus ethischen Gründen beendet wurde. Die restlichen Arbeiten haben keine bzw. eine historische Kontrollgruppe; die historische Kontrollgruppe wurde anhand des Rosenbaum-Scores gebildet.

Bei den Studiendesigns handelt es sich bei 4 Arbeiten um prospektive Untersuchungen, bei 4 Arbeiten um randomisierte Studien, in 1 Fall um eine longitudinale Kohortenstudie und in 1 Arbeit um eine kontrollierte Untersuchung mit qualitativem Angang.

Die therapeutischen Regime, die untersucht wurden, zeigten Unterschiede in Art, Dauer und Anzahl der Behandlungen. Die durchschnittliche Behandlungsdauer betrug ca. 2 bis 4 Wochen, die minimale 2 Wochen und die maximale 24 Wochen. Die zu untersuchende Therapie wurde zwischen 6‑ und 15-mal über einen Zeitraum von 10 Tagen bis 24 Wochen durchgeführt. Der Beobachtungszeitraum variierte zwischen 6 und 9 Monaten.

In 2 Arbeiten wurde eine zweite Phase stationärer Therapie angeschlossen. Außer in 1 Studie wurde bei allen die vorherige klassische Physiotherapie fortgeführt. In 2 Arbeiten wurde nur eine Atlastherapie nach Arlen zur klassischen Physiotherapie hinzugefügt. In 7 Arbeiten wurde eine sog. Komplextherapie untersucht. Diese beinhaltete in allen Fällen zusätzlich zur zuvor erfolgten Physiotherapie eine klassische Chirotherapie, Atlastherapie nach Arlen und myofasziales Lösen. Einmal wurde eine Metamermassage miteingeschlossen, 1‑mal eine kraniosakrale Therapie. In 3 Studien wurde eine ESWT 3‑ bis 4‑mal pro Woche addiert. Physiotherapie im Thermalwasser kam 2‑mal, propriozeptive Massage 3‑mal zum Einsatz. Akupunktur wurde 1‑mal angewandt. In 1 Studie wurde zusätzlich Ergotherapie 3‑mal pro Woche hinzugefügt. Einmal erfolgte zusätzlich Ergotherapie abhängig vom klinischen Befund. In 3 Arbeiten wurde zusätzlich eine Laufbandtherapie inkludiert, davon in 1 Arbeit abhängig vom klinischen Befund. Eine maschinengestützte Therapie kam 1‑mal mit zum Einsatz. In 1 Arbeit wurde nur manuelle Therapie einer klassischen Physiotherapie und Akupunktur gegenübergestellt.

Tab. 1 Zusammenfassung der Ergebnisse der untersuchten Arbeiten

Nur in 1 Arbeit, die jedoch die ESWT zum Hauptthema hatte, wurde die Beweglichkeit der oberen Extremität betrachtet. Erfasst wurden auch die subjektive Zufriedenheit der Patienten und der betreuenden Personen sowie unterschiedliche Scores (Pediscore, WeeFIM u. a.). Um die Bewertbarkeit zu ermöglichen, wurde die Analyse auf die am meisten genutzten Parameter beschränkt. Dies sind die goniometrische Messung der Hüft‑, Knie- und Sprunggelenke, ganganalytische Messungen und der GMFM. Die Therapieerfolge wurden in 6 Arbeiten mittels GMFM gemessen. In 3 Arbeiten wurden goniometrische Daten verarbeitet. Ganganalysen erfolgten in 5 Studien.

Unter der Komplextherapie zeigte sich eine Zunahme des Bewegungsumfangs („range of motion“, ROM) der Hüfte von 20,1°, der Knie um 17,4° und im oberen Sprunggelenk (OSG) um 10,6°. Bei reiner Atlastherapie wurde eine Verbesserung des ROM der Knie bei gebeugter Hüfte um 14° und bei gestreckter Hüfte um 8,6° gemessen. Die restlichen Gelenke verbesserten sich um 1–3° [8].

Im Gangzyklus war bei reiner Atlastherapie die Flexion des Knies in der Schwungphase um 4,5° und die Extension in der Standbeinphase um 2° verbessert. Die Hüftflexion gewann 3° dazu. Mit der Komplextherapie zeigte sich eine Zunahme des ROM im OSG um 2–3,5°, der Beckenwinkel nahm um 2° und die Summe aus Knie und Sprunggelenkwinkel beim initialen Bodenkontakt um 8° zu [7].

Im Bereich des GMFM zeigt sich in der Gruppe mit Komplextherapie eine Zunahme von 14,01–17,55 %. In den Untersuchungen, die nur die manuelle Therapie betrachteten, kam es zu einer Verbesserung um 1,9–9,8 %.

Die additive extrakorporale Stoßwellentherapie verbessert die Ergebnisse

Wenn additiv die ESWT in die Therapie integriert wurde, zeigte sich eine Zunahme des ROM des OSG um 7° gegenüber der Behandlung mit manueller Medizin. Der ROM des Knies nahm um 7,1° und die Hüftbeweglichkeit um 13,9° zu. In der Ganganalyse war eine Zunahme der OSG-Beweglichkeit um 35 %, des Summenwinkels aus Knie- und OSG-Beweglichkeit beim initialen Bodenkontakt um 21,3 % und der Rumpfaufrichtung in der Standphase um 11,6 % zu beobachten.

Als Nebenwirkungen traten in sehr niedriger Zahl eine zu starke Tonusminderung und vagale Reaktionen auf, die jedoch passager waren.

Der therapeutische Effekt blieb im Ausnahmefall bis zu 2 Monaten bestehen. In der Regel war der Effekt bis 4 Wochen bemerkbar.

Diskussion

Die vorhandenen Studien sind sehr heterogen. Die jüngste Arbeit stammt aus dem Jahr 2013, neuere Daten liegen nicht vor. Jedoch entstehen derzeit Arbeiten, die sich der Thematik annehmen.

Am besten vergleichbar sind die Arbeiten von Lohse-Busch [6,7,8,9,10], Bücher [2] und Riedel [12]. Die Autoren haben im Wesentlichen ein ähnliches Therapieschema betrachtet. Auch der zeitliche Ablauf der Behandlungen war ähnlich. Die Einschluss- und Ausschlusskriterien waren dieselben. Zum Vergleich wurde hauptsächlich der GMFM herangezogen, in 2 Arbeiten wurden goniometrische und in 1 Arbeit ganganalytische Daten verarbeitet. Eine alleinige Betrachtung von manueller Medizin bzw. nur einer Behandlungsmethode erfolgte nicht. Die Kontrollgruppe war aus ethischen Gründen historisch bzw. wurde mit dem Rosenbaum-Score verglichen.

Bei den Arbeiten dieser Gruppe zeigte sich eine statistisch signifikante Verbesserung der goniometrischen und ganganalytischen Daten sowie des GMFM-Scores. Besonders gute Ergebnisse ließen sich nach zusätzlich erfolgter ESWT erzielen [6].

Nur in 2 Arbeiten wurde ausschließlich die Atlastherapie nach Arlen zur klassischen Physiotherapie hinzugefügt. Dabei wurden relative kleine Gruppen ohne Kontrollgruppen untersucht. Es konnte keine signifikante Verbesserung der gemessenen goniometrischen Daten gezeigt werden. Beschrieben wurde eine Verbesserung der Lebensqualität [7, 8].

In der Studie von Bücher [2] wurde zusätzlich zur Komplextherapie Akupunktur angewandt. Danach konnte keine weitere Verbesserung im GMFM-Score gegenüber den anderen Untersuchungen gezeigt werden. Gezeigt wurden hier eine statistisch signifikante Verbesserung im GMFM und eine weitere Verbesserung in einem 2. Krankenhausaufenthalt. Hier erfolgte, wie auch in den anderen Arbeiten dieser Gruppe, eine Aufspaltung der Ergebnisse in die Stufen des Gross Motor Function Classification System (GMFCS). Am meisten profitierten Patienten der Stufe III.

In den untersuchten englischsprachigen Studien zeigte sich, dass die Frequenz und Häufigkeit der Therapie weitaus geringer waren als in den deutschen Arbeiten. Eine genaue Beschreibung der Prozedur erfolgt dort nicht, orthopädische manuelle Therapie (OMT) umfasst alle Varianten der Manualmedizin. Dennoch konnte in einer Studie eine statistisch signifikante Verbesserung des GMFM v. a. im Vergleich mit Akupunktur und Nichttherapie festgestellt werden. In der zweiten Arbeit gab es auch Verbesserungen im GMFM, diese waren jedoch statistisch nicht signifikant [3, 13].

Der Vergleich aller Arbeiten zeigt, dass der GMFM der aussagekräftigste Parameter ist. Er wird jedoch im klinischen Alltag nicht angewandt, da er sehr aufwendig ist.

Die Komplextherapie ist das Konzept mit den besten Ergebnissen

Das Konzept mit den besten Ergebnissen ist die Komplextherapie mit einer Dauer von 12 Tagen werktäglich ausgeführter manueller Medizin. Allerdings lässt sich aus den vorhandenen Studien nicht herauslesen, welche Prozedur am besten ist. Es zeigt sich, dass die Summe aus den Behandlungen Verbesserungen bringt. Alleinige Physiotherapie verbessert motorische Fähigkeiten nicht. Die Atlastherapie nach Arlen allein führt auch schon zu einer Verbesserung bei goniometrischen und ganganalytischen Parametern sowie der Feinmotorik, die Werte sind jedoch statistisch nicht signifikant. Die Wirksamkeit der manuellen Medizin allein lässt sich am besten aus den englischen Arbeiten ablesen. Dort kommt es auch nur durch manuelle Medizin zu einer Verbesserung des GMFM.

Die Beweglichkeit der oberen Extremität steht in keiner Arbeit, die sich mit manueller Therapie allein beschäftigt, im Fokus. Feinmotorik, Alltagsfähigkeit, Pflegefähigkeit, Zufriedenheit werden nur am Rande betrachtet.

Schwächen der Arbeiten sind, dass sich nur ein sehr enger Kreis mit der Thematik befasst, dass sehr heterogene Therapieregime verglichen werden, es teilweise keine Kontrollgruppen gibt und unterschiedliche Parameter getestet werden.

Als positiv zu werten ist, dass es in keiner Arbeit zu Verschlechterungen des Zustands der Patienten kam und keine nennenswerten Nebenwirkungen auftraten.

Resultierend aus den Ergebnissen kann eine klare Empfehlung abgegeben werden, manuelle Medizin bei Kindern mit ICP anzuwenden. Gefährliche Nebenwirkungen konnten nicht gefunden werden. Die aufgetretenen unerwünschten Wirkungen waren passager. Dabei handelte es sich um zu starke Tonusreduktionen und vagale Reaktionen.

Als sinnvolle Häufigkeit der Therapiedurchführung scheint die Empfehlung für eine 2 Wochen dauernde Intensivtherapie zu sprechen. Diese sollten im Intervall wiederholt werden. Dieses Setting ist aus organisatorischen Gründen am besten im Rahmen einer stationären Therapie durchführbar, v. a. auch weil bisher manuelle Therapie allein noch nicht beurteilt werden kann.

Ob Operationen vermieden oder verschoben werden können, lässt sich nicht eindeutig ableiten. In einzelnen Fällen ist es wohl zu einer Vermeidung einer Operation gekommen. Schlecht abgebildet werden können auch Qualitäten wie Anbahnen von Alltagsfunktionen, Auftreten von Lächeln und Zufriedenheit. Ob Schmerzen gebessert werden können, wurde nicht untersucht.

In der Zusammenschau muss gesagt werden, dass manuelle Medizin unbedingt angewandt werden sollte. Es wurden keine relevanten Komplikationen entdeckt. Ein geeignetes Therapieregime ist eine Intensivtherapie über 2 Wochen, integriert in ein Therapiebündel. Alltagsfunktionen können durch Erreichen einer höheren Entwicklungsstufe oder Erreichen neuer motorischer Fähigkeiten verbessert werden.

Manuelle Medizin sollte bei Kindern mit ICP unbedingt angewandt werden

Anhand der vorliegenden Arbeiten muss die Frage aufgeworfen werden, ob es ethisch vertretbar ist, den Patienten diese Art der Therapie vorzuenthalten bzw. sie nicht als Therapiestandard zu sehen. Der Therapieerfolg ist messbar und bei einzelnen Patienten konnte eine schon gestellte Operationsindikation wieder verlassen werden.

Zu beweisen wäre noch, dass eine frühzeitige Therapie schon im Säuglingsalter eine Verbesserung der motorischen Entwicklung bringen kann. Diagnostisch stehen hier die „general movements“ bereits zur Verfügung [5].

Zusammenfassung und Ausblick

„Die Ziele in der Behandlung von ICP-Patienten sind nicht Heilung, sondern Verbesserung von Alltagsfunktionen, Erhalt bereits erlernter Fähigkeiten, Verhindern von Operationen, Verbesserung der Pflegefähigkeit, Erhalt der Selbstständigkeit und Vorbeugen von Folgeschäden.“

Die Behandlung dieser Patienten erfolgt immer interdisziplinär. Aus den vorliegenden Arbeiten kann abgeleitet werden, dass manuelle Medizin ein durchaus geeignetes Mittel ist, um Patienten mit ICP zu behandeln. Unklar bleibt jedoch, welche Therapie die effektivste ist, da die Behandlungen nur im Rahmen eines Bündels untersucht wurden. Die Atlastherapie nach Arlen scheint ein sinnvolles Adjuvans zu sein. Der Effekt einer alleinigen manuellen Therapie wurde nur in 2 Arbeiten betrachtet; hier zeigte sich schon eine Verbesserung des GMFM.

In den nach wissenschaftlichen Kriterien nicht messbaren bzw. statistisch nicht abbildbaren Bereichen (Wohlbefinden, Erlangen von Kopfkontrolle, Zufriedenheit, bessere Pflegefähigkeit, Anbahnen von Sitz- und Gehfähigkeit) kam es zu deutlichen Verbesserungen. Schmerz kann durchaus gelindert und Alltagsfunktionen können angebahnt werden.

Definitive Aussagen zur Verzögerung oder Verhinderung von Operationen werden nicht gemacht, wobei erwähnt wurde, dass einige schon gestellte Operationsindikationen revidiert werden konnten.

Die sinnvollste Variante der Therapie ist die Komplextherapie in einem stationären Setting von ca. 10 Tagen, an denen werktäglich manuelle Medizin angewandt wird. Eindeutig belegt ist, dass sie alleinige Physiotherapie keine Verbesserung bringt, sondern nur den Ist-Zustand halten kann.

Wünschenswert wäre, dass diese Art der Therapie im klinischen Alltag ermöglicht und auch im ambulanten Bereich möglich wird. Langfristig trägt dies dazu bei, Kosten zu sparen. Die benötigten Ressourcen sind gering, der Output ist aber groß. Als weitere wünschenswerte Variante wäre eine interdisziplinäre Therapieeinheit nötig, um auch die ambulante Zwischentherapie und Kontrolle zu gewährleisten.

Eine Messung des Therapieerfolgs ist mittels GMFM, ROM und Ganganalyse möglich. Der GMFM eignet sich jedoch nicht für den klinischen Alltag, da er sehr aufwendig ist. In den Arbeiten, die das Ergebnis nach dem GMFCS aufschlüsseln, zeigt sich, dass das Ergebnis umso besser ist, je schlechter der Ausgangsbefund ist. Am meisten profitieren jedoch Patienten mit einem GMFCS III.

Im Wesentlichen handelt es sich um Studien aus dem deutschsprachigen Raum und aus derselben Gruppe. Die letzte Arbeit zu diesem Thema stammt aus dem Jahr 2013. Sinnvoll wäre es, eine komplett neue Studie zu designen, in der ausschließlich zur klassischen Physiotherapie Techniken der manuellen Medizin verglichen werden. Am besten wäre eine Multicenterstudie, um eine möglichst große Fallzahl und somit eine gute Aussage zu erhalten. Es sollte keine Durchmischung mit Akupunktur und ESWT erfolgen. Um eine deutliche Wirksamkeit belegen zu können, wäre auch eine Kontrollgruppe mit klassischer Physiotherapie nötig.

Die Handfunktion findet in den Studien nahezu keine Beachtung und sollte näher untersucht werden.

Zur postoperativen Behandlung von ICP-Patienten mit manueller Medizin konnte 1 Arbeit gefunden werden. Allerdings handelt es sich dabei nur um Einzelfallberichte. Es sollte näher untersucht werden, ob die postoperative Behandlung mit manueller Medizin ein besseres Outcome bringt.

Zur frühen Diagnose der ICP stehen die „general movements“ zur Verfügung. Die Beobachtung dieser Bewegungen kann schon sehr früh einen Verdacht auf eine zerebrale Bewegungsstörung wecken [5]. Da man heute weiß, wie wichtig eine normale Propriozeption für die motorische Entwicklung des Säuglings ist, erscheint es umso wichtiger zu untersuchen, ob eine frühzeitige Behandlung bei zerebral bewegungsgestörten Kindern einen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung hat. Kann sie Operationen vermeiden helfen und eine höhere Entwicklungsstufe erreicht werden [4]?

Abschlussbemerkung.

Leider hat die Manualmedizinische Ambulanz der Rheintalklinik in Bad Krozingen, die sich diesem Behandlungskonzept verschrieben hatte, die Pforten geschlossen. Ich durfte dort die Komplexbehandlung kennenlernen und hoffe, dass dieses Konzept weiterverfolgt wird.

Fazit für die Praxis

  • Manuelle Therapie sollte bei Patienten mit infantiler Zerebralparese (ICP) unbedingt angewandt werden.

  • Das Behandlungsziel ist das Erreichen der nächstmöglichen Entwicklungsstufe.

  • Physiotherapie allein verbessert die Funktionen nicht.

  • Die Zuhilfenahme von extrakorporalen Stoßwellen kann den Effekt verbessern.

  • Der Effekt ist mittels Gross Motor Function Measure (GMFM) messbar.

  • Weitere Untersuchungen sind dringend notwendig.

  • Die Frage, ob eine frühere Behandlung zu einer besseren Entwicklung führt, ist weiter zu untersuchen.