Zusammenfassung
Hintergrund
Verletzungen der kindlichen thorakolumbalen Wirbelsäule sind selten und stellen für den behandelnden Arzt eine Herausforderung dar. Neben den Kenntnissen der Frakturversorgung kommt den speziellen anatomischen Besonderheiten der kindlichen Wirbelsäule eine große Bedeutung zu.
Methoden
Der Beitrag gibt einen Überblick über Diagnostik und Therapie mit den gebräuchlichsten Klassifikationen bei kindlichen Verletzungen der thorakolumbalen Wirbelsäule.
Ergebnisse
Unter Beachtung des Kindesalters und der Frakturmorphologie kann in den meisten Fällen konservativ behandelt werden, zumal gerade beim jungen Patienten ein hohes Remodellierungspotenzial besteht. Je älter die Kinder werden, umso fließender wird der Übergang zur Therapie beim Erwachsenen, sodass bei instabilen Verletzungen auch hier entsprechend operativ vorgegangen werden sollte.
Schlussfolgerung
Die schwierige Indikation und Besonderheiten der operativen Therapie machen die Behandlung in einem kinderwirbelsäulenchirurgisch erfahrenen Zentrum notwendig.
Abstract
Background
Injuries of the thoracolumbar spine in children are rare and challenging for the treating physician. Besides knowledge of fracture treatment, the anatomical particularities of the spine in children are of great importance.
Methods
The article gives an overview of the diagnosis and therapy with the most common classification of injuries of the thoracolumbar spine.
Results
Taking into account the children’s age and the fracture morphology most cases can be treated conservatively, especially because the young spine has great potential for remodelling. The older the child becomes, the more smoothly the transition to adult treatment occurs; thus, unstable fractures should be treated with surgery.
Conclusion
The difficult indication and the specific characteristics of surgery necessitate treatment in a spine centre with experience with surgery on children.
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Wirbelsäulenverletzungen im Kindesalter sind selten und werden in der Literatur mit 1–4 % aller Frakturen bei Kindern und Jugendlichen angegeben. Hiervon treten 20–60 % im thorakolumbalen Bereich auf, mit einem erhöhten Aufkommen bei älteren Kindern [31, 35]. Betrachtet man Frakturen des thorakolumbalen Übergangs isoliert, wird eine Inzidenz von 0,6–0,9 % beschrieben, der Altersgipfel liegt zwischen dem 14. und 16. Lebensjahr, wobei Knaben häufiger betroffen sind [13, 38]. Die geringe Inzidenz lässt sich dadurch erklären, dass die kindliche Wirbelsäule einerseits eine vermehrte Beweglichkeit aufweist und anderseits die Bandscheiben eine bessere Pufferwirkung haben [4]. Ursache hierfür sind sowohl ein höherer Wasser- als auch ein erhöhter Knorpelanteil [13].
Nur selten kommt es zu neurologischen Defiziten
Hauptursachen für Wirbelsäulenverletzungen sind Verkehrsunfälle sowie Stürze aus großer Höhe [5], was auch die hohe Rate an Begleitverletzungen erklärt, die häufig vorliegen. Als für die Therapieentscheidung relevantes Problem zeigen sich nicht selten kyphotische Deformierungen im betroffenen Wirbelsäulenabschnitt [19, 27]. Stauchungstraumata aus Spiel- und Sportunfällen führen v. a. im Bereich der mittleren Brustwirbelsäule (BWS) meist zu stabilen Kompressionsfrakturen ohne Hinterkantenbeteiligung, Spinalkanaleinengungen oder neurologischen Defiziten [6]. Kompressionsberstungsbrüche, Flexions-/Distraktionsverletzungen oder Frakturen mit Rotationsinstabilität sind dagegen eher Folge von Hochrasanztraumata (meist Verkehrsunfälle) und betreffen zumeist den Bereich des thorakolumbalen Übergangs bei Jugendlichen [3, 21, 40]. Nur selten kommt es zu neurologischen Defiziten, deren Prognose allgemein als gut angesehen wird [12].
Anatomische Besonderheiten
Beim Neugeborenen und Kleinkind sind Bandscheiben und Wirbelkörper noch etwa gleich hoch ausgebildet. Dieser hohe Knorpelanteil verleiht der Wirbelsäule eine überaus hohe Flexibilität in allen Abschnitten und eine gute Widerstandsfähigkeit gegen axiale Kräfte. Durch die Verschiebung der Relation zwischen Wirbelkörper und Zwischenwirbelscheiben zugunsten der knöchernen Elemente kommt es im weiteren Wachstum zu einer zunehmenden Festigung. Aus anatomisch funktioneller Sicht stehen beim Kleinkind die hohen Bandscheiben und die dicken, knorpeligen Endplatten als flexible, elastische Bauelemente zunächst im Vordergrund. Eine mechanische Schwachstelle gegenüber übermäßigen Distraktions- und Scherkräften stellt die osteochondrale Übergangszone an den Endplatten dar [2].
Beim Kleinkind wird durch die hohe Elastizität des Bindegewebes und die Summe dieser elastischen Elemente eine longitudinale Dehnung der Wirbelsäule von bis zu 5 cm möglich, ohne dass strukturelle Schädigungen nachweisbar sind. Da die Widerstandsfähigkeit des Rückenmarks bei Zugbelastungen im Vergleich dazu viel geringer ist, kann es zu schwerwiegenden Schädigungen des Marks kommen, ohne dass strukturelle Verletzungen des Rückenmarks initial nachweisbar sein müssen [17].
In den Wirbeln der BWS und der Lendenwirbelsäule (LWS) liegen 8 Ossifikationszentren vor, die Fusion findet hier zwischen dem 10. und 14. Lebensjahr statt. Auch der Bogenschluss erfolgt in den verschiedenen anatomischen Regionen zu unterschiedlichen Zeiten: in der Halswirbelsäule (HWS) im Alter von etwa 6 Jahren, in der BWS im Alter von etwa 7 bis 9 Jahren und in der LWS etwa im 9.–10. Lebensjahr. Dieses Wissen ist für die Differenzialdiagnose einer Fraktur bedeutsam.
Wichtig bei der Beurteilung von Röntgenaufnahmen ist die Kenntnis, dass die Wirbelkörper bis zum 8. Lebensjahr physiologischerweise leicht keilförmig sind. Ab dem 8.–10. Lebensjahr reift die kindliche Wirbelsäule mit stabileren Bändern und Gelenken, steileren Facettengelenken und rechteckigen Wirbelkörpern und nähert sich biomechanisch und anatomisch der Erwachsenenwirbelsäule an [25].
Anamnese und klinische Untersuchung
Nach Unfällen gibt die Anamnese wichtige Hinweise auf die Verletzungsart. Die Bewertung des Unfallmechanismus kann Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit einer Wirbelsäulenverletzung geben, zudem werden Vorerkrankungen oder vorangegangene Operationen erfragt.
Eine umfassende körperliche Untersuchung des Patienten ist die Grundvoraussetzung für die Diagnosestellung. Die Inspektion auf Verletzungszeichen, Verformungen und das Abtasten (Druck- und Klopfschmerz, Stufen, Versetzungen, tastbare Lücken zwischen Dornfortsätzen, Hämatome, Kontusionen) des gesamten Rückens vervollständigen die Basisuntersuchung.
Als klinisch richtungweisend gilt beim wachen Kind die Druckschmerzhaftigkeit der Dornfortsätze [16]. Santago et al. fanden diesbezüglich bei einer retrospektiven Studie mit 192 Patienten eine Sensitivität von 87 % bei einer Spezifität von 75 % [33].
Die Basisuntersuchung der Wirbelsäule in der Notfallsituation am Unfallort wie auch im Schockraum beinhaltet die orientierende neurologische Untersuchung der Sensibilität, der Motorik und der Reflexe. Ein segmentbezogenes neurologisches Defizit kann Hinweise auf das Vorliegen einer Rückenmarks-, Nervenwurzel- oder Plexusverletzung geben. Höhe und Ausmaß (komplett oder inkomplett) der Läsionen können so eingrenzend bestimmt werden.
Beim bewusstlosen Unfallverletzten bzw. Kleinkind ist eine Wirbelsäulenverletzung klinisch schwer fassbar. Dennoch können ein schlaffer Muskeltonus, insbesondere auch des Analsphinkters, eine fehlende Schmerzabwehr, die reine Bauchatmung und ein Priapismus auf eine Querschnittslähmung hinweisen.
Bildgebende Diagnostik
Bezüglich der Indikationen zu Schnittbilduntersuchungen wie Computertomographie (CT); Magnetresonanztomographie (MRT) finden sich in der Literatur keine einheitlichen Empfehlungen.
Röntgen
Zur Standarddiagnostik bei Verdacht auf eine thorakolumbale Wirbelfraktur im Wachstumsalter gehört beim Monotrauma zunächst die Röntgendiagnostik des entsprechenden Abschnitts in 2 Ebenen.
Computertomographie
Bei Mehrfachverletzungen, komplexem Verletzungsmechanismus und kreislaufinstabilen, intubierten Kindern wird, dem klinikeigenem Polytraumaprotokoll entsprechend, eine komplette CT-Abklärung (Schädel, HWS und thorakoabdominal mit Kontrastmittel) durchgeführt.
Magnetresonanztomographie
Auch wegen der fehlenden Strahlenbelastung wird die MRT gerade beim Kleinkind für die Diagnostik immer wichtiger. Der hohe Anteil von seriellen Kompressionsfrakturen und der notwendige Ausschluss diskoligamentärer Instabilitäten macht sie bei den kindlichen Verletzungen, gerade auch bei Monoverletzungen, unabdingbar. Oftmals zeigt das MRT bei diesen Fällen eine Vielzahl mitverletzter Wirbelkörper in Form einer Kontusion (Knochenödem, „bone bruise“; [37]; Abb. 1).
Die Diagnose „spinal cord injury without radiologic abnormalities“ (SCIWORA) bei schweren neurologischen Schäden ohne auffälligen radiologischen Befund ist noch von Relevanz, häufig findet sich jedoch aufgrund der verbesserten MRT-Diagnostik eine zuzuordnende Pathologie [11, 26].
Bei Vorliegen neurologischer Symptome ist das MRT Standard [10, 37]. Auch im Hinblick auf die Frakturklassifikation und die Vorhersage der Stabilität kann das MRT hilfreich sein: zur Beurteilung einer Bandscheibenpathologie, der Abschätzung eines Wirbelkörperödems oder dem sicheren Ausschluss einer ligamentären Typ-B-Verletzung.
Klassifikation
Verletzungen von Kindern bis zum 12. Lebensjahr sind in stabile (gering bzw. nicht dislozierte) Frakturen und instabile (dislozierte) Frakturen einzuteilen, da die Entscheidung bezüglich der zu wählenden Therapie im Wesentlichen auf diesen Kriterien basiert [9, 36, 42, 43]. Dabei können Frakturen mit einer Kompression des Wirbelkörpers ohne wesentliche oder geringe Dislokation als stabil beschrieben werden.
Instabile Frakturen hingegen werden als Wirbelkörperkompression mit Gelenkfortsatzfraktur und/oder Bogenfraktur/Bogenwurzelfraktur oder zusätzlicher Bandläsion jeweils in Kombination mit einer Fehlstellung definiert.
Weit detaillierter sind die Klassifikationen nach Aitken, Salter/Harris und Takada/Epstein, die die Besonderheiten der im Wachstum befindlichen Wirbelsäule berücksichtigen, sowie die Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) bei Adoleszenten. Aitken, Salter und Harris [1, 32] beziehen die Einteilung auf Verletzungen von Kindern unter 8 Jahren; Takada und Epstein [8, 32] beschreiben Frakturen älterer Kinder bzw. von Adoleszenten (Tab. 1).
Im Bereich der Brust- und Lendenwirbelkörper sind zudem Abrisse der Synchondrosen zwischen den Bogenkernen und dem bipolaren neurozentralen Knorpel in Form einer traumatischen Spondylolyse möglich.
Aitken,- Salter und- Harris
Kommt es bei Kindern unter 8 Jahren zu einer Fraktur der knorpeligen Wirbelkörperendplatten und der Wachstumsfuge, so handelt es sich bei einer Lösung der unteren knorpeligen Wirbelkörperendplatte um eine Salter-Harris-I-Verletzung, die sich vornehmlich im Bereich der HWS und der oberen BWS finden. Wegen der Potenz zum Längenwachstum ist hier eine sekundäre Deformität möglich. Bei einem Abbruch der vorderen unteren Wirbelkörperkante handelt es sich um eine Aitken-II-/Salter-Harris-III-Läsion (Abb. 2). Die weiteren, von den Extremitätenverletzungen bekannten Stadien dieser Klassifikationen spielen im Bereich der Wirbelsäule keine Rolle.
Takada und Epstein
Bei älteren Kindern/Adoleszenten kann die Einteilung der Frakturen nach der ringförmigen Wirbelkörperrandleiste (Apophysenring) erfolgen. Es handelt sich um eine frakturierte Wachstumsfuge, die sich zum Teil spontan reponieren kann und so der konventionellen Diagnostik verborgen bleibt. Die meisten Apophysenabrisse liegen bei den meist männlichen Adoleszenten lumbal-kranial, selten thorakal oder zervikal. Als Ursache gelten chronische Überlastungen durch Sport oder ein heftiges Monotrauma. Klinische Symptome einer Diskushernie sind möglich. Die Einteilung erfolgt nach Takada und Epstein, wobei prinzipiell zwischen einer Dislokation nach ventral (betroffen sind vorderes Längsband und Anulus fibrosus) und einer Dislokation nach dorsal (häufiger) unterschieden wird (Abb. 3). Letztere werden in 4 verschiedene Typen unterteilt [39]:
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Typ 1: Lösung des gesamten hinteren Längsbands (11.–13. Lebensjahr)
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Typ 2: Randleiste mit spongiösen Anteilen des Wirbelkörpers (13.–18. Lebensjahr)
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Typ 3: Lateraler Teil der Randleiste mit Teilen des Wirbelkörpers (> 14. Lebensjahr)
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Typ 4: Fraktur der gesamten Hinterwand zwischen den Endplatten, gegebenenfalls mit Spinalkanaleinengung
Bei neurologischem Befund wird eine Dekompression erforderlich, zudem ist die mögliche Ausbildung sekundärer Deformitäten zu beachten.
Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen
Wie im Erwachsenenalter kann bei Kindern ab dem 12. Lebensjahr bzw. bei Jugendlichen die überarbeitete AO-Klassifikation zur Anwendung kommen [29, 34, 41, 42]. Sie nimmt eine Einteilung in 3 Frakturtypen (A–C) mit jeweiligen Untergruppierungen vor (Abb. 4):
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Typ-A-Frakturen (Kompressionsverletzungen nach axialer Last) betreffen die vordere Säule bei intakten posterioren Strukturen (Bänder, Facettengelenke). Sie werden in 5 Subtypen unterteilt (Abb. 5, 6 und 7).
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Typ-B-Verletzungen bezeichnen ein Versagen der dorsalen Strukturen. Dies beinhaltet die Facettengelenke und den posterioren Bandkomplex, der kyphosierenden Kräften entgegenwirkt. Häufig werden diese Verletzungen in Verbindung mit Typ-A-Verletzungen der Wirbelkörper gesehen. Es erfolgt eine Unterteilung in 3 Subtypen. Jede mitassoziierte Wirbelkörperverletzung sollte separat klassifiziert werden gemäß der Unterteilung bei den Typ-A-Frakturen (Abb. 8 und 9).
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Typ-C-Verletzungen sind charakterisiert durch eine Verschiebung von kranialen zu kaudalen Teilen der Wirbelsäule in jeder Ebene.
Diese Weiterentwicklung der Magerl-Klassifikation [22] erscheint insofern günstig bei Kindern, da ein MRT gefordert wird, um z. B. ligamentäre Verletzungen sicher zu detektieren.
Therapie
Das Ziel der Therapie von kindlichen Wirbelfrakturen ist eine Wiederherstellung der anatomischen Verhältnisse und der Stabilität. Der Großteil der Verletzungen kann konservativ versorgt werden. Je älter die Kinder jedoch werden, umso fließender ist der Übergang zum bekannten Behandlungsregime beim Erwachsenen [30].
Hierbei ist das unterschiedliche Korrektur – und Regenerationspotenzial der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte zu beachten. Mit zunehmender Instabilität ist eine operative Behandlung notwendig. So können eine frühe Schmerzlinderung erreicht, eine progrediente Deformierung vermieden und nervale Strukturen durch eine frühzeitige Dekompression geschützt bzw. entlastet werden. Ein weiterer Vorteil ist zudem die frühzeitige Mobilisierung und Entlassung in das familiäre Umfeld.
Instabilitätskriterien
Blauth [17] stellte eine Fraktureinteilung in stabil, geringgradig instabil und hochgradig instabil vor:
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Bei stabilen Frakturen tritt unter Belastung keine Stellungsänderung ein.
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Bei geringgradig instabilen Frakturen zeigt sich eine Restinstabilität mit Heilung in geringer Fehlstellung.
-
Bei hochgradiger Instabilität ist eine Ausheilung mit starker Fehlstellung mit neurologischen Komplikationen zu erwarten.
Die neue AO-Klassifikation gibt hier einen Hinweis auf die Instabilität: Typ-A0-Frakturen sind nicht stabilitätsgefährdend und daher als stabil anzusehen. Diffiziler verhält es sich mit den Impressionsfrakturen vom Typ A1: i. d. R. als stabil anzusehen, kann es hier bei einem Grunddeckplattenwinkel von 15–20° (Röntgenbilder im Stehen) zu einer weiteren Fehlstellung kommen. Als weiteres Instabilitätskriterium wird in der Literatur ein Wirbelkörperödem in über zwei Drittel des Wirbelkörpervolumens angesehen [15], sodass in diesem Fall auch A1-Frakturen als geringgradig instabil anzusehen sind.
Bei Typ-A2-Verletzungen ist die Bandscheibenbeteiligung von entscheidender Bedeutung; liegt hier ein Schaden vor, kann ebenfalls eine geringgradige Instabilität vorliegen, v. a. wenn zusätzlich auch ein Grunddeckplattenwinkel von 15–20° vorliegt. Häufig sieht man dabei Pseudarthrosen oder Bandscheibenimpressionen in den Wirbelkörpern.
Typ-A3-Frakturen zeigen eine Verletzung der vorderen und mittleren Säule, i. d. R. ist die Bandscheibe zerstört. Laut Literatur [7, 14, 15] zeigen 87 % der Bandscheiben nach 12 Monaten einen Defekt. Als weitere Instabilitätsfaktoren bei Berstungsfrakturen werden eine fehlende Verdichtung der Fragmente, eine Zerstörung von mehr als einem Drittel der Wirbelkörperhöhe und eine Fragmentdislokation von über 2 mm angesehen, sodass hier durchaus die Schwelle zur hochgradigen Instabilität überschritten werden kann. Das Gleiche gilt für komplette Berstungsbrüche vom Typ A4.
Typ B‑Verletzungen gelten bei Versagen der dorsalen oder ventralen osteoligamentären Zuggurtung als hochgradig instabil und sollten stabilisiert werden, gleiches gilt selbstverständlich für Typ-C-Frakturen. Zudem werden eine Höhenreduktion der Wirbelkörper von > 40 %–50 % ebenso wie eine Spinalkanaleinengung > 40 %–50 % als Instabilitätskriterien gesehen [27].
Konservative Therapie
Die Spontankorrekturfähigkeit keilförmig komprimierter Wirbelkörper im Kindes- und Jugendalter ist aus der Literatur bekannt [17]. Sie ist altersabhängig und ab Risser-Stadium 3 reduziert [23, 28].
Knöcherne Verletzungskomponente
Generell können persistierende ventrale Kompressionswinkel (Kyphosewinkel) von bis zu 10° kompensiert werden. Im Risser-Stadium 1–2 (Kalzifikation von maximal ein bzw. zwei Dritteln der Beckenkammapophyse) auch 10–20°.
Laterale Kompressionen zeigen i. d. R. keine spontane Verbesserung [28] und sollten eher korrigiert werden. Bei Risser-Stadium ≤ 2 wird bei einer Keilwirbelbildung von mehr als 10° das Tragen eines Reklinationskorsetts zur Druckentlastung der Wachstumszone und Stimulation des vorderen Wirbelkörperwachstums bis zu einem Jahr empfohlen [30]. Eine konservative Ausheilung ist zudem bei rein ossären Chance-Frakturen mit Ruhigstellung im reklinierenden Korsett möglich.
Bei Kompressionsfrakturen im oberen BWS-Bereich ohne weitere thorakale Verletzung mit einem Kyphosewinkel ≤ 15° ist die frühfunktionelle Behandlung mit Krankengymnastik, Rückenschulung und Muskelaufbau nach kurzer Bettruhe und suffizienter Analgesie die zu empfehlende Therapie. Für 3 Monate sollte eine generelle Sportkarenz eingehalten werden.
Zur Verlaufskontrolle empfehlen wir Zielaufnahmen nach 1, 3 und 6 Wochen bei exakter Darstellung der betroffenen Region mit zugleich reduzierter Strahlenbelastung sowie nach 6 Monaten und einem Jahr.
Bandscheibenschaden
Der Bandscheibenschaden scheint insbesondere bei Kindern aufgrund der besseren Kompensationsmechanismen keine so wesentliche Rolle zu spielen, während Jugendliche ab dem 16. Lebensjahr bezüglich begleitender Bandscheibenschäden und Regenerationsoptionen den Erwachsenen ähneln. So wiesen Kerttula et al. [18] in einer MRT-Untersuchung mindestens ein Jahr nach thorakolumbaler Berstungsfraktur und konservativem Vorgehen bei Kindern, die 14 Jahre oder jünger waren, keine Bandscheibenläsionen nach. Demgegenüber zeigten sich bei den Patienten, die älter als 15 Jahre waren, mehrheitlich Bandscheibenschäden in den frakturangrenzenden Segmenten. Vergleichbar zu diesen Ergebnissen wiesen Möller et al. [24] auch im Langzeitverlauf bei Kindern mehrheitlich keine Bandscheibenveränderung nach Berstungsfrakturen der thorakolumbalen Wirbelsäule und nachfolgend konservativer Therapie nach. Im Zweifelsfall sollte hier die Indikation zum MRT, gegebenenfalls auch im Verlauf, großzügig gestellt werden.
Operative Therapie
Stabilisierungen der thorakolumbalen Wirbelsäule folgen bei älteren Kindern und Adoleszenten den Grundsätzen der Erwachsenentherapie. Laminektomien sind bei Kindern kontraindiziert, es sei denn, es findet sich eine anders nicht zu behebende mechanische Einengung des Spinalkanals mit zuzuordnenden neurologischen Ausfällen. Andernfalls können so erhebliche Deformitäten im weiteren Wachstum erzeugt werden.
Je nach Frakturmorphologie erfolgt die Instrumentierung mono- oder bisegmental. Ligamentäre Verletzungen müssen zumeist reponiert werden und je nach Alter des Kindes durch Verbinden der Dornfortsätze durch Cerclagen oder im fortgeschrittenen Alter ebenfalls mit einem dorsalen Fixateur stabilisiert werden [3, 6, 20]. Bei sehr kleinen Kindern können die Dornfortsätze auch mit Polydioxanonkordeln oder FiberWire®-Fäden verbunden werden, mit Nachbehandlung im Korsett.
Eine Materialentfernung kann zumeist frühzeitig erfolgen
Generell kommen auch minderinvasive Verfahren mit kurzstreckigen dorsalen Stabilisierungen bei guter Aufrichtung durch die Lagerung bzw. mit minimalinvasiven Repositionssystemen zur Anwendung. Eine Materialentfernung kann zumeist frühzeitig nach 6–9 Monaten erfolgen, bei Verdacht auf eine Bandscheibenschädigung sollte vorher eine MRT-Untersuchung durchgeführt werden. Thorakolumbale Apophysenschäden mit in den Spinalkanal dislozierten Geweben müssen bei neurologischen Symptomen chirurgisch entfernt werden.
Ventrale Spondylodesen sind i. d. R. bei jüngeren Patienten nicht erforderlich. Selten werden diese Verfahren mit Wirbelkörperersatz bzw. Cage nur zur Korrektur bei größeren Fehlstellungen benötigt [11].
Den klinikeigenen Entscheidungsalgorithmus stellt Abb. 10 dar.
Prognose
Oft bildet sich im Verlauf eine nur leicht progressive balancierte Skoliose (< 10°) um den frakturierten Bereich. Unter 12 Jahren findet sich bei fehlender Neurologie nur selten eine persistierende kyphotische Fehlstellung, da hier durch die Wachstumszonen ausgeglichen wird. Segmentale Kyphosen sind selten > als 10°. Im Zweifelsfall können hier auch Hypomochlionaufnahmen weiterhelfen. Frontale Fehlstellungen werden allerdings kaum ausgeglichen; hier können im weiteren Verlauf oft posttraumatische Skoliosen entstehen, die jedoch selten 20° überschreiten. Auch bei den häufigen Serienkompressionsfrakturen und Keilimpaktionsfrakturen ist mit posttraumatischen Deformitäten beim jungen Patienten eher selten zu rechnen. Endplattenfrakturen korrigieren sich i. d. R. nicht, hier kann dann eine Störung des Wachstums die Folge sein. Verletzungen der Endplatten und Bandscheiben können zudem zu Spontanfusionen des Segments führen.
Fazit für die Praxis
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Thorakolumbale Wirbelfrakturen im Kindsalter sind selten und stellen eine Herausforderung bezüglich Diagnostik und Therapie dar.
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Unter Beachtung des Kindesalters und der Frakturmorphologie kann in den meisten Fällen konservativ behandelt werden, zumal gerade beim jungen Patienten ein hohes Remodellierungspotenzial besteht.
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Je älter die Kinder werden, umso fließender wird der Übergang zur Therapie beim Erwachsenen.
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Die schwierige Indikation und Besonderheiten der operativen Therapie machen die Behandlung in einem kinderwirbelsäulenchirurgisch erfahrenen Zentrum notwendig.
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Jarvers, JS., Spiegl, U., von der Höh, N. et al. Verletzungen der kindlichen thorakolumbalen Wirbelsäule. Orthopäde 45, 472–483 (2016). https://doi.org/10.1007/s00132-016-3270-9
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