Hintergrund

Die Epilepsie gehört zu den häufigsten chronischen neurologischen Erkrankungen und stellt für die Betroffenen, Angehörigen und die Gesellschaft eine erhebliche Belastung dar [13]. Geht man von einer medianen Prävalenz von 0,52 % aus [4], so leiden mehr als 400.000 Menschen an einer Epilepsie in Deutschland. Inzidenzdaten für Europa zeigen eindeutige Unterschiede zwischen den einzelnen Altersgruppen. Bei Kindern und Jugendlichen bis zum 20. Lebensjahr liegt die jährliche Neuerkrankungsrate bei 70/100.000. Diese Rate fällt bei 20- bis 64-Jährigen auf 30/100.000 und steigt wieder ab dem 65. Lebensjahr auf 100/100.000 an [4].

Der Aufwand, Menschen mit Epilepsie zu behandeln und zu betreuen, ist von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung, und Studien zu Krankheitskosten bei Epilepsie belegen dies seit Anfang der 1990er Jahre. Im Wesentlichen zeigen sich hohe Kosten bei neu diagnostizierten Patienten aufgrund der Notwendigkeit einer initialen Diagnostik und Hospitalisierung sowie bei therapierefraktären Patienten mit weiterem diagnostischem Abklärungsbedarf und meist notwendiger Polytherapie sowie Einschränkung der Berufstätigkeit [1, 2, 5, 6]. Bislang unzureichend erfasst, sind Patienten mit einem Status epilepticus, bei denen die Schwere der Erkrankung zu einem hohen Therapiebedarf und damit entsprechend assoziierten Ressourcenverbrauch führt [7, 8].

Ziel der Arbeit

In dieser Übersichtsarbeit sollen aktuelle Daten zum Verordnungsverhalten von Antiepileptika (AEDs, „antiepileptic drugs“), deren Einsatzgebiet, damit verbundenen Kosten und Auswirkungen des Arzneimittelneuordnungsgesetzes (AMNOG) zusammengefasst werden.

Antiepileptika

Die medikamentöse, antikonvulsive Therapie bleibt die zentrale und entscheidende Säule in der Behandlung von Epilepsiepatienten. Um eine bestmögliche Therapie für Epilepsiepatienten zur ermöglichen, werden bereits seit 2002 regelmäßig Leitlinien für die Behandlung der Epilepsie und des Status epilepticus von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) publiziert und aktualisiert [9, 10]. In der Regel werden Leitlinien von Ärzten als hilfreich in Bezug auf die Erhöhung der Qualität der Patientenversorgung, Ausbildung und Darstellung von Informationen ohne Bias angesehen [7, 8]. Eine Pilotstudie zum leitliniengerechten Einsatz von AEDs bei neu diagnostizierter Epilepsie zeigte eine gute bis sehr gute Leitlinienumsetzung bei Neurologen und Nervenärzten [11].

Bei neu diagnostizierter Epilepsie favorisieren die Leitlinien in der Version von 2008 und 2012 bei fokalen Epilepsien Lamotrigin und Levetiracetam. Bei generalisierten Epilepsien sind Valproat und Lamotrigin Mittel der Wahl, wobei für Valproat zunehmende Einschränkungen bei Frauen mit Kinderwunsch bestehen. Eine fehlende Empfehlung für Levetiracetam als initiale Monotherapie ist in der fehlenden Zulassung hierfür begründet, letzteres verhindert jedoch nicht den häufigen Einsatz dieses bei generalisierten Epilepsien gut verträglichen und wirksamen AEDs [1214]. Die in 2008 zugunsten neuer Antikonvulsiva erfolgte Änderung der Empfehlungen fußte auf den methodisch hochwertigen SANAD (Standard and New Antiepileptic Drugs) -Studien [15, 16] und einem Direktvergleich zwischen Levetiracetam und retardiertem Carbamezepin bei fokalen Epilepsien [17].

Verordnungsverhalten

Untersuchungen zum Verordnungsverhalten bezüglich AEDs in der Indikation Epilepsie zeigen einen entsprechenden Trend zu häufiger Verordnung von Levetiracetam, Lamotrigin, Valproat und, obwohl im Marktanteil zunehmend fallend, Carbamazepin [1823]. Zusammenfassend zeigt sich, dass mehr als drei Viertel der Epilepsiepatienten mit einem der vier o. g. AEDs behandelt werden, wobei sich deutschlandweit Unterschiede in dem Vorordnungsverhalten in Abhängigkeit soziodemographischer Charakteristika der Patienten zeigen [19].

Analysiert man deutschlandweit Patientenströme, zeigt sich, dass hauptsächlich Hausärzte, niedergelassene Neurologen bzw. Neuropädiater inklusive Schwerpunktpraxen und Epilepsieambulanzen Epilepsiepatienten betreuen. Etwa die Hälfte der Patienten wird hausärztlicherseits behandelt, wobei die Patienten in der Regel einer Arztgruppe treu bleiben und der Behandlungsort von der Schwere der Erkrankung abhängt [1820]. So werden hausärztlicherseits vor allem anfallsfreie Patienten mit generalisierten Epilepsien betreut, während ein großer Teil der Patienten in Epilepsieambulanzen unter einer medikamentös refraktären Epilepsie leidet, die häufig einer Kombinationstherapie mit AED bedarf [6, 24].

Soziodemographische Charakteristika beeinflussen die Versorgung

Eine repräsentative Auswertung einer großen deutschen Datenbank zu Rezeptdaten zeigte darüber hinaus, dass jenseits der Leitlinien soziodemographische Charakteristika der Patienten einschliesslich Komorbiditäten die Versorgung mit Antikonvulsiva signifikant beeinflussen können [19]. Wie zu erwarten, erhielten Frauen häufiger als Männer Lamotrigin am ehesten aufgrund der guten Verträglichkeit in der Schwangerschaft. Männer wurden häufiger mit Carbamazepin behandelt. Versicherte der Gesetzlichen Krankenkassen erhielten häufiger Valproat, während privat versicherte Patienten häufiger Levetiracetam verschrieben bekamen. In ländlichen Gebieten wurde häufiger Carbamazepin und Primidon eingesetzt. Lamotrigin und Pregabalin wurden signifikant häufiger in Westdeutschland während Topiramat und Carbamazepin häufiger in Ostdeutschland verschrieben wurden [19].

Die Verordnung bei Kindern und Jugendlichen zeigt Unterschiede und Besonderheiten im Vergleich zu Erwachsenen und liegt unter anderem an dem jeweiligen Zulassungsstatus sowie bereits existierendem, altersabhängigem Erfahrungsschatz für bestimmte AEDs, sodass z. B. Phenobarbital einen hohen Verordnungsanteil bei Kindern unter zwei Jahren aufweist [20].

Insgesamt zeigt sich ein kontinuierlicher und leitlinienkonformer Trend, auf stark enzyminduzierende Medikamente wie Carbamazepin, Phenytoin, Primidon oder Phenobarbital zu verzichten [1823].

Krankheitskosten

Krankheitskostenstudien erheben die Kosten, die dem Einzelnen und der Gesellschaft aufgrund einer Erkrankung entstehen. Die Bedeutung dieser Studien gewann in den letzten Jahren an Bedeutung, da sie unverzichtbar sind, um eine angemessene und gleichmäßige Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel zu ermöglichen und die Einordnung neuer Therapiemethoden zu unterstützen. Die Studien helfen bei einem rationalen Mitteleinsatz sowie bei der Qualitätssicherung, im Gegensatz zu einer simplen Ökonomisierung und Rationierung. Bisherige Krankheitskostenstudien zu Epilepsie in Deutschland [6, 11, 2127] bedienten sich eines Bottom-up-Ansatzes, bei dem die Informationen direkt an einem von der Erkrankung betroffenen Patientenkollektiv erhoben werden [2830], sodass die Zuweisung zu verschiedenen Schweregraden der Erkrankung und krankheitsspezifischen Kosten problemlos erfolgen kann. Eine Übersicht zu den Studien bietet Tab. 1.

Drei der Studien [21, 24, 27] untersuchten Patientenkohorten mit aktiver Epilepsie, d. h. mindestens einem Anfall in den vergangenen 12 Monaten, an einem Epilepsiezentrum, sodass direkte Gesamtkosten in Höhe von 4040 EUR bis 6784 EUR hierdurch gut zu erklären sind und deutlich über den jährlichen Kosten bei einem populationsbasierten Ansatz [6] mit 2406 EUR bzw. bei Querschnittskohorten liegen, die durch niedergelassene Neurologen und Nervenärzte gesehen wurden. Hier betrugen die jährlichen direkten Kosten 2278 EUR [25] bzw. 1698 EUR [22], wobei bei der zuletzt genannten Studie nur eine Auswahl direkter Kostenkomponenten untersucht wurde.

Hauptkostenfaktoren für die direkten Kosten sind die antikonvulsive Medikation (24–60 % der direkten Gesamtkosten) und Krankenhausaufenthalte (11–69 %) aufgrund der Epilepsie. Ob der hauptsächliche Anteil der direkten Kosten durch Antikonvulsiva oder stationäre Behandlung entsteht, ist im Wesentlichen von der Schwere der Epilepsie und dem Anteil der neu diagnostizierten Patienten [11] sowie der Verordnungshäufigkeit der neueren Antikonvulsiva abhängig. Darüber hinaus entsteht eine weitere Abhängigkeit von dem Jahr der Durchführung der Studie, da zwischenzeitlich mehrere Antikonvulsiva als Generika erhältlich wurden und auch Festbeträge eingeführt worden sind.

Bei therapierefraktärem Verlauf steigen die Kosten

Im Wesentlichen zeigen sich die jährlichen Kosten für AEDs stabil, nur bei therapierefraktärem Verlauf zeigen sich deutlich höhere Kosten für AEDs. Analysen zu kostenbeeinflussenden Faktoren bei Erwachsenen [26], aber auch bei Kindern und Jugendlichen [23] zeigten eine positive Korrelation zwischen aktiver Epilepsie, einem fokalen Epilepsiesyndrom, einer schlechteren prognostischen Einschätzung und höherer Anfallsfrequenz mit höheren Kosten für Antikonvulsiva sowie mit den gesamten direkten Kosten.

Arbeitslosigkeit

Einen wesentlichen Anteil an den Gesamtkosten haben epilepsiebedingte Frühberentung, Arbeitslosigkeit und Fehltage mit indirekten Kosten in einer Höhe zwischen 3042–7388 EUR pro Jahr [6, 21, 24, 25]. Deutsche und internationale Studien zur Beschäftigung weisen darauf hin, dass die Arbeitslosigkeitsrate bei Menschen mit Epilepsie mindestens doppelt so hoch ist, wie in der Allgemeinbevölkerung [3134]. Bei Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Epilepsie zeigen sich ebenfalls hohe indirekte Kosten in Abhängigkeit von der Syndromschwere sowie der Anfallskontrolle durch Arbeitsaufgabe bzw. Reduktion der Arbeitszeit aufgrund der Epilepsie des Kindes oder durch Fehltage bei epileptischen Anfällen des Kindes [23].

Nichtmedikamentöse Ansätze

Nichtmedikamentöse Ansätze zur Reduktion der entsprechenden direkten und indirekten Kosten liegen in der Intensivierung der chirurgischen Epilepsiebehandlung [3538] oder Stimulationsverfahren [39], Rehabilitationsmaßnahmen [34, 40] sowie in der Epilepsieberatung [41, 42]. Unabhängig der vorgenannten Maßnahmen sind weitere innovative Therapieoptionen wie Antikonvulsiva mit neuen Wirkmechanismen dringend notwendig, um den Anteil der therapierefraktären Patienten langfristig zu senken, und um sowohl deren Lebensqualität [4345] zu erhöhen und krankheitsassoziierte Kosten zu vermindern.

Pharmakoresistenz

Erreichen Patienten unter zwei geeigneten und ausdosierten Antikonvulsiva in Mono- oder Kombinationstherapie keine Anfallsfreiheit, so gelten sie nach Definition der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) als pharmakoresistent [46, 47]. Ein Zugang zu allen verfügbaren Antikonvulsiva sollte bestehen, da Studien zum Langzeitverlauf zeigen, dass unter Eindosierung weiterer Antikonvulsiva eine langfristige Anfallsfreiheit in 5–10 % dennoch erreicht werden kann [4850]. Dies gilt wahrscheinlich umso mehr für AEDs mit neuem oder selektivem Wirkungsmechanismus [51] wie die zuletzt zugelassenen Retigabin [52, 53], Perampanel [54, 55] und Briveracetam [56].

Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz

Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), das seit 2011 in Kraft ist, erschwert den Zugang deutscher Patientinnen und Patienten zu neuen Antikonvulsiva deutlich. Neu zugelassene Antikonvulsiva müssen, wie andere Präparate auch, über die reine Zulassung hinaus seitdem einen Zusatznutzen zu einer sog. „zweckmäßigen Vergleichstherapie“ nachweisen, um diesen durch den gemeinsamen Bundesausschuss (G‑BA) attestiert zu bekommen. Erst wenn der Zusatznutzen als belegt ausgewiesen wird, gelingen sinnvolle Preisverhandlungen mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), was dann in die Erstattungsfähigkeit der Präparate mündet. Dies allerdings scheitert bei Antikonvulsiva derzeit durchweg vor allem aus systemimmanenten Vorgaben, die auf die Epilepsietherapie nur bedingt anwendbar sind.

In der Epileptologie werden noch immer placebokontrollierte Studien für die Zulassung gefordert und somit durchgeführt. Per definitionem können diese placebokontrollierte Studien „nur“ einen Nutzen, aber nicht einen Zusatznutzen gegenüber einem anderen Präparat nachweisen. Indirekte Vergleiche zweier Studien über den sog. Brückenkomparator „Placebo“ sind in der Regel nicht zielführend, aufgrund von Unterschieden in den untersuchten Patientenpopulationen und der jeweils angewandten Methodik. Daher akzeptiert der G‑BA epileptologische Zulassungsstudien bisher nicht als Hinweis auf einen Zusatznutzen.

Bei langjähriger, refraktärer Epilepsie gibt es keine Standardtherapie

Aber Studien mit einem Vergleich gegen die „Standardtherapie“, wie sie stattdessen gefordert werden, bergen so große inhaltliche und methodische Schwierigkeiten, dass sie in absehbarer Zeit in der Epileptologie nicht verfügbar sein werden. Allen voran ist es nicht möglich oder sinnvoll, in der Patientengruppe, in der der Bedarf an neuen Therapieformen am größten ist, eine Standardtherapie zu definieren. Während ca. zwei Drittel aller Patienten mit den bereits verfügbaren Mitteln anfallsfrei werden, versagen in dem verbleibenden Drittel die zugelassenen Therapien, sodass dort ein hoher Bedarf an neuen Antikonvulsiva besteht [46, 47, 57]. Diese werden naturgemäß spät in der Therapiekaskade eingesetzt. Bei Patienten mit solch einer langjährigen und refraktären Epilepsie gibt es anerkanntermaßen keine Standardtherapie mehr oder gar eine standardisierte Abfolge weiterer Therapieformen. Es müssen hochindividuelle Therapieentscheidungen getroffen werden, die die Ausprägung des Epilepsiesyndroms, die individuelle Krankheitshistorie und pharmakodynamische – wie pharmakokinetische – Aspekte berücksichtigen müssen.

Dies wird auch in den verfügbaren Leitlinien [9, 10] und Stellungnahmen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie gleichermaßen so festgesellt. Studien, die in dieser Situation ggf. mehrarmig und randomisiert verschiedene medikamentöse Therapieoptionen miteinander vergleichen, fehlen. Es bestehen berechtigte Zweifel, ob überhaupt in Gruppenvergleichen bei diesen Patienten ein Zusatznutzen, der individueller Natur ist, gezeigt werden kann. Die Wirkstärke der einzelnen Antikonvulsiva sind zumindest in der fokalen Epilepsie in dieser Situation kaum unterschiedlich, während das Nebenwirkungsprofil häufig den Ausschlag für die Überlegenheit der ein oder anderen Therapie bei dem einzelnen Patienten gibt [15, 16, 58]. Die eingeschlossenen Patientenpopulationen müssten somit bei zu erwartenden kleinen Unterschieden unverhältnismäßig groß sein, um signifikante Ergebnisse ggf. in Subgruppen erkennen zu lassen. Unbeeinflusst davon berichten deskriptive Studien, dass auch bei bislang medikamentös refraktären Epilepsien durch individuelle medikamentöse Umstellungen noch Anfallsfreiheit in einer relevanten Minderheit der Patienten erreicht werden kann [48, 50].

Die fehlende Standardtherapie macht es schwierig bis unmöglich eine „zweckmäßige Vergleichstherapie“ für die Gesamtgruppe der medikamentös refraktären Patienten zu definieren, wie es der formale Prozess der Zusatznutzenbestimmung durch das AMNOG vorsieht. Dies ist eine weitere systemimmanente Schwierigkeit innerhalb des AMNOGs. Als Beleg für diesen Umstand kann auch gelten, dass sich während der „AMNOG-Verfahren“ im Bereich der Antikonvulsiva (Retigabin, Perampanel) die vorgeschlagene zweckmäßige Vergleichstherapie (zVT) mehrmals veränderte. Initial war die zVT durch den G‑BA definiert als:

Die Bewertung erfolgt gegenüber Lamotrigin. In den Fällen, in denen Lamotrigin als Monotherapie angewandt wird, stellt Topiramat als Zusatztherapie die zweckmäßige Vergleichstherapie dar [59].

Im bislang letzten Verfahren war die zVT dann eine „individuelle antiepileptische Zusatztherapie aus (oder): Eslicarbazepin, Gabapentin, Lacosamid, Lamotrigin, Levetiracetam, Oxcarbazepin, Pregabalin, Topiramat, Valproat, Zonisamid, nach Wahl des Arztes abhängig von Basis- und Vortherapie(n) unter Berücksichtigung von Therapiewechsel und etwaig einhergehender Nebenwirkungen“ [60].

Auf dem Boden oben genannter Gegebenheiten attestierte der G‑BA sowohl Retigabin als auch Perampanel keinen Beleg für einen Zusatznutzen, was dann zu einem Scheitern der Preisverhandlung mit dem GKV-Spitzenverband führte. Beide Präparate sind in Deutschland weiter zugelassen, aber mittlerweile aus dem Vertrieb genommen. Dabei war laut Untersuchungen an deutschen Epilepsiezentren eine relevante Gruppe der bislang medikamentös refraktären Patienten unter Perampanel zumindest für einen Beobachtungszeitraum von Monaten anfallsfrei geworden [61, 62].

Bestimmung des individuellen Zusatznutzens

Da es bislang nicht möglich ist, ex ante eine Subgruppe der medikamentös refraktären Epilepsiepatienten zu identifizieren, die auf das eine oder andere Antikonvulsivum ansprechen wird, bleibt festzustellen, dass der Zusatznutzen eines Antikonvulsivums bei refraktärer Epilepsie ein Effekt sein wird, der sich ex post im individuellen Patienten darstellt, aber in direkten oder indirekten Gruppenvergleichen zwischen Antikonvulsiva in praxi nicht untersuchbar erscheint. Dies stellt auch den größten Kritikpunkt der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie (DGfE) an dem AMNOG in seiner jetzigen Form dar (www.dgfe.org).

Die DGfE schlägt vor, die placebokontrollierte Zulassungsstudien zunächst als Beleg für einen Zusatznutzen gelten zu lassen. Dabei spielt es keine Rolle, welche Antikonvulsiva in den Studien bei den Patienten zuvor eingesetzt wurden, weil Pharmakoresistenz unabhängig von den zuvor gegebenen Antikonvulsiva besteht [46, 57]. Das Präparat sollte, wie gewohnt, nach der Zulassung dann verfügbar werden.

Es steht zu erwarten, dass in der Folge nur die kleine Gruppe von respondierenden Patienten dauerhaft auf das Antikonvulsivum eingestellt bleibt mit einer geschätzten Erfolgsrate von 5–10 %. Arbeiten aus der Versorgungsforschung bestätigen darüber hinaus eine nur sehr langsam wachsende Akzeptanz von neuen Antikonvulsiva in Deutschland [18]. Bei diesen Patienten würden zunächst vordergründig durch das neue Präparat höhere Krankheitskosten anfallen, welche aber langfristig durch die Chance auf Anfallsreduktion oder Anfallsfreiheit verringert werden, da weitere Krankenhausaufenthalte oder Führerschein- und Arbeitsplatzverlust vermieden werden könnten.

Daraus leitet sich der Vorschlag ab, dass zur Bestimmung des (individuellen) Zusatznutzens neue Antikonvulsiva zunächst zugelassen und verfügbar werden wie vor Einführung des AMNOG, aber für die ersten Jahre nur von Experten an Epilepsiezentren oder Inhabern des DGfE-Zertifikats „Epileptologie“ als Ersttherapie verschrieben werden dürfen [63, 64]. Die Patienten werden darüber hinaus in eine industrieunabhängige Beobachtungstudie eingeschlossen und strukturiert weiterverfolgt. Einige Jahre nach Einführung des Präparats wird durch den G‑BA in Zusammenarbeit mit der Fachgesellschaft geprüft, ob die bisherige Bewertungen der Substanz weiterhin Bestand haben und eine endgültige Bewertung des Zusatznutzens vorgenommen [63, 64] .

Tab. 1 Übersicht zu Krankheitskostenstudien in Deutschland

Fazit für die Praxis

  • Patienten mit Epilepsie werden hauptsächlich von Hausärzten, niedergelassenen Neurologen bzw. Neuropädiatern und Epilepsieambulanzen betreut.

  • Studien zu Krankheitskosten zeigen im Wesentlichen hohe Kosten bei neu diagnostizierten Patienten sowie bei therapierefraktären Patienten und meist notwendiger Polytherapie.

  • Über drei Viertel aller Patienten nehmen derzeit Valproat, Carbamazepin, Lamotrigin oder Levetiracetam ein; die Kosten für Antikonvulsiva blieben über die letzten Jahre stabil.

  • Therapierefraktäre Patienten benötigen innovative Therapieverfahren.

  • Aufgrund des hoch individuellen Ansprechens der Epilepsien auf einzelne Substanzen sollten alle zugelassenen Antikonvulsiva für die Behandlung zur Verfügung stehen und deren individueller Zusatznutzen in Beobachtungsstudien nach Zulassung der Substanzen gemeinsam von G‑BA und der Fachgesellschaft evaluiert werden.