Ein bedeutsamer Anteil von Krebspatienten befindet sich zum Zeitpunkt der Diagnose im arbeitsfähigen Alter. Aufgrund der verbesserten Behandlungsmöglichkeiten und Prognosen vieler Krebserkrankungen möchte und kann eine steigende Zahl von Patienten nach der Behandlung in den Beruf zurückkehren oder setzt die Arbeitstätigkeit sogar während der Behandlung fort. Können Patienten aufgrund der Krebserkrankung ihre berufliche Rolle nicht mehr adäquat ausfüllen, kann dies zu einem Verlust von Lebensqualität und Normalität, persönlicher Identität, Selbstbewusstsein und sozialer Rolle führen und auch ökonomische Implikationen haben [1, 2, 3].

In den letzten zehn Jahren wurden mehrere Reviews publiziert, die die Rückkehr in den Beruf und weitere arbeitsbezogene Outcomes bei Krebspatienten untersuchen [4, 5, 6, 7, 8, 9, 10] und durchschnittliche Rückkehrraten von 63,5% berichten [11]. Während frühere Arbeiten vor allem auf Rückkehrraten, Zeit bis zur Wiederaufnahme der Berufstätigkeit und Ähnliches fokussieren [5, 6], berücksichtigen neuere Reviews weiter gefasste Konzepte der Rückkehr in den Beruf [8, 11], wie Veränderungen der Arbeitssituation und Karriere, Umstellung von Arbeitszeiten, Leistungsfähigkeit in Bezug auf Arbeitsanforderungen und ökonomische Effekte der Krebserkrankung.

Vom Erkrankungsstatus unabhängige arbeitssoziologische und -psychologische Studien liefern vielfältige Hinweise auf Gender-Aspekte mit Blick auf die Bedeutung von Arbeit und die Berufsausübung. Eine Metaanalyse zu geschlechtsspezifischen Präferenzen hinsichtlich des Arbeitsplatzes kommt zu dem Ergebnis, dass für Männer Einkommen und Verantwortung einen hohen Stellenwert haben, während für Frauen Prestige, Relevanz der Aufgabe, Herausforderungen der Arbeit und Abwechslung, Arbeitsplatzsicherheit, Kollegen und Vorgesetzte sowie die Arbeitsumgebung eine wichtige Rolle spielen [12]. Unterschiede werden weiterhin bezüglich einer stärkeren Verbundenheit von Frauen mit dem Arbeitsplatz [13, 14] und der Arbeit im Allgemeinen [15, 16] berichtet. Frauen sind häufiger als Männer vom Arbeitsplatz abwesend [17], schränken ihre Arbeitszeiten und Dienstreisen stärker ein [18] und nehmen sich mehr Urlaubstage [19]. Darüber hinaus schätzen Frauen ihre Fähigkeiten bei der Arbeit eher niedriger ein als Männer [20, 21].

In Bezug auf die Rückkehr zur Arbeit bei Krebspatienten und weitere arbeitsbezogene Outcomes identifizieren einige Studien das Geschlecht als signifikanten Einflussfaktor auf die Entscheidung und den Erfolg, dauerhaft in den Beruf zurückzukehren [22, 23, 24]. Entsprechende Ergebnisse werden auch in Reviews berichtet [8, 11], eine systematische Analyse liegt bisher jedoch noch nicht vor.

Vor diesem Hintergrund war es Ziel der vorliegenden Übersichtsarbeit zu untersuchen, ob sich berufliche Folgen der Krebserkrankung zwischen Patientinnen und Patienten unterscheiden. Dem Ansatz aktueller Reviews folgend [8, 11], wurden die einbezogenen Studien vor dem Hintergrund eines komplexen Modells zu Arbeit und Krebs [8] analysiert, unter anderem in Hinsicht auf Veränderungen der Arbeitssituation, Arbeitsintensität und Arbeitsbelastung, berufliche Leistungsfähigkeit sowie psychosoziale Faktoren wie soziale Unterstützung und Diskriminierung am Arbeitsplatz.

Methoden

Suchstrategien

Die Literaturrecherche zu beruflichen Folgen einer Krebserkrankung bezog sich auf die von 01/2001 bis 07/2011 publizierte, englisch- und deutschsprachige Literatur. Die elektronische Datenbankrecherche wurde in MEDLINE, EMBASE, PubMed, PsycINFO, PSYNDEX und CINAHL durchgeführt. Sie erfolgte mit zwei Sets von Suchbegriffen, die jeweils Standardvariablen („Medical Subject Headings (MeSH)“) und freie Textwörter kombinieren:

  • Set 1 „Krebserkrankung“: neoplasm (MeSH), carcinoma (MeSH), cancer oder oncol*;

  • Set 2 „arbeitsbezogene Variablen“: absenteeism (MeSH), employment (MeSH), occupation* (MeSH), sick leave (MeSH), work (MeSH), work place (MeSH), work ability, work demands, work disability, work environments, work impairments, work limitations, career, employer accommodation, job performance oder wages.

Genderbezogene Suchbegriffe wie gender (MeSH), sex (MeSH), men (MeSH), women (MeSH), male oder female hatten in einem ersten Rechercheschritt keine zusätzlichen Treffer erbracht und wurden daher für die endgültige Suchstrategie nicht berücksichtigt. Für die Suche wurden die Begriffe aus Set 1 mit „oder“ verknüpft und mit jeweils einem der Begriffe aus Set 2 kombiniert. Die Suche wurde dabei auf Titel und Abstracts von Artikeln begrenzt. Ergänzend wurden Referenzlisten relevanter Originalarbeiten und Reviews [4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 25, 26] gesichtet.

Eingeschlossen wurden quantitative und qualitative Originalarbeiten

  • mit erwachsenen Krebspatienten (Alter bei Diagnosestellung ≥ 18 Jahre),

  • die arbeitsbezogene Outcomes bei Patienten untersuchen, die ihre Berufstätigkeit während der Behandlung fortgeführt oder im Anschluss daran wieder aufgenommen haben, und

  • die Ergebnisse geschlechtsbezogen berichten oder deren Stichprobe ausschließlich aus männlichen oder weiblichen Patienten besteht.

Studien, die Patienten nach einer Krebsdiagnose im Kindesalter oder andere Personengruppen als Krebspatienten untersuchen, wurden ausgeschlossen; ebenso Studien, die ausschließlich Rückkehrraten, Abwesenheitszeiten oder berufliche Funktionsfähigkeit im Kontext von Lebensqualität berichten.

Ergebnisse der Datenbankrecherche

Die elektronische Datenbankrecherche und die zusätzliche Handsuche in Referenzlisten ergaben insgesamt 3552 Treffer. Abb. 1 zeigt die Vorgehensweise zur Selektion der in das Review einbezogenen Studien. Das Screening der Titel und Abstracts wurde ausschließlich von der Autorin (AU), das Screening der Volltexte zusätzlich unabhängig von der Zweitautorin (HMB) anhand der a priori festgelegten Einschlusskriterien durchgeführt und in Checklisten dokumentiert. Die Entscheidung über den endgültigen Einschluss wurde von den Gutachtern (AU, HMB) gemeinsam getroffen. Studien, die mindestens ein Einschlusskriterium nicht erfüllten, wurden für das Review nicht berücksichtigt. Bei Uneinigkeit der Gutachter wurde durch Diskussion der Studien und Einschlusskriterien ein Konsens herbeigeführt.

Abb. 1
figure 1

Flow-Chart der Literaturrecherche

Ergebnisse

Alle 44 in das Review eingeschlossenen Artikel waren englischsprachig und wurden auf der Basis von Daten aus den Jahren 1992 bis 2008 publiziert. Im Rahmen der Einschlusskriterien lieferten die Studien eine große Vielfalt hinsichtlich der untersuchten arbeitsbezogenen Outcomes, der Studiendesigns, Stichprobengrößen und -zusammensetzungen sowie der Ergebnisse. Vier Studien waren qualitativ und von den verbliebenen 40 quantitativen Studien waren 29 Querschnitt- und elf Längsschnittstudien. Bei acht Studien handelte es sich um populationsbasierte Studien, 20 Studien bezogen Vergleichsgruppen ohne Krebserkrankung ein. Die Stichprobengröße (Patienten) variierte bei den quantitativen Studien zwischen 96 und 34.109 und bei den qualitativen Studien zwischen sieben und 23. 23 Studien untersuchten eine beidgeschlechtliche Stichprobe (in 14 Studien ≥ 60% weiblich), 20 Studien basierten auf einer ausschließlich weiblichen und eine Studie auf einer ausschließlich männlichen Stichprobe. An den 44 Studien nahmen Patienten im Alter von 18 bis 88 Jahren teil. 24 Studien bezogen Patienten mit heterogenen Tumorlokalisationen ein. Entsprechend der Prävalenzraten waren Brust- und Prostatakrebs sowie testikuläre und kolorektale Karzinome am häufigsten vertreten. 40 von 44 Studien berichteten entweder über den Zeitraum seit Diagnosestellung (Range: 0,4 bis 15 Jahre) oder über den Zeitraum seit Abschluss der Behandlung (Range: 1 bis 3,3 Jahre). In 26 Studien wurden die Rückkehrraten von Patienten referiert, die zwischen 24% (sechs Monate nach Diagnosestellung) und 92% (23 Monate nach Diagnosestellung) lagen. In drei Studien mit mehreren Messzeitpunkten erhöhte sich die Rückkehrrate über die ersten 12 bis 18 Monate.

Geschlechtsspezifische arbeitsbezogene Outcomes

Die in den Studien geschlechtsspezifisch berichteten arbeitsbezogenen Variablen sind in den Tab. 1, Tab. 2 und Tab. 3 dargestellt. Die Variablen wurden in Anlehnung an das von Feuerstein et al. [8] vorgeschlagene Modell zu Arbeit und Krebs sechs Kategorien zugeordnet. Die Prozentwerte in der folgenden Auflistung beziehen sich auf den Anteil der in das Review einbezogenen Studien, in denen die jeweiligen Kategorien beziehungsweise die einzelnen Variablen repräsentiert sind:

  • Arbeitssituation (25%): Veränderungen der Arbeitssituation (18%), Karriere (7%);

  • Berufliche Leistungsfähigkeit (34%): Allgemeine, physische und mentale Leistungsfähigkeit (25%), Produktivität (5%), Funktionsfähigkeit bei der Arbeit (2%), Arbeitsengagement (2%);

  • Arbeitsintensität (45%): Wöchentliche Arbeitszeit (27%), Abwesenheitszeiten (18%);

  • Arbeitsumgebung (55%): Soziales Klima (20%), Rücksichtnahme des Arbeitgebers (10%), Diskriminierung (16%), Arbeitsstress und -belastung (7%), Arbeitszufriedenheit (2%);

  • Bedeutung von Arbeit (12%): Einstellung zur Arbeit (10%), berufliches Rollenverständnis (2%);

  • Ökonomische Faktoren (11%): Einkommen (11%).

Tab. 1 Studien (2001 bis 2011) zu arbeitsbezogenen Outcomes (nur weibliche Studienteilnehmer)
Tab. 2 Studien (2001 bis 2011) zu arbeitsbezogenen Outcomes (nur männliche Studienteilnehmer)
Tab. 3 Studien (2001 bis 2011) zu arbeitsbezogenen Outcomes (gemischt weibliche und männliche Studienteilnehmer)

Arbeitssituation

Erkrankungs- und behandlungsbedingte Veränderungen der Arbeitssituation und der Karriere werden in elf Studien untersucht, dabei wird die Art der Veränderungen häufig nicht spezifiziert. Zwei Studien mit ausschließlich weiblichen Stichproben berichten, dass über 80% der untersuchten Brustkrebspatientinnen an den alten Arbeitsplatz zurückkehren [23, 27]. Andere Studien berichten, dass 69% der Patientinnen den Arbeitgeber [28] beziehungsweise 15% den Arbeitsplatz [27] wechseln und 38% in Teilzeit zurückkehren [27]. In einer Studie an 378 Brustkrebspatientinnen, deren Diagnosestellung neun Jahre zurücklag, berichtet ein Viertel von Veränderungen der beruflichen Karriere [29]. Patientinnen erleben sowohl positive (7%) [29] als auch negative (2 bis 12%) [29, 30] Effekte der Krebserkrankung auf die Karriere. Im Hinblick auf Geschlechtsunterschiede liegen zu Veränderungen der beruflichen Situation aus Studien mit beidgeschlechtlichen Stichproben abweichende Ergebnisse vor: Zwei Studien mit mehr als 1000 Patienten und Patientinnen finden keine signifikanten Unterschiede [31, 32], zwei andere Studien stellen bei Patientinnen häufiger als bei Patienten Veränderungen der Arbeitssituation fest [28, 33].

Berufliche Leistungsfähigkeit

Berufliche Leistungsfähigkeit wird in elf Studien überwiegend als potenzieller Einflussfaktor auf andere arbeitsbezogene Outcomes wie Arbeitszeit und Einkommen beschrieben. Drei Querschnittstudien [9, 34, 35] und eine Längsschnittstudie [36] mit Vergleichsgruppen fokussieren auf die Leistungsfähigkeit als primäres Outcome. 18 bis 60% der Patientinnen [24, 30, 36, 37, 38, 39] und 5 bis 30% der Patienten [22, 24, 36, 37, 38] berichten Einschränkungen ihrer allgemeinen, physischen oder mentalen Leistungsfähigkeit. In Studien mit beidgeschlechtlichen Stichproben schneiden Patientinnen insgesamt schlechter ab als Patienten [24, 36, 37, 38, 39, 40, 41], insbesondere hinsichtlich der mentalen Leistungsfähigkeit [36, 37, 39, 40]. Im Gegensatz dazu haben leistungseingeschränkte Patienten mit Prostatakrebs größtenteils Schwierigkeiten mit physischen Arbeitsanforderungen [22, 24, 39]. Drei Längsschnittstudien mit beidgeschlechtlichen Stichproben zeigen, dass sich die Leistungsfähigkeit für Patientinnen und Patienten im Zeitverlauf von 12 bis 18 Monaten nach Diagnose verbessert [36, 39, 42]; dabei fallen die Verbesserungen bei Patientinnen im Vergleich zu Patienten höher aus [42]. Patientinnen [35, 39, 40, 41, 43, 44] und Patienten [39, 40, 44] berichten entweder eine geringere Arbeitsproduktivität oder Einschränkungen ihrer Leistungsfähigkeit im Vergleich zu Frauen und Männern ohne Krebserkrankung. Eine skandinavische Studie mit 600 Patientinnen (90% Brustkrebs) und Patienten (40% Lymphome) findet hingegen für beide Geschlechter keine Unterschiede zur Vergleichsgruppe [37].

Arbeitsintensität

Drei bis acht Monate nach Diagnose weisen Prostatakrebspatienten durchschnittlich 27 Fehltage und Brustkrebspatientinnen 44 Fehltage auf [45]. Zwei große Kohortenstudien aus Nordamerika, die ausschließlich Brustkrebspatientinnen untersuchten, zeigen, dass Patientinnen im ersten Jahr nach Diagnosestellung häufiger und länger vom Arbeitsplatz abwesend waren als Frauen ohne Krebserkrankung, sich die beiden Gruppen dann aber im Zeitverlauf angleichen [46, 47]. Eine größere Querschnittstudie mit beidgeschlechtlicher Stichprobe stellt bei Patientinnen, deren Diagnose vier oder mehr Jahre zurücklag, keine und bei männlichen Patienten leichte Unterschiede zur Vergleichsgruppe fest [48].

Zwölf Studien untersuchen Veränderungen der Arbeitszeit, davon beobachten acht Studien [22, 30, 31, 39, 44, 49, 50, 51] Reduzierungen der Arbeitszeit infolge einer Krebserkrankung. In zwei Studien mit beidgeschlechtlicher Stichprobe berichten Patientinnen häufiger Arbeitszeitverkürzungen als Patienten [31, 51]. Im Vergleich zu nicht krebserkrankten Frauen erleben Patientinnen signifikant mehr Probleme mit der Arbeitszeit [30, 49] und verkürzen diese sechs Monate nach Diagnose um durchschnittlich sieben Wochenstunden [39]. Studien mit beidgeschlechtlichen Stichproben kommen hinsichtlich der Frage, ob Patientinnen [39] oder Patienten [50] ihre Arbeitszeit im höheren Umfang reduzieren, zu unterschiedlichen Ergebnissen. Zwei größere Querschnittstudien, die Patienten und Patientinnen mit gemischten Tumorarten untersuchten, berichten für beide Geschlechter eine mittlere Reduktion der Arbeitszeit von etwa drei bis fünf Stunden [44, 50]. Eine Längsschnittstudie an 800 berufstätigen Brust- und Prostatakrebspatienten zeigt, dass sich die Arbeitszeit bei beiden Geschlechtern im Zeitverlauf wieder erhöht [39]. Dass einige Patientinnen dabei jedoch nicht den Umfang vor der Diagnosestellung erreichen, verdeutlicht eine Längsschnittstudie an Brustkrebspatientinnen [52]. Im Vergleich zu Frauen und Männern ohne Krebserkrankung ergeben drei Studien bei Patientinnen keine [40, 48] und bei Patienten nur sehr leichte oder keine [22, 48] Unterschiede im Hinblick auf die Arbeitszeit. Zwei kleinere Querschnittstudien an Brustkrebspatientinnen berichten, dass in den Beruf zurückgekehrte Patientinnen sogar mehr Stunden arbeiten als eine alters- und geschlechtsadjustierte Kontrollgruppe [53, 54].

Arbeitsumgebung

Psychosoziale Faktoren finden in der psychoonkologischen Forschung viel Beachtung, im Kontext der beruflichen Folgen einer Krebserkrankung wird soziale Unterstützung jedoch nur von sieben in das Review einbezogenen Studien untersucht. In einer Studie, die soziale Unterstützung als primäres Outcome fokussiert, erhalten Patientinnen im Vergleich zu Patienten mehr Unterstützung von Kollegen und Vorgesetzten, 39% der Patientinnen und 29% der Patienten wünschen sich mehr Unterstützung durch arbeitsmedizinisches Personal [55]. Positive Effekte eines unterstützenden Arbeitsumfelds auf die berufliche Reintegration zeigen sich in Studien mit beidgeschlechtlichen Stichproben im Hinblick auf die Vermeidung eines Arbeitgeberwechsels [28] und eine gesteigerte Leistungsfähigkeit [37]. Diese Befunde gelten jedoch nur für Patientinnen. In qualitativen Studien, die ausschließlich krebserkrankte Frauen einbezogen, schildern Patientinnen die Bedeutung emotionaler und praktischer Unterstützung für ihr psychisches Wohlbefinden [56, 57, 58].

Eine Studie an Brustkrebspatientinnen berichtet, dass die Mehrheit der Patientinnen ihre Diagnose Kollegen und Arbeitgebern mitteilt [59], während in einer früheren Studie nur 41% der Brustkrebspatientinnen ihren Vorgesetzten informiert haben [29]. Keine der quantitativen Studien untersucht systematisch die Rücksichtnahme des Arbeitgebers auf erkrankungs- und behandlungsbedingte Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten. Studien ergeben, dass 87 bis 90% der Patientinnen [23, 39, 59] und 85% der Patienten [39] ihren Arbeitgeber als entgegenkommend empfinden. Patientinnen bewerten flexible Arbeitszeiten und angepasste Arbeitsanforderungen in qualitativen Studien mit rein weiblichen Stichproben als entlastend [56, 57, 58]. Eine Studie an Brustkrebspatientinnen zu Arbeitsengagement zeigt ein hohes Engagement der Patientinnen und nur minimal niedrigere Werte im Vergleich zu Frauen ohne Krebserkrankung [34].

Fünf Studien beschreiben potenzielle soziale Probleme am Arbeitsplatz wie Diskriminierung aufgrund der Krebserkrankung. Der Anteil der Patientinnen (0 bis 7%) [23, 39, 59, 60] und Patienten (0 bis 8%) [39, 60], der entsprechende Probleme berichtet, ist allerdings jeweils klein. Eine US-amerikanische Studie zur Diskriminierung von Krebspatienten am Arbeitsplatz berichtet, dass entsprechende Anzeigen häufiger von Patientinnen als von Patienten eingereicht werden [61].

Bedeutung von Arbeit

Eine kanadische Kohortenstudie mit knapp 650 Brustkrebspatientinnen berichtet, dass Arbeit von etwa 40% der Patientinnen drei Jahre nach der Diagnosestellung als weniger wichtig bewertet wird und dass signifikante Gruppenunterschiede zu Frauen ohne Krebserkrankung bestehen [52, 62]. Mehr Patientinnen als Patienten geben an, dass sich ihr Verständnis der beruflichen Rolle vor dem Hintergrund des einschneidenden Lebensereignisses verändert hat. Dies zeigt eine Studie, die eine gemischt weibliche und männliche Stichprobe untersuchte [51]. Eine quantitative Studie [51] und zwei qualitative Studien [56, 58] berichten eine Reduzierung von zusätzlichen Aufgaben, Arbeitszeiten und Überstunden sowie einen distanzierteren Umgang mit Arbeitsstress als Konsequenzen der verringerten Bedeutung von Arbeit.

Ökonomische Faktoren

Eine Studie, in der die Einkommensstrukturen von 34.000 Krebspatienten mit der norwegischen Bevölkerung ohne Krebserkrankung verglichen wurden, berichtet für Patientinnen Einkommensverluste von 10 bis 15% und für Patienten von 8 bis 16% [63]. Weitere Studien an Brustkrebspatientinnen berichten finanzielle Einbußen infolge der Erkrankung und Behandlung [30, 49, 64]. In einer Studie an Brustkrebspatientinnen geben 16% der in den Beruf zurückgekehrten Patientinnen an, dass sich ihr Einkommen verringert hat [30].

Diskussion

Ziel der vorliegenden Übersichtsarbeit war die Untersuchung geschlechtsspezifischer beruflicher Folgen in Studien zu Arbeit und Krebs. Dabei standen die Prozesse nach der Rückkehr in den Beruf im Mittelpunkt. 44 zwischen 2001 und 2011 publizierte Studien wurden in das Review eingeschlossen und ihre Ergebnisse geschlechtsbezogen mit Blick auf Veränderungen der Arbeitssituation und Karriere, Abwesenheits- und Arbeitszeiten, berufliche Leistungsfähigkeit, Produktivität und Arbeitsengagement, auf das soziale Klima am Arbeitsplatz, Arbeitsstress und Rücksichtnahme des Arbeitgebers, Diskriminierung, Einstellung zur Arbeit und ökonomische Faktoren analysiert.

Die Studien liefern Hinweise auf genderbezogene Unterschiede bei den beruflichen Folgen nach einer Krebserkrankung. Patientinnen leiden häufiger unter arbeitsbezogenen Leistungseinschränkungen, insbesondere hinsichtlich kognitiver Arbeitsanforderungen [36, 37]. Diese Unterschiede könnten zum einen auf den hohen Anteil von Brustkrebspatientinnen, die in den vorliegenden Studien untersucht wurden, zurückgehen. Behandlungsprotokolle für Brustkrebspatientinnen schließen häufig Chemotherapien ein, die für viele Patientinnen mit Fatigue [65, 66] und kognitiven Problemen [67, 68, 69] verbunden sind und die zu erheblichen beruflichen Leistungseinschränkungen führen können [43]. Zum anderen weist die sozialpsychologische Forschung darauf hin, dass Frauen Erfolge eher mit dem eigenen Bemühen attribuieren als Männer [70]. Bei wahrgenommener Minderung der beruflichen Leistung könnte dies negative Auswirkungen auf die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten haben, beispielsweise hinsichtlich der Arbeitsproduktivität und -effizienz. Gleichzeitig existiert in den in das Review einbezogenen Studien Evidenz, dass sich die Leistungsfähigkeit im Zeitverlauf von 12 bis 18 Monaten für viele Patientinnen und Patienten wieder deutlich verbessert [39, 42]. Vor diesem Hintergrund können die Identifikation von Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Risiko für Leistungseinschränkungen und regelmäßige Follow-ups der Leistungsfähigkeit zu einer erfolgreichen beruflichen Reintegration beitragen, da Arbeitsplatzanforderungen adäquat angepasst werden könnten.

Auch zur Arbeitszeit liegen relativ konsistente Studienergebnisse vor. Sowohl Patientinnen als auch Patienten verkürzen ihre Arbeitszeit zumindest temporär. Dabei werden Arbeitszeitverkürzungen häufiger von Patientinnen als von Patienten berichtet. Geschlechtseffekte hinsichtlich des Umfangs der reduzierten Stunden werden in Studien mit beidgeschlechtlicher Stichprobe kontrovers berichtet [39, 50]. Einige Studien stellen im Vergleich zu nicht an Krebs erkrankten Personen keine bis geringe Unterschiede mit Blick auf Arbeitszeitverkürzungen fest, untersuchen allerdings überwiegend Brust- und Prostatakrebspatienten mit guter Prognose [22, 40].

Die Beobachtung, dass sich einige Patientinnen bewusst für eine Reduktion der Arbeitszeit entscheiden [57, 58] und sich die Bedeutung von Arbeit für Patientinnen nach einer Krebsdiagnose verringert, stimmt mit Befunden der psychoonkologischen Forschung zur Veränderung von Lebensqualitätskonzepten von Patienten nach einer Krebserkrankung überein [5, 71].

Das Review unterstreicht die Bedeutung eines unterstützenden Arbeitsumfelds für die erfolgreiche und langfristige berufliche Reintegration nach einer Krebserkrankung. Vor dem Hintergrund reduzierter Leistungsfähigkeit und veränderter Prioritäten scheint sich insbesondere für Patientinnen Unterstützung durch Arbeitgeber und Kollegen positiv auf die Arbeitstätigkeit auszuwirken [55, 56]. Dies könnte damit zusammenhängen, dass sich Männer häufig im näheren Familienkreis und insbesondere bei der Ehepartnerin Unterstützung suchen [72], während Frauen über größere soziale Netzwerke verfügen [73], in diese Netzwerke emotional stärker eingebunden sind und aktiver Unterstützung einholen [74, 75].

Patientinnen und Patienten berichten überwiegend, dass Arbeitgeber Anpassungen der Arbeitsplatzbedingungen oder der Arbeitsinhalte vorgenommen haben [23, 39]. Da sich die Leistungsfähigkeit von Patienten nur langsam steigert, folgert ein Review zu diesem Thema [7], dass Arbeitsplatzanpassungen mindestens 18 Monate vorgehalten und regelmäßig überprüft werden müssen. Diskriminierung am Arbeitsplatz stellt bei Patientinnen und Patienten kein größeres soziales Problem dar als bei Personen ohne Krebs. Diese Schlussfolgerung zieht auch ein Review, das Studien aus früheren Jahren untersuchte [5].

Die vorliegende Arbeit fokussiert ausschließlich auf Gender-Aspekte der beruflichen Folgen einer Krebserkrankung, während diese in früheren Übersichtsarbeiten nicht oder nur als Teilaspekte untersucht wurden. In einem Review mit 14 Studien (1985 bis 1999), das Einflussfaktoren der beruflichen Wiedereingliederung untersuchte, ergaben sich keine Zusammenhänge zwischen Geschlecht und Rückkehr in den Beruf [5]. Eine aktuelle Metaanalyse zu Arbeitslosigkeit und Krebs, die 36 Studien (1966 bis 2008) auswertete, ermittelte bei Patientinnen mit Brustkrebs und gynäkologischen Krebserkrankungen das höchste Risiko für Arbeitslosigkeit [4]. Zwei Reviews, die berufliche Leistungsfähigkeit anhand von 12 Studien (2002 bis 2006) [9] beziehungsweise 19 Studien (1999 bis 2008) [7] analysierten, fanden wenig Evidenz für Geschlechtseffekte. Zwei systematische Übersichtsarbeiten mit 64 Studien (2000 bis 2009) [11] beziehungsweise 45 Studien (2000 bis 2010) [8], die jeweils ein breites Spektrum arbeitsbezogener Outcomes analysierten, berichteten Gender-Aspekte im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Berufstätigkeit, sozialer Unterstützung am Arbeitsplatz und mit Arbeitsleistung.

Obwohl die Befunde der in das Review einbezogenen Studien wichtige Hinweise auf Gender-Aspekte bei der Rückkehr in den Beruf liefern, ist die Evidenz zu den einzelnen Outcomes nur begrenzt vorhanden. So liegt zwar eine relevante Zahl von Studien vor, die relativ gut zu quantifizierende Variablen wie Leistungsfähigkeit [37, 41, 42], Arbeitszeit [44, 50] oder Einkommen [54, 63, 64] als primäres Outcome untersuchen. Psychosoziale Faktoren wie soziale Unterstützung werden hingegen nur von einzelnen quantitativen Studien in den Fokus genommen [32, 55] und gegebenenfalls eher als sekundäres Outcome berücksichtigt [27]. Unter dem Gesichtspunkt der geschlechtsspezifischen Analyse von Studien ist zudem festzuhalten, dass zu Aspekten wie Stellenwert von Arbeit und Arbeitsengagement keine Studien bei männlichen Krebspatienten vorliegen. Vom Erkrankungsstatus unabhängige arbeitssoziologische und -psychologische Studien liefern gleichwohl Hinweise, dass diesbezüglich Gender-Aspekte vermutet werden können. Das in einer finnischen Studie berichtete hohe Arbeitsengagement von Brustkrebspatientinnen [34] könnte beispielsweise für Patienten niedriger ausfallen, da Frauen generell eine stärkere Verbundenheit mit dem Arbeitsplatz und der Arbeit im Allgemeinen zu haben scheinen [13, 15, 16].

Die Synthese von Studienergebnissen zu einzelnen arbeitsbezogenen Outcomes wie auch die Entwicklung eines umfassenden Verständnisses geschlechtsspezifischer Aspekte wird durch die oben genannten Einschränkungen der vorliegenden Forschungsarbeiten erschwert. Hinzu kommen unterschiedliche Definitionen von Outcomes und der Einsatz verschiedener standardisierter und nicht standardisierter Messinstrumente. So wurden in Studien zur Leistungsfähigkeit standardisierte Instrumente wie der Work-Ability-Index (WAI) [76] oder der Work Limitations Questionnaire (WLQ) [77] eingesetzt beziehungsweise Einzelitems aus diesen Instrumenten oder studienspezifische Items verwendet. Diese Schwächen wurden bereits in anderen Reviews konstatiert [6, 9]. Eine systematische Evaluation von einzelnen Outcomes unter Nutzung standardisierter Messinstrumente würde die Vergleichbarkeit von Studien zu beruflichen Folgen einer Krebserkrankung verbessern [6]. Studien können sich zukünftig an umfassenden Modellen zu Arbeit und Krebs, wie sie vereinzelt bereits vorgeschlagen werden [8, 11], orientieren, um arbeitsbezogene Outcomes systematisch zu untersuchen. Für eine adäquate Abbildung der beruflichen Folgen von Krebs sollten arbeitsbezogene Variablen, bei denen Langzeiteffekte für eine größere Gruppe von Patientinnen und Patienten zu vermuten sind, in Längsschnittstudien untersucht werden. Dazu zählen beispielsweise Leistungsfähigkeit [42] und finanzielle Verluste [64].

Neben der Problematik, dass zu einigen Variablen Ergebnisse ausschließlich für Patientinnen vorliegen, wird die Untersuchung von Gender-Aspekten auch dadurch erschwert, dass in den 44 einbezogenen Studien Patientinnen insgesamt deutlich überrepräsentiert sind. 19 Studien untersuchen ausschließlich Patientinnen, und bei der Hälfte der Studien mit gemischten Stichproben sind über 60% Frauen vertreten. Vollständige geschlechtsbezogene Analysen werden nur in zehn der 23 in dieses Review eingeschlossenen Studien mit beidgeschlechtlicher Stichprobe durchgeführt. Sieben Studien berichten Ergebnisse überwiegend (≥ 50%, tabellarisch und textlich) und weitere sechs nur vereinzelt (tabellarisch oder textlich) getrennt für Männer und Frauen. Darüber hinaus sind in den Studien Geschlecht und Tumorart häufig miteinander konfundiert. So untersuchen 19 Studien mit weiblicher Stichprobe ausschließlich Brustkrebspatientinnen. In den Studien mit beidgeschlechtlicher Stichprobe, in denen die Art der Tumorerkrankung getrennt für Männer und Frauen berichtet wird, sind durchschnittlich 78% der Frauen an Brustkrebs und 71% der Männer an Prostata- oder Hodenkrebs erkrankt. Dies erschwert die Differenzierung zwischen Effekten des Geschlechts und der Tumorart. Da Brustkrebspatientinnen häufig eine aggressive multimodale Behandlung erhalten und daher eine geringere Leistungsfähigkeit erleben [39, 78], kann nicht ausgeschlossen werden, dass die in einigen Studien konstatierte höhere Belastung von Frauen in Bezug auf berufliche Folgen mit der Tumorart beziehungsweise mit spezifischen Behandlungsmodalitäten konfundiert ist. Auch wenn Brustkrebs die bei Weitem häufigste Krebserkrankung bei Frauen im erwerbsfähigen Alter ist, können die Ergebnisse nur begrenzt auf die Situation von Krebspatientinnen mit anderen Tumordiagnosen generalisiert werden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich schlussfolgern, dass eine differenzierte Bewertung zu geschlechtsbezogenen Unterschieden beruflicher Folgen von Krebserkrankungen erst erfolgen kann, wenn weitere Studien mit ausreichend großen Stichproben sowohl männlicher als auch weiblicher Patienten sowie separaten Analysen arbeitsbezogener Outcomes für die Geschlechter vorliegen (vergleiche auch [6]).

Abschließend sollen noch einige Einschränkungen des Reviews diskutiert werden. Sie ergeben sich zum einen aus der fehlenden Einschätzung der methodischen Qualität der einbezogenen Studien. Die gefundenen Ergebnisse entziehen sich damit einem kritischen Vergleich beispielsweise hinsichtlich der internen (Bias-Risiko) sowie externen Validität (Generalisierbarkeit) der einbezogenen Studien. Zum anderen ist die Generalisierbarkeit des Reviews durch die Beschränkung auf Studien in englischer und deutscher Sprache sowie durch den auf die letzten zehn Jahre begrenzten Publikationszeitraum limitiert. Eine weitere Begrenzung des Reviews liegt darin, dass fast ausschließlich Studien aus Nordamerika und Skandinavien die Einschlusskriterien erfüllten (je eine Studie aus Spanien, Frankreich, Korea und je zwei aus England und den Niederlanden) und analysiert werden konnten. Vor dem Hintergrund kultureller und gesellschaftlicher Unterschiede und der Diversität sozialer Sicherungssysteme ist daher fraglich, inwieweit die Ergebnisse übertragbar sind. Differenzierte Studien zu beruflichen Folgen von Krebserkrankungen liegen für den deutschen Sprachraum bisher nicht vor.

Fazit

Eine erfolgreiche berufliche Reintegration nach einer Krebserkrankung ist für den Einzelnen [79] aber auch für die Familie, den Arbeitgeber und die Gesellschaft als Ganzes [46, 49, 54] erstrebenswert. Viele Patientinnen und Patienten können heute aufgrund verbesserter Behandlungsmöglichkeiten wieder in den Beruf zurückkehren. Dabei ergeben sich bei einigen arbeitsbezogenen Outcomes geschlechtsspezifische Unterschiede. Insbesondere scheinen sich Patientinnen und Patienten in ihrer arbeitsbezogenen Leistungsfähigkeit und der Bedeutung eines supportiven Arbeitsumfelds zu unterscheiden. Obwohl bisherige Studien wichtige Erkenntnisse liefern, bedarf es einer systematischeren Erforschung und einer stringenteren geschlechtsbezogenen Analyse arbeitsbezogener Outcomes, um Gender-Aspekte in einem umfassenden Konzept zur Rückkehr in den Beruf zu verorten und ihren Einfluss auf das Arbeitsleben nach einer Krebsdiagnose zu verstehen.