Zusammenfassung
Proteste gegen die Covid-19-Maßnahmen, Kritik am Pandemiemanagement der Bundesregierung sowie Diagnosen über eine zunehmende Polarisierung der deutschen Gesellschaft werfen die Frage auf, ob solche politischen Einstellungen einen Einfluss auf die Wahlabsicht bei der Bundestagswahl 2021 nehmen. Basierend auf dem Konzept der politischen Unterstützung untersucht der Beitrag, inwiefern sich Zufriedenheit, Vertrauen, Legitimitäts- und Responsivitätswahrnehmungen auf die Wahlabsicht auswirken und zeigt, dass die Bundestagsparteien in unterschiedlicher Weise von den Einstellungen profitieren.
Similar content being viewed by others
Notes
- 1.
Die Autorinnen bedanken sich für die Förderung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) unter dem Förderkennzeichen 3920405INZ.
- 2.
Die politischen Einstellungen aus dem Konzept der politischen Unterstützung lassen sich im funnel of causality unter „Wertorientierung“ (Abb. 1) verorten. Anders als der sozialpsychologische Ansatz gehen wir durch das Zusammenwirken von Einstellungen und Handlung von einen unmittelbaren Einfluss politischer Einstellungen (aus dem Konzept der politischen Unterstützung) auf das Wahlverhalten aus.
- 3.
In Anlehnung an das Forschungsinteresse des Projektes besitzen mehr als die Hälfte der Befragten einen Migrationshintergrund. Um diese überproportionale Berücksichtigung zu gewährleisten, wurden die Daten über zwei Samples realisiert. Neben einer repräsentativen Zufallsauswahl (Dual-Frame) wurden die Personen mit Migrationshintergrund größtenteils über eine zufälligen Stichprobenziehung mit vorgelagertem Onomastik-Verfahren ausgewählt.
- 4.
Die ursprüngliche Skalierung der zu erklärenden Variable verläuft von eins („ich würde diese Partei mit Sicherheit wählen“) bis sechs („ich würde diese Partei mit Sicherheit nicht wählen“). Für die Interpretation der Ergebnisse wurde die Skalierung umcodiert, so dass der Wert eins eine geringe Wahlabsicht und der Wert sechs eine hohe Wahlabsicht ausdrückt.
- 5.
Die ursprüngliche Skalierung aller erklärenden Variablen verläuft von eins bis sechs. Für die Interpretation der Ergebnisse wurde die Skalierung einheitlich umcodiert, so dass der Wert eins eine geringe Zustimmung und der Wert sechs eine hohe Zustimmung ausdrückt.
- 6.
Die innovativen Items wurden bereits in Schweden und den Niederlanden getestet (Esaiasson et al. 2015, 2017) und haben sich dort als äußerst aussagekräftig hinsichtlich der Bestimmung von Responsivität als kommunikativem Prozess (im Unterschied zu den Konzepten der external efficacy und des politischen Vertrauens) herausgestellt. Analysen der Autorinnen mit Daten der Leipziger Autoritarismusstudie 2020 bestätigen diese Aussagekraft für die deutsche Wähler:innenschaft.
- 7.
In der Analyse kann die Bedeutung der Parteiidentifikation nicht kontrolliert werden, da der verwendete Datensatz aufgrund seiner spezifischen Ausrichtung auf Migration, Repräsentation und Responsivität hierzu keine Variable enthält.
Literatur
AfD. 2021. Deutschland. Aber normal. Programm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag. https://www.afd.de/wp-content/uploads/sites/111/2021/06/20210611_AfD_Programm_2021.pdf. Zugegriffen am 11.04.2022.
Almond, Gabriel, und Sidney Verba. 1963. The civic culture: Political attitudes and democracy infive nations. Princeton: Princeton University Press.
Arzheimer, Kai, und Annette Schmitt. 2014. Der ökonomische Ansatz. In Handbuch Wahlforschung, Hrsg. Jürgen W. Falter und Harald Schoen, 332–403. Wiesbaden: Springer VS.
Back, Mitja, et al. 2021. Von Verteidigern und Entdeckern: Ein Identitätskonflikt um Zugehörigkeit und Bedrohung: Working Report. https://miami.uni-muenster.de/Record/0b066ed6-58f8-4202-a797-84da543cb9a2. Zugegriffen am 11.04.2022.
Belanger, Eric. 2017. Political trust and voting behaviour. In Handbook of political trust, Hrsg. Sonja Zmerli und Tom W. G. van der Meer, 242–255. Cheltenham: Edward Elgar Publishing.
Braun, Daniela, und Markus Tausendpfund. 2015. Wirtschaftskrise und politische Unterstützung im europäischen Vergleich. In Wirtschaft, Krise und Wahlverhalten, Hrsg. Heiko Giebler und Aiko Wagner, 331–360. Baden-Baden: Nomos.
Cabarello, Claudio. 2014. Nichtwahl. In Handbuch Wahlforschung, Hrsg. Jürgen W. Falter und Harald Schoen, 437–488. Wiesbaden: Springer VS.
Campbell, Angus, Gerald Gurin, und Warren E. Miller. 1954. The voter decides. Evanston: Row, Peterson and Company.
Campbell, Angus, Philip E. Converse, Warren E. Miller, und Donald E. Stokes. 1960. The American voter. Chicago: University of Chicago Press.
Dalton, Russel J. 2000. The decline of party identifications. In Parties without partisans. Political change in advanced industrial democracies, Hrsg. Russel J. Dalton und Martin P. Wattenberg, 19–36. Oxford: Oxford University Press.
Dalton, Russel J., Ian McAllister, und Martin P. Wattenberg. 2000. The consequences of partisan dealignment. In Parties without partisans. Political change in advanced industrial democracies, Hrsg. Russel J. Dalton und Martin P. Wattenberg, 37–63. Oxford: Oxford University Press.
Easton, David. 1957. An approach to the analysis of political systems. World Politics 9(3): 383–400.
Easton, David. 1965. A systems analysis of political life. New York: Wiley.
Easton, David. 1975. A re-assessment of the concept of political support. British Journal of Political Science 5(4): 435–457.
Esaiasson, Peter, Ann-Kristin Kölln, und Sedef Turper. 2015. External efficacy and perceived responsiveness – Similar but distinct concepts. International Journal of Public Opinion Research 27(3): 432–445.
Esaiasson, Peter, Mikael Gilljam, und Mikael Persson. 2017. Responsiveness beyond policy satisfaction: Does it matter to citizens? Comparative Political Studies 50(6): 739–765.
FDP. 2021. Nie gab es mehr zu tun. Wahlprogramm der Freien Demokraten. https://www.fdp.de/sites/default/files/2021-08/FDP_BTW2021_Wahlprogramm_1.pdf. Zugegriffen am 11.04.2022.
Fuchs, Dieter. 1989. Die Unterstützung des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Fuchs, Dieter. 2002. Das Konzept der politischen Kultur: Die Fortsetzung einer Kontroverse in konstruktiver Absicht. In Bürger und Demokratie in Ost und West, 27–49. Wiesbaden: Springer VS.
Fuchs, Dieter, Oscar W. Gabriel, und Kerstin Völkl. 2002. Vertrauen in politische Institutionen und politische Unterstützung. Österreichische Zeitschrift für Politik 31(4): 427–450.
Hambauer, Verena, und Anja Mays. 2017. Wer wählt die AfD? – Ein Vergleich der Sozialstruktur, politischen Einstellungen und Einstellungen zu Flüchtlingen zwischen AfD-WählerInnen und der WählerInnen der anderen Parteien. Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft 12(3): 133–154.
Hirschman, Albert O. 1970. Exit, voice and loyalty. Responses to decline in forms, organizations, and states. Harvard University Press: Cambridge, Mass.
Kantar Public. 2021. Deutschland vor der Bundestagswahl. https://kantarpublic.com/download/inspiration/29/CKFE_OS_DE.pdf. Zugegriffen am 11.04.2022.
Kellermann, Charlotte. 2008. Trends and Constellations: klassische Bestimmungsfaktoren des Wahlverhaltens bei den Bundestagswahlen 1990–2005. Baden-Baden: Nomos.
Koos, Sebastian. 2021. Konturen einer heterogenen „Misstrauensgemeinschaft“: Die soziale Zusammensetzung der Corona-Proteste und die Motive ihrer Teilnehmer:innen. In Die Misstrauensgemeinschaft der „Querdenker“: Die Corona-Proteste aus kultur- und sozialwissenschaftlicher Perspektive, Hrsg. Sven Reichardt, 67–90. Frankfurt: Campus Verlag.
Koos, Sebastian, und Nicolas Binder. 2021. Wer unterstützt die „Querdenker“?: Die Corona-Proteste im Spiegel der öffentlichen Meinung. In Die Misstrauensgemeinschaft der „Querdenker“: Die Corona-Proteste aus kultur- und sozialwissenschaftlicher Perspektive, Hrsg. Sven Reichardt, 295–320. Frankfurt: Campus Verlag.
Küpper, Moritz. 2022. Kür, Konzept, Kampagne - Die Kandidatinnen und Kandidaten für das Kanzleramt. In Die Bundestagswahl 2021: Analysen der Wahl-, Parteien-, Kommunikations- und Regierungsforschung, Hrsg. Karl-Rudolf Korte, Maximilian Schiffers, Arno von Schuckmann und Sandra Plümer. Wiesbaden: VS Springer.
Lange, Dirk, Holger Onken, und Andreas Slopinski. 2013. Politisches Interesse und Politische Bildung: Zum Stand des Bürgerbewusstseins Jugendlicher und junger Erwachsener. Wiesbaden: Springer VS.
Narud, Hanne Marthe, und Peter Esaiasson. 2017. Between-election democracy: The representative relationship after election day. Colchester: ECPR Press.
Norris, Pippa. 2011. Democratic deficit: Critical citizens revisited. Cambridge: Cambridge University Press.
Norris, Pippa. 2017. The conceptual framework of political support. In Handbook on political trust, Hrsg. Sonja Zmerli und Tom W. G. van der Meer, 19–32. Cheltenham: Edward Elgar Publishing.
Pickel, Susanne. 2013. Politische Kultur, Systemvertrauen und Demokratiezufriedenheit. In Handbuch Regierungsforschung, Hrsg. Karl-Rudolf Korte und Timo Grunden, 161–174. Wiesbaden: Springer VS.
Pickel, Susanne. 2018. Wahlkampfzeit ist Responsivitätszeit – die Kluft zwischen Politikern und Bürgern in der repräsentativen Demokratie. In Die Demokratie und ihre Defekte: Analysen und Reformvorschläge, Hrsg. Tom Mannewitz, 171–195. Wiesbaden: Springer VS.
Pickel, Susanne. 2019. Die Wahl der AfD. Frustration, Deprivation, Angst oder Wertekonflikt? In Die Bundestagswahl 2017, Hrsg. Karl-Rudolf Korte und Jan Schoofs, 145–175. Wiesbaden: Springer VS.
Pickel, Susanne. 2020. Politische Kultur, Systemvertrauen und Demokratiezufriedenheit. Wann fühlen sich die Bürger gut regiert? In Handbuch Regierungsforschung, Hrsg. Karl-Rudolf Korte und Martin Florack, 161–174. Wiesbaden: Springer VS.
Pickel, Susanne, und Gert Pickel. 2016. Politische Kultur in der Vergleichenden Politikwissenschaft. In Handbuch Vergleichende Politikwissenschaft, Hrsg. Hans-Joachim Lauth, Marianne Kneuer und Gert Pickel, 541–556. Wiesbaden: Springer VS.
Pickel, Susanne, und Gert Pickel. 2018. Empirische Politikforschung: Einführung in die Methoden der Politikwissenschaft. München: de Gruyter Oldenburg.
Pickel, Susanne, Simone Tosson, Andreas Blätte, Marc Debus, Laura Dinnebier, Noam Himmelrath, Merve Schmitz-Vardar, und Christian Stecker. 2021. Gesellschaftliche Konflikte und Dynamiken des Parteienwettbewerbs in der Migrations- und Integrationspolitik (MigRep). Duisburg/Mannheim: MigRep Bevölkerungsbefragung.
Richter, Christoph, und Axel Salheiser. 2021. Die Corona-Pandemie als Katalysator des Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Thüringen, Deutschland und Europa? In Wissen schafft Demokratie Band 9. Schwerpunkt Demokratiegefährdungen in der Coronakrise, 76–87. Jena: Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft.
Schoen, Harald. 2014. Soziologische Ansätze in der empirischen Wahlforschung. In Handbuch Wahlforschung, Hrsg. Jürgen W. Falter und Harald Schoen, 169–239. Wiesbaden: Springer VS.
Schoen, Harald, und Cornelia Weins. 2014. Der sozialpsychologische Ansatz zur Erklärung von Wahlverhalten. In Handbuch Wahlforschung, Hrsg. Jürgen W. Falter und Harald Schoen, 241–329. Wiesbaden: Springer VS.
Stark, Toralf. 2019. Demokratische Bürgerbeteiligung außerhalb des Wahllokals: Umbrüche in der Politischen Partizipation seit den 1970er-Jahren. Wiesbaden: Springer VS.
Steinbrecher, Markus. 2019. Wahlbeteiligung. In Politikwissenschaftliche Einstellungs- und Verhaltensforschung, Hrsg. Thorsten Faas, Oscar W. Gabriel und Jürgen Maier, 325–347. Baden-Baden: Nomos.
Vetter, Angelika. 2002. Externe politische Effektivität. In Handwörterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland, Hrsg. Martin Greiffenhagen, Sylvia Greiffenhagen und Katja Neller, 114–120. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Westle, Bettina. 1989. Politische Legitimität: Theorien, Konzepte, empirische Befunde. Baden-Baden: Nomos.
Westle, Bettina, und Oskar Niedermeyer. 2009. Orientierung gegenüber der Demokratie. In Wähler in Deutschland, Hrsg. Steffen Kühnel, Oskar Niedermeyer und Bettina Westle, 11–29. Wiesbaden: Springer VS.
Zelle, Carsten. 1995. Social dealignment versus political frustration: Contrasting explanations of the floating vote in Germany. European Journal of Political Research 27:319–345.
Zmerli, Sonja. 2019. Politisches Vertrauen. In Politikwissenschaftliche Einstellungs- und Verhaltensforschung. Handbuch für Wissenschaft und Studium, Hrsg. Thorsten Faas, Oscar W. Gabriel und Jürgen Maier, 248–272. Baden-Baden: Nomos.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2022 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this entry
Cite this entry
Tosson, S., Pickel, S. (2022). Wählen unter pandemischen Bedingungen. In: Korte, KR., Schiffers, M., von Schuckmann, A., Plümer, S. (eds) Die Bundestagswahl 2021. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35758-0_6-1
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-35758-0_6-1
Received:
Accepted:
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-35758-0
Online ISBN: 978-3-658-35758-0
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)