Zusammenfassung
Obwohl seit vielen Jahren die Erwerbsbeteiligung von Frauen steigt, ist die Studien- und Berufswahl von Frauen und Männern durch eine anhaltende Geschlechtersegregation gekennzeichnet. Berufliche Orientierung steht daher vor der Herausforderung, die Geschlechterperspektive in alle berufsorientierenden Maßnahmen aufzunehmen. Die Geschlechterdisparitäten in der Berufswahl werden nach Holland und Gottfredson durch die Entwicklung beruflicher Interessen begründet. Diese sind wiederum stark durch vorherrschende Berufsimages geprägt und wirken sich auf die Selbsteinschätzung von Mädchen und Jungen aus. Der Beitrag zeigt auf, wie eine ganzheitliche geschlechtersensible Berufliche Orientierung angegangen werden kann. Der fachdidaktische Dreischritt von Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion verdeutlicht, dass neben dem Wissen zu den Geschlechterverhältnissen am Arbeitsmarkt sowie möglichen theoretischen Erklärungsansätzen eine Kompetenz erforderlich ist, die die bestehenden geschlechtergeprägten und sozial verfestigten Strukturen infrage stellt, sodass diese gemildert werden. Anhand der Eckpunkte für eine geschlechtergerechte Didaktik – wie die Berücksichtigung der Zielgruppe, Rahmenbedingungen, Kompetenzen, Inhalte, Methoden- und Medienwahl oder das Leitungshandeln – werden im Beitrag konkrete Vorschläge gemacht, wie eine geschlechtersensible Berufliche Orientierung im Unterricht umgesetzt werden kann.
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