1 Einleitung

Wir danken den Gutachter/innen für ihre Hinweise zu einer ersten Version des Beitrags. Des Weiteren sind wir Sarah Charisis, Mareike Laub und Melissa Schiefer für die Unterstützung bei der Fragebogenentwicklung, Datenauswertung und Manuskripterstellung verbunden.

Neben anderen politischen Akteuren sind es vor allem die Parteien, die seit einigen Jahren vermehrt Beteiligungsangebote im Internet sowohl für ihre Mitglieder als auch für Nichtmitglieder bereitstellen. Sie reagieren damit zum einen auf technische Entwicklungen, die neue Beteiligungsformen innerhalb und außerhalb von Parteien ermöglichen, zum anderen auf gesellschaftliche Nutzungsmuster und Erwartungen, die mit diesen Möglichkeiten verknüpft sind (Emmer et al. 2011; Vowe 2014; Gibson et al. 2003; Jackson und Lilleker 2009). Die Nutzung neuer Online-Partizipationsmöglichkeiten zur Stärkung der parteibezogenen Beteiligung und der Ausbau der Mitbestimmungsstrukturen für die Mitglieder von Parteien sind nicht zuletzt auch aus legitimatorischen und normativen Gründen valent, stehen die Parteien – zumindest in Deutschland auch verfassungsrechtlich – unter dem Druck, ihre internen Prozesse demokratisch zu gestalten. Aufgrund der zentralen Stellung von politischen Parteien in repräsentativen Demokratien und vor dem Hintergrund der sinkenden Mitgliederzahlen (van Biezen et al. 2012) sowie des hohen Anteils an passiven Parteimitgliedern (Spier 2011; Bruter und Harrison 2009; Heidar 2006) ist es somit auch demokratietheoretisch relevant, die Mobilisierungspotenziale neuer Online-Partizipationsangebote für die Parteien in den Blick zu nehmen.

Das Internet generell und das Web 2.0 mit seinen partizipativen und kollaborativen Funktionalitäten im Besonderen bieten für Parteien das Potenzial, Prozesse der internen Willensbildung zu öffnen, zu verändern und innerparteiliche Demokratie neu zu konfigurieren (Gibson et al. 2013). Die tatsächliche Nutzung der durch die Parteien bereitgestellten Partizipationsangebote bleibt allerdings in vielen Fällen hinter den Erwartungen zurück; es zeigt sich eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage (Bullwinkel und Probst 2014; Hanel et al. 2014).

Wie lässt sich diese Diskrepanz erklären? Zwar liegen sowohl zur Erklärung politischer (Nicht-)Partizipation im Allgemeinen, zur politischen Online-Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern als auch zum speziellen Fall der Beteiligung in Parteien theoretische Ansätze und empirische Befunde vor. Ein theoretisches und empirisches Desiderat besteht dagegen immer noch bei der Frage, wer sich warum innerhalb von Parteien online beteiligt respektive wer warum nicht. Zur Schließung dieser Forschungslücke möchte diese Studie beitragen und ein Modell zur Erklärung von innerparteilicher Online-Partizipation entwickeln. Helfen hierbei Ansätze der allgemeinen Partizipationsforschung weiter, treffen die Erklärungsmuster für innerparteiliche Offline-Partizipation zu – oder müssen wir nach ganz neuen Erklärungsansätzen suchen? Um zu erklären, warum sich bestimmte Parteimitglieder online beteiligen und andere nicht, vergleicht die vorliegende Untersuchung Nutzer/innen mit Nichtnutzer/innen innerparteilicher Online-Partizipationsangebote hinsichtlich in der Literatur als partizipationsrelevant eingestufter Merkmale.

Zunächst stellt der Beitrag theoretische Ansatzpunkte und Befunde aus der allgemeinen sowie aus der parteibezogenen Partizipationsforschung vor, die mikroanalytische Erklärungsfaktoren für Beteiligung identifizieren. Aus diesen Ansätzen werden forschungsleitende Erwartungen entwickelt und auf die politische Online-Partizipation in Parteien übertragen. Diese Erwartungen werden empirisch in einem konkreten Untersuchungskontext geprüft: anhand der Nutzung einer Online-Plattform, die für die Mitglieder einer etablierten bundesdeutschen Partei auf Landesebene bereitgestellt worden ist. Die empirischen Befunde werden mit Blick auf die theoretisch entwickelten Erwartungen diskutiert, um abschließend zu erörtern, inwieweit die Ergebnisse Rückschlüsse auf ein generelles Erklärungsmodell innerparteilicher Online-Partizipation geben können.

2 Politische Partizipation in Theorie und Forschung

Mit der online-basierten innerparteilichen Partizipation wird in dieser Studie eine spezifische Form der Beteiligung analysiert, die zunächst in den allgemeinen Kontext der politischen Partizipationsforschung gestellt werden soll (vgl. van Deth 2009). Ausgangspunkt ist das Verständnis politischer Beteiligung von Max Kaase, der politische Partizipation definiert als alle Handlungen, „die Bürger freiwillig mit dem Ziel vornehmen, Entscheidungen auf den verschiedenen Ebenen des politischen Systems zu beeinflussen“ (1997, S. 169). Dieses breit angelegte Verständnis politischer Partizipation lässt sich auch auf Handlungen im Internet übertragen bzw. schließt diese nicht aus.Footnote 2 Ausmaß und Qualität politischer Partizipation variieren von Individuum zu Individuum – sowohl hinsichtlich klassischer als auch neuer, internetbasierter Partizipationsformen wie dem Verfassen oder Teilen politischer Inhalte in Sozialen Netzwerken, der Teilnahme an Online-Diskussionen oder Online-Petitionen. Diese Varianz auf der Mikroebene wirft die Frage nach den Bedingungen und Erklärungsfaktoren für politische Partizipation auf. Die traditionelle politische Partizipationsforschung bietet hier drei grundlegende Ansätze mit unterschiedlichen Faktorenbündeln zur Erklärung variierender Beteiligungsgrade, die in Teilen auch schon für Formen der Online-Partizipation überprüft worden sind und im folgenden Abschnitt erläutert werden: das Ressourcenmodell, das sozialpsychologische Modell und das General-Incentives-Modell (für einen Überblick über alle Modelle s. Seyd und Whiteley 2002).

2.1 Erklärungsfaktoren für politische Partizipation

Das Ressourcenmodell (Sozioökonomisches Standardmodell) geht davon aus, dass vor allem sozialstrukturelle Merkmale bestimmen, ob und wie intensiv sich jemand politisch beteiligt (Verba und Nie 1972). Als partizipationsrelevante Ressourcen werden vor allem die Schulbildung, das Einkommen und die gesellschaftliche Position betrachtet. Später ist dieser Ansatz zum Civic Voluntarism Model erweitert worden (Verba et al. 1995). Die Antwort auf die Frage, warum Menschen (nicht) partizipieren, lässt sich auf folgende Dimensionen herunterbrechen: (1) weil sie nicht wollen, (2) weil sie nicht können, (3) weil sie nicht gefragt werden (vgl. Brady et al. 1995). Das Civic Voluntarism Model fokussiert vor allem auf das „nicht können“. Dabei werden die sozioökonomischen Faktoren um zusätzliche partizipationsrelevante Ressourcen ergänzt: Geld, Zeit und civic skills.Footnote 3 Die Autoren gehen davon aus, dass nicht alle Faktoren gleich stark wirken, sondern nach der Art der politischen Beteiligung differenziert werden muss, da unterschiedliche Formen politischen Engagements unterschiedliche Ressourcen erfordern.

Im Gegensatz zum Ressourcenmodell vermutet der sozialpsychologische Ansatz, dass vor allem individuelle Einstellungen wie das politische Interesse, die Wahrnehmung der political efficacy (Campbell et al. 1954; Vetter 1997) sowie „interne und externe Normen“ (Klein 2006, S. 37) wie die Einstellung zur Demokratie oder subjektiv wahrgenommene Partizipationsnormen die unterschiedliche Bereitschaft zur politischen Partizipation erklären (grundlegend Milbrath und Goel 1977; Dalton 2008). Außerdem relevant für die Bereitschaft zur politischen Partizipation sind im sozialpsychologischen Ansatz die politische Selbsteinschätzung auf der Links-Rechts-Skala sowie die (post-)materialistische Werteorientierung (Steinbrecher 2009).

Ein dritter Erklärungsansatz, das General-Incentives-Modell, basiert auf Rational-Choice-Annahmen und erklärt politische Partizipation unter Rückgriff auf individuelle Kosten-Nutzen-Kalkulationen (Seyd und Whiteley 1992; Seyd und Whiteley 2002). Demnach entscheiden sich Individuen dazu, politisch aktiv zu werden, wenn die positiven die negativen Anreize überwiegen (Klein 2006). Seyd und Whiteley (2002, S. 51–53) führen zunächst selektive Anreize an. Selektive Anreize sind dann „prozessbezogen“, wenn der Nutzen aus der Partizipation selbst entspringt, z. B. daraus, dass man Gleichgesinnte trifft. Dagegen sind sie „ergebnisbezogen“, wenn sie einen direkten Nutzen für den Einzelnen implizieren, wie z. B. die Aussicht auf ein politisches Mandat (Klein 2006, S. 37). Zur Gruppe der selektiven Anreize gehören darüber hinaus die ideologischen Motive, d. h. der Austausch mit Menschen mit gleichen politischen Wertvorstellungen und das Eintreten für diese Werte und politischen Ziele. Von den selektiven Anreizen werden die kollektiven Anreize unterschieden. Hier liegt der Nutzen nicht im Erreichen eines persönlichen, sondern eines gemeinsamen politischen Ziels (Klein 2006). All diesen positiven Anreizen stehen Kosten gegenüber, z. B. Mitgliedschaftsbeiträge, die Zeit für das Engagement oder soziale Interaktionskosten.

Den drei Faktorenbündeln wird, auch in einer modellübergreifenden Kombination der nicht immer trennscharfen Faktoren, eine hohe Erklärungskraft für politische Partizipation zugesprochen; hierfür liegt beachtliche empirische Evidenz vor. Inwiefern sich diese ursprünglich für klassische Formen der politischen Partizipation identifizierten Einflussfaktoren auch auf die Online-Partizipation übertragen lassen, ist strittig. Die bisherigen Befunde sind ambivalent und in Teilen widersprüchlich.

Mittlerweile liegen zwar zahlreiche empirische Analysen vor, die in den Blick nehmen, wer sich politisch online engagiert (u. a. Emmer et al. 2011; Schlozman et al. 2012; Escher 2010; Dalton 2008; Chadwick und Howard 2009; Anduiza et al. 2012), allerdings werden dabei teilweise unterschiedliche Verständnisse von Online-Partizipation angelegt und verschiedene Partizipationsformen in unterschiedlichen Kontexten in den Blick genommen, die einen Vergleich der Befunde erschweren.

Grundsätzlich lässt sich jedoch festhalten, dass anfängliche Erwartungen, mit neuen internetbasierten Partizipationskanälen neue Gruppen erreichen zu können, durch empirische Studien weitestgehend widerlegt wurden: Internetbasierte Kommunikations- und Partizipationsoptionen sprechen vor allem diejenigen an, die ohnehin politisch engagiert sind. Es kommt daher insgesamt eher zu einer Stabilisierung der Asymmetrie innerhalb der politischen Partizipation statt zu einer Mobilisierung neuer Gruppen oder einer grundlegenden Veränderung der Partizipationsmuster (Gibson et al. 2005; Jensen 2013; Norris 2001; Shah et al. 2005; Schlozman et al. 2012, Vowe 2014). In einigen Studien wurden hinsichtlich einzelner Faktoren dennoch Unterschiede zwischen Offline- und Online-Partizipation festgestellt: So sind beispielsweise diejenigen, die sich online politisch beteiligen, tendenziell jünger als diejenigen, die offline partizipieren (Jensen 2013; Vowe 2014; Schlozman et al. 2012; Oser et al. 2013).Footnote 4 Insgesamt scheinen zudem einige der traditionellen Faktoren für die Online-Beteiligung eine geringere Rolle zu spielen (Jensen 2013; Krueger 2002). Vielmehr stellen Umfang und Art der generellen Nutzung des Internets, sogenannte „Internet skills“Footnote 5, wichtige Prädiktoren für Online-Partizipation dar (Krueger 2002; Vonbun und Schönbach 2014). Die Internet skills sind dabei abhängig von Alter und Geschlecht, nicht aber unmittelbar von sozioökonomischen Faktoren.

Kurzum: Die Erklärungsmodelle politischer Offline-Partizipation können nicht eins zu eins auf den Online-Bereich übertragen werden. Sie bedürfen der Modifikation je nach Kontext und konkreter Form der Partizipation sowie einer Erweiterung um internetspezifische Faktoren (s. auch Voss 2014). Inwiefern sich darüber hinaus für den speziellen Fall der Partizipation innerhalb von Parteien weitere Modifikationen ergeben, wird im folgenden Abschnitt diskutiert.

2.2 Politische Partizipation in Parteien

In Anlehnung an Klein (2006, S. 36) kann die parteibezogene Partizipation als „zweistufiger Prozess“ betrachtet werden, der auf der ersten Stufe die Entscheidung zum Eintritt in eine Partei und auf der zweiten Stufe den Grad der Aktivität innerhalb der Partei umfasst. Bezogen auf das innerparteiliche Engagement kann die passive Mitgliedschaft als „Low-Costs-Aktivität“ von der innerparteilichen Partizipation als „High-Costs-Aktivität“ (Klein 2006, S. 40) unterschieden werden.

Die dargestellten Ansätze zur Erklärung unterschiedlicher Grade politischer Partizipation sind mitunter anhand der Partizipation in Parteien entwickelt respektive an dieses Phänomen angelegt und überprüft worden. So entwarf Niedermayer (1989, S. 63–170) ein Modell zur Analyse individueller innerparteilicher Partizipation, das die drei theoretischen Faktorenbündel allgemeiner politischer Partizipation berücksichtigt: die Ressourcen, Prädispositionen und so genannte Opportunitäten, also Kontextbedingungen wie die allgemeinen „sozio-politischen Rahmenbedingungen“ sowie „die parteiorganisatorischen Anreizsysteme“ (Niedermayer 1989, S. 145). Dieses Modell – erweitert um die jüngeren Überlegungen zum General-Incentives-Ansatz – wurde für den deutschen Kontext bereits mehrfach im Rahmen von großen Parteimitgliederstudien angelegt.

Die jüngsten und umfassendsten Befunde zur Mitgliedschaft und Partizipation in deutschen Parteien bietet die Parteimitgliederstudie 2009. Auf Grundlage dieser Daten fragen Hoffmann (2011) und Laux (2011) danach, wer überhaupt Mitglied einer Partei wird und welche Faktoren diese Entscheidung erklären bzw. begünstigen. Hoffmann vergleicht dazu die drei beschriebenen Ansätze. Die mit Abstand größte Erklärungskraft für den Beitritt in eine Partei weist der sozialpsychologische Ansatz auf, wobei Hoffmann darauf hinweist, dass die relevanten Faktoren politisches Interesse und political efficacy auch durch sozialstrukturelle Merkmale wie den Bildungsgrad positiv beeinflusst werden (Hoffmann 2011). Laux (2011) wiederum fokussiert auf das General-Incentives-Model und vergleicht die Bedeutung verschiedener Anreizdimensionen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass bei der Entscheidung für den Beitritt in eine Partei kollektive politische Anreize das stärkste Motiv darstellen. Weiteren Studien zufolge lassen sich die Motivlagen zwischen bestimmten Gruppen noch weiter differenzieren: Bei jüngeren Parteimitgliedern scheinen im Hinblick auf die Entscheidung zum Beitritt in eine Partei selektive, ergebnisbezogene Motive zu überwiegen, also der Wunsch, Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen (Klein 2006, S. 51).

Spier (2011) wiederum versucht unterschiedliche Aktivitätsgrade innerhalb der Mitgliedschaft von Parteien zu erklären. Bei dem Vergleich aktiver und weniger aktiver Parteimitglieder kommt er zu dem Schluss, dass bei der Partizipation innerhalb von Parteien weniger die Ressourcen, also die sozialstrukturellen Faktoren, eine Rolle spielen als vielmehr die Anreize (ebd., S. 117). Jun (2009) stellt generell einen Wandel der Motive der innerparteilichen Partizipation hin zu selektiven, ergebnisbezogenen Anreizen fest.

Es wird deutlich, dass für die Erklärung der Beteiligung in Parteien die drei Ansätze der generellen Partizipationsforschung modifiziert angewendet werden können. Dabei scheint das General-Incentives-Modell besonders erklärungskräftig zu sein. Bei der Frage nach der online-basierten Beteiligung in Parteien tut sich dagegen eine konzeptionelle und empirische Forschungslücke auf. In den einschlägigen Analysen zur internetbasierten Partizipation in Parteien stehen vor allem mögliche Formen und Formate, Einsatzzwecke und Ziele sowie die Integration in die Organisations- und Entscheidungsstrukturen im Mittelpunkt. Außerdem wurden Mobilisierungspotenziale auch über die Parteimitgliedschaft hinaus in den Blick genommen, insbesondere im Kontext von Wahlkämpfen (vgl. z. B. den Überblick bei Bieber 2014a, Gibson 2015; Gibson et al. 2013; Römmele 2003).

2.3 Modell und Erwartungen

Die unterschiedliche Beteiligung an online-basierter innerparteilicher Partizipation wurde bisher nicht untersucht. An dieser Stelle setzt die vorliegende Untersuchung an. Im Folgenden werden aus dem Forschungsstand zur Online-Partizipation sowie zur klassischen innerparteilichen Partizipation theoretische Erwartungen in ein Erklärungsmodell innerparteilicher Online-Partizipation integriert.

Für eine Analyse dieser spezifischen Form von Beteiligung werden die klassischen Ansätze zur Erklärung politischer Partizipation um internet-, partei- und kontextspezifische Faktoren erweitert (Abb. 1). Wie dargestellt deuten Studien an, dass es für die politische Online-Partizipation eine Rolle spielt, inwiefern eine Person nicht nur über civic skills, sondern auch über Internet skills verfügt, da davon ausgegangen werden kann, dass aufgrund der sehr unterschiedlichen Beteiligungsformate im Internet anwendungsspezifische Nutzungshürden existieren. Wir erwarten, dass vor allem Personen, die das Internet häufig und vielseitig nutzen, dieses auch für die politische Beteiligung in Anspruch nehmen. Zudem liegt die Vermutung nahe, dass innerparteiliche Partizipation auch durch parteispezifische Ressourcen gefördert wird, z. B. durch Erfahrungen mit der Parteiarbeit, die Dauer der Mitgliedschaft sowie dem Besetzen einer Funktion innerhalb der Partei.

Die klassischen sozialpsychologischen Faktoren wiederum werden ergänzt um die Einstellungen der potenziell Partizipierenden gegenüber der Bedeutung von innerparteilicher Beteiligung generell sowie gegenüber der spezifischen Form der (Online-)Partizipation bzw. des Partizipationsangebots. Hier ist anzunehmen, dass diejenigen, die bestimmten Formen der Beteiligung gegenüber negativ eingestellt sind, diese Partizipationsformen auch nicht nutzen. Weiterhin ist zu vermuten, dass Parteimitglieder, die innerparteiliche Partizipation auf der Grundlage einer Beteiligungsnorm als wichtig ansehen, eher in der Partei aktiv werden als Personen, die innerparteilicher Partizipation einen geringen Stellenwert beimessen. Zudem sollte sich die generelle Zufriedenheit mit der Partei positiv auf die Bereitschaft zur innerparteilichen Partizipation auswirken.

Zur Konkretisierung des Incentives-Modells sollen schließlich die denkbaren positiven und negativen Anreize für die Online-Partizipation berücksichtigt werden. Was die positiven Anreize und Motive betrifft, wird davon ausgegangen, dass für die Online-Partizipation andere Anreize relevant sind als für die Offline-Partizipation.

Abb. 1
figure 1

Modell innerparteilicher Online-Partizipation (Quelle: Eigene Darstellung)

3 Vorgehensweise und Datengrundlage

Die Wirksamkeit der Faktoren des Modells innerparteilicher Online-Partizipation soll anhand einer spezifischen Form innerparteilicher Online-Partizipation überprüft werden: der (Nicht-)Teilnahme an einer von einer Partei aufgesetzten Online-Plattform. Mit einer solchen Plattform wird ein Instrument innerparteilicher Partizipation in den Blick genommen, das mittlerweile gängig und verbreitet ist. Nahezu alle etablierten deutschen Parteien bieten z. B. eigene Mitgliedernetzwerke an, über die innerparteiliche Partizipation beispielsweise im Rahmen von Programmdebatten ermöglicht wird (Bieber 2014a, 2014b).

Im Folgenden wird die Datengrundlage näher erläutert. Daran anschließend wird dargelegt, wie die theoretisch abgeleiteten und erweiterten sozialstrukturellen, sozialpsychologischen und motivationalen Faktorenbündel für die empirische Überprüfung der forschungsleitenden Annahmen operationalisiert werden.

3.1 Untersuchungskontext und Datenerhebung

Als Untersuchungskontext dient die Online-Plattform „beteiligung.gruene-nrw.de“, die vom Landesverband der Grünen in Nordrhein-Westfalen seit Anfang 2013 betrieben wird. Mit dem Ziel, „die Parteibasis als demos [der] Partei im Sinne der politischen Mitbestimmung auf bestmögliche Weise“ (Grüne NRW 2012b) einzubeziehen, hat der Landesverband der Grünen NRW diese Online-Beteiligungsplattform für seine Parteimitglieder eingerichtet. Die Funktionen, die die Plattform innerhalb der Parteiarbeit haben soll, sind vielfältig. Teilnehmer/innen und Parteigliederungen können die Seite beispielsweise zur Diskussion von Ideen und (Wahl-)Programmen, zur Entscheidungsfindung oder zur Vorbereitung von Treffen/Versammlungen nutzen (s. Grüne NRW 2012a). Registrierte Mitglieder können auf der Plattform Gruppen gründen, inhaltliche Beiträge zu Themen formulieren und Beiträge anderer kommentieren oder bewerten. Bis zum Start der Datenerhebung haben sich auf der Plattform insgesamt knapp 1400 Personen registriert.

Um der Frage auf den Grund zu gehen, ob und wie diese Plattform von den Parteimitgliedern wahrgenommen und genutzt worden ist und inwiefern sich Nutzer/innen und Nichtnutzer/innen der Plattform unterscheiden, sind 9546 Mitglieder der Landespartei per E‑Mail gebeten worden, an einer standardisierten Onlinebefragung teilzunehmen.Footnote 6 Diese Gruppe umfasst alle Parteimitglieder der Grünen NRW, die beim Landesverband eine E‑Mail-Adresse angegeben haben. Insgesamt hatte der NRW-Landesverband zu diesem Zeitpunkt ca. 13.000 Mitglieder. Es wurden also knapp 73 Prozent aller Mitglieder mit der Umfrage erreicht. Die Befragung lief vom 12. September bis zum 12. Oktober 2014. Es liegen 1272 vollständig ausgefüllte Fragebögen von Parteimitgliedern vor. Damit beträgt die Rücklaufquote 13,3 Prozent.Footnote 7

Die Grundgesamtheit sind diejenigen Mitglieder der Partei, die die Möglichkeit hatten, das Partizipationsangebot wahrzunehmen, also alle, die über einen Zugang zum Internet verfügen. Es handelt sich um einen Personenkreis, der größer ist als die Gruppe der angefragten Personen, da vermutlich nicht alle online-fähigen Mitglieder ihre E‑Mail-Adresse beim Landesverband hinterlegt haben. Über diese Grundgesamtheit gibt es keine genauen Vergleichsdaten. Insofern können wir die Qualität der Stichprobe nicht in Relation mit den Merkmalen der Grundgesamtheit setzen. Es liegen nur Informationen zu der über die Grundgesamtheit hinausreichenden Gruppe aller Mitglieder im Landesverband vor.

Üblicherweise liegt das Durchschnittsalter von Online-Stichproben unter dem der Grundgesamtheit (Zerback und Maurer 2014). Im vorliegenden Fall ist es – zumindest mit Blick auf die größere Gruppe aller Mitglieder des Landesverbandes – umgekehrt: Das Durchschnittsalter der befragten Parteimitglieder liegt bei rund 50 Jahren, das der Mitglieder der Grünen NRW laut Landesverband bei „Mitte Vierzig“. Die Geschlechterverteilung in der Stichprobe weist eine leichte Überrepräsentation von Männern auf, was wiederum den Erfahrungen anderer Online-Umfragen entspricht: In der Stichprobe sind 34,9 Prozent der Befragten weiblich und 65,1 Prozent männlich (N = 1241); die Geschlechterverteilung im Landesverband der Grünen beläuft sich auf 39 Prozent Frauen zu 61 Prozent Männern. Die Stichprobe ist also hinsichtlich des Alters und des Geschlechts leicht verzerrt, allerdings nur mit Blick auf die gesamte Gruppe der Parteimitglieder mit und ohne Online-Zugang.

3.2 Operationalisierung der zentralen Konstrukte

Für die Untersuchung der Nutzung der Plattform mussten die theoretischen Konstrukte in empirische Indikatoren übersetzt werden, die mittels einer Befragung erhoben werden können. Für die klassischen soziostrukturellen Merkmale (Alter, Geschlecht, Bildung, Erwerbsstatus, Beruf) und sozialpsychologischen Faktoren (politisches Interesse, external efficacy, internal efficacy) wurde auf etablierte Instrumente zurückgegriffen. Daher beschränkt sich die folgende Darstellung auf die Erläuterung der zentralen Indikatoren für die jeweils ergänzten bzw. angepassten Faktoren (internet-, partei- und fallbezogen).

3.2.1 Ergänzte sozialstrukturelle Faktoren und Ressourcen

Zunächst zu den ergänzten sozialstrukturellen Faktoren und Ressourcen: Internet skills wurden in der Erhebung quantitativ als die allgemeine Internetnutzung in Stunden pro Woche und qualitativ als die politische Internetnutzung erfasst. Als Indikatoren für letztere wurden verschiedene Formen der politischen Internetnutzung unterschieden: Zum einen wurde erhoben, wie häufig das Internet genutzt wird, um sich politisch zu informieren. Dafür wurden verschiedene Informationsmöglichkeiten abgefragt (z. B. Häufigkeit der Nutzung von Nachrichtenseiten oder Blogs). Hieraus wurde die Variable online politisch informieren als additiver Index der Mittelwerte mit drei Ausprägungen gebildet („nie“, „selten oder gelegentlich“, „oft bis sehr oft“). Zum anderen wurde über verschiedene Items erhoben, ob bestimmte Formen der politischen Partizipation über das Internet schon einmal praktiziert worden sind (z. B. eine Online-Petition unterschreiben, eine Online-Kampagne organisieren). Aus diesen Items ergaben sich über eine Faktorenanalyse drei Unterformen der politischen Online-Partizipation: online abstimmen, online diskutieren/beraten und online mobilisieren (jeweils „schon einmal gemacht“/„noch nie gemacht“).Footnote 8

Als parteibezogene Ressourcen wurden zum einen die Dauer der Mitgliedschaft (in Jahren) erhoben sowie zum anderen, ob der oder die Befragte ein Amt oder eine Funktion in der Partei innehat (Amts- oder Funktionsträger ja/nein). Des Weiteren wurde abgefragt, in welchen Formen sich der/die Befragte in der Partei im vergangenen Jahr wie häufig engagiert hat. Aus der Abfrage verschiedener Arten der klassischen Offline-Parteiarbeit (z. B. Besuch von Veranstaltungen, Verteilen von Informationsmaterial)Footnote 9 und der Parteiarbeit über das Internet (z. B. Newsletter abonnieren, an Online-Diskussionen teilnehmen) wurden auf Grundlage einer Faktorenanalyse drei additive Indizes der jeweiligen Mittelwerte mit je drei Ausprägungen („nie“, „selten oder gelegentlich“, „oft bis sehr oft“) gebildet: Die Parteiarbeit offline umfasst die Häufigkeit der Ausübung verschiedener Formen der klassischen Parteiarbeit. Der Index Parteiarbeit online aktiv fasst verschiedene Formen internetbasierter Parteiarbeit zusammen, die eine aktive, produzierende Tätigkeit erfordern. Im Index Parteiarbeit online passiv sind passive, rezipierende Formen der Online-Parteiarbeit zusammengefasst.

3.2.2 Ergänzte sozialpsychologische Faktoren

Zur Ergänzung des sozialpsychologischen Faktorenbündels um die spezifische Einstellung zum Internet in der Parteiarbeit wurde die Einstellung zu Online-Plattformen erfasst. Diese wurde darüber abgefragt, wie die zukünftige Bedeutung solcher Plattformen für die Arbeit in der Partei gesehen wird: ob diese zunehmen soll, ob die derzeitige Bedeutung als ausreichend betrachtet wird oder ob solche Plattformen überhaupt nicht mehr eingesetzt werden sollten.

Zudem wurden parteibezogene Einstellungen erhoben. Hier wurde differenziert nach den verschiedenen Ebenen (Partei insgesamt, Wahlkreisebene, Landesebene, Bundesebene) die Zufriedenheit mit der Partei sowie die Zufriedenheit mit den Einflussmöglichkeiten in der Partei abgefragt (Fünfer-Skala, „sehr unzufrieden“ bis „sehr zufrieden“).

3.2.3 Angepasste motivationale Faktoren

Um die Anreize für die Nutzung der Plattform bzw. für ihre Nichtnutzung zu erfassen, wurden die Nutzer/innen gefragt, warum sie sich auf der Plattform angemeldet haben. Sie sollten für verschiedene positive Anreize Footnote 10 (z. B. „aus Spaß an der politischen Arbeit“, „um Themen und Inhalte der Partei zu beeinflussen“) angeben, wie stark diese sie jeweils zur Nutzung motiviert haben (Fünfer-Skala, „trifft überhaupt nicht zu“ bis „trifft voll und ganz zu“).

Diejenigen, die zuvor angegeben hatten, sich nicht auf der Plattform angemeldet zu haben, wurden wiederum nach negativen Anreizen gefragt, die sie möglicherweise von der Nutzung der Plattform abgehalten haben. Auch hier wurden den Befragten denkbare Gründe für die Nichtteilnahme präsentiert (z. B. „keine Zeit“, „technische Probleme“) und sie wurden gebeten einzuschätzen, inwiefern diese bei ihnen zutreffen (Fünfer-Skala, „trifft überhaupt nicht zu“ bis „trifft voll und ganz zu“).

4 Ergebnisse

Ziel der Befragung war es herauszufinden, wer innerhalb von Parteien das Internet zur Beteiligung nutzt, und die im theoretischen Abschnitt beschriebenen sozialstrukturellen, sozialpsychologischen und motivationalen Faktorenbündel hinsichtlich ihrer Rolle für die innerparteiliche Online-Partizipation zu überprüfen. Dafür wurde die Nutzung eines konkreten innerparteilichen Partizipationsangebots untersucht.

Zunächst ist festzuhalten, dass unter den befragten Parteimitgliedern grundsätzlich eine positive Haltung gegenüber dem Einsatz von Online-Plattformen für die Parteiarbeit vorherrscht: Nur 3,5 Prozent aller Befragten sind der Meinung, dass Online-Plattformen in Zukunft gar nicht mehr eingesetzt werden sollten. Weniger als 4 Prozent der Befragten, die die Plattform nicht genutzt haben, gaben an, sich auch in Zukunft unter keinen Umständen auf einer Online-Plattform beteiligen zu wollen. Als Begründung für diese Haltung erhielt die Aussage „Ich diskutiere lieber persönlich als über das Internet mit meinen Parteifreund*innen über politische Themen“ die meiste Zustimmung.

Für die weiteren Analysen stellt sich zunächst einmal die Frage, wie viele der befragten Mitglieder des Landesverbandes der Grünen NRW die beschriebene Online-Plattform überhaupt kannten und sich dort registriert haben. Tatsächlich gab etwa die Hälfte (647) der befragten Parteimitglieder an, nicht von der Plattform gehört zu haben, das Angebot also gar nicht zu kennen. Hier könnte vermutet werden, dass bestimmte Gruppen innerhalb der Partei systematisch von dieser Information ausgeschlossen waren, etwa weil sie über bestimmte Kommunikationskanäle nicht erreicht werden konnten. Ein Vergleich zumindest der soziodemografischen Merkmale zeigt jedoch, dass es kaum signifikante oder interpretierbare Unterschiede zwischen denjenigen, die die Plattform kannten, und denjenigen, die sie nicht kannten, gibt. Sie unterscheiden sich lediglich signifikant, wenn auch schwach im Hinblick auf ihre Stellung innerhalb der Partei: 53,8 Prozent derjenigen, die mindestens ein Amt oder eine Funktion in der Partei innehaben, kannten die Plattform. Von denjenigen ohne Amt oder Funktion sind es dagegen nur 43,4 Prozent (p = 0,00, Phi = 0,103). Auch kennen 61,3 Prozent der Mitglieder, die angeben, sich oft bis sehr oft offline in der Partei zu engagieren, die Plattform, während es von denen, die sich selten oder gelegentlich einbringen, nur 46,3 Prozent sind (p = 0,00, Phi = 0,156).

Im Folgenden werden nun die Befragten in den Analysefokus gerückt, die die Plattform kannten und somit überhaupt die Möglichkeit hatten, das Online-Beteiligungsangebot zu nutzen (N = 625). Von diesen 625 Befragten haben sich rund 26 Prozent auf der Plattform registriert und können damit als Nutzer/innen der Plattform (N = 162) definiert werden. Diese Gruppe weist ein besonders hohes politisches Interesse auf und engagiert sich auch in anderen Formen oft in der Partei (s. Tab. 2 und 3). Die häufigste Form der Nutzung der Plattform war das Lesen von Beiträgen anderer; 76 Prozent der Nutzer/innen haben dies gemacht. Aktivere Formen der Beteiligung wie das Erstellen von Vorschlägen oder Kommentaren hat nur knapp ein Viertel der befragten Plattformnutzer/innen genutzt.

Etwa drei Viertel der Befragten mit Kenntnis der Online-Plattform haben diese dagegen überhaupt nicht genutzt, d. h. sich dort nicht einmal registriert. Sie werden hier definiert als Nichtnutzer/innen (N = 463), die den Nutzern/innen der Plattform gegenübergestellt werden. Diese beiden Gruppen werden im Folgenden zunächst bivariat hinsichtlich der dargestellten Faktoren verglichen, um eventuelle systematische Unterschiede zwischen ihnen zu identifizieren. Um die Erklärungskraft der einzelnen Modelle und des Gesamtmodells hinsichtlich der Plattformnutzung zu überprüfen, wurden darüber hinaus in einem zweiten Schritt multivariate Analysen mithilfe von Regressionsmodellen durchgeführt.

4.1 Soziostrukturelle Faktoren und Ressourcen

Hinsichtlich des (erweiterten) Ressourcenansatzes findet man differenzierte Ergebnisse, wenn man die Nutzer/innen der Plattform mit den Nichtnutzer/innen vergleicht. Betrachtet man zunächst die klassischen sozioökonomischen Faktoren (Tab. 1), zeigt sich nur beim Durchschnittsalter ein eindeutiger und signifikanter Unterschied: Die Nutzer/innen sind im Durchschnitt etwas jünger. Betrachtet man die Berufsgruppen und den Erwerbsstatus, zeigen sich zwar signifikante, aber nur sehr schwache Unterschiede, bei Bildung und Geschlecht liegen keine signifikanten Unterschiede vor. Beim Bildungsgrad ist freilich zu bedenken, dass die Mitgliederschaft der Grünen mit einem Akademikeranteil von fast 70 Prozent in der Bundespartei ohnehin überdurchschnittlich hoch gebildet ist (Klein 2011).

Tab. 1 Bivariater Vergleich der sozioökonomischen Faktoren

Eine weitere, speziell auf Online-Partizipation bezogene Ressource stellen die Internet skills dar, die sowohl über die rein quantitative Nutzung des Internets als auch über die politische Nutzung erhoben wurden (Tab. 2). Hier zeigt sich vor allem hinsichtlich der quantitativen Internetnutzung ein eindeutiger Unterschied zwischen den Nutzer/innen und den Nichtnutzer/innen der Plattform: Erstere gehen im Durchschnitt knapp 23 Stunden pro Woche online, die Nichtnutzer/innen dagegen nur 16 Stunden. Beim Vergleich der politischen Nutzung des Internets ergibt sich dagegen nur bei der Tätigkeit mit dem höchsten Aktivitätsgrad, online mobilisieren, ein eindeutiger Unterschied zwischen Nutzer/innen und Nichtnutzer/innen; ein wesentlich größerer Anteil der Nutzer/innen hat das Internet schon einmal zur politischen Mobilisierung anderer genutzt. Die Nutzer/innen der Plattform gehören also zu denjenigen, die das Netz besonders aktiv zur politischen Arbeit nutzen, indem sie z. B. in Sozialen Netzwerken Beiträge verfassen, Online-Kampagnen organisieren oder Petitionen erstellen. Auch bei den anderen Formen der politischen Internetnutzung war der Anteil unter den Plattformnutzer/innen höher als unter den Nichtnutzer/innen, allerdings sind diese Unterschiede nur schwach bzw. im Falle des Index online abstimmen auch nicht signifikant. Die Befragten zeichnen sich demnach insgesamt durch eine hohe Internetkompetenz aus.

Tab. 2 Bivariater Vergleich der Internetnutzung

Neben den internetspezifischen Ressourcen und Fähigkeiten wurden zudem parteispezifische Faktoren als zusätzliche Ressourcen erhoben und verglichen (Tab. 3). Hier zeigte sich hinsichtlich der Dauer der Mitgliedschaft basierend auf einem Mittelwertvergleich kein signifikanter Unterschied zwischen den Nutzer/innen und Nichtnutzer/innen. Ein schwacher, aber signifikanter Zusammenhang ist bei der Variable Amts- oder Funktionsträger zu erkennen: Deutlich mehr Nutzer/innen als Nichtnutzer/innen haben zumindest ein Amt oder eine Funktion in der Partei inne. Noch stärkere Unterschiede zwischen den beiden Gruppen ergeben sich hinsichtlich der Parteiarbeit offline: 41,1 Prozent der Nutzer/innen im Gegensatz zu 31,0 Prozent der Nichtnutzer/innen sind oft oder sehr oft offline in der Partei aktiv. Auf einem geringen Niveau, aber noch deutlicher zeigen sich signifikante Unterschiede bei der Parteiarbeit online aktiv: 9,9 Prozent der Nutzer/innen im Gegensatz zu 2,6 Prozent der Nichtnutzer/innen partizipieren oft oder sehr oft aktiv online im Rahmen der Parteiarbeit. Diese Befunde passen zu der zuvor festgestellten besonders hohen Internetkompetenz der Nutzer/innen. Auch bei der Parteiarbeit online passiv liegen die Nutzer/innen vor den Nichtnutzer/innen, allerdings ist dieser Unterschied weniger stark.

Tab. 3 Bivariater Vergleich der parteibezogenen Faktoren

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die befragten Parteimitglieder insgesamt über eine hohe Ausstattung an partizipationsrelevanten Faktoren und Ressourcen verfügen. Sie sind hochgebildet, internetaffin und online wie offline politisch engagiert. Vergleicht man vor diesem Hintergrund die Nutzer/innen und Nichtnutzer/innen der Beteiligungsplattform hinsichtlich der klassischen soziostrukturellen Faktoren, zeigen sich – wenn überhaupt – nur schwache Unterschiede. Unterschiede ergeben sich erst bei der Betrachtung der erweiterten Faktoren: Am deutlichsten unterscheiden sich die Gruppen bezüglich der quantitativen Internetnutzung, bei der klassischen innerparteilichen Offline-Partizipation wie auch bei der aktiven Partizipation über das Internet. Diejenigen Parteimitglieder, die die Online-Plattform genutzt haben, sind auch anderweitig besonders für die Partei engagiert und nutzen für ihr politisches Engagement das Internet mehr als andere Gruppen – auch wenn dieses nicht das Hauptmedium ihrer politischen Arbeit darstellt.

Trotz der bivariaten Zusammenhänge: Bei binär-logistischen Regressionsanalysen mit der Nutzung bzw. Nichtnutzung der Plattform als abhängiger Variable weisen verschiedene Modellkombinationen mit den dargestellten Variablen keine zufriedenstellende Erklärungskraft auf. Auch verlieren die einzelnen Faktoren ihre Signifikanz (s. Anhang, Tab. 67 und 8).

4.2 Sozialpsychologische Faktoren

Auch die Erklärungsfaktoren des sozialpsychologischen Ansatzes liefern nur bedingt Hinweise auf Ursachen der (Nicht-)Beteiligung (Tab. 4). Hier lässt sich zunächst einmal festhalten, dass das politische Interesse der Befragten insgesamt sehr hoch ist – nicht ganz untypisch für Parteimitglieder. Der Anteil derjenigen mit einem starken bis sehr starken politischen Interesse ist zwar unter den Nutzer/innen noch höher als unter den Nichtnutzer/innen, allerdings ist dieser signifikante Unterschied nur sehr schwach. Auch die internal efficacy ist insgesamt sehr hoch; die Unterschiede sind auch hier nur gering. Bei der external efficacy unterscheiden sich die beiden Gruppen nicht signifikant voneinander.

Tab. 4 Bivariater Vergleich der sozialpsychologischen Faktoren

Neben den klassischen Einstellungsvariablen wurden wie beschrieben noch weitere Einstellungen abgefragt, bei denen ein Einfluss auf die Beteiligung vermutet werden kann (Tab. 5), z. B. die Beteiligungsnorm als generelle Bedeutung, die dem Parteiengagement beigemessen wird. Jemand, der es grundsätzlich nicht wichtig findet, sich aktiv in der Partei zu engagieren, wird vermutlich auch weniger Interesse an der Beteiligung über eine Online-Plattform haben. Diese Vermutung wird hier tendenziell bestätigt; die Unterschiede zwischen den Nutzer/innen und den Nichtnutzer/innen sind schwach, aber signifikant: Unter den Nutzern/innen gibt es mehr Befragte, denen es sehr wichtig ist, dass man sich aktiv in der Partei engagiert. Dies geht konform mit ihrem tatsächlichen Engagement, wie oben beschrieben. Ebenfalls abgefragt wurde die Einstellung zur Bedeutungszunahme von Online-Beteiligungsplattformen in der Partei. Hier entsprechen die Ergebnisse ebenfalls der Erwartung, dass die Nutzer/innen eines solchen Angebots diesem positiver gegenüberstehen: Deutlich mehr Nutzer/innen als Nichtnutzer/innen sprechen sich für eine Bedeutungszunahme von Online-Beteiligungsplattformen aus. Die niedrigen Zusammenhangsmaße bei diesen beiden Einstellungsvariablen weisen allerdings auf eine insgesamt eher schwache Erklärungskraft hin. Des Weiteren wurde noch die Zufriedenheit mit der Partei sowie mit den Einflussmöglichkeiten in der Partei sowohl insgesamt als auch auf den verschiedenen politischen Ebenen abgefragt. Bei der generellen Zufriedenheit zeigen sich allerdings nur schwach signifikante, kaum ausgeprägte Unterschiede zwischen den Gruppen; in beiden liegt der Anteil der Zufriedenen bei über 50 Prozent. Bei der Zufriedenheit mit den Einflussmöglichkeiten gab es nur für die Wahlkreisebene signifikante, aber schwache Unterschiede.

Tab. 5 Parteibezogene Einstellungen

Die sozialpsychologischen Faktoren sind hinsichtlich ihrer Erklärungskraft für die Nutzung/Nichtnutzung der Plattform auch multivariat analysiert worden. Wie schon bei den sozialstrukturellen Faktoren werden hier die schwach ausgeprägten Zusammenhänge, die sich in den bivariaten Analysen gezeigt haben, in den Regressionsanalysen hinfällig. Keines der getesteten Modelle weist eine zufriedenstellende Erklärungskraft auf oder enthält aussagekräftige, signifikante Faktoren (s. Anhang, Tab. 9 und 10).

Über den Test der einzelnen Faktorenbündel hinaus wurden zudem alle bisher bivariat betrachteten Faktoren beider Ansätze in ein Gesamtmodell übertragen (s. Anhang, Tab. 11). Durch die hohe Anzahl der Variablen steigt zwar die Modellgüte an, die einzelnen Variablen weisen aber keine Signifikanz mehr auf und können somit nicht weiter interpretiert werden. Insgesamt zeigt sich, dass die beiden bis hierhin dargestellten Faktorenbündel die Beteiligung auf der Plattform nicht hinreichend erklären können.

4.3 Anreize der (Nicht-)Beteiligung

Abschließend werden nun die Motive für die Nutzung respektive Nichtnutzung der Plattform analysiert. Hierzu wurden (1) die positiven Anreize bei den Nutzer/innen und (2) negative Anreize bei denen, die sich nicht auf der Plattform registriert haben, abgefragt. Dementsprechend ist hier kein unmittelbarer Vergleich der Gruppen möglich.

Bei den Nutzern/innen waren einige Motive und Anreize für die Beteiligung besonders stark ausgeprägt: Mehr als 77 Prozent haben erklärt, mit der Nutzung der Plattform Einfluss auf die Inhalte und Themen der Partei nehmen und den politischen Kurs der Partei mitbestimmen zu wollen. Relevant waren zudem der Wunsch nach Informationen und der Spaß an der Parteiarbeit. Das Interesse an einem Parteiamt oder die Hoffnung auf berufliche Vorteile spielten dagegen fast gar keine Rolle (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Positive Anreize der Beteiligung (Quelle: Eigene Erhebung. Die Befragten konnten sich zu jedem Item in den vorgegebenen Antwortkategorien „trifft überhaupt nicht zu“ bis „trifft voll und ganz zu“ (Fünfer-Skala) positionieren. Die Prozentangaben beziehen sich auf die Zusammenfassung der Angaben „trifft eher zu“ und „trifft voll und ganz zu“)

Bei der empirischen Überprüfung der positiven Anreize mittels einer Faktorenanalyse zeigte sich, dass sich einige Items zwar entsprechend der General-Incentives-Theorie zu Typen zusammenfassen lassen, sich für den spezifischen Fall aber auch neue, induktiv gewonnene Anreiztypen ergeben.

Die folgenden Anreiztypen aus der General-Incentives-Literatur konnten mittels der Faktorenanalyse bestätigt werden: ideologische Anreize („um Einfluss auf die Inhalte/Themen der Partei zu nehmen“, „um den politischen Kurs der Partei mitzubestimmen“), prozessbezogene Anreize („um mir eine Meinung zu einem bestimmten Thema zu bilden“, „um besser informiert zu sein“), und ergebnisbezogene Anreize („um berufliche Vorteile zu haben“, „aus Interesse an einem Parteiamt“). Darüber hinaus lassen sich empirisch noch folgende Anreiztypen bilden: parteibezogene Anreize („um meine Sympathie mit der Partei auszudrücken“, „aus Verantwortungsgefühl gegenüber der Partei“, „um sich mit netten Leuten auszutauschen“, „aus Spaß an der politischen Arbeit“) und plattformbezogene Anreize („um zu sehen, wie eine solche Plattform funktioniert“, „um diese neue Beteiligungsform zu unterstützen“).

Zusammenfassend zeigt sich, dass bei den befragten Plattformnutzer/innen die Motive zur Beteiligung weniger selektiv ergebnisbezogen (Anstreben eines Amtes, Karrierevorteil) sind, sondern prozessbezogene und ideologische Anreize die entscheidende Rolle spielen (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Positive Anreiztypen (Quelle: Eigene Erhebung)

Bei der Erfassung der Gründe für die Nichtnutzung wurde noch einmal unterschieden zwischen denjenigen, die sich die Plattform gar nicht erst angeschaut haben (Nichtaufruf) und denjenigen, die die Plattform zwar aufgerufen, sich dann aber nicht angemeldet haben (Nichtanmeldung). Bei denjenigen, die die Seite zumindest aufgerufen haben, könnten Gründe für die Nichtnutzung vorgelegen haben, die das konkrete Erscheinungsbild der Plattform oder technische Probleme bei der Anmeldung betreffen. Solche Aspekte wurden entsprechend nur bei dieser Gruppe abgefragt.

Insgesamt lässt sich hier festhalten, dass die Gründe für die Nichtnutzung wesentlich diffuser sind als die Gründe für die Nutzung. Die Zustimmung zu den einzelnen Items fällt nicht so eindeutig aus. Aber es lässt sich durchaus erkennen, dass es keine technischen Hürden oder die konkrete Gestaltung der Homepage waren, die die Parteimitglieder von der Nutzung abgehalten haben, sondern eher subjektive Gründe (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Negative Anreize der Nichtnutzung (Quelle: Eigene Erhebung)

Zusammenfassend lässt sich für die Überprüfung des General-Incentive-Ansatzes festhalten, dass sich deutliche Motivmuster bei den Nutzerinnen und Nutzern der Plattform finden lassen, die auf die Wirksamkeit von insbesondere ideologischen Anreizen hinweisen. Die Nichtnutzung des Angebots erscheint demgegenüber – und nicht überraschend – unmotivierter. Allerdings erweist sich zur Erklärung der Nichtnutzung unter anderem ein Faktor des Ressourcen-Ansatzes („keine Zeit“) durchaus als relevant.

5 Zusammenfassung und Ausblick

Für die Parteiendemokratie eröffnen das Internet und insbesondere die Möglichkeiten des Web 2.0 die Chance, innerparteiliche Demokratie zu stärken und Menschen für die Partizipation in Parteien zu mobilisieren. Tatsächlich – so bestätigt es auch die vorliegende Analyse – sind diese Mobilisierungskapazitäten jedoch begrenzt.

So zeigt der Vergleich der Nutzer/innen und Nichtnutzer/innen einer Beteiligungsplattform, die von einer etablierten deutschen Partei angeboten worden ist, dass mit internetbasierten Partizipationsoptionen nicht zwingend neue oder andere Parteimitglieder erreicht werden als mit den klassischen innerparteilichen Beteiligungsmöglichkeiten. Vor allem diejenigen, die sich bereits anderweitig in der Partei engagieren, nutzten die Plattform zusätzlich. Die Folge ist eine Normalisierung der Parteipartizipation. Die Analysen zeigen zudem, dass für den Fall der betrachteten internetbasierten Partizipationsformen klassische Ressourcen wie Bildung und Erwerbsstatus zumindest nicht unmittelbar erklären, warum sich ein Parteimitglied beteiligt oder nicht. Für den vorliegenden Untersuchungskontext zeigt sich jedoch die Bedeutung ergänzender Faktoren wie der Internet skills. So weisen die Nutzer/innen der Plattform eine häufigere generelle und politische Internetnutzung auf als die Nichtnutzer/innen. Auch der sozialpsychologische Ansatz muss differenziert betrachtet werden.

Zumindest für einen kleinen Teil der Mitglieder zeichnet sich der Stellenwert von direkten sozialen Kontakten und eines persönlichen Austausches ab, die bei der internetbasierten Parteiarbeit fehlen. Gleichzeitig gaben immerhin 20 Prozent der Nutzer/innen an, dass sie sich auf der Plattform angemeldet haben, um sich mit netten Leuten auszutauschen, zwei Drittel nannten den Spaß an der politischen Arbeit als Grund. Online-Parteiarbeit wird also nicht nur als „trockene“, rein sachliche Arbeit wahrgenommen. Dennoch: Die Auswertung der anderen Anreize und Motive legt schließlich nahe, dass die Nutzer/innen sich von ihrer Beteiligung vor allem Einfluss auf die Inhalte und Themen der Partei erhoffen und den inhaltlichen Kurs der Partei mitbestimmen möchten – sie sind also vor allem durch politische, sachbezogene Aspekte motivierbar.

Dass bestimmte Erklärungsfaktoren der generellen Partizipationsforschung in diesem Untersuchungskontext nicht greifen, kann nicht überraschen. So reduziert sich bei Mitgliedern von Parteien die allgemeine Bevölkerungsheterogenität in einer Reihe von Punkten erheblich: Parteimitglieder verfügen insgesamt über ein hohes Ressourcenrepertoire sowie über vergleichsweise homogene Einstellungen und Wahrnehmungen. Angesichts dieser Homogenität in der Untersuchungs- und Aussageeinheit ist die Varianz in der abhängigen Variable umso überraschender. Es müssen andere Gründe sein, die zur Beteiligung führen oder davon abhalten. Hier haben sich die Erweiterungen der Modelle sowie der Anreiz-Ansatz als erklärungskräftig erwiesen.

Bei der Interpretation der Befunde müssen jedoch die Grenzen der Generalisierbarkeit auf innerparteiliche Online-Partizipation allgemein berücksichtigt werden. Einschränkungen ergeben sich aus der spezifischen Natur des gewählten Untersuchungskontextes. So handelt es sich um einen besonderen Kontext der innerparteilichen Online-Partizipation, der hier betrachtet worden ist: in einem spezifischen deutschen Landesverband einer grünen Partei.

Auch das konkrete Format der Online-Partizipation konstituiert einen spezifischen Kontext. Weitet man die Perspektive von der Nutzung der spezifischen Plattform auf die generelle Bereitschaft zum innerparteilichen Online-Engagement, zeigt sich auch in den vorliegenden Daten, dass die Internet skills und die Erfahrungen mit anderen Partizipationsformen tatsächlich die größte Erklärungskraft haben: Wer sich anderweitig (offline) in der Partei engagiert und in anderen Kontexten das Internet zur politischen Kommunikation und Partizipation nutzt, macht dies mit hoher Wahrscheinlichkeit auch online für die Partei.

Die befragten Parteimitglieder können und wollen also durchaus online partizipieren, sie tun dies aber nicht auch zwangsläufig. Inwiefern Angebote innerparteilicher Demokratie 2.0 tatsächlich genutzt werden, hängt offensichtlich von den kontextspezifischen Anreizen ab. Insofern ist die Untersuchung anderer Online-Partizipationsformate in weiteren Parteien angezeigt.