1 Einleitung

Welche Eigenschaften von Bürgerinnen und Bürgern tragen eigentlich dazu bei, politische Online-Kommunikation zu verfolgen und sich daran aktiv zu beteiligen? Das Internet macht es ja leicht, sich politisch zu informieren. Zudem ist das Angebot so breit, dass für jeden etwas dabei sein müsste, der sich auch nur im Entferntesten für Politik interessiert. Außerdem sind im Unterschied zu den traditionellen Medien die Kommunikator- und Rezipientenrollen auch nicht mehr strikt getrennt (vgl. Schulz 2011, S. 132; Schmidt 2012, S. 5). Dadurch können einerseits die politischen Akteure im Internet die klassischen Massenmedien umgehen und selbst Informationen anbieten. Andererseits können auch die Bürgerinnen und Bürger einfacher als je zuvor von sich hören lassen und am politischen Diskurs teilnehmen (vgl. Papacharissi 2002; Livingstone 1999; Gerhards und Schäfer 2007; Schulz 2011). Auch Gegenöffentlichkeiten und politische Proteste können einfacher organisiert werden. Die Transnationalisierung politischer Kommunikation und politischer Aktionen wird begünstigt (vgl. Gerhards und Schäfer 2007, S. 211; Neuberger 2007, 2009; Papacharissi 2002, S. 13; Schulz 2011, S. 141).

Pessimisten allerdings sehen die Gefahr, dass das Internet es auch erleichtert, politische Informationen auszublenden. Durch „customizing“ wird es ja möglich, nur noch Botschaften zuzulassen, die sich mit den ureigensten Hobbys eines jeden beschäftigen (vgl. z. B. Sunstein 2007, S. 3). Zur politischen Kommunikation könnten das Internet dann wie zuvor nur Personen mit Interesse an Politik und großer Medienkompetenz verwenden, kurzum, die „üblichen Verdächtigen“ (vgl. Gerhards und Schäfer 2007, 142–143). Wenn es um politische Information geht, scheinen in der Tat vor allem jüngere, männliche, höher gebildete (vgl. Jouët et al. 2011, S. 367; Emmer et al. 2008, S. 11), reichere und Internet-erfahrene Personen das Internet zu nutzen (z. B. Bakker 2012). Besonders angesprochen werden vor allem ohnehin politisch Aktive (vgl. Skogerbø und Winsvold 2011, S. 223): Personen mit starkem politischem Interesse also, die auch auf andere Art und Weise schon politisch partizipieren (vgl. Boulianne 2009), häufig über Politik reden, auch traditionelle Medien oft zur politischen Information nutzen und glauben, selbst die Politik beeinflussen zu können („politische Selbstwirksamkeit“) (vgl. Bakker 2012; Emmer et al. 2012, S. 245; Emmer et al. 2008, S. 11; Jouët et al. 2011, S. 370; Östman 2012, S. 9; Holt et al. 2012; Kenski und Stroud 2006, S. 188). Allerdings sind selbst Personen mit diesen Eigenschaften viel häufiger damit beschäftigt, Informationen nur zu verfolgen, statt sich aktiv zu beteiligen (vgl. Busemann und Gscheidle 2010, S. 364).

Speziell Social-Web-Plattformen wie Blogs, Foren und soziale Netzwerke werden bisher eher selten für politischen Informationsaustausch eingesetzt. Zumindest einmal im Monat taten das z. B. in den Niederlanden 2010 (als dort schon 95 % aller Personen Zugang zum Internet hatten) unter 10 % der Bevölkerung (vgl. Bakker 2012). Und auch da ist wiederum die Zahl der aktiv über Politik Kommunizierenden deutlich kleiner (vgl. Bakker 2012; auch Jouët et al. 2011, S. 370). Der Einfluss soziodemographischer Eigenschaften darauf ist allerdings offenbar uneinheitlich. So wirken sich in den Niederlanden Alter, Geschlecht und Bildung nicht oder nur wenig darauf aus, ob Menschen politische Online-Kommunikation verfolgen oder über „Social media“ daran partizipieren (vgl. Bakker 2012), während in den USA (vgl. Baek et al. 2011, S. 370), in Schweden (vgl. Östman 2012, S. 9–10; Holt et al. 2012, S. 14–15) und in Deutschland (vgl. Emmer et al. 2012, S. 244) politisch aktive Personen im „Social Web“ eher jung und männlich sind.

Aus dem insgesamt aber eher dürftigen Forschungsstand lassen sich drei Variablenbündel ableiten, die offenbar mit der passiven und aktiven Teilnahme an politischer Online-Kommunikation zusammenhängen: 1) demographische Eigenschaften – vor allem Alter und Geschlecht; 2) politische Prädispositionen wie politisches Interesse, politische Partizipation schon in traditionellen Kanälen und der Glaube an politische Selbstwirksamkeit; sowie schließlich 3) die häufigere Nutzung des Internets allgemein sowie Erfahrung im Umgang damit.

Die referierten empirischen Studien zur politischen Nutzung des Internets stammen jedoch teilweise aus einer Zeit mit geringer Internet-Haushaltsdichte, als „Social media“ noch kaum eine Rolle spielten. Sie sind meist auf kleine Stichproben angewiesen und kommen aus anderen Politik- und Mediensystemen. Das wäre allerdings noch nicht Grund genug, der Frage nachzugehen, welche Merkmale politische „Onliner“ ausgerechnet in Österreich haben – wenn nicht Österreich auch noch eine interessante Fallstudie böte.

Zunächst einmal gilt: Wie in anderen westlichen Demokratien hat sich das Internet auch in Österreich etabliert. 2011 verfügten bereits 79 % aller Bürgerinnen und Bürger über einen Internetzugang (vgl. Statistik Austria 2012a). Auch als Informationsquelle über Politik ist das Internet wichtig geworden (vgl. Stark und Karmasin 2009, S. 357). Es hatte 2008 dafür bereits Nachrichtenmagazine und persönliche Gespräche überholt (vgl. Plasser und Lengauer 2010, S. 49–50). Allerdings weist das österreichische Mediensystem Spezifika auf, die das Internet als Plattform politischer Kommunikation fördern sollten – nämlich als vielfältigeres Angebot mit mehr Partizipationsmöglichkeiten.

Österreich ist gekennzeichnet durch eine starke Konzentration der Presselandschaft und Boulevardisierungstendenzen auf dem Printmarkt. So erreicht das Boulevardblatt Kronen Zeitung täglich fast 40 % der Österreicherinnen und Österreicher – eine Million davon als Exklusivleser (vgl. Plasser und Lengauer 2010, S. 49–50). Zwei neue Gratis-Boulevard-Zeitungen sind hinzugekommen: Heute und Österreich. Insgesamt erreich‑ten diese drei Zeitungen 2011/12 täglich fast zwei Drittel (61 %) der Bevölkerung (vgl. Verein Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen 2012). Zudem bildet der Österreichische Rundfunk (ORF) ein weiteres publizistisches Machtzentrum So erreicht z. B. die Nachrichtensendung „Zeit im Bild“ um 19:30 Uhr täglich 14 % der Bevölkerung (vgl. Plasser und Lengauer 2010, S. 49). Als typisch für die österreichische Medienlandschaft gilt schließlich ein vergleichsweise starker „Parallelismus“ von Medien mit politischen Parteien (vgl. Kaltenbrunner et al. 2008; Karmasin et al. 2011; etwas skeptischer Kleinen-von Köngislöw et al. 2014). Insgesamt könnte deshalb ein deutlich vielfältigeres Angebot an politischen Informationen im Internet allen, die mit der traditionellen Medienlandschaft unzufrieden sind, gleichsam ein Ventil bieten.

2 Methode

Die Daten für unsere Analyse der Eigenschaften politischer Onliner in Österreich stammen aus einer Online-Umfrage zum Kommunikationsverhalten der österreichischen Bevölkerung ab 14 Jahren und zu seinen Determinanten. Die Befragung wurde im November 2010 im Auftrag der Amsterdam School of Communication Research, Universität Amsterdam, mittels CAWI durchgeführt. Von einem Online-Panel mit insgesamt 201.000 Teilnehmern zog das Meinungsforschungsinstitut Marketagent eine Stichprobe von 17.377 Personen, quotiert nach Alter, Geschlecht und Wohnort der österreichischen Bevölkerung. Die Rücklaufquote aus dieser Stichprobe betrug 2.954 – das sind leider nur 17 %. Sie geben aber die wichtigsten demographischen Werte der Österreicherinnen und Österreicher gut wiederFootnote 1 – und darauf kam es bei dieser Umfrage an. Sie enthielt vor allem deshalb ungewöhnlich viele Fälle, weil sie Analysen auch für kleinere Segmente der Bevölkerung erlauben sollte. Um die möglichst umfangreiche Repräsentation einzelner Bevölkerungseigenschaften geht es auch in unserer Sekundäranalyse.

3 Variablen

Als politische Onliner, deren Merkmale wir analysieren, werden Personen definiert, die Informationen und Meinungen zu politischen Themen über das Internet verbreiten (aktive Nutzung) und/oder politische Themen im Internet verfolgen (passive Nutzung). Nachstehende Fragen wurden dafür herangezogen:

Passive Nutzung:

  • Wie häufig lesen Sie im Internet Kommentare zu Artikeln über politische Themen?Footnote 2

  • Wie häufig besuchen Sie Diskussionsforen im Internet über politische Themen?

  • Wie häufig verfolgen Sie das, was in Sozialen Netzwerken vor sich geht, wenn es um politische Themen geht?

  • Wie häufig lesen Sie Weblogs von Privatpersonen, bei denen es regelmäßig um politische Themen geht?

  • Wie häufig besuchen Sie Twitterseiten oder folgen Twitterbeiträgen von Menschen, die über politische Themen schreiben?

Aktive Nutzung:

  • Wie häufig geben Sie selbst Kommentare im Internet zu politischen Themen ab?

  • Wie häufig schreiben Sie Beiträge in Diskussionsforen im Internet über politische Themen?

  • Wie häufig machen Sie in Sozialen Netzwerken mit, wenn es um politische Themen geht?

  • Wie häufig bloggen Sie über politische Themen?

  • Wie häufig schreiben Sie selbst Tweets über politische Themen?

Da es sich bei den Antwortvorgaben teilweise um Ordinalskalen handelt, wurden diese metrisch umcodiert – wie, wird im Anhang erläutert. Für die Zwecke unserer Analyse haben wir einen additiven Index aus allen Aktivitätsvariablen gebildet. Sein Cronbach’s alpha betrug gute 0,83. Für die Passivitätsvariablen war das alpha ebenfalls zufriedenstellend: 0,77.

Die unabhängigen Variablen zur Beschreibung der beiden Onlinergruppen, die die Umfrage für unsere Analyse anbot, stammen aus den drei Kategorien der Einflussfaktoren, die die Forschung bisher ergab (s. o.). Für die Kategorie Demographie wurden Alter (M = 41,4, SD = 15,5), Geschlecht (52 % weiblich) und Bildungsgrad (7-stufig) herangezogen (s. Anhang).

Für die Variablen-Gruppe „politische Prädispositionen“ konnten wir das politische Interesse verwenden sowie politischen Extremismus (extrem links bzw. rechts auf einer Links-rechts-Skala), internale politische Selbstwirksamkeit („ich bewirke etwas in der Politik“) als Index aus vier Items und externale politische Selbstwirksamkeit („man hört auf mich in der Politik“) als Index aus drei Items (s. alle Fragen dazu im Anhang). Eine weitere unabhängige Variable der Kategorie „politische Prädispositionen“ bildet politische Partizipation außerhalb des Internets – diese Variable enthält: Leserbriefe schreiben, seine Meinung bei öffentlichen Anhörungen/Bürgerversammlungen in der Gemeinde äußern, an lokalen (Nachbarschafts-)Zeitungen mitarbeiten, Flugblätter verteilen, an politischen Versammlungen teilnehmen, an Demonstrationen teilnehmen, Unterschriften sammeln und mit anderen Personen über Politik sprechen (s. Anhang).

Die unabhängigen Variablen der dritten Kategorie der schon aus der bisherigen Forschung bekannten Einflussgrößen sind die durchschnittliche Nutzungsdauer für das Internet überhaupt (in Minuten pro Tag), die subjektive Einschätzung der Kompetenz im Umgang mit dem Internet und der Umfang von Aktivitäten im Internet überhaupt: Kommentare abgeben, Beiträge für Diskussionsforen im Internet schreiben, in Sozialen Netzwerken mitmachen, für eigene oder fremde Blogs schreiben, Tweets verfassen, Reaktionen, Anregungen oder Fotos bzw. Videos an Redaktionen von Nachrichtenseiten und Zeitungen oder an Blogger schicken (s. Anhang).

4 Ergebnisse

30 % der gesamten Stichprobe sind innerhalb eines Jahres politisch weder aktiv noch passiv im Internet unterwegs, 70 % der befragten Personen nutzen es wenigstens einmal im Jahr nur passiv für politische Informationen, 42 % geben an, im Internet politisch (auch) aktiv zu sein. Während jeder Fünfte (20 %) die politische Kommunikation im Internet sogar mindestens einmal im Monat verfolgt, tut das lediglich 1 % aktiv. Für „wenigstens einmal pro Woche“ sind die entsprechenden Zahlen 4 (passiv) bzw. weniger als 1 % (aktiv).

Welche Eigenschaften haben nun diese Personen, die sich online passiv oder aktiv mit Politik beschäftigen? In einem ersten Analyseschritt beschreiben wir Bürgerinnen und Bürger, die dies wenigstens einmal im Jahr tun, im Unterschied zu solchen, die sich nie mit politischen Informationen im Internet beschäftigen („einmal im Monat“ als höherer Schwellenwert hätte leider bedeutet, dass sage und schreibe nur 1 % der Stichprobe als aktive Nutzer analysierbar gewesen wären).

Eine lineare multiple Regression zunächst auf passive Online-Nutzung für politische Themen mindestens einmal im Jahr – als Dummy-Variable – zeigt: Diese hängt am stärksten mit der aktiven Nutzung des Internets überhaupt zusammen, und zwar auch für nicht-politische Inhalte. Wer sie häufiger verbreitet, verfolgt auch häufiger politische Inhalte online. Darauf folgen noch fünf weitere typische Merkmale von passiver Online-Nutzung: ein stärkeres politisches Interesse, mehr politische Partizipation offline, die selbsteingeschätzte Kompetenz im Umgang mit dem Internet, jünger zu sein und die Zeit, die überhaupt online verbracht wird (Tab. 1).

Tab. 1 Eigenschaften politischer Onliner (wenigstens einmal im Jahr): Ergebnisse multipler Regressionen

Ein etwas anderes Bild zeigt sich für den aktiven Umgang mit politischer Online-Kommunikation – wenigstens einmal im Jahr. Das Verbreiten politischer Inhalte online hängt deutlich stärker als das passive Verfolgen mit der auch sonst aktiven Nutzung des Internets zusammen – also mit dem Veröffentlichen nicht-politischer Inhalte auf Twitter, Facebook, Blogs usw. Ähnlich stark jedoch wie die passiven Nutzer sind die aktiven eher politisch interessiert und partizipieren an der Politik auch außerhalb des Internets. Ebenfalls die gleichen (aber schwachen) Zusammenhänge zeigen schließlich noch das Alter (eher jünger), das Gefühl, etwas an der Politik ändern zu können, und die selbst eingeschätzte Online-Kompetenz.

In einem nächsten Schritt untersuchen wir die Personeneigenschaften, die damit verknüpft sind, wie häufig das Internet für politische Inhalte verwendet wird – jetzt nur bei denjenigen, die es dazu überhaupt nutzen, d. h. wenigstens einmal im Jahr. Ein ähnliches Bild wie zuvor zeigt sich zunächst auch hier: Die Häufigkeit der passiven politischen Online-Kommunikation hängt vergleichbar stark wie zuvor mit allgemeiner Aktivität im Internet und mit dem politischen Interesse zusammen. So schwach wie zuvor sind auch die Beziehungen zwischen häufigerem Verfolgen politischer Inhalte im Internet und der Wahrnehmung der eigenen Internet-Kompetenz bzw. dem Lebensalter. Hier hat wachsendes Alter jedoch einen leicht positiven Einfluss. D. h., man muss eher jünger sein, um das Internet überhaupt einmal politisch zu nutzen (s. o.) – danach aber fördert höheres Alter die häufigere Zuwendung zu politischen Inhalten im Internet.

Auffallend ist aber, dass die häufigere Nutzung politischer Angebote im Internet viel stärker mit Partizipation im Internet insgesamt und politischer Teilhabe offline zusammenhängt als der bloße Kontakt wenigstens einmal im Jahr. Diese beiden Aktivitäten spielen jetzt also eine viel wichtigere Rolle als zuvor. Interessanterweise gibt es auch einen Hinweis darauf, dass extrem rechts zu sein leicht mit häufigerer passiver Nutzung von Politik im Internet verknüpft ist.

Mit der Häufigkeit der aktiven Teilnahme an politischer Online-Kommunikation derjenigen, die das wenigstens einmal im Jahr tun, korrelieren besonders stark die politische Partizipation offline (viel stärker als zuvor) und die allgemeine aktive Nutzung des Internets (leicht schwächer als zuvor). Leichtere Zusammenhänge gibt es mit dem politischen Interesse und – stärker als bei bloß passiver Zuwendung – mit einer politisch rechtsgerichteten Orientierung (Tab. 2).

Tab. 2 Eigenschaften, die mit der Häufigkeit politischer Online-Nutzung zusammenhängen: Ergebnisse multipler Regressionen

5 Diskussion und Schlussfolgerungen

Die Österreicherinnen und Österreicher beteiligen sich durchaus am politischen Online-Diskurs. Auch wenn Internet-Optimisten wie z. B. Gillmor (vgl. 2006) darüber noch enttäuscht sein mögen, partizipiert doch fast jeder Fünfte (20 %) mindestens einmal pro Monat an der politischen Kommunikation online, nur 30 % nie. Allerdings ist es nur ein einziges Prozent, das zumindest im Jahre 2010 wenigstens einmal im Monat auch aktiv zu dieser Kommunikation beiträgt.

Aber wie in bisherigen Studien bereits vermutet, sind auch 2010 politisches Interesse und politisches Engagement außerhalb des Internets die wichtigsten Bestimmungsgründe dafür, das Internet als politische Plattform zu nutzen – wie auch das Ausmaß von Aktivitäten im Internet überhaupt. Dahinter verblassen alle soziodemographischen Eigenschaften der „üblichen Verdächtigen“ früherer Studien: jung zu sein, höher gebildet und männlich. Sie sind, anders als in den USA und anderen europäischen Ländern, nicht wichtig für die politische Partizipation online.

Bisherige Befunde könnten aber durchaus Artefakte sein – jung, gebildet und männlich sind in unserer Analyse keine Eigenschaften, die unmittelbar politische Online-Aktivitäten begünstigen. Sie tun es nur indirekt, weil das offenbar die Merkmale derjenigen sind, die sich eben stärker für Politik interessieren und die sich sowieso schon im Internet tummeln. Vielleicht gilt dies aber auch für andere Länder – zumindest neuerdings: Sobald die Analyse einbezieht, ob jemand politisch interessiert ist, viele politische Aktivitäten auch schon außerhalb des Internets entfaltet und im Internet aktiv mittut, spielen demographische Eigenschaften möglicherweise auch dort keine Rolle mehr.

Ein zunächst ernüchterndes Fazit – zumindest noch für 2010. Wenn man den politischen Diskurs ausweiten will, liegt es nahe, wohl vor allem am politischen Interesse anzusetzen und vielleicht auch bei den Fertigkeiten, mit dem Internet aktiv umzugehen. „Technologischer Determinismus“ wird wieder einmal in seine Schranken verwiesen – Menschen müssen also die neue Technik nutzen, weil sie etwas kann, wofür sie sich interessieren und was sie bisher wirklich vermisst haben.

Anzeichen für eine Verwendung des Internets zu politischen Zwecken auch außerhalb der Gruppe derjenigen, die sich schon immer beteiligten, finden sich in unseren Ergebnissen allerdings durchaus. Das Internet, so zeigen die Ergebnisse, könnte doch mehr als eine weitere Plattform für Politikfans und die klassischen Leserbriefschreiber sein. Die unabhängigen Variablen unserer Analyse – so plausibel sie sind – erklären zusammengenommen höchstens etwas mehr als ein Drittel der Varianz der Internetnutzung zu politischen Zwecken. Es gibt also auch jenseits des politischen Interesses und der politischen Partizipation offline durchaus noch andere Gründe, sich der Politik im Internet zuzuwenden – Gründe, die in unserer Analyse nicht berücksichtigt waren. Unsere Befunde machen jedoch erstaunlicherweise deutlich, dass es dazu offenbar nicht der Überzeugung bedarf, politisch etwas bewegen zu können – in Form internaler oder externaler Selbstwirksamkeit.

Ein – allerdings eher schwacher – Hinweis darauf, dass das Internet das vergleichsweise wenig vielfältige Medienangebot Österreichs ergänzen könnte, zeigt sich in einem problematischen Befund unserer Analysen: Personen, die sich politisch extrem rechts einordnen, beteiligen sich leicht häufiger am politischen Diskurs im Internet. Ihnen fehlt ihre politische Orientierung möglicherweise im traditionellen Mediensystem – natürlich kein Grund, ihm ausgerechnet diese Lücke vorzuwerfen.

In unserer Momentaufnahme für das Jahr 2010 lässt sich also Beides finden: Enttäuschung darüber, dass es eher die „bereits Bekehrten“ sind, die sich vor allem politisch im Internet bewegen, diejenigen also, die es im Grunde dafür nicht brauchen, und Hoffnung auf neu zu erschließende Gesellschaftsgruppen, die das niederschwellige und vielfältige Internetangebot dazu ermutigen könnte, sich am politischen Diskurs zu beteiligen. Das können dann leider auch die Anhänger politischer Extreme sein.