1 Einleitung

Seit Ende der 1980er Jahre beschäftigt sich die bildungsbezogene Ungleichheitsforschung mit der Situation von Kindern und Jugendlichen aus zugewanderten Familien (Esser 1990; Hopf 1987). Neben der Bestimmung von Prädiktoren des Bildungserfolgs dieser Schülerinnen und Schüler (z. B. Stanat 2006) wird vor allem die Frage diskutiert, inwieweit im Bildungswesen Assimilationstendenzen zu beobachten sind, in welchem Maße sich also anfängliche Disparitäten zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund über die Generationen hinweg verringern. Aufgrund der zentralen Rolle, die institutionelle Bildung für die Entwicklung von Kompetenzen und die Verteilung von Zugangsberechtigungen spielt, ist diese Frage sowohl im Hinblick auf den weiteren Lebensweg von Individuen als auch auf ihre gesellschaftliche Teilhabe in hohem Maße relevant (Esser 2006).

Welche Muster der Entwicklung gesellschaftlicher Teilhabe von Zuwanderern in der Generationenfolge vorherrschen, werden in der Literatur kontrovers diskutiert. Klassische Assimilationstheorien (z. B. Gordon 1964) nehmen an, dass in Bezug auf strukturelle Merkmale, wie etwa der Partizipation am Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt, aber auch in kultureller Hinsicht, eine über die Generationen fortschreitende Angleichung aller ethnischer Gruppen an einen homogenen Kern der Aufnahmegesellschaft stattfindet, die als direkte Assimilation (straight-line assimilation) bezeichnet wird. Auch die deutlich modifizierte Neo-Assimilationstheorie (neo-assimilation theory) geht von einer langfristigen Assimilation aller ethnischen Gruppen aus (Alba u. Nee 2003). Mittlerweile ist jedoch umstritten, inwieweit diese Annahme allgemein gültig ist und ob nicht vielmehr segmentierte Assimilationsprozesse für verschiedene ethnische Gruppen zu beobachten sind (z. B. Zhou 1997). So argumentieren beispielsweise Portes u. Rumbaut (2001), dass für die jüngeren Zuwanderergruppen in den USA, insbesondere jenen aus Asien, Mexiko und Zentralamerika, andere Muster der Assimilation zu beobachten sind als die direkte Assimilation, die für die großen Migrationsströme aus Europa im frühen 20. Jahrhundert kennzeichnend war (Alba u. Nee 2003).

Der vorliegende Beitrag stellt zunächst die theoretischen Annahmen und den internationalen Forschungsstand zu Assimilationsprozessen dar und beschreibt alternative Modelle zur direkten Assimilation. Der anschließende Abschnitt führt die Merkmale ein, die für die Fragestellungen des Beitrags zentral sind. Dabei handelt es sich um Merkmale des Bildungserfolgs, die wichtige Aspekte struktureller Ungleichheit darstellen, sowie um verschiedene Kategorisierungen des Migrationshintergrunds. Ziel des Artikels ist es, Disparitäten in Bezug auf den Gymnasialbesuch und die Mathematikkompetenzen für verschiedene ethnische Gruppen zu untersuchen. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Frage, ob für alle Zuwanderergruppen Muster der direkten Assimilation zu beobachten sind, die sich darin zeigen würden, dass mit höherem Generationenstatus die bildungsbezogenen Disparitäten zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund geringer sind.

2 Theoretischer Hintergrund

Assimilation wird in der Mehrzahl der modernen migrationssoziologischen Theorien als deskriptives Konzept verstanden, das die Annäherung gesellschaftlicher Gruppen im Generationenverlauf und in Bezug auf einer Reihe von Dimensionen beschreibt (Alba u. Nee 2003). Diese Annäherung kann einseitig oder wechselseitig erfolgen, wobei allerdings der Fokus in der Regel auf der Angleichung von Zuwanderern an Mitglieder der jeweiligen Aufnahmegesellschaft liegt. Unter vollständiger Assimilation wird das Verschwinden von Unterschieden zwischen zwei Gruppen (z. B. zwischen einer Zuwanderergruppe und der Aufnahmegesellschaft) auf Aggregatebene verstanden (Esser 2006). Dabei lassen sich vier Dimensionen der Assimilation unterscheiden (z. B. Esser 2001, 2006): kulturelle, strukturelle, soziale und identifikative Assimilation. Kulturelle Assimilation bezeichnet eine Angleichung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, insbesondere im Bereich der Sprache. Sie bildet eine wichtige Grundvoraussetzung für die strukturelle Assimilation, die sich auf das Erreichen bestimmter Positionen im Bildungswesen oder auf dem Arbeitsmarkt bezieht. Soziale Assimilation zeigt sich in zwischenmenschlichen Beziehungen, wie etwa Freundschaften und Partnerschaften zwischen Zuwanderern und Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft. Als wichtiger Indikator gelten insbesondere Partnerschaften zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund (Alba u. Nee 2003). Identifikative Assimilation schließlich beschreibt ein emotionales Zugehörigkeitsgefühl zur Aufnahmegesellschaft und setzt in der Regel eine gewisse Angleichung in Bezug auf die anderen Dimensionen voraus. Von besonderer gesellschaftlicher Relevanz ist nach Esser (2001) die strukturelle Assimilation, also das Verschwinden von Bildungs-, Berufs- und Statusunterschieden auf Aggregatebene zwischen Menschen mit und solchen ohne Migrationshintergrund, da nur so eine dauerhafte ethnische Schichtung der Gesellschaft verhindert werden könne.

Die Annahme einer fortschreitenden Assimilation aller ethnischer Gruppen auf diesen Dimensionen ist ebenso umstritten wie die Annahme eines homogenen Kerns der Aufnahmegesellschaft, der als Bezugspunkt für die direkte Assimilation dient (z. B. Zhou 1997). Die Theorie der segmentierten Assimilation (segmented assimilation theory) geht demgegenüber davon aus, dass Assimilation in verschiedene Segmente der Gesellschaft stattfindet und dass in einzelnen ethnischen Gruppen über die Generationen hinweg stabile bildungsbezogene Disparitäten bestehen bleiben können (Portes u. Rumbaut 2001; Zhou 1997). Die direkte Assimilation ist dem Modell zufolge überwiegend Zuwanderern mit relativ hohem sozioökonomischem Status und Bildungsniveau vorbehalten. Für sozioökonomisch benachteiligte Familien sagt die Theorie der segmentierten Assimilation dagegen zwei mögliche Ausgänge des Migrationsprozesses vorher: abwärts gerichtete Assimilation (downward assimilation) und Akkulturation ohne Assimilation (acculturation without assimilation) (z. B. Zhou 1997). Bei der abwärts gerichteten AssimilationFootnote 1 nähern sich Migranten an eine sozial benachteiligte Gruppe an. Dabei kann es sich um Mitglieder der Aufnahmegesellschaft oder um Zuwanderer handeln, die bereits seit mehreren Generationen im Aufnahmeland leben. Abwärts gerichtete Assimilation wird vor allem dann angenommen, wenn Zuwanderer sich in (innerstädtischen) Wohngebieten mit hohen Armuts- und Arbeitslosigkeitsraten ansiedeln (Portes u. Zhou 1993). In solchen Fällen wäre es nach der Theorie wahrscheinlich, dass eine Assimilation an die sozioökonomisch benachteiligte Schicht des Wohnumfelds stattfindet. Während Kinder der ersten Generation noch von den Werten und Normen ihrer Eltern geprägt seien, würden sich Kinder der zweiten Generation stärker an den Werten und Normen ihres erweiterten sozialen Umfelds orientieren, das im Hinblick auf die Möglichkeiten für sozialen Aufstieg oftmals desillusioniert sei und die Normen der Mittelklasse (u. a. Bildungserfolg) ablehne (Zhou 1997). Die Orientierung der zweiten Generation an solchen Segmenten der Aufnahmegesellschaft berge ein Konfliktpotenzial zwischen Kindern von Zuwanderern und ihren Eltern, da diese im Sinne eines „Zuwandereroptimismus“ (immigrant optimism) oftmals sozialen Aufstieg wünschten und hohe Aspirationen für ihre Kinder aufwiesen (Kao u. Tienda 1995).

Alternativ zur Assimilation an eine benachteiligte gesellschaftliche Gruppe kann der Theorie der segmentierten Assimilation zufolge eine Akkulturation ohne Assimilation auftreten. In diesem Falle sind die Kinder der zweiten Generation in ein enges Netz der Familie und der ethnischen Gemeinschaft eingebunden und würden sich an den Werten und Normen der Herkunftsgesellschaft orientieren. Diese relativ stabilen Verhältnisse ermöglichen es ihnen, mit den Frustrationserfahrungen, die etwa aus der sozial benachteiligten Position ihrer Familien resultieren, umzugehen und den oftmals hohen Aspirationen ihrer Eltern zu folgen. Besonders vorteilhaft sollte die binnenethnische Eingebundenheit für den Bildungserfolg der Kinder dann sein, wenn bereits länger im Aufnahmeland lebende Mitglieder der ethnischen Gemeinde Ressourcen und Unterstützung zur Verfügung stellen (Zhou 1997).

In ihrer Reformulierung der klassischen Assimilationstheorie argumentieren Alba u. Nee (2003) gegen die Existenz von unterschiedlichen Mustern des Assimilationsprozesses. Sie halten an der Annahme einer über die Generationen fortschreitenden Assimilation aller ethnischen Gruppen an einen homogenen gesellschaftlichen Kern fest und gehen entsprechend davon aus, dass sich auch bildungsbezogene Disparitäten mit der Zeit reduzieren. Empirische Abweichungen von diesen Modellvorstellungen werten sie als theoriekonforme Verzögerung, die unter anderem auf die oftmals besonders ungünstige sozioökonomische Ausgangslage oder auf vorübergehende Adaptionsprobleme zurückzuführen seien (Alba u. Nee 2003; Gans 1992). Im Gegensatz zu den traditionell-normativen Ansätzen (z. B. Gordon 1964) gehen sie jedoch nicht von einer vollständigen Auflösung des ethnischen Zugehörigkeitsgefühls aus, sondern nehmen an, dass bestimmte ethnische Praktiken auch bei vollständiger struktureller Assimilation bestehen bleiben können. Alba (2008) betont weiter, dass es sich bei Assimilation im modernen Verständnis um einen zweiseitigen Prozess handelt, der sowohl von den Zuwanderern als auch von der Aufnahmegesellschaft ausgehen kann. Das Resultat besteht aber grundsätzlich darin, dass Unterschiede zwischen den Gruppen mit der Zeit verschwinden.

2.1 Bildungserfolg

Um eine ethnische Schichtung zu vermeiden, ist die strukturelle Assimilation unabdingbar (Esser 2001). Neben der erfolgreichen Beteiligung am Arbeitsmarkt stellt der Bildungserfolg von Zuwanderern ein zentrales Kriterium der strukturellen Assimilation dar. Ihm kommt sowohl auf der Individualebene als auch auf der gesellschaftlichen Ebene eine besondere Bedeutung zu, da er den weiteren Lebensweg und die Partizipation von Zuwanderern am Arbeitsmarkt vorstrukturiert. Als Indikatoren für Bildungserfolg lassen sich die schulische Bildungsbeteiligung und die erworbenen Kompetenzen heranziehen (z. B. Baumert u. Schümer 2001). In Bezug auf die Bildungsbeteiligung hat sich gezeigt, dass Heranwachsende mit Migrationshintergrund im Gymnasium unter-, in der Hauptschule aber überrepräsentiert sind (Baumert u. Schümer 2001).

2.2 Generationenstatus

Aufgrund der beschriebenen theoretischen Annahmen wird dem Generationenstatus von Zuwanderern in der Assimilationsforschung eine große Bedeutung beigemessen. In der Regel wird dabei zwischen der ersten und der zweiten Generation unterschieden. Bei der zweiten Generation handelt es sich nach den gängigen Definitionen um Zuwanderer, die bereits im Aufnahmeland geboren sind, während mindestens ein Elternteil in einem anderen Land geboren ist. Jugendliche der ersten Generation hingegen sind selbst oder gemeinsam mit ihren Eltern zugewandert (Rumbaut 2004). Aus entwicklungspsychologischer Sicht wird jedoch diese Differenzierung als unzureichend kritisiert. Basierend auf der Annahme, dass ein jüngeres Zuzugsalter vor allem für die sprachliche Entwicklung von Vorteil sei (z. B. Hyltenstam u. Abrahamsson 2005), werden sogenannte Dezimal-Klassifizierungen vorgeschlagen (Oropesa u. Landale 1997). So unterscheiden zum Beispiel Glick u. Hohmann-Mariott (2007) zusätzlich zur ersten und zweiten Generation noch die 1,5. Generation. Hierbei handelt es sich um Schüler, die zwar außerhalb des Landes geboren, jedoch noch vor dem Beginn der Schulzeit zugewandert sind. Diese Klassifikation wird in der empirischen Forschung bislang allerdings relativ selten verwendet, so dass unklar ist, ob sie sich durchgängig bewährt.

In manchen Studien werden zudem die dritte und höhere Generationen untersucht, wobei jedoch wiederum unterschiedliche Kriterien angewendet werden, um diese Gruppen zu definieren (Glick u. Hohmann-Marriott 2007; Konsortium Bildungsberichterstattung 2006). Für die Untersuchung von Assimilationsprozessen wäre es wichtig, Zuwandererfamilien auch über die zweite Generation hinaus zu identifizieren, um entscheiden zu können, ob es sich bei vorhandenen Disparitäten in der zweiten Generation um temporäre Muster (z. B. „Revolte der zweiten Generation“) oder um überdauernde Tendenzen der Unterschichtung handelt (z. B. Alba u. Nee 2003; Waldinger u. Feliciano 2004). Aufgrund der vergleichsweise kurzen Geschichte der Zuwanderung im Nachkriegsdeutschland war die dritte Generation jedoch bis vor Kurzem zu klein, um in Studien mit repräsentativen Stichproben separat betrachtet zu werden. Auch im Rahmen von PISA (Programme for International Student Assessment) wurde diese Gruppe bislang nicht erfasst.

2.3 Interethnische BeziehungenFootnote 2

Aus assimilationstheoretischer Sicht bezieht sich eine weitere wichtige Unterscheidung darauf, ob beide Elternteile zugewandert sind oder nur ein Elternteil im Ausland geboren ist, da der Anteil interethnischer Partnerschaften und Ehen (intermarriage) in einer Gesellschaft oder gesellschaftlichen Gruppe als wichtiger Indikator für die soziale Assimilation gilt (Alba u. Nee 2003). Ein hoher Anteil lässt auf eine geringe soziale Distanz auf gesellschaftlicher Ebene schließen (Esser 2006). Auf individueller Ebene sollten solche Partnerschaften wahrscheinlicher sein, je stärker assimiliert die zugewanderte Person bereits ist, und sie sollten den weiteren Assimilationsprozess beschleunigen. Dies sollte sich auch in einem höheren Bildungserfolg der Kinder zeigen (Gonzalez 2002). So ist anzunehmen, dass sich die Sozialisationsbedingungen von Kindern mit nur einem im Ausland geborenen Elternteil von den Sozialisationsbedingungen in Familien unterscheiden, in denen beide Elternteile zugewandert sind. Insbesondere mit Blick auf die Sprachkompetenzen in der jeweiligen Landessprache sollten Kinder in diesen Familien Vorteile haben, da in der Regel zumindest ein Elternteil Muttersprachler ist. Aber auch andere kulturelle Ressourcen, die für den Bildungserfolg wichtig sind, sollten in interethnischen Familien eher zur Verfügung stehen als in Familien, in denen beide Elternteile zugewandert sind.

Bei der Verwendung von interethnischen Beziehungen als Untersuchungskategorie ist allerdings zu beachten, dass es sich um eine zum Generationenstatus quer liegende Klassifizierung handelt. Entsprechend sollte berücksichtigt werden, ob der jeweilige Partner mit Migrationshintergrund neu zugewandert ist oder bereits in der zweiten oder dritten Generation im Aufnahmeland lebt. So kann es sich bei interethnischen Ehen um Partnerschaften zwischen einer bereits seit mehreren Generationen im Aufnahmeland lebenden Person mit Migrationshintergrund und einem erst vor kurzem zugewanderten Elternteil handeln (Waters u. Jiménez 2005). Aus assimilationstheoretischer Sicht sind in solchen Fällen die Stagnation des Assimilationsprozesses und eine (Re-)Orientierung an die Herkunftskultur wahrscheinlicher. Dies könnte sich insbesondere auf die sprachliche Assimilation und, darüber vermittelt, auf den Bildungserfolg der Kinder auswirken.

2.4 Befunde zur strukturellen Assimilation im Bildungswesen

Unterschiedliche Assimilationsmuster wurden bisher vor allem in den USA untersucht. Einige Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Assimilationsprozesse zwischen ethnischen Gruppen unterscheiden und tatsächlich segmentierte Assimilationsprozesse vorliegen (z. B. Zhou 1997). Teilweise ist die Befundlage jedoch widersprüchlich und wird kontrovers diskutiert (z. B. Alba u. Nee 2003). Für Sikhs, die aus der Punjab Region zugewandert sind, ebenso wie für vietnamesische Zuwanderer etwa zeigen sich deutliche Muster der direkten Assimilation im Hinblick auf Bildungserfolg und sozioökonomischen Aufstieg, ihr soziales Leben scheint jedoch stark auf die binnenethnische Gemeinschaft ausgerichtet zu sein (Akkulturation ohne Assimilation) (Gibson 1988; Zhou 1997). Migranten lateinamerikanischer Herkunft hingegen weisen in verschiedenen Untersuchungen (z. B. Farley u. Alba 2002; Waldinger u. Feliciano 2004) auch bei höherem Generationenstatus noch deutliche sozioökonomische und bildungsbezogene Nachteile auf (ethnische Schichtung). So konnten beispielsweise Kao u. Tienda (1995) zeigen, dass sich lateinamerikanische Zuwanderer der ersten, zweiten und dritten Generation weder in der Lese- noch in der Mathematikkompetenz statistisch bedeutsam voneinander unterscheiden, im Vergleich zu Angloamerikanern jedoch signifikant niedrigere Leistungen in beiden Domänen aufweisen.

Auch für Deutschland liegen Studien zum differenziellen Bildungserfolg von verschiedenen Zuwanderergruppen vor (z. B. Müller u. Stanat 2006; Walter et al. im Druck). Offen ist allerdings die Frage, ob die Annahme der direkten Assimilation allgemein aufrecht erhalten werden kann. Sowohl für die Bildungsbeteiligung als auch für das Kompetenzniveau hat sich übereinstimmend gezeigt, dass Zuwanderer aus der Türkei, aus Italien und aus dem ehemaligen Jugoslawien besonders benachteiligt sind (Kristen 2008; Müller u. Stanat 2006; Walter 2008a). Insbesondere für die türkischstämmigen Migranten wurden verschiedentlich Muster der abwärts gerichteten Assimilation vermutet (z. B. Esser 2003). So konnte Segeritz (2007) anhand der PISA 2000-Daten zeigen, dass sich die Lesekompetenz von Heranwachsenden türkischer Herkunft zwischen der ersten und zweiten Generation nicht statistisch bedeutsam verringert. Walter et al. (im Druck) replizierten diesen Befund sowohl für die Gruppe der türkischstämmigen als auch für Zuwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus Italien mit Daten aus PISA 2003.

Für Zuwanderer aus der ehemaligen UdSSR und aus Polen sind insgesamt geringere Disparitäten zu beobachten (Müller u. Stanat 2006; Walter 2008b). Für beide Gruppen zeigte sich zudem, dass nach Kontrolle des Zuwanderungsalters und weiterer Variablen ihre Nachteile in der Lesekompetenz im Vergleich zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund verschwinden. Diese Befunde weisen darauf hin, dass bei Migranten aus der ehemaligen UdSSR und aus Polen deutliche Assimilationstendenzen bestehen (direkte Assimilation).

2.5 Befunde unter Berücksichtigung der Dezimal-Klassifikation und interethnischer Beziehungen

Über die Unterscheidung zwischen der ersten und der zweiten Generation hinausgehende Analysen des Generationenstatus sind in der empirischen Forschung noch relativ selten zu finden. Die wenigen Ergebnisse aus den USA deuten darauf hin, dass eine differenzierte Beschreibung des Migrationshintergrunds sinnvoll ist. So konnten Oropesa u. Landale (1997) zeigen, dass sich die Präferenz für die englische Sprache in Familien deutlich in Abhängigkeit davon unterscheidet, ob das Kind bereits in den USA geboren (zweite Generation), mit den Eltern im Vorschulalter (1,5. Generation) oder erst im Schulalter (erste Generation) zugewandert ist. Weiterhin scheinen Kinder, die im Vorschulalter zugewandert sind, besser in akademischen Tests abzuschneiden als Gleichaltrige, die erst zu einem späteren Zeitpunkt zugewandert sind (Glick u. White 2003). In Deutschland wurde bislang weder der Bildungserfolg der 1,5. Generation noch eine weitere Ausdifferenzierung des Generationenstatus untersucht.

Weitere Forschungslücken bestehen in Bezug auf den Bildungserfolg von Kindern aus interethnischen Beziehungen. In der empirischen Forschung wurde mit dieser Gruppe bisher uneinheitlich verfahren. Mit Verweis auf Gonzalez (2002), die zeigen konnte, dass Kinder aus interethnischen Beziehungen ähnliche Bildungserfolge aufweisen wie Kinder ohne Migrationshintergrund, werden diese Schüler in den Analysen des internationalen PISA-Konsortiums der Gruppe ohne Migrationshintergrund zugeordnet (OECD 2004). In Analysen des deutschen PISA-Konsortiums, in denen Jugendliche aus interethnischen Beziehungen getrennt betrachtet wurden, zeigt sich jedoch, dass auch diese Gruppe im Vergleich zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund benachteiligt ist (z. B. Walter u. Taskinen 2007).

In anderen Studien wird der Migrationshintergrund ausschließlich darüber bestimmt, ob mindestens ein Elternteil außerhalb des Aufnahmelandes geboren ist. Die Kinder aus interethnischen Beziehungen werden dann in Abhängigkeit von ihrem eigenen Geburtsland entweder der ersten oder der zweiten Generation zugeordnet, ohne dabei danach zu unterscheiden, ob nur ein Elternteil oder beide Elternteile zugewandert sind (z. B. Kao u. Tienda 1995). Da sich der Anteil interethnischer Beziehungen zwischen einzelnen ethnischen Gruppen bedeutsam unterscheidet, könnten die unterschiedlichen Operationalisierungen, die in den wenigsten Studien theoretisch begründet werden, zu unterschiedlichen Befunden führen.

3 Fragestellung und Hypothesen

Im Anschluss an die assimilationstheoretische Forschung soll untersucht werden, ob in Deutschland für verschiedene ethnische Gruppen differenzielle Muster der Assimilation zu beobachten sind. Im Falle einer direkten Assimilation wären über die Generationen abnehmende bildungsbezogene Disparitäten zu erwarten; im Falle der abwärts gerichteten Assimilation würden die Disparitäten über die Generationen konstant bleiben oder sich vergrößern. Diese Muster sollten sich sowohl in Bezug auf die Bildungsbeteiligung, wie etwa im relativen Gymnasialbesuch, als auch in Bezug auf schulbezogene Kompetenzen zeigen. Als schulbezogene Kompetenzen werden Kompetenzen im Bereich Mathematik betrachtet, da diese in der Schulzeit überwiegend im Bildungssystem erworben werden und daher als guter Indikator für Entwicklungen angesehen werden können, die durch eine Partizipation am Bildungssystem bedingt sind (Baumert 2001). Die Ergebnisse für Kompetenzen im Bereich Lesen und Naturwissenschaften sind aber nahezu identisch.

Ausgehend von bereits vorliegenden Befunden wird vermutet, dass für türkischstämmige Zuwanderer Muster der abwärts gerichteten Assimilation und für 15-Jährige aus der ehemaligen UdSSR sowie aus Polen Muster der direkten Assimilation zu beobachten sind. Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen soziostrukturellen Hintergrundmerkmalen und Bildungserfolg soll zusätzlich überprüft werden, ob mögliche ethnische Disparitäten auf diese Hintergrundmerkmale zurückgeführt werden können.

Weiterhin wird die Anwendung der Dezimal-Klassifizierung in Deutschland untersucht. Es wird erwartet, dass die 1,5. Generation im Hinblick auf die Gymnasialbeteiligung und das relative Kompetenzniveau zwischen der ersten und der zweiten Generation liegt. Zudem wird geprüft, ob Kinder mit nur einem im Ausland geborenen Elternteil höhere Bildungserfolge aufweisen als Gleichaltrige derselben Generation, die in Familien mit zwei im Ausland geborenen Elternteilen aufwachsen.

Um diesen Fragestellungen nachzugehen, wird der nationale Datensatz von PISA 2003 herangezogen. Bei PISA 2003 handelt es sich um eine Querschnittsstudie, so dass es nicht möglich ist, die Entwicklung von Zuwandererfamilien und ihren Kindern über die Zeit zu analysieren. Derzeit existiert allerdings kein Datensatz, der es zulassen würde, Aspekte des Bildungserfolgs bei Jugendlichen der ersten und der zweiten Generation innerhalb von Familien zu analysieren, insbesondere wenn das Ziel darin besteht, Assimilationstendenzen in verschiedenen ethnischen Gruppen zu untersuchen. Daher muss sich auch diese Studie auf einen Vergleich von Generationen beschränken, die zum selben Zeitpunkt eine Schule besucht haben. Entsprechend ist bei der Interpretation der Ergebnisse zu beachten, dass diese auch durch Kohorteneffekte beeinflusst sein können.

4 Methode

4.1 Stichprobe

Die Datenbasis der Untersuchung bildet eine Teilstichprobe der nationalen Erweiterungsstichprobe von PISA 2003 (PISA-E 2003). Die Erweiterungsstichprobe umfasst insgesamt 46185 15-jährige Schüler. Bei der Stichprobenziehung wurden Jugendliche mit Migrationshintergrund überproportional häufig gezogen, um für diese Gruppe Fallzahlen zu erreichen, die differenzierte Analysen ermöglichen. Nicht zur Stichprobe gehören Jugendliche, die eine Sonder- oder Förderschule besuchen (Carstensen et al. 2005). In die im Folgenden beschriebenen Analysen werden nur Jugendliche einbezogen, die eindeutig der Gruppe von Schülern ohne Migrationshintergrund oder einer der untersuchten Migrantengruppen zugeordnet werden können. Wegen zu geringer Fallzahlen in den Teilgruppen der Jugendlichen der ersten Generation und der 1,5. Generation aus interethnischen Beziehungen werden diese in den folgenden Analysen nicht berücksichtigt. Zudem sind in der Analysestichprobe nur Schüler enthalten, für die vollständige Informationen über ihren sozioökonomischen Hintergrund, das Bildungsniveau ihrer Eltern sowie die Verfügbarkeit von Kultur- und Wohlstandsgütern in ihrer Familie vorliegen (s. u.). Daraus ergibt sich eine Analysestichprobe von insgesamt N G  = 36024 Jugendlichen. N M  = 10439 dieser Schülerinnen und Schüler haben einen Migrationshintergrund.

4.2 Erhebungsinstrumente

Die verwendeten Daten wurden mit dem internationalen Mathematiktest und dem internationalen Schülerfragebogen von PISA 2003 erhoben. Der Mathematiktest umfasst insgesamt 84 Items. Die Konstruktion und die psychometrischen Eigenschaften des Tests sowie die Skalierung der Leistungsdaten nach dem Rasch-Modell sind im technischen Bericht von PISA 2003 ausführlich dokumentiert (OECD 2005). Der Mittelwert der Leistungsskala beträgt über alle OECD-Mitgliedsstaaten 500 Punkte, die Standardabweichung liegt bei 100 Punkten.

Der familiäre Hintergrund wird über mehrere Variablen erfasst, die sich in Studien zum Bildungserfolg von Jugendlichen mit Migrationshintergrund bewährt haben (z. B. Müller u. Stanat 2006). Der Migrationsstatus der 15-Jährigen wird über ihre Angaben zum eigenen Geburtsland, dem Geburtsland ihrer Eltern sowie dem Zeitpunkt ihrer Zuwanderung bestimmt. Gemäß der Fragestellung wird zwischen den Herkunftsländern Türkei, ehemalige UdSSR, Polen und „sonstige Länder“ unterschieden. Die Kategorie „sonstige Länder“ lässt sich aufgrund der zu geringen Fallzahlen der darin enthaltenen Herkunftsgruppen nicht weiter aufschlüsseln. Ein Schüler wird einer der Herkunftsgruppen zugeordnet, wenn mindestens ein Elternteil aus dem jeweiligen Land zugewandert ist. Jugendliche, deren Eltern aus unterschiedlichen Herkunftsländern zugewandert sind, werden in die Analysen nicht einbezogen. Zudem werden Jugendliche je nach Zeitpunkt der Zuwanderung der zweiten Generation (in Deutschland geboren), der 1,5. Generation (Zuzug vor dem 6. Lebensjahr) oder der ersten Generation (Zuzug nach dem 6. Lebensjahr) zugeordnet. Innerhalb der zweiten Generationen wird unterschieden, ob beide Elternteile einen Migrationshintergrund aufweisen oder nur ein Elternteil zugewandert ist (interethnische Beziehungen).

Als soziostrukturelle Variablen werden der sozioökonomische Hintergrund und das Bildungsniveau der Eltern in die Analysen einbezogen. Der sozioökonomische Hintergrund wird über den Beruf der Eltern erfasst und mit dem internationalen sozioökonomischen Index (ISEI) quantifiziert (Ganzeboom et al. 1992). Unterscheidet sich der sozioökonomische Index des Vaters und der Mutter innerhalb einer Familie, so wird der jeweils höhere Wert verwendet. Das Bildungsniveau der Familie wird anhand des höchsten Bildungsabschlusses der Eltern ermittelt, in die internationale Bildungsklassifikation ISCED überführt und in Bildungsjahre umgerechnet (OECD 2005). Als soziokulturelle Merkmale gehen die Skalen „Kulturelle Besitztümer“ (Beispielitem: „Wie viele Bücher habt ihr zuhause?)“ und „Reichtum an Wohlstandsgütern“ (Beispielitem: „Gibt es bei dir zuhause … – … einen Internetanschluss?“) in die Analysen ein. Die Skalierung der Items erfolgte ebenfalls mit dem Rasch-Modell (OECD 2005). Die Reliabilität der resultierenden Personenparameterschätzungen (WLEs) beträgt Rel(WLE) = 0,61 bzw. 0,75. Alle genannten Variablen gehen z-standardisiert in die Analysen ein, um Vergleiche zwischen den Zuwanderergruppen leichter zu ermöglichen.

Als weiteres Hintergrundmerkmal wird der Sprachgebrauch im Alltag berücksichtigt. Es wird zwischen „vorwiegend Deutsch“ (häufigere Verwendung der deutschen Sprache), „zwei Sprachen“ (etwa gleich häufige Verwendung der deutschen und einer anderen Sprache) und „vorwiegend nicht Deutsch“ (häufigere Verwendung einer anderen als der deutschen Sprache) unterschieden. Die Zuordnung zu den Kategorien basiert auf Schülerangaben zu den verwendeten Sprachen mit den Eltern, den Geschwistern, beim Kopfrechnen und bei verschiedenen Alltagsaktivitäten (Lesen, Briefe schreiben etc.). In Regressionsanalysen wird das Merkmal durch Dummy-Variablen repräsentiert. Jugendliche mit fehlenden Werten werden durch eine separate Dummy-Variable gekennzeichnet.

5 Ergebnisse

Aufgrund der komplexen Stichprobenstruktur von PISA (Schüler geschachtelt in Schulen) wurden alle im Folgenden berichteten Analysen mit WesVar 4.2 (Weststat 2002) unter Verwendung von Stichprobengewichten und Fays Replikationsmethode durchgeführt (OECD 2005).

5.1 Jugendliche mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungswesen und ihre Lebensbedingungen

In Tab. 1 sind die Stichprobenumfänge und prozentualen Häufigkeiten der untersuchten Migrantengruppen dargestellt. Wie deutlich zu erkennen ist, unterscheiden sich die Gruppen im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zuwanderung. Türkischstämmige Jugendliche leben überwiegend in der zweiten Generation in Deutschland (79%). Zusammen mit den Jugendlichen, deren Eltern aus der ehemaligen UdSSR stammen, bilden sie die größte Zuwanderergruppe in Deutschland. Jugendliche mit Eltern aus der ehemaligen UdSSR sind jedoch mehrheitlich der ersten Generation (47%) und der 1,5. Generation (42%) zuzuordnen. Auch Jugendliche polnischer Herkunft sind zu etwa der Hälfte nicht in Deutschland geboren, sie sind aber häufig bereits vor dem 6. Lebensjahr zugewandert und somit der 1,5. Generation zuzuordnen (44%). Die meisten Jugendlichen aus anderen Zuwanderungsländern schließlich sind bereits in Deutschland geboren oder zumindest vor der Einschulung zugewandert. Lediglich 10% sind der ersten Generation zuzuordnen.

Tab. 1 15-Jährige nach ethnischem Hintergrund und Migrationsstatus

Im Hinblick auf den Anteil interethnischer Beziehungen unterscheiden sich die Herkunftsgruppen in der zweiten Generation ebenfalls deutlich voneinander. Unter Zuwanderern aus der ehemaligen UdSSR, Polen und aus sonstigen Staaten sind Beziehungen mit in Deutschland geborenen Partnern deutlich häufiger zu finden (39, 54, und 64%) als unter Zuwanderern aus der Türkei (12%).

Auch in Bezug auf ihre familiären Lebensbedingungen (Tab. 2a) bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Zuwanderergruppen. In allen Gruppen sind diese Bedingungen in der ersten und 1,5. Generation im Vergleich zu Familien ohne Migrationshintergrund deutlich ungünstiger, wobei die Nachteile in der Gruppe der türkischstämmigen Zuwanderer mit Abstand am größten sind. Der Unterschied ist für das Bildungsniveau der Eltern und den sozioökonomischen Hintergrund der Familien besonders ausgeprägt. Das Bildungsniveau von Eltern türkischer Herkunft liegt sowohl in der ersten als auch in der 1,5. Generation mehr als zwei Standardabweichungen unter dem Bildungsniveau von Eltern ohne Migrationshintergrund. Beim sozioökonomischen Hintergrund beträgt die entsprechende Differenz fast 0,9 Standardabweichungen.

Tab. 2a Familiärer Hintergrund der 15-Jährigen nach ethnischem Hintergrund und Migrationsstatus

Zuwanderer aus der ehemaligen UdSSR, Polen und sonstigen Ländern weisen in der ersten bzw. der 1,5. Generation im Mittel ebenfalls einen deutlich geringeren sozioökonomischen Hintergrund auf als Familien ohne Migrationshintergrund. In der zweiten Generation sind die Disparitäten dagegen deutlich kleiner und nur noch in der Gruppe von Familien aus sonstigen Ländern signifikant. Familien von Jugendlichen der zweiten Generation, die aus der ehemaligen UdSSR stammen, unterscheiden sich nicht in Bezug auf den sozioökonomischen Status, den Besitz von Wohlstandsgütern und den kulturellen Besitz von Familien ohne Migrationshintergrund. Lediglich für das Bildungsniveau der Eltern sind statistisch bedeutsame Unterschiede zu beobachten. Auch in Familien aus Polen und aus anderen Zuwanderungsländern sind die Disparitäten in Bezug auf den sozioökonomischen Hintergrund und das Bildungsniveau der Eltern vergleichsweise gering.

Für Familien aus der ehemaligen UdSSR sind im Hinblick auf den sozioökonomischen Status zwischen der ersten und der 1,5.Generation zwar keine statistisch bedeutsamen Unterschiede zu verzeichnen. Bezüglich der Wohlstandsgüter und der kulturellen Besitztümer sind jedoch deutliche Hinweise auf Assimilationstendenzen zu beobachten, die in der zweiten Generation offenbar dazu führen, dass die Disparitäten gänzlich verschwinden. In türkischstämmigen Familien scheinen sich die Lebensbedingungen zwischen der ersten bzw. 1,5. und zweiten Generation in Bezug auf den sozioökonomischen Hintergrund und den kulturellen Besitz dagegen kaum zu unterscheiden. Dies deutet darauf hin, dass in der Gruppe der Zuwanderer türkischer Herkunft die sozioökonomischen und gesellschaftlichen Aufstiegstendenzen wenig ausgeprägt sind. Unabhängig vom Generationenstatus befinden sie sich in einer besonders benachteiligten Situation. Für polnische Zuwanderer zeigen sich vor allem in Bezug auf den sozioökonomischen Hintergrund, für Zuwanderer aus anderen Staaten vor allem im Hinblick auf den Wohlstandsindex und die kulturellen Besitztümer Hinweise auf Aufstiegstendenzen. Beide Gruppen unterscheiden sich jedoch auch in der zweiten Generation auf allen vier der untersuchten Merkmalen von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund.

Bei Betrachtung der bevorzugten Sprache ist für Jugendliche der ersten Generation allgemein eine Präferenz für die jeweilige Herkunftssprache oder für eine Kombination aus Herkunfts- und Verkehrssprache zu erkennen (Tab. 2b). In dieser Hinsicht unterscheiden sich die einzelnen Herkunftsgruppen nur geringfügig. Lediglich 20 bis 30% der Jugendlichen aus der Türkei, Polen und der ehemaligen UdSSR präferieren in der ersten Generation die deutsche Sprache gegenüber ihrer Herkunftssprache im Alltag. In der Gruppe von Familien aus anderen Zuwanderungsländern liegt der Anteil sogar nur bei unter zehn Prozent.

Tab. 2b Bevorzugte Sprache der 15-Jährigen nach ethnischem Hintergrund und Migrationsstatus

Für Jugendliche der 1,5.Generation sind dagegen größere Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen zu beobachten. In 62% der entsprechenden Familien aus der ehemaligen UdSSR ist Deutsch die bevorzugte Umgangssprache, was auf deutliche Assimilationstendenzen hinweist. Weitere 32% verwenden sowohl die Herkunfts- als auch die Verkehrssprache und nur sieben Prozent greifen vornehmlich auf die Herkunftssprache zurück. Ähnliche Befunde ergeben sich für die polnischen Familien, wenn auch ein kleinerer Anteil von ihnen vornehmlich Deutsch spricht (48%) und ein größerer Anteil sowohl die Herkunfts- als auch die Verkehrssprache verwendet (46%) als in Familien aus der ehemaligen UdSSR. Aber auch in der Gruppe der Zuwanderer polnischer Herkunft der 1,5. Generation kommunizieren nur sieben Prozent vornehmlich in ihrer Herkunftssprache. Davon unterscheidet sich die Situation von türkischstämmigen Jugendlichen der 1,5. Generation erheblich. Diese sprechen deutlich häufiger überwiegend ihre Herkunftssprache (21%) und deutlich seltener überwiegend Deutsch (17%). Die Mehrheit dieser Jugendlichen nutzt sowohl die Herkunfts- als auch die Verkehrssprache (63%).

Bei den polnischstämmigen Zuwanderern und den Zuwanderern aus der ehemaligen UdSSR scheint zwischen der 1,5. und zweiten Generation noch einmal eine erhebliche Veränderung stattzufinden. In beiden Gruppen spricht die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen in der zweiten Generation ausschließlich Deutsch (74% und 87%). Es finden sich nur wenige, die vornehmlich in ihrer Herkunftssprache kommunizieren (4,2% und 2,2%). Für die türkischstämmigen Zuwanderer sowie teilweise auch für die Zuwanderer aus anderen Ländern stellt sich die Situation deutlich anders dar. In nur etwa einem Drittel der türkischen Familien ist die präferierte Sprache Deutsch und in etwa 20% der Familien wird auch dann vornehmlich die Herkunftssprache verwendet, wenn die Familien seit vielen Jahren in Deutschland leben und die Kinder bereits hier geboren sind. Die Gruppe der Zuwanderer aus anderen Ländern nimmt im Hinblick auf die Sprachgewohnheiten eine mittlere Position zwischen den Zuwanderern aus Polen und der ehemaligen UdSSR einerseits und den Familien aus der Türkei andererseits ein.

5.2 Disparitäten in der Bildungsbeteiligung

Ein wichtiger Indikator für die strukturelle Assimilation von Zuwanderern ist ihre Bildungsbeteiligung. Für die meisten Herkunftsgruppen sind insbesondere in der ersten Generation im Vergleich zu den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund ungünstigere Ergebnisse zu erkennen, die sich insbesondere in einem überproportionalen Hauptschulbesuch zeigen (Tab. 3). So ist die Hauptschulquote für 15-Jährige der ersten Generation aus der ehemaligen UdSSR mit etwa 37% mehr als doppelt so hoch wie für 15-Jährige ohne Migrationshintergrund. Jugendliche aus anderen Zuwanderungsländern besuchen zu über 50% die Hauptschule, bei türkischstämmigen Jugendlichen sind es sogar 69%. Nur für Jugendliche, die in Polen geboren sind und im Alter von mehr als sechs Jahren nach Deutschland kamen, unterscheidet sich der Anteil der Hauptschüler nicht signifikant vom entsprechenden Anteil in der Gruppe der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund.

Tab. 3 Bildungsbeteiligung der 15-Jährigen nach ethnischem Hintergrund und Migrationsstatus

Für den Gymnasialbesuch zeigt sich, dass Jugendliche der ersten Generation deutlich unterrepräsentiert sind. Nur etwa 15% der Jugendlichen aus der ehemaligen UdSSR, aus Polen und aus anderen Staaten besuchen ein Gymnasium. Auch hier nehmen türkischstämmige Jugendliche die ungünstigste Position ein. Lediglich zwei Prozent von ihnen sind in einem Gymnasium anzutreffen.

In der Gruppe der 1,5. Generation und der zweiten Generation weisen türkischstämmige Jugendliche ebenfalls eine besonders ungünstige Bildungsbeteiligung auf. Zwar ist die Hauptschulquote in der 1.5. Generation (43%) geringer als in der ersten Generation (69%), in der zweiten Generation ist jedoch keine weitere Reduktion zu beobachten (49%). Deutlich vorteilhafter ist dagegen die Situation der Zuwanderer aus der ehemaligen UdSSR in der zweiten Generation und der Zuwanderer aus Polen in der 1,5. und zweiten Generation. Für Jugendliche aus der ehemaligen UdSSR unterscheidet sich die Bildungsbeteilung in der ersten und 1,5. Generation zwar kaum, in der zweiten Generation stellt sich die Situation jedoch schon deutlich günstiger dar. Die Hauptschulquote etwa sinkt in dieser Gruppe auf unter zehn Prozent, wohingegen annähernd 50% der Schüler das Gymnasium besuchen. Polnische Jugendliche der 1,5. und zweiten Generation hingegen unterscheiden sich weder in der Hauptschulquote noch in der Gymnasialquote statistisch bedeutsam von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund.

Im Vergleich zur ersten Generation sind auch für Jugendliche der zweiten Generation, die nur einen im Ausland geborenen Elternteil haben, deutlich abnehmende Disparitäten und somit Hinweise auf strukturelle Assimilation zu erkennen. Diese Schüler unterscheiden sich überwiegend nicht oder nur geringfügig von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Für Jugendliche mit einem aus der Türkei zugewanderten Elternteil ist allerdings wiederum eine etwa doppelt so hohe Hauptschul- und eine etwa halb so hohe Gymnasialquote zu beobachten wie für Jugendliche ohne Migrationshintergrund.

Um den Zusammenhang der Bildungsbeteiligung mit den familiären Hintergrundmerkmalen zu analysieren, werden binäre logistische Regressionsmodelle berechnet, bei denen der Gymnasialbesuch im Vergleich zu allen anderen Schulformen die abhängige Variable ist. In Tab. 4 sind die relativen Chancen dargestellt, mit 15 Jahren ein Gymnasium statt eine andere Schulform zu besuchen.

Tab. 4 Relative Chance des Gymnasialbesuchs in Abhängigkeit vom ethnischen Hintergrund und Migrationsstatus

Das Ausgangsmodell (Modell 1) gibt die bereits aus Tab. 3 bekannten Ergebnisse zur Bildungsbeteiligung in Form von Wettkoeffizienten (odds ratios) wieder. Sie zeigen deutlich, dass die relativen Chancen eines Gymnasialbesuchs für Jugendliche der ersten Generation in allen Zuwanderergruppen signifikant geringer sind als für Jugendliche ohne Migrationshintergrund, die Disparitäten aber von der ersten über die 1,5. bis zur zweiten Generation abnehmen. Für die Jugendlichen, deren Eltern aus dem Gebiet der ehemaligen UdSSR oder aus Polen stammen, sind in der zweiten Generation keine signifikanten Unterschiede zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund mehr zu beobachten. Schüler türkischer Herkunft und aus anderen Staaten sind hingegen auch in der zweiten Generation weiterhin benachteiligt.

In Modell 2 werden Merkmale des familiären Hintergrunds kontrolliert. Dadurch ändern sich die relativen Chancen für einen Gymnasialbesuch erheblich. Nun haben Jugendliche der zweiten Generation aus der ehemaligen UdSSR und aus Polen sowie Jugendliche der 1,5. Generation aus Polen sogar höhere Chancen auf einen Gymnasialbesuch als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Lediglich Jugendliche aus der ehemaligen UdSSR der ersten Generation weisen in diesen beiden Gruppen noch statistisch bedeutsame Nachteile gegenüber deutschen Jugendlichen auf. Dieser Befund weist auf eine hohe strukturelle Assimilation der Gruppen hin. In allen Herkunftsgruppen, außer der türkischen, unterscheiden sich diese Jugendlichen nicht von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund.

Weniger günstig sind die Chancen des Gymnasialbesuchs für die Gruppe der türkischstämmigen Jugendlichen, auch wenn zentrale Hintergrundmerkmale kontrolliert werden. Im Vergleich zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund ist ihre Chance, ein Gymnasium zu besuchen, weiterhin deutlich geringer. Allerdings ist auch zu erkennen, dass sich nach Kontrolle der Hintergrundmerkmale die relativen Chancen in dieser Gruppe ebenfalls deutlich erhöhen. Die mangelnde Signifikanz des Koeffizienten für die 1,5. Generation in Modell 2, dessen relative Höhe der Annahme steigender relativer Chancen über die Generationen entspricht, dürfte auf die geringe Größe dieser Gruppe zurückzuführen sein. Insgesamt weisen die Ergebnisse darauf hin, dass die relativ ungünstigen Befunde zur Bildungsbeteiligung von türkischstämmigen Jugendlichen zu einem großen Teil auf die ausgeprägte sozioökonomische Benachteiligung der Familien zurückgeführt werden können.

In einem letzten Schritt wird zusätzlich die bevorzugt verwendete Sprache kontrolliert (Modell 3). Hier ist zu sehen, dass die Sprachpräferenz der Jugendlichen keinen statistisch bedeutsamen Effekt auf die Chance des Gymnasialbesuchs hat. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass sich die Koeffizienten für die Migrantengruppen zwischen Modell 2 und Modell 3 nur geringfügig unterscheiden.

5.3 Disparitäten in mathematischen Kompetenzen

Zusätzlich zur Bildungsbeteiligung werden im Folgenden die mathematischen Kompetenzen der Schüler über die Generationen betrachtet (Tab. 5). Modell 1 zeigt die mittleren Kompetenzunterschiede zwischen Jugendlichen mit Migrationshintergrund und solchen ohne Migrationshintergrund. In allen Zuwanderergruppen finden sich in der Tendenz abnehmende Disparitäten über die Generationen. Die Leistungsnachteile im Vergleich zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund sind in der ersten Generation am größten, diese Unterschiede variieren jedoch zwischen den Herkunftsgruppen erheblich. Sie reichen von 41 Punkten für Zuwanderer aus Polen bis zu annähernd 170 Punkten für türkischstämmige Zuwanderer. Jugendliche aus der ehemaligen UdSSR und aus sonstigen Zuwandererstaaten nehmen mittlere Positionen ein (73 bzw. 96 Punkte).

Tab. 5 Regression der Mathematikkompetenz auf Hintergrundmerkmale der Familie und die bevorzugte Sprache der 15-Jährigen

Ebenso gilt für alle Zuwanderergruppen, dass Jugendliche, die bereits vor Schuleintritt zugewandert sind (1,5. Generation), geringere Nachteile im Vergleich zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund aufweisen als Jugendliche, die als Seiteneinsteiger in eine deutsche Schule gekommen sind (ersten Generation). Zwischen der 1,5. Generation und der zweiten Generation sind jedoch nur in der Gruppe der Jugendlichen aus der ehemaligen UdSSR signifikante Differenzen zu beobachten. In den anderen Herkunftsgruppen spielt es offenbar keine erhebliche Rolle, ob die Kinder in Deutschland geboren oder vor Schuleintritt zugewandert sind.

In der zweiten Generation sind mit deutlich über 100 Punkten wiederum die größten Disparitäten für die türkischstämmigen Jugendlichen festzustellen, während für Jugendliche aus der ehemaligen UdSSR keine Leistungsunterschiede im Vergleich zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund nachzuweisen sind. Für Jugendliche aus einem anderen Herkunftsland sind mit etwa 60 Punkten Leistungsnachteile in mittlerem Umfang zu beobachten, während die Disparitäten für Jugendliche polnischer Herkunft vergleichsweise klein sind (20 Punkte). Innerhalb der Gruppe von Jugendlichen mit nur einem außerhalb Deutschlands geborenen Elternteil ist wiederum der Leistungsnachteil von Schülern mit türkischem Hintergrund mit 53 Punkten relativ groß. Auch für die Jugendlichen aus Familien, in denen ein Elternteil aus einem anderen Staat zugewandert ist, ist ein Leistungsnachteil nachweisbar, dieser ist mit 11 Punkten jedoch vergleichsweise klein.

Unter Kontrolle des familiären Hintergrunds (Modell 2) verringern sich in allen Gruppen die in Modell 1 identifizierten Disparitäten. Allerdings sind insbesondere für die türkischstämmigen Jugendlichen und die Jugendlichen aus anderen Herkunftsländern weiterhin signifikante Leistungsnachteile zu erkennen. Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen, die ebenfalls zeigen, dass insbesondere die geringeren Leistungen der türkischstämmigen Migranten nicht allein auf den sozioökonomischen Hintergrund und den Bildungshintergrund der Familien zurückgeführt werden können (Müller u. Stanat 2006; Walter 2008b). In Modell 2 ist außerdem zu erkennen, dass sich keine Teilgruppe der polnischen Zuwanderer in ihrer mittleren mathematischen Kompetenz signifikant von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund unterscheidet. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass für polnischstämmige Zuwanderer in Modell 1 keine Verringerung der Disparitäten zwischen der 1,5. und der zweiten Generation zu beobachten ist, da die Differenz zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund offenbar vollständig auf den familiären Hintergrund zurückgeführt werden kann. Sowohl türkischstämmige Jugendliche als auch Schüler, deren Familien aus einem anderen Staat zugewandert sind, weisen in der zweiten Generation Werte auf, die mit den entsprechenden Werten der 1,5. Generation vergleichbar sind. Allerdings ist die Differenz im Vergleich zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund auch nach Kontrolle der Hintergrundmerkmale für türkischstämmige Zuwanderer fast doppelt so groß wie für Jugendliche aus anderen Staaten.

In Modell 3 wird zusätzlich die von den Schülern bevorzugt verwendete Sprache kontrolliert, wobei Jugendliche, die vorwiegend Deutsch sprechen, die Referenzgruppe bilden (vgl. Tab. 2b). Es zeigt sich, dass dies vor allem die Disparitäten der ersten Generation für alle Zuwanderergruppen, wenn auch nur geringfügig, verringert. Dieses Ergebnis war zu erwarten, da vor allem Jugendliche, die erst seit kurzem in Deutschland leben, zu Hause eine andere Sprache als Deutsch sprechen, was offenbar mit geringeren mathematischen Kompetenzen einhergeht. Weiterhin zeigt sich der größte signifikant negative Effekt bei den Jugendlichen, die fehlende Werte auf der Sprachvariablen aufweisen. Dies lässt vermuten, dass sich unter diesen Jugendlichen viele Schüler befinden, die im Alltag vorwiegend eine andere Sprache als Deutsch sprechen.

6 Diskussion

Die Ergebnisse der Analysen stützen die Annahme, dass sich auch in Deutschland die verschiedenen Gruppen von Zuwanderern im Hinblick auf Assimilationsmuster in der Generationenfolge unterscheiden und somit segmentierte Assimilationsmuster vorliegen. Insbesondere für Jugendliche türkischer Herkunft finden sich Hinweise auf Verzögerungen im Assimilationsprozess, die möglicherweise Tendenzen zur abwärts gerichteten Assimilation widerspiegeln. Im Hinblick auf die Bildungsbeteiligung zeigt sich bei diesen Jugendlichen zwischen der ersten und der 1,5. Generation zwar eine abnehmende Hauptschul- und eine steigende Gymnasialbeteiligung. Von der 1,5. zur zweiten Generation verändert sich die Bildungsbeteiligung jedoch kaum und ist weiterhin deutlich ungünstiger als bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Ein ähnliches Muster ist für die Disparitäten in der mathematischen Kompetenz zu beobachten, die sich von der ersten zur 1,5. Generation den Kompetenzen von Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund etwas annähern, zwischen der 1,5. und der zweiten Generation aber nahezu konstant bleiben und weiterhin etwa eine Standardabweichung unter den Leistungen der Vergleichsgruppe liegen. Die geringe Aufwärtsmobilität findet sich darüber hinaus nicht nur in den Bildungsindikatoren, sondern auch im sozioökonomischen Hintergrund der Familie. Türkischstämmige Zuwanderer scheinen demnach ihre soziale Situation über die Generationen hinweg kaum verbessern zu können.

Anders sehen die Befunde für Jugendliche aus, die aus Polen oder aus dem Gebiet der ehemaligen UdSSR zugewandert sind. Sie entsprechen eher Annahmen der direkten Assimilation. In dieser Gruppe nähert sich die Gymnasialbeteiligung über die Generationen hinweg der Gymnasialbeteiligung von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund an. Die mathematischen Kompetenzen erreichen im Mittel über die Generationen hinweg ein Niveau, das mit dem Leistungsstand von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund in etwa vergleichbar ist.

Jugendliche, die aus einem anderen Land zugewandert sind, weisen Ähnlichkeiten mit dem Assimilationsmuster der türkischstämmigen Schüler auf, allerdings in deutlich abgeschwächter Form. Da es sich dabei um eine äußerst heterogene Gruppe handelt, lassen sich die Ergebnisse nicht genauer interpretieren. Es ist möglich, dass für verschiedene Teilgruppen in dieser Kategorie unterschiedliche Assimilationsmuster gelten.

Die differenzierte Auswertung der 1,5. Generation hat gezeigt, dass diese Unterscheidung auch in Deutschland sowohl für die Assimilationsforschung als auch für die bildungsbezogene Ungleichheitsforschung von Bedeutung ist. Besonders hervorzuheben ist, dass Zuwanderer der 1,5. Generation in Bezug auf sozioökonomische Hintergrundmerkmale mehr Ähnlichkeit mit der ersten Generation, in Bezug auf den Bildungserfolg dagegen mehr Ähnlichkeit mit der zweiten Generation aufweisen. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass bildungsbezogene Assimilationsprozesse der soziostrukturellen Assimiliation vorausgehen. Bei einer Zuordnung dieser Gruppe zur ersten oder zweiten Generation, wie es häufig praktiziert wird, werden bedeutende Unterschiede in den Lebensumständen und im Bildungserfolg von Zuwanderern übersehen.

In ähnlicher Weise hat sich gezeigt, dass eine Differenzierung danach, ob nur ein Elternteil oder beide Elternteile außerhalb Deutschlands geboren sind, ein weiteres wichtiges Unterscheidungsmerkmal darstellt. Auch unter Kontrolle von Hintergrundmerkmalen sind für Jugendliche der zweiten Generation mit nur einem in der Türkei geborenen Elternteil deutliche Unterschiede zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund zu beobachten. Andere Zuwanderergruppen der zweiten Generation mit nur einem in Deutschland geborenen Elternteil unterscheiden sich dagegen in Bezug auf ihre mathematischen Kompetenzen und ihren sozioökonomischen Hintergrund nicht oder nur geringfügig von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Interessant ist auch, dass die Quote interethnischer Beziehungen, die als Indikator für soziale Assimilation interpretiert werden kann (Esser 2006), bei türkischstämmigen Migranten besonders niedrig ist. Dass die entsprechende Quote unter den polnischen Zuwanderern und den Migranten aus der ehemaligen UdSSR der zweiten Generation höher ist, könnte teilweise auch daran liegen, dass es sich bei diesen Gruppen vor der Öffnung der Grenzen der Warschauer Pakt – Staaten um eine relativ kleine Zuwandererpopulationen handelte, was die Wahrscheinlichkeit von Partnerschaften mit Deutschen erhöht haben dürfte.

Der zunächst überraschende Befund, dass türkischstämmige Jugendliche auch dann deutliche Leistungsnachteile aufweisen, wenn nur ein Elternteil außerhalb Deutschlands geboren ist, könnte unter anderem auf Heiratsmigration zurückzuführen sein, also auf Eheschließungen zwischen im Aufnahmeland geborenen Personen aus zugewanderten Familien und Partnern aus dem Herkunftsland der Eltern (Waters u. Jiménez 2005). Für diese Vermutung sprechen die Ergebnisse zu den Sprachpräferenzen der Jugendlichen. So verwenden mehr türkischstämmige 15-Jährige, die einen in Deutschland geborenen Elternteil haben, die Herkunftssprache als 15-Jährige mit einem anderen ethnischen Hintergrund. In den anderen Zuwanderergruppen ist die Bildungssituation dagegen günstiger, wenn nur ein Elternteil im Ausland geboren ist. Dies dürfte zum einen darauf zurückzuführen sein, dass interethnische Beziehungen bei stärker assimilierten Personen mit Migrationshintergrund wahrscheinlicher sein dürften (Selektionseffekte) und zum anderen darauf, dass in diesen Familien kulturelles Kapital vorhanden ist, das für den Bildungserfolg von Kindern zentral ist (Sozialisationseffekte). Diese differenziellen Befunde bestätigen, dass es wichtig ist, interethnische Partnerschaften in empirischen Untersuchungen gesondert zu analysieren.

Zusammenfassend hat sich gezeigt, dass auch in Deutschland Hinweise auf segmentierte Assimilationsmuster einzelner Migrantengruppen vorliegen. Diese Ergebnisse können jedoch, insbesondere aufgrund möglicher Kohortenunterschiede zwischen den Generationen, nur als vorläufig gelten und sollten in längsschnittlich konzipierten Studien repliziert werden. Weiterhin ist einschränkend zu bemerken, dass es sich bei den schulischen Problemen in der zweiten Generation um vorübergehende Adaptionsprobleme handeln könnte, die nicht notwendigerweise gegen eine langfristige direkte Assimilation sprechen müssen (Gans 1992; Waldinger u. Feliciano 2004). Insofern wäre es wünschenswert, in zukünftigen Studien zusätzlich die dritten und höhere Generationen einzubeziehen. Auch in diesen Gruppen sollte der Migrationsstatus möglichst differenziert, unter Berücksichtigung von interethnischen Beziehungen und der Dezimal-Klassifizierung, erfasst und analysiert werden.

Im vorliegenden Beitrag ging es primär darum, Muster intergenerationaler Mobilität und möglicher Unterschichtungsprozesse bei verschiedenen Gruppen von Zuwanderern zu identifizieren. Dabei war es nur bedingt möglich, die Ursachen von verbleibenden Unterschieden zwischen den Gruppen zu bestimmen. Diese können sehr vielfältig und auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sein (vgl. zusammenfassend Stanat 2008). So dürften sowohl Einstellungen und Verhaltensweisen der Zuwanderer selbst als auch der Aufnahmegesellschaft zu den Mustern beitragen. Zudem können institutionelle Merkmale auf den Ebenen des schulischen Systems, der einzelnen Schulen und der Schulklassen ebenso eine Rolle spielen wie der Kontext des Wohnumfelds, in dem die Schüler leben (Levels et al. 2008). Insbesondere die erhebliche und wie unsere Analysen gezeigt haben offenbar persistente Benachteiligung von Schülern türkischer Herkunft ist weiterhin erklärungsbedürftig (Kristen 2008) und sollte in zukünftigen Studien genauer analysiert werden.