Schmerz ist definiert als eine unangenehme sensorische und emotionale Erfahrung, die mit einer Gewebeschädigung in Verbindung steht oder als solche beschrieben wird [11]. Akute Schmerzen haben eine Warnfunktion und können meist durch Schonung und die Behandlung der zugrunde liegenden Verletzung/Erkrankung beseitigt werden. Bei rheumatischen Erkrankungen wie der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) tritt klassischerweise ein entzündungsbedingter Akutschmerz an den und um die betroffenen Gelenke auf [31]. Von chronischen Schmerzen spricht man ab einem Zeitraum von 3 Monaten (Erwachsene 6 Monate) unabhängig davon, ob die ursprüngliche körperliche Ursache noch vorhanden ist oder nicht (Tab. 1).

Tab. 1 Schmerzkategorien

Schmerzen können trotz erfolgreicher Therapie der somatischen Ursache persistieren oder auch ohne entsprechende organische Ursache auftreten und sich somit als chronische Schmerzen im Sinne einer Schmerzerkrankung zu einem eigenständigen Krankheitsbild entwickeln. Es kommt zu Veränderungen im Schmerzverarbeitungssystem, der Schmerz ist nicht mehr das Symptom einer Erkrankung, sondern verselbstständigt sich und ist die Erkrankung an sich. In diesem Beitrag gehen wir auf akute Schmerzen, chronische Schmerzen und chronische Schmerzen im Sinne einer Schmerzerkrankung ein. Bei Kindern und Jugendlichen stellen chronische Schmerzen und Schmerzerkrankungen ein relevantes und zunehmendes Gesundheitsproblem dar. Sie können auch im Verlauf einer JIA trotz guter Kontrolle der entzündlichen Aktivität entstehen. Dies näher zu beleuchten ist Thema des vorliegenden Beitrags.

Schmerzen bei juveniler idiopathischer Arthritis

Schmerzen sind ein typisches Symptom einer chronisch inflammatorischen Arthritis. Während der akuten Entzündungsphase der JIA sind v. a. die lokal sezernierten Bradykinine, aber auch einige proinflammatorisch wirksame Zytokine (z. B. IL[Interleukin]-1, IL-6) für die Schmerzauslösung durch Stimulation an den lokalen Nozizeptoren verantwortlich [31]. Folgerichtig führt eine effektive Kontrolle der Inflammation letztlich auch zu einer erfolgreichen Schmerzbekämpfung. In der akuten Phase führt der Gelenkschmerz zu einer Schonhaltung. Diese führt relativ rasch, manchmal innerhalb weniger Wochen, zu einem funktionellen Ungleichgewicht der Gelenkfunktion. Dauern die Schmerzen aufgrund nicht ausreichender Kontrolle oder Rezidiv der JIA an, kann die Dauer von 3 Monaten überschritten werden, und es entsteht ein inflammatorisch bedingter chronischer Schmerz. Schmerz ist meist der Ausgangspunkt für Bewegungseinschränkungen und Fehlstellungen. Kinder klagen oft nicht direkt über Gelenkschmerzen, sondern kompensieren das betroffene Gelenk unbewusst in einer schmerzentlastenden (reflektorischen) Schonhaltung. Dabei entsteht ein Muskelungleichgewicht aus hypertoner Muskulatur, die in die Schonhaltung zieht, und hypotonen Muskeln, die nicht mehr aktiviert werden, um dem Gelenkschmerz auszuweichen. Wird dieses Muskelungleichgewicht nicht frühzeitig unterbrochen, entstehen durch immer wiederkehrende Fehlbelastungen im Alltag fixierte Fehlstellungen und Deformitäten, die nur schwer wieder zu korrigieren sind. So können funktionell bedingte chronische Schmerzen entstehen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Zusammenhang zwischen juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) und der Entwicklung chronischer Schmerzen und Schmerzerkrankungen

Eine früh einsetzende und suffiziente Therapie ist entscheidend, um die Entwicklung chronischer Schmerzen zu vermeiden. Die Behandlung des akut inflammatorischen Schmerzes bei der JIA beinhaltet neben Schonung v. a. Analgesie durch nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und lokale Kühlung durch Coolpacks oder Umschläge [3, 12]. Wesentlich für eine dauerhafte erfolgreiche Therapie ist die Behandlung der Inflammation, d. h. der JIA als solche, durch geeignete antiinflammatorische Medikamente. Ein weiterer wesentlicher Baustein ist eine auf das Erkrankungsstadium abgestimmte physiotherapeutische Behandlung, wobei diese immer im schmerzfreien Bereich erfolgen muss. Idealerweise sollte auch die Physiotherapie bereits im frühen Stadium einsetzen, um Gelenkfunktionsstörungen zu behandeln bzw. auch präventiv Schmerzschonhaltungen und Kontrakturen entgegenzuwirken.

Muskuloskelettale Schmerzen sind meist Ausgangspunkt für Bewegungseinschränkungen und Fehlstellungen

Völlig unabhängig von der Entstehung von Fehlstellungen oder Kontrakturen kann es im Zusammenspiel mit verschiedenen weiteren Faktoren auch bei vollständiger Remission der Grunderkrankung und ohne persistierende Gelenkschäden bzw. Fehlstellungen zur Entwicklung von chronischen Schmerzen im Sinne einer Schmerzerkrankung kommen, wenn Veränderungen im Schmerzverarbeitungssystem stattfinden (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Verschiedene Schmerztypen bei JIA(juvenile idiopathische Arthritis)-Patienten und stadienspezifische Prinzipien der Schmerztherapie. NSAR nichtsteroidale Antirheumatika

Bei ungeklärten – insbesondere länger anhaltenden – muskuloskeletalen Schmerzen erfolgt häufig eine Vorstellung beim pädiatrischen Rheumatologen. Laut den Daten der Kerndokumentation 2018 (publiziert vom Deutschen Rheumaforschungszentrum Berlin) litten 12 % (n = 1606 von Gesamt = 13.390) der 2018 in deutschen kinderrheumatologischen Einrichtungen vorgestellten Patienten an unklaren Arthralgien, chronischen muskuloskeletalen Schmerzen oder Wachstumsschmerzen. Findet sich kein Hinweis auf eine entzündliche, fehlstellungsbedingte oder sonstige somatische Ursache, stellt eine Schmerzerkrankung eine wichtige Differenzialdiagnose dar.

Chronische Schmerzen und Schmerzerkrankungen

Epidemiologie

Chronische Schmerzen sind ein zunehmend wichtiges Gesundheitsproblem, unter dem ca. 20 % der Weltbevölkerung leiden [6]. Auch bei Kindern und Jugendlichen wird eine zunehmende Prävalenz chronischer Schmerzen beobachtet. Im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) des Robert Koch-Instituts von 2003 bis 2006, in dem fast 15.000 Kinder und Jugendliche bzw. deren Eltern befragt wurden, zeigte sich eine 3‑Monats-Prävalenz von Schmerzen von 71,1 % (3- bis 10-Jährige 64,5 %, 11- bis 17-Jährige 77,6 %), Schmerzen mindestens 1‑mal pro Woche wurden bei den 11- bis 17-Jährigen in 24,3 %, bei den 3‑ bis 10-Jährigen in 9,9 % berichtet [9]. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen (54,1 %) und mehr als ein Drittel (35,9 %) der jüngeren Patienten suchten deshalb einen Arzt auf. Bei 54,7 % bestanden Schmerzen an mehr als einer Lokalisation. Petersen et al. beschrieben in einer Studie mit über 1100 Schulkindern bei zwei Dritteln Schmerzen mindestens 1‑mal im Monat, bei einem Drittel mindestens 1‑mal pro Woche und bei 6 % täglich [26]. Huguet et al. fanden chronische Schmerzen bei 37,3 % der 561 untersuchten Schulkinder [16]. Die große Varianz der Zahlen ist dabei vermutlich nicht unwesentlich auf die unterschiedliche Art der Befragung (z. B. unterschiedliche Referenzperioden) zurückzuführen.

Bei Kindern und Jugendlichen wird eine zunehmende Prävalenz chronischer Schmerzen beobachtet

Die Prävalenz chronischer Schmerzen steigt mit zunehmendem Alter. Verminderte Lebensqualität und Alltagsbeeinträchtigungen durch chronische Schmerzen werden in 1–5 % beschrieben [16] Alltagsbeeinträchtigungen bestehen dabei häufig bezüglich Schulbesuch [21], Schlaf [10], sozialen Kontakten in der „peer group“ und beim Ausüben von Hobbys [28, 29]. Chronische Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen sind außerdem häufig mit anderen somatischen Beschwerden und psychologischen Auffälligkeiten und Erkrankungen (v. a. Angst, Depression) assoziiert [20]. Kinder und Jugendliche mit chronischen Schmerzen zeigen ein erhöhtes Risiko für eine Chronifizierung und Prädisposition für eine Schmerzerkrankung im Erwachsenenalter [5].

Ätiologie

Die Entstehung chronischer Schmerzen und die Aufrechterhaltung im Sinne einer Schmerzerkrankung werden in den letzten Jahren durch ein biopsychosoziales Modell erklärt [24]. Biologische Faktoren können Vor- oder Begleiterkrankungen, wie z. B. die JIA, aber auch Verletzungen oder z. B. Überlastungen sein. Hinzu kommen psychische Komorbiditäten, wie z. B. Angst, Depression, Traumatisierung, Störungen von Aufmerksamkeit und Aktivität oder Teilleistungsstörungen [18]. Weitere schmerzbeeinflussende bzw. -aufrechterhaltende Faktoren sind dysfunktionale Verhaltensmuster im Umgang mit den Beschwerden (Durchhaltestrategien, Somatisierung, Katastrophisieren) bei Patienten und Eltern und psychosoziale Belastungsfaktoren [22]. Bei den Eltern von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Schmerzen finden sich überdurchschnittlich häufig ebenfalls psychische Belastungsfaktoren oder Erkrankungen und chronische Schmerzen [8].

Definition chronischer muskuloskeletaler Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen

Mit zunehmendem Verständnis für die Pathophysiologie und Ätiologie chronischer Schmerzen hat sich im Laufe der Zeit die Nomenklatur von Schmerzerkrankungen gewandelt. Außerdem bestehen in Ermangelung von einheitlichen Definitionskriterien für das Kindes- und Jugendalter unterschiedliche Präferenzen seitens Erwachsenenmedizinern und Pädiatern sowie zwischen den verschiedenen Fachbereichen, was die Nutzung verschiedener diagnostischer Label für chronische muskuloskeletale Schmerzen betrifft. Während bei Erwachsenen generalisierte muskuloskeletale Schmerzen als Fibromyalgiesyndrom (FMS) (M79.0) anhand der modifizierten Klassifikationskriterien des American College of Rheumatology (ACR) diagnostiziert werden [2], werden bei Kindern und Jugendlichen verschiedene Diagnosen wie das juvenile Fibromyalgiesyndrom (JFMS) (Diagnose nach den Kriterien nach Yunus und Masi) [34], primäres oder sekundäres Schmerzverstärkungssyndrom, Störung der Schmerzverarbeitung, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41) oder anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F45.40) verwendet. Zuletzt hatten sich Pädiater, Kinderrheumatologen und Schmerztherapeuten auf die Diagnosen „chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren“ (F45.41) oder „anhaltende somatoforme Schmerzstörung“ (F45.40) geeinigt. Für die Diagnose F45.41 ist ein ursprünglich somatischer Auslöser obligat, weitere psychische Faktoren tragen zu Aufrechterhaltung und Verstärkung der Schmerzen bei. Bei der F45.40 stehen emotionale Konflikte oder psychosoziale Probleme in Verbindung mit dem Auftreten der Schmerzen unabhängig von physiologischen Vorgängen im Vordergrund. Bisher ist jedoch für keines dieser diagnostischen Label eine Validierung für das Kindes- und Jugendalter erfolgt. Mit der im Mai 2019 von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) verabschiedeten ICD 11, die im Januar 2022 in Kraft treten soll, sollen chronische Schmerzen in einem eigenen Kapitel (mit Unterteilung in chronisch primäre und chronisch sekundäre Schmerzen, z. B. chronische sekundäre muskuloskeletale Schmerzen) klassifiziert werden [33].

Schmerzerkrankungen und rheumatische Erkrankungen

Bisher existieren nur wenige Studien, die einen Zusammenhang der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) mit der Entwicklung chronischer Schmerzen im Sinne einer Schmerzerkrankung untersuchen. Neben den chronischen Schmerzen selbst bilden psychosoziale Beeinträchtigungen ein wichtiges Symptom von Schmerzerkrankungen und können sowohl als Folge der Erkrankung auftreten oder auch als (mit) schmerzauslösende oder aufrechterhaltende Faktoren fungieren. Bezüglich psychosozialer Beeinträchtigungen bei JIA-Patienten finden sich in der Literatur widersprüchliche Ergebnisse. Noll et al. fanden in einer Fall-Kontroll-Studie keine Unterschiede bezüglich Beziehungen zur „peer group“, emotionalen Wohlbefindens und Verhalten zwischen JIA-Patienten und gesunden Klassenkameraden [23]. Im Gegensatz dazu werden in einem Review von Jaworski neben Schmerzen und Funktionseinschränkungen auch psychosoziale Beeinträchtigungen bei Patienten mit JIA beschrieben [17]. Ding et al. [7] untersuchten an 60 Jugendlichen mit Polyarthritis den Zusammenhang zwischen der rheumatischen Erkrankung und psychischen Auffälligkeiten. Einen moderaten Einfluss auf das psychische Befinden hatten körperliche Einschränkungen, nicht jedoch Krankheitsaktivität und Anzahl der betroffenen Gelenke. Hanns et al. fanden bei Patienten mit JIA keine erhöhten Angst- oder Depressionswerte, bei den Patienten mit Angstsymptomatik zeigten sich aber stärkere Schmerzen und eine erhöhte Funktionseinschränkung [13].

Die Schmerzintensität ist der größte Einflussfaktor für das psychosoziale Wohlbefinden

Die Schmerzintensität bildet den größten Einflussfaktor für das psychosoziale Wohlbefinden bei JIA-Patienten, wie eine Quality-of-life(QoL)-Studie der Pediatric Rheumatology International Trials Organisation (PRINTO) nachwies [25]. Die QoL betroffener Patienten wird zudem durch das Vorhandensein von Schmerzen und schmerzbedingten Beeinträchtigungen bei den Eltern beeinflusst [30]. Umgekehrt beeinflussen (elterliche und kindliche) psychische Flexibilität und Schmerzakzeptanz die Resilienz bezüglich psychosozialer Beeinträchtigungen [4]. In einer Befragung von pädiatrischen Rheumatologen in den USA berichteten 77,3 % von persistierenden Schmerzen bei JIA-Patienten trotz adäquater antirheumatischer Therapie [19]. Dies deckt sich mit Daten, die aus Patientenbefragungen gewonnen wurden [1].

Juvenile idiopathische Arthritis als Auslöser einer chronischen muskuloskeletalen Schmerzerkrankung

Ein möglicher Zusammenhang zwischen einer JIA in Phasen inaktiver Erkrankung bzw. Remission und chronischen Schmerzerkrankungen wurde wiederholt vermutet, bislang jedoch nicht systematisch untersucht. Wir führten daher am Zentrum für Schmerztherapie junger Menschen in Garmisch-Partenkirchen eine retrospektive Kohortenstudie aller behandelten Schmerzpatienten (Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene) der Jahre 2018 und 2019 durch. In diesem Zeitraum wurden 943 Patienten (1079 Fälle) schmerztherapeutisch für mindestens 5 Tage behandelt. In einer Single-center-Analyse wurden alle Patienten mit einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41, fortan „CSSPF“) und die mit einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom Typ I (CRPS I; M 89.0, G 90.5), die während der Jahre 2018 und 2019 behandelt wurden, auf ihre rheumatologischen Diagnosen hin ausgewertet. Schmerzdiagnosen, die primär nicht den muskuloskeletalen Bereich betreffen (z. B. Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, psychisch bedingte Schmerzen) wurden von der Untersuchung ausgenommen, da hier kein direkter Zusammenhang mit der JIA zu vermuten ist. Für die Diagnose der F45.41 wird ein somatischer Auslöser als Ursache angesehen, der durch die JIA potenziell gegeben ist.

Es wurden 825 Patienten mit CSSPF und 91 Patienten, welche die Diagnosekriterien eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms erfüllten, eingeschlossen. Der Einschluss erfolgte unabhängig davon, ob es sich um einen Erst- oder Folgeaufenthalt handelte. Patienten, die im Beobachtungszeitraum 2‑mal aufgenommen waren, wurden nur 1‑mal eingeschlossen. Die Statistik erfolgte deskriptiv mittels χ2-Test (Tab. 2 und 3).

Tab. 2 Kohortenbeschreibung
Tab. 3 Kohortenbeschreibung

Insgesamt hatten 84 (9,3 %) aller Patienten mit den untersuchten Schmerzerkrankungen eine JIA (Tab. 4). Bezogen auf die Prävalenzdaten der JIA in Deutschland (100/100.000) [32] wäre 1 Patient zu erwarten gewesen (p < 0,001). Von den Patienten mit einer JIA in der Vorgeschichte hatten 83 (10,1 %) ein CSSPF jedoch nur 1 Patient (1,1 %) mit CRPS. Die beiden Gruppen unterscheiden sich diesbezüglich signifikant (p < 0,01).

Tab. 4 Patienten mit chronischen Schmerzerkrankungen und juveniler idiopathischer Arthritis (JIA)

Innerhalb der CSSPF-Gruppe (bezogen auf die JIA-Diagnosen gemäß ILAR[International League Against Rheumatism]-Kategorien [27]) hatten auffallend viele Patienten eine polyartikulär verlaufende JIA (n = 44 (53 %) inklusive Rheumafaktor-negative , Rheumafaktor-positive und „extended“ oligoartikuläre JIA), 18 Patienten (21,7 %) hatten eine Enthesitis-assoziierte JIA und 8 Patienten (9,6 %) eine Psoriasisarthritis. Bemerkenswert ist mit nur 9 Patienten (10,8 %) der kleine Prozentsatz von Patienten mit einer persistierend oligoartikulären JIA, die gemäß der Prävalenz der JIA-Kategorien die größte Untergruppe darstellen sollte. Kein Patient hatte eine systemische JIA in der Vorgeschichte.

Dies ist die bislang größte Kohorte, die bezüglich einer Assoziation einer JIA mit der Entwicklung chronischer Schmerzen und Schmerzerkrankungen untersucht wurde. Dennoch hat die Untersuchung einige Limitationen. So ist durch den Single-center-Ansatz in der größten Kinderrheumaklinik Europas von einem gewissen Bias auszugehen. Auch kennen wir die Prävalenzdaten für chronische Schmerzen und Schmerzerkrankungen in Deutschland nur unzureichend. Dennoch zeigen sich in der untersuchten Kohorte einige interessante Befunde:

  • Es scheint kein nennenswert erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines CRPS Typ I zu bestehen.

  • Vor allem polyartikuläre Verläufe, die Enthesitis-assoziierte JIA und die Psoriasisarthritis vermitteln offenbar ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer CSSPF, was bei der persistierenden oligoartikulären und der systemischen JIA nicht zu beobachten ist.

Weitere Untersuchungen müssen hier klären, inwieweit z. B. die Dauer der aktiven Erkrankung, die frühzeitige effektive Therapie und bestimmte Erkrankungsverläufe dieses Risiko beeinflussen und welche Rolle z. B. psychische Faktoren bei den JIA-Patienten spielen.

Besondere Herausforderungen bei Schmerzerkrankungen und rheumatischer Grunderkrankung

Patienten, die im Rahmen oder infolge einer JIA eine Schmerzerkrankung entwickeln, fällt der Umgang mit den Schmerzen oft schwer. Sowohl bei rheumatischen Erkrankungen mit akuten oder chronischen Schmerzen als auch bei Schmerzerkrankungen ist ein interdisziplinär multimodaler Behandlungsansatz hilfreich [15], die Behandlungsschwerpunkte unterscheiden sich jedoch. Bei Kindern und Jugendlichen sollte zudem auf die Bedürfnisse dieser Altersgruppe eingegangen werden [14].

Die während aktiver Phasen der JIA erlernten Herangehensweisen an die chronische Erkrankung mit hohem Stellenwert einer medikamentösen Therapie und der Notwendigkeit von Schonung und Entlastung sowie eher passiven physiotherapeutischen Behandlungsstrategien erweisen sich bei einer Schmerzchronifizierung im Sinne einer Schmerzerkrankung als ineffektiv und sind teils sogar kontraproduktiv. Bei einer Schmerzerkrankung ist der Therapieansatz quasi konträr: Analgetisch wirksame Medikamente sollten eher vermieden werden, und von den Patienten wird Aktivität und Bewegung trotz Schmerzen und ein selbstwirksamer Umgang mit den Beschwerden erwartet. Patienten mit chronisch rheumatischen Erkrankungen haben während aktiver Phasen ihrer rheumatischen Erkrankung gelernt, Schmerz als ein Warnzeichen für eine akute Entzündung zu deuten. Es fällt ihnen oft besonders schwer, dieses somatisch orientierte Erkrankungsmodell zur Schmerzentstehung zu verlassen und das biopsychosoziale Schmerzmodell einer Schmerzerkrankung zu akzeptieren. Hier ist Edukation sowohl für die Jugendlichen als auch ihre Eltern grundlegend, um darauf aufbauend die Therapieempfehlungen nachvollziehen und umsetzen zu können.

Während sich Patienten im Rahmen aktiver Schübe ihrer JIA kaum im Alltag beeinträchtigen lassen, werden häufig im Zuge der Schmerzerkrankung plötzlich deutlich einschränkende Symptome wie Müdigkeit und Schlafstörungen oder starke Bewegungseinschränkungen mit konsekutiven Schulfehlzeiten und Vernachlässigung von Hobbys oder sozialen Kontakten beobachtet. An Zielen ist somit neben einer Schmerzreduktion, die häufig erst im Verlauf erreicht werden kann, der Rückgang der schmerzbedingten Beeinträchtigungen, die Stärkung von Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit und eine (Wieder‑)Herstellung eines strukturierten und jugendgerechten Alltags anzustreben. Aufgrund der Häufung psychischer Komorbiditäten bei lang andauernden Schmerzen rücken psychologische Therapieangebote in den Vordergrund, häufig wird die weitere Unterstützung für zu Hause angebahnt (z. B. ambulante Psychotherapie, Beratungsstelle, Jugendamt) [35]. Das Netzwerk für eine schmerztherapeutische ambulante und stationäre Versorgung in Deutschland sollte hierfür ausgebaut werden, einheitliche Standards für die professionelle interdisziplinäre Therapie müssen angestrebt werden [14].

Aufgrund der Häufung psychischer Komorbiditäten sind psychologische Therapieangebote wichtig

Für Patienten und Eltern (und auch viele nicht rheumatologisch erfahrene Behandler) ist es schwierig, bei Veränderung der Beschwerden (z. B. neue Schmerzlokalisation) zu unterscheiden, ob es sich um einen arthritischen Schub oder eine Schwankung im Rahmen der Schmerzerkrankung handelt. Dies führt häufig zu Verunsicherung und Hilflosigkeit.

Grundlage für eine erfolgreiche Schmerztherapie ist natürlich, die inaktive Erkrankungsphase bzw. die Remission aufrechtzuerhalten. Daher ist eine intensive Absprache zwischen Kinderrheumatologen und Schmerztherapeuten bezüglich der ggf. vorhandenen Basismedikamente erforderlich.

Fazit für die Praxis

  • Ursachen für muskuloskeletale Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen mit rheumatischen Erkrankungen sind akute Schmerzen bei entzündlicher Aktivität, chronische Schmerzen bei anhaltender/wiederkehrender Krankheitsaktivität oder aufgrund von mechanischen Fehlstellungen und Gelenkschäden und chronische Schmerzen im Sinne einer Schmerzerkrankung, die sich auf Grundlage der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) entwickelt hat.

  • Differenzialdiagnostisch kann eine Schmerzerkrankung ohne Vorliegen einer rheumatischen Grunderkrankung bestehen.

  • Bei akut entzündlichen Schmerzen liegt der Fokus auf medikamentösen und physiotherapeutischen Maßnahmen zur Kontrolle der Inflammation und Vermeidung von Folgeschäden, bei Chronifizierung der Schmerzen ist ein interdisziplinär-multimodaler Therapieansatz erforderlich.

  • Das Vorliegen einer JIA stellt einen Risikofaktor für die Entstehung einer Schmerzerkrankung dar. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um zu klären, welche Relevanz Krankheitsaktivität und -dauer, aber auch prädisponierende psychologische Faktoren auf die Entstehung haben.