„Hic [est loci ubi] gaudet mors succurere vitae“: hier ist der Ort, wo sich der Tod freut dem Leben zu helfen. Dieser klassische Topos der anatomischen Pathologie grüßt in Form eines Wandgemäldes seit nunmehr 25 Jahren den Eintretenden in die Mainzer Pathologie – sowohl in dem alten Institutsgebäude, wo es aus Anlass des 75-jährigen Jubiläums vom damaligen Institutschef Wolfgang Thoenes in Auftrag gegeben und angebracht wurde, wie auch im Neubau, der 2004 bezogen wurde.

Das starke Interesse an der klinisch-anatomischen Pathologie, wie sie in Mainz im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts durch Soemmering erstmals ernsthaft betrieben wurde, begleitete den Medizinalrat Jakob Hochgesand (1814–1901) in den Jahren seiner ärztlichen Tätigkeit. So verwundert es nicht, dass er Geld für den Bau eines Pathologischen Instituts spendete. Dieses wurde auf dem Gelände des neu errichteten Städtischen Krankenhauses 1914 fertiggestellt und zählt damit zu den 3 Gründungseinrichtungen (zusammen mit Chirurgie und Innerer Medizin) der späteren Universitätsklinik und heutigen Universitätsmedizin Mainz. Wie sich aus dem schicksalhaften Gründungsjahr ableiten lässt, war die Anfangszeit mit Imponderabilien behaftet. So wurde der erste designierte Institutschef Walter Dibbelt mit Beginn des 1. Weltkriegs als Heerarzt eingezogen und fiel 1916 vor Verdun. Die eigentliche Aufnahme der Institutstätigkeit erfolgte erst mit Georg Benno Gruber (1917–1923), der sowohl während der Wirren des Kriegsendes als auch der französischen Besatzungszeit die Geschicke des Instituts geleitet hatte, bevor er einen Lehrstuhl in Innsbruck annahm (und nach dem 2. Weltkrieg Direktor des Pathologischen Instituts der Universität Göttingen wurde). Auf den aus Düsseldorf nachfolgenden Heinrich Müller (1923–1946) wurde Fritz Klinge der erste Lehrstuhlinhaber (1946–1958), nachdem zuvor der Beschluss der französischen Militärregierung zur Wiedergründung der Universität Mainz (und damit auch der Errichtung einer medizinischen Fakultät) erfolgt war. Auf Klinge folgte Heinrich Bredt (1959–1974), unter dessen Ägide nicht nur ein neuer Hörsaaltrakt angebaut wurde, sondern Mainz auch als fester Veranstaltungsort für die Herbsttagungen der Deutschen Gesellschaft für Pathologie für 2 Jahrzehnte etabliert wurde. Nachfolger wurde der noch heute oft zitierte Wolfgang Thoenes (1974–1992 [9, 13]). In die Amtszeit des derzeitigen Direktors James Kirkpatrick (seit 1993) fällt insofern die stärkste strukturelle Wandlung, als dass seit spätestens Ende der 1990er Jahre ein kompletter Abriss der veralteten Räumlichkeiten unumgänglich geworden war und Ende 2004 das neue Institutsgebäude bezogen wurde.

Aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums des Instituts für Pathologie (und des 200sten Geburtstags seines Stifters Jakob Hochgesand) erstand die vorliegende aufwendige Erfassung von Obduktionsdaten, die einerseits den Vergleich mit bereits existierenden Analysen, andererseits aber auch die Hervorhebung ortsspezifischer Besonderheiten im Spiegel des historischen Kontextes zum Ziel hatte. Ungeachtet der Tatsache, dass die Berichte nicht aus dem gesamten Jahrhundert vorlagen, stellt doch der ausgewertete Zeitraum von 40 Jahren eine vergleichsweise langstreckige Analyse dar.

Studiendesign und Analyse

Sektionsakten des Mainzer Pathologischen Instituts

Aufgrund langjähriger Archivierung liegen aus dem Institut für Pathologie in Mainz die Obduktionsbefunde nahezu lückenlos seit dem Jahr 1950 vor. Glücklicherweise wurden auch die sog. Verstorbeneneingangsbücher über mehrere Jahrzehnte aufbewahrt (ohne Unterbrechung für den Zeitraum 1965 bis zur Gegenwart). In diesem Eingangsregister sind alle in der Universitätsklinik (bzw. Universitätsmedizin) Verstorbenen mit Namen und Alter aufgelistet. Somit konnte die Analyse für den gesamten Zeitraum 1971–2010 erfolgen.

Die Obduktionen fanden in den Jahren 1971–1998 in den Räumlichkeiten des alten Institutsgebäudes (Abb. 1) statt, während in den darauf folgenden Jahren 1998–2004 die Sektionstätigkeit auf einen durch das Institut für Rechtsmedizin überlassenen Obduktionssaal fokussiert war und ab 2005 im Obduktionstrakt des neu errichteten Institutsgebäudes (Abb. 2) erfolgte. Während all dieser Jahre wurden daneben auch Obduktionen in externen Krankenhäusern (vorwiegend im Raum Mainz) durchgeführt. Alle Obduktionen wurden unter fortlaufender Nummerierung für das jeweilige Jahr gesammelt und im Obduktionsarchiv aufbewahrt. Nur zwischenzeitlich waren hierunter die Fälle der Abteilung für Kinderpathologie aufgeführt. Für die Analyse wurden die Daten aller in der Universitätsklinik bzw. Universitätsmedizin Verstorbenen (≥ 14 Jahre) ausgewertet. Daraus ergibt sich eine Gesamtzahl von 14.724 Obduktionen, welche die Einschlusskriterien erfüllen.

Abb. 1
figure 1

Zeichnung des alten Institutsgebäudes. (Wiedergabe mit freundl. Genehmigung von Herrn Prof. Dr. H. J. Rumpelt)

Abb. 2
figure 2

Das neue Institutsgebäude

Für die Erfassung der Daten aus den Eingangsbüchern wurden neben der numerischen Katalogisierung (Erfassung der Gesamtzahl Verstorbener pro Jahr) zusätzlich die Parameter Alter (in Jahren) und Geschlecht berücksichtigt. Für die Erfassung der Daten aus den Obduktionsbefunden wurden neben den zuvor genannten biometrischen Daten (Alter, Geschlecht) v. a. Daten im Zusammenhang mit der Todesursache erfasst. Hierzu wurde in Anlehnung an bereits publizierte Auflistungen [10] ein einheitlicher Diagnoseschlüssel entworfen (Infobox 1).

In Bezug auf die Malignompatienten wurde neben einer Grobeinteilung der jeweiligen Primärtumor(-Gruppe), die sich weitgehend aus dem oben genannten Diagnoseschlüssel ergab, zusätzlich der Metastasierungsstatus aufgeführt. Dabei wurde die Metastasenlokalisation unterteilt in Lunge, Leber, Lymphknoten sowie sonstige für alle übrigen Metastasierungsorte (Mehrfachangabe war möglich). Im Fall multipler Primärtumoren wurde die analog der TNM-Klassifikation fortgeschrittenste Neoplasie ausgewählt.

Erfassung der Daten, statistische Analyse

Die Daten wurden in Microsoft Excel erfasst und mit dem Statistikprogramm SPSS der Fa. IBM ausgewertet. Als statistische Kenngrößen dienten für stetige Merkmale Mittelwert und Median. Für kategoriale Merkmale wurden absolute und relative Häufigkeiten berechnet.

Ergebnisse

Drastischer Abfall der Obduktionsfrequenz

Der Verlauf der Obduktionsfrequenz ist in Abb. 3 wiedergegeben. Die meisten Obduktionen (n = 837; 73,4 %) wurden im Jahr 1973 durchgeführt, die niedrigste absolute und relative Quote findet sich im Jahr 2010 (n = 65; 5,6 %). Nach einem kurzen Anstieg der Obduktionszahlen von 1971–1973 (von 64,4 auf 73,4 %), findet sich in der Folge ein nahezu kontinuierlicher Abfall der Obduktionsfrequenz bis zum Jahr 2010. Dabei zeigen sich einzelne besondere Jahrgangsschwankungen. So kommt es im Zeitraum 1973/74 zu einem Abfall der Obduktionsfrequenz um über 20 %. Nach einer relativ stabilen Phase zu Beginn der 1980er Jahre zeigt sich ein weiterer auffälliger Verlust der Obduktionszahlen im Zeitraum 1987–1989 von 48,8 auf 35,4 %. Ein weiterer bemerkenswerter Abfall der Obduktionsfrequenz liegt 1997/98 mit einem Abfall der Frequenz von 26,4 auf 15,9 % vor.

Abb. 3
figure 3

Fallzahlen der Verstorbenen und der Obduzierten im Verlauf

Eindrücklich war zudem der Langzeitverlauf des Durchschnittsalters der Obduzierten über den Gesamtzeitraum, der insbesondere zu Beginn eng korreliert war mit dem Durchschnittsalter der Verstorbenen (Abb. 4). So zeigte sich ein Anstieg des Durchschnittsalters der Verstorbenen von 60,34 auf 68,48 Jahre und damit einhergehend auch der Obduzierten von 59,1 auf bis zu 67,47 Jahre (letzterer Wert für das Jahr 2008).

Abb. 4
figure 4

Durchschnittsalter der Verstorbenen im Vergleich zu den Obduzierten

Interessanterweise fand sich in allen untersuchten Zeiträumen eine Prädominanz der Obduzierten für das männliche Geschlecht. So waren durchschnittlich 57,1 % der Obduzierten männlich, 42,9 % der Obduzierten weiblich; konkordant hierzu konnte ebenso ein Überwiegen männlicher Verstorbener gegenüber weiblichen (Verhältnis m: w 56,3:43,7 %) nachgewiesen werden.

Todesursachen

Über alle untersuchten Zeiträume hinweg zeigt sich für die häufigsten Todesartengruppen eine gleiche Verteilung (Abb. 5). So stellten regelmäßig Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache (34,9 % aller Obduzierten in den 1970er Jahren, 39 % in der letzten untersuchten Dekade), gefolgt von den Infektionserkrankungen (17,2 % in den 1970er Jahren, 20,9 % in der letzten untersuchten Dekade) dar (Tab. 1). Hingegen rangieren die neoplastischen Erkrankungen jeweils lediglich an dritter Stelle (11,5 % in den 1970er Jahren, 16,6 % in der letzten untersuchten Dekade). Auch die 4 häufigsten Einzeltodesursachen finden sich über die Jahrzehnte verteilt immer wiederkehrend, wobei aber die Rangfolge teilweise schwankt (Abb. 6). Auffällig ist hierbei ein Wechsel der Lungenembolie als führender Einzeltodesursache in den 1970er Jahren (11,6 %), zum Myokardinfarkt (im zuletzt untersuchten Zeitraum 1995–2010 15,7 %). Für einige weitere Einzeltodesursachen finden sich einige Schwankungen über die Zeiträume hinweg. Hierunter sind der deutliche Abfall in der Kategorie „Polytrauma/äußere Einwirkung“ von den 1970er Jahren (2,3 %, n = 119) bis in die letzte Dekade einerseits sowie der kurzweilige Anstieg der an AIDS Verstorbenen im Zeitraum 1987–1994 (auf bis zu 14 bzw. 0,5 %) hervorzuheben.

Abb. 5
figure 5

Verteilung der Erkrankungsgruppen

Tab. 1 Absolute und relative Häufigkeiten der wichtigsten Todesursachena
Abb. 6
figure 6

Verteilung der häufigsten Einzelkategorien bzw. -todesursachen innerhalb der unterschiedlichen Messzeiträume

Malignome

Maligne Neoplasien konnten bei gut einem Drittel der Patienten über die verschiedenen Dekaden hinweg nachgewiesen werden. Die Gesamtverteilung der Malignome ist in Abb. 7 wiedergegeben. Daraus ergibt sich, dass sich am häufigsten Tumoren des Gastrointestinaltrakts fanden, gefolgt von Lungentumoren, Malignomen des Urogenitaltrakts sowie malignen lymphatischen Neoplasien. Bei Aufschlüsselung in die verschiedenen Beobachtungszeiträume zeigt sich ein kontinuierlicher Anstieg des Lungenkarzinoms seit den 1980er Jahren; dieser Tumortyp ist seit den 1990er Jahren am häufigsten bei Obduktionen nachgewiesen worden (Abb. 8). Zudem sind Lungentumoren im untersuchten Obduktionsmaterial in allen Zeitabschnitten die häufigste Todesursache unter den Neoplasien (Abb. 7). Die Todesursachen der Malignompatienten sind gesondert in Abb. 9 dargestellt. Hieraus ergibt sich, dass die häufigste Todesursache das jeweilige Malignom selbst darstellt (40 % der Fälle) und Infektionen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen jeweils in etwa gleicher Häufigkeit folgen (jeweils 20 %). Ein Großteil der Malignompatienten (ca. drei Viertel) wies jeweils Metastasen auf. Die Metastasen fanden sich in durchschnittlich bei 64,7 % in Lymphknoten, in 47,7 % der obduzierten Malignompatienten in der Leber und bei 40,7 % in den Lungen, in 68 % an sonstigen (nicht näher dokumentierten) Lokalisationen. Die malignomassoziiert Verstorbenen wiesen in allen untersuchten Zeiträumen häufiger Metastasierungen auf (> 80 % der Fälle) als die nicht tumorassoziiert Verstorbenen (ca. 60 % der Fälle).

Abb. 7
figure 7

Verteilung der Malignome über den Gesamtzeitraum. GIT Gastrointestinaltrakt

Abb. 8
figure 8

Verteilung der häufigsten Malignome in den verschiedenen Zeitabschnitten

Abb. 9
figure 9

Verteilung der Todesursachen bei Malignompatienten

Diskussion

Obduktionsfrequenz

Die hier dargestellten Daten gleichen in vielen Punkten bereits veröffentlichten Ergebnissen von Obduktionsanalysen; insbesondere hinsichtlich der Obduktionsfrequenz liegt in nahezu allen dargestellten Analysen ein ähnlicher Verlauf vor (Abb. 10). Hinsichtlich der Obduktionsfrequenz konnte im hier vorliegenden Obduktionsmaterial eine seit 1973 fast ausnahmslos abfallende Tendenz nachgewiesen werden. Dabei fallen hierbei 3 Zeiträume besonders auf: neben den Jahren 1973/74 sind dies der Zeitraum 1987–1994 sowie die Jahre 1997/98.

Abb. 10
figure 10

Vergleich der Obduktionsfrequenzen im eigenen Obduktionsmaterial mit nationalen und internationalen Vergleichsanalysen. (Nach [2, 3, 6, 8, 14])

Zeitraum 1973/74

Für den Zeitabschnitt 1973/74 fand sich der stärkste absolute und relative Abfall der Obduktionsfrequenz. Diese Veränderung fällt offenbar koinzidenziell mit einem Wechsel der Institutsleitung (W. Thoenes als Nachfolger von H. Bredt) zusammen [13], eine genauere Ursache für den starken Abfall der Obduktionszahlen war jedoch nicht (mehr) zu eruieren.

Zeitraum 1987–1994

Hingegen lässt sich für den Zeitraum 1987–1994 auch in Zusammenschau mit der Literatur belegen, dass einer der Gründe für den Abfall der Obduktionsfrequenz in der zunehmend praktizierten erweiterten Zustimmungslösung anstatt der sonst gebräuchlichen Widerspruchslösung zu suchen ist. Bei der Widerspruchslösung ist die klinische Sektion zulässig, wenn

  • der Verstorbene vor seinem Tode schriftlich eingewilligt hat oder

  • der Verstorbene nicht widersprochen hat bzw. die (informierten) Angehörigen nicht widersprochen haben oder

  • die nächsten Angehörigen nicht binnen 24 h zu erreichen gewesen sind und die Sektion für klinisch notwendig erachtet wird.

Bei der erweiterten Zustimmungslösung hingegen ist die klinische Sektion zulässig, wenn

  • der Verstorbene vor seinem Tode schriftlich eingewilligt hat oder

  • der Verstorbene keine Entscheidung getroffen hat und der nächste Angehörige einwilligt [1].

Interessanterweise konnte für den Zeitraum 1987–1994 gezeigt werden, dass die Anzahl der Obduktionen mit derjenigen Quote der Verstorbenen korrelierte, bei welchen eine Obduktion zu Lebzeiten vom Verstorbenen selbst oder nachfolgend von den Angehörigen nicht verweigert wurde, bzw. bei welchen die Leichname nicht beschlagnahmt wurden. Bei einer mittleren Rate von 95,1 % möglichen Obduktionen im Zeitraum 1987–1994 (Daten hier nicht gezeigt) liegt es somit nahe, dass die zunehmenden Verweigerungen zumindest innerhalb dieses Zeitraums als zentraler Faktor für die sinkende Obduktionsfrequenz anzusehen sind, wie dies auch für den Raum Hannover sowie für Chemnitz und Hamburg im gleichen Zeitraum bestätigt werden konnte [2, 3, 12].

Zeitraum 1997/98

Der Abfall der Obduktionsrate im Zeitraum 1997/98 lässt sich hingegen offenkundig belegen mit einer in dieser Zeit erfolgten baubedingten Schließung des alten Obduktionstrakts und „Umzug“ des Obduktionssaals in die Räumlichkeiten des außerhalb des Universitätscampus gelegenen Instituts für Rechtsmedizin. Aufgrund der räumlichen Diskrepanz ergab sich eine Abnahme der Falldemonstrationen mit den klinischen Kollegen (eigene Beobachtung) und konsekutiv der Obduktionszahlen. Interessanterweise lässt sich der umgekehrte Effekt, nämlich ein Ansteigen der Obduktionszahlen bei Eröffnung des wieder auf dem Campus gelegenen neuen Obduktionssaals – wenn auch in geringerem Ausmaß – belegen (von 86 auf 99 Obduzierte bzw. von 8,9 auf 9,6 % Obduktionsquote von 2004 auf 2005). In diesem Zusammenhang ist die 2010 publizierte Studie von Kahl [4] erwähnenswert, in der ca. 1000 Bundesbürger bzgl. verschiedener Aspekte der Obduktionen befragt wurden. Hier gaben 40 % der Befragten an, einen Angehörigen im Krankenhaus verloren zu haben, aber von den Ärzten nicht nach einer Sektion gefragt worden zu sein. Daraus geht hervor, dass der Einfluss der klinischen Kollegen auf die Obduktionsfrequenz als äußerst relevant einzustufen ist oder, um es mit dem Schlussplädoyer von Kahl zu sagen, „lässt sich also feststellen, dass die klinische Sektion durchaus mit Legitimitätsproblemen zu kämpfen hat, allerdings nicht in erster Linie in der breiten Öffentlichkeit, sondern medizinintern und dies sowohl hinsichtlich ihrer Funktion als auch ihres Stellenwerts“ [4].

Ferner darf nicht außer Acht gelassen werden, dass bei gleichzeitig sinkender Obduktionsfrequenz insgesamt die Leistungsstatistik des Mainzer Pathologischen Instituts besonders in den letzten Jahren einen deutlichen Aufwärtstrend aufgewiesen hatte. Dieses wird insbesondere verdeutlicht bei einem Vergleich der Obduktionsfrequenz im letzten untersuchten Jahrzehnt (2000–2010) mit den drastisch zunehmenden Zahlen der molekularpathologischen Diagnostik (Abb. 11), die sicherlich pars pro toto zumindest im Hinblick auf die Situation an den meisten deutschen Universitätspathologien steht.

Abb. 11
figure 11

Vergleich der Obduktionszahl und der Anzahl an molekularpathologischen Diagnostikfällen zwischen 2000 und 2010. (Anmerkung: Start der diagnostischen Molekularpathologie in Mainz im Jahr 2005)

Todesursachen

Bei der Masse der in dieser Analyse erhobenen Daten kann im Folgenden nur auf wenige weitere Aspekte eingegangen werden. So ist der hier nachgewiesene „switch“ der Lungenembolie zum akuten Myokardinfarkt als häufigster Todesursache in den 1970er Jahren auch durch die Literatur aus dieser Zeit zu bestätigen [5]. Dieses Phänomen geht auf den zunehmenden Einsatz der therapeutischen Antikoagulation zurück. Todesursachen durch äußere Einwirkung wurden speziell zu Beginn der 1970er Jahre gehäuft gelistet und sind am Ende des Analysenzeitraums kaum mehr anzutreffen. Dies geht wahrscheinlich wiederum auf die besonderen lokalen Umstände zurück. Die rechtsmedizinischen Obduktionen wurden nämlich bis zur Errichtung eines eigenständigen Instituts für Rechtsmedizin (1981) im Obduktionssaal des Instituts für Pathologie durchgeführt und auch gesondert dokumentiert in eigenen dafür vorgesehenen Ordnern, wobei es aber wahrscheinlich zu gelegentlichen Überschneidungen zwischen beiden Fachgebieten gekommen sein dürfte. Zur vergleichsweise hohen Ziffer an malignen hämatologischen Grunderkrankungen im Zeitraum 1971–1978 konnte in Erfahrung gebracht werden, dass besonders in den ersten Jahren nach der Gründung der Klinik für Hämatologie (1973) alle an einer malignen hämatologischen Erkrankung Verstorbenen obduziert wurden.

Wie bereits oben erwähnt, bedingt eine vergleichsweise große Fallzahlen beinhaltende Analyse wie die vorliegende das Problem, dass spezifische Phänomene nur in begrenztem Umfang erfasst werden können. Andererseits ist der Vorteil einer auf Obduktionsberichte zurückgreifenden Todesursachenanalyse gegenüber der herkömmlichen aus den Todesbescheinigungen resultierenden Todesursachenstatistik wissenschaftlich belegt [10]. Die Rangfolge der häufigsten Todesursachen und die Verteilung der Todesursachengruppen zeigen sich über die verschiedenen Zeitabschnitte stabil. Speziell die Daten der letzten Dekaden sind dabei zumindest in wesentlichen Punkten konkordant zum weltweiten Trend, der nach der WHO weiterhin ischämische Herzerkrankungen (inkl. Myokardinfarkt), den Schlaganfall und Pneumonien unter den 3 häufigsten Todesursachengruppen aufführt; ferner wird der Trend der Zunahme der Neoplasien insgesamt bestätigt, u. a. mit einer Zunahme der Lungenmalignome unter den Todesursachen von 1,2 Mio. im Jahr 2000 (2,2 %) auf 1,5 Mio. im Jahr 2011 (2,7 % [15]). Andererseits zeigen sich jedoch besonders in der letzten untersuchten Dekade deutliche Schwankungen zwischen den einzelnen Jahren, was die Frequenz einzelner Einzeltodesursachen betrifft (hier nicht gezeigt); nicht zuletzt zeigt sich diese Tendenz der deutlichen Jahresschwankungen auch in Bezug auf das Durchschnittsalter der Obduzierten im Vergleich zu den Verstorbenen, die nämlich im letzten Jahrzehnt nicht mehr parallel verlaufen. Das legt den Schluss nahe, dass aufgrund der niedriger werden Fallzahlen valide Aussagen hinsichtlich verschiedener Aspekte des Obduktionswesens nunmehr erschwert möglich sind.

Fazit

Diese Bestandsaufnahme aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums der Pathologie in Mainz zeigt in eindrücklicher Weise den drastischen Abfall der Obduktionsfrequenz innerhalb von 4 Jahrzehnten. In bestimmten Zeitabschnitten zeigen sich dabei ortsspezifische Phänomene neben der bereits national und international publizierten ähnlichen Datenlage. Einmal mehr veranschaulicht die vorliegende Analyse auch die Diskrepanz neben einer in den letzten Jahren nahezu einhellig geforderten Steigerung der Obduktionszahlen zum Zwecke der Qualitätssicherung [7] und einer realiter weiter sinkenden Obduktionstätigkeit.