Menschen, die sich bei einem Gewitter auf großen freien Flächen aufhalten, haben ein erhöhtes Gefährdungspotenzial, durch Blitze tödlich verletzt zu werden. Aufgrund der Ausdehnung, des Profils, frei stehender Bäume, Baumgruppen, Fahnenstangen und der oft großen Distanzen zu Gebäuden mit Blitzschutzeinrichtungen oder Fahrzeugen gehören Golfplätze zu den Bereichen, in denen die Menschen bei einem Gewitter besonders gefährdet sind.

Hintergrund

In den letzten Jahrzehnten ist ein deutlicher Rückgang an Blitzunfällen mit Todesfolge in Deutschland zu verzeichnen gewesen. Während vor einem halben Jahrhundert noch 40–100 Menschen/Jahr durch Blitzschlag verstarben, sind in den Jahren nach 2000 nur noch 3–7 Todesfälle/Jahr zu verzeichnen gewesen [10]. Auch deshalb ist ein Blitzunfall mit 4 Todesopfern, wie er im Folgenden vorgestellt wird, eine Rarität. Dass sich dieser schwere Unfall auf einem Golfplatz ereignet hat, ist unter Berücksichtigung von statistischen Erhebungen von Blitzunfällen hingegen wenig überraschend.

Falldarstellung

Vorgeschichte

An einem Nachmittag im Juni 2012 ereignete sich auf einer Golfanlage in Waldeck (Hessen) der Blitzunfall mit den seit Jahrzehnten meisten Todesopfern in Deutschland. Vier von einem Sommergewitter überraschte Frauen im Alter von 41, 50, 66 und 67 Jahren, deren Golf spielende Männer sich an einem anderen Ort des Golfplatzes aufhielten, suchten Schutz in einem offenen Holzunterstand, der sich nahezu am höchsten Punkt der Anlage unter Kirschbäumen befand (Abb. 1). Nachdem die Männer ihre Frauen telefonisch nicht mehr erreichten, suchten sie nach ihnen und fanden nach etwa 20–30 min alle 4 Frauen leblos in der Holzhütte sitzend bzw. liegend vor. Die sofort eingeleiteten Reanimationsmaßnahmen, die später von mehreren Notärzten fortgeführt wurden, waren bei der 50-jährigen Frau nach etwa 50 min erfolgreich. Dieses Opfer wurde in einem regionalen Klinikum und in einem Zentrum für Schwerbrandverletzte intensivmedizinisch behandelt, verstarb aber 4 Tage später. Bei den 3 anderen Blitzopfern waren alle Reanimationsbemühungen erfolglos. Die Verstorbenen wurden nicht obduziert.

Abb. 1
figure 1

Unfallort auf dem Golfplatz

Physikalische Parameter und Rekonstruktion

Nach Aufzeichnungen des bundeseinheitlichen Blitzortungssystems „Blitz Informationsdienst“ (BLIDS, Fa. Siemens) bestand der Blitzunfall im Holzunterstand des Golfplatzes aus insgesamt 11 Einzelblitzen mit einer Dauer von ca. 450 ms und Stromstärken von 8–70,7 kA (Tab. 1). Dabei ist jedoch keine genaue Zuordnung der Blitzeinschläge zu den einzelnen Opfern möglich gewesen.

Tab. 1 Mit dem Blitzortungssystem BLIDS erfasste Einschlaghäufigkeit in unmittelbarer Nähe des Unfallorts

Einen Blitzeintritt gab es am Rand des Daches, Spuren von Gleitentladungen an einer Seitenwand und Zerfaserungen von Balken sowie Brettern an verschiedenen Orten der Hütte (Abb. 2, Abb. 3, Abb. 4). Von einem nahe stehenden Kirschbaum führte eine Blitzspur über den Rasen am Unterstand vorbei (Abb. 5). Unter Berücksichtigung der Spuren am Unfallort und der festgestellten Befunde der 4 Opfer muss bei allen von einer direkten Blitzeinwirkung ausgegangen werden („direct strike“; [11, 16]). Die Rücken- und Gesäßverbrennungen des 3. Opfers bei unverletzten Beinen sprechen für eine Blitzeinwirkung im Sitzen, der Schaumpilz im Mund für ein akutes Linksherzversagen mit Ausbildung eines Lungenödems. Die Ursache des Linksherzversagens dürften blitzbedingte Herzrhythmusstörungen gewesen sein [6, 14].

Abb. 2
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Mechanische Zerstörung des Daches der Hütte durch Blitzeinwirkung

Abb. 3
figure 3

Spuren einer Gleitentladung sowie Absplitterungen an einer Außenwand der Hütte

Abb. 4
figure 4

Mechanische Zerstörungen im Innenbereich der Schutzhütte. (Alle 4 Opfer befanden sich auf der anderen Seite der Wand.)

Abb. 5
figure 5

Blitzspur auf dem Erdboden von einem Kirschbaum nahe der Hütte

Wesentliche Befunde der Blitzopfer

Opfer 1

Die 66-jährige Frau, die bei der kriminalpolizeilichen Leichenschau vor dem Holzunterstand auf dem Rasen lag, wies eine farnkrautartige Blitzfigur an der vorderen Rumpfwand etwa in Höhe des rechten Rippenbogens (Abb. 6) und eine weitere Blitzfigur an der linken Rumpfwand auf. Die zweite Blitzfigur ging ohne scharfe Abgrenzung in die bevorzugt am Rücken gelegenen Totenflecke über (Abb. 7). Die getragene Hose zeigte am Metallreißverschluss thermisch-bedingte schwärzliche Verfärbungen (Abb. 8).

Abb. 6
figure 6

Opfer 1: Blitzfigur an der vorderen rechtsseitigen Rumpfwand

Abb. 7
figure 7

Opfer 1: Blitzfigur am Übergang zu den Totenflecken

Abb. 8
figure 8

Opfer 1: thermisch-bedingte Veränderungen am Reißverschluss

Opfer 2

Die 67-jährige Frau, die bei der kriminalpolizeilichen Leichenschau mit dem Oberkörper auf der Holzbank des Unterstands lag, mit beiden Füßen auf dem Erdboden, wies eine blutende Wunde am behaarten Kopf, eine z. T. zerrissene Hose, angesengte Kopfhaare, 2 bis maximal 4 cm durchmessende Verbrennungen 2. Grades an der vorderen Rumpfwand unter der rechten Brust und eine Metallisation der getragenen Halskette auf. Der Anhänger der Halskette war mit schwärzlichen Verfärbungen erhalten geblieben (Abb. 9); die übrigen Bestandteile der Kette waren verdampft. Die Reste der Verdampfung des Metalls schlugen sich flächenhaft schwärzlich metallisch glänzend auf der Haut des Halses, des Nackens und der oberen Brustregion nieder (Abb. 10).

Abb. 9
figure 9

Opfer 2: thermisch-bedingte Verfärbungen am Anhänger einer Halskette

Abb. 10
figure 10

Opfer 2: Metallniederschlag nach Verdampfen der Halskette (Evaporation)

Opfer 3

Die 41-jährige Frau, die bei der kriminalpolizeilichen Leichenschau auch auf dem Rasen vor dem Unterstand lag, zeigte einen weißlichen Schaumpilz in der Mundöffnung, angesengte Kopfhaare, bevorzugt links (Abb. 11), einen im Verschlussbereich beschädigten und thermisch bräunlich-schwärzlich verfärbten Büstenhalter (Abb. 12) sowie flächenhafte Verbrennungen vorwiegend 1. und 2. Grades des Rückens und der Gesäßhälften (Abb. 13).

Abb. 11
figure 11

Opfer 3: versengte Kopfhaare

Abb. 12
figure 12

Opfer 3: verfärbter und zerrissener Verschluss des Büstenhalters

Abb. 13
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Opfer 3: Verbrennungen der Haut des Rückens und der Gesäßhälften 1. und 2. Grades

Opfer 4

Die noch am Unfallort reanimierte 50-jährige Frau wies z. T. flächenhafte Verbrennungen 1. und 2. Grades an der vorderen Rumpfwand unter der rechten Brust, korrespondierend zum Verlauf eines Bügelbüstenhalters, an der linken Rumpfseite, übergreifend auf die Hüfte und den Oberschenkel, am Gesäß (Abb. 14), am linken Arm und am linken Fuß auf.

Abb. 14
figure 14

Opfer 4: Verbrennungen 1. und 2. Grades am Gesäß

Nach der stationären Aufnahme entwickelte die Frau bei tiefer Bewusstlosigkeit ein Kompartmentsyndrom der Beine und des Abdomens mit einer hämorrhagischen Dünndarminfarzierung. Als Ausdruck einer fulminanten Rhabdomyolyse betrug die Serum-Myoglobin-Konzentration bei Krankenhausaufnahme 21.296 µg/l (Referenzintervall 25–28 µg/l) und die Kreatinkinasekonzentration 21.287 U/l (Referenzintervall bis 145 U/l). Eine zunehmende Erhöhung der Nierenretentionswerte und der Leberenzymkonzentrationen spiegelte die Entwicklung eines Multiorganversagens wider. Weiterhin wurde eine hypoxische Hirnschädigung diagnostiziert. Das Blitzopfer verstarb trotz aller chirurgischen und intensivmedizinischen Maßnahmen 4 Tage nach dem Unfall.

Diskussion

Blitzunfälle mit mehreren Todesopfern sind extrem selten. In den letzten Jahrzehnten gab es in der Bundesrepublik Deutschland nur einen vergleichbaren Blitzunfall, bei dem 3 Bauarbeiter, die sich bei einem Gewitter an einen Bagger gelehnt hatten, verstorben waren [5]. Auch international sind Blitzunfälle mit mehreren Verstorbenen Raritäten. So starben 1998 11 Fußballer einer Mannschaft in der Demokratischen Republik Kongo [1] und 2001 6 Kinder in Mexiko ebenfalls während eines Fußballspiels [9]. Blitzunfälle mit zahlreichen Verletzten treten deutlich häufiger auf [15].

Menschen, die sich bei einem Gewitter auf großen freien Flächen aufhalten, haben ein erhöhtes Gefährdungspotenzial. Neben Blitzunfällen auf Fußballplätzen finden sich z. B. auch Berichte über derartige Unfälle mit zahlreichen Verletzten auf „Open-air“-Konzerten, Flugschauen oder Golfplätzen [3, 4, 7, 8, 11, 12, 14, 15].

In einer umfangreichen statistischen Auswertung von 3239 tödlichen Blitzunfällen von 1959–1994 aus den USA geht hervor, dass insgesamt 159 Menschen (4,9 %) entweder beim Golfspielen oder beim Aufenthalt auf einem Golfplatz verstorben sind (meistens unter einem Baum; [2]).

Aufgrund der Ausdehnung, des Profils, frei stehender Bäume, Baumgruppen, Fahnenstangen und der oft großen Distanzen zu Gebäuden mit Blitzschutzeinrichtungen oder Fahrzeugen gehören Golfplätze zu den Bereichen, in denen die Menschen bei einem Gewitter besonders gefährdet sind. Diese erhöhte Gefahr für Spieler und Besucher von Golfplätzen hat in den letzten Jahren zu verschiedenen Aufklärungskampagnen geführt [7, 13]. Bereits vor dem schweren Blitzunfall in Hessen hat der Verband für Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik e. V. (VDE) in Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Golf Verband e. V. Empfehlungen über richtiges Verhalten bei Gewitter auf Golfplätzen herausgegeben ([13]; Tab. 2).

Tab. 2 Empfehlungen zur Prävention von Blitzunfällen auf Golfplätzen. (Unter Berücksichtigung von [13])

Fazit

Auf einem Golfplatz in Hessen ereignete sich im Juni 2012 der seit vielen Jahren schwerste Blitzunfall in Deutschland mit 4 Todesopfern. Aufgrund der charakteristischen Gegebenheiten mit weitläufigen Anlagen, einer oft großen Distanz zu Gebäuden mit Blitzschutzeinrichtung oder Fahrzeugen und häufig vorhandenen frei stehenden Bäumen besitzen Golfplätze bei Gewitter ein erhöhtes Gefährdungspotenzial für Spieler und Besucher. Deshalb wird empfohlen, der Prävention von Blitzunfällen sowohl auf Golfplätzen als auch auf anderen großen freien Flächen zukünftig größere Bedeutung beizumessen. Bei konsequenter Berücksichtigung der empfohlenen Verhaltensweisen sind Blitzunfälle häufig vermeidbar. Wetterschutzhütten ohne Blitzschutz sollten an entsprechend exponierten Stellen wie Bergkuppen, Golfanlagen etc. Warnungen aufweisen. Jeder Golfverein sollte über die Gefahren auf der Anlage bei einem Gewitter aufklären und bei angekündigten gewittrigen Wetterlagen Wettbewerbe rechtzeitig absagen.