Ein Blitz kann den Menschen auf verschiedene Art und Weise schädigen. Blitzunfälle sind im Gegensatz zu anderen Hochspannungsunfällen durch eine extrem hohe Stromstärke und eine sehr kurze Expositionsdauer charakterisiert. Verletzungen resultieren dabei entweder aus der elektrischen Energie, der hohen Temperatur oder der durch die explosive Kraft des Einschlags verursachten Druckwelle [21, 33].

In den deutschsprachigen rechtsmedizinischen Lehrbüchern werden für den Blitzunfall vorwiegend 2 verschiedene Kontaktformen zwischen Blitz und Mensch beschrieben, der direkte Treffer und der „Blitzschritteffekt“ (auch „Schrittspannung“ oder „Schritteffekt“) [10, 16, 19, 22, 23, 26, 28, 30, 31, 32, 33], ohne dass bisher eine Übersicht über die in der Literatur beschriebenen verschiedenen Modi gegeben wurde.

Da im internationalen Schrifttum die Energieübertragungswege beim Blitzunfall differenzierter betrachtet werden, sollen die einzelnen Formen hier vorgestellt werden.

Physikalische Parameter eines Blitzes

Bevor es zu Blitzentladungen kommt, können zwischen Gewitterwolken und der Erde Spannungen von einigen 100 Mio. V auftreten. Im Blitz selbst fließen dann in Sekundenbruchteilen Ströme, die bis zu einigen 100.000 A betragen können. Die Luft erhitzt sich dabei im Blitzkanal bis auf etwa 30.000°C. Hierbei dehnt sie sich explosionsartig aus; dies ist als Donner bzw. Knall zu hören. Die Dauer des Stromflusses beträgt etwa 40–70 ms. Vertikal verlaufende Blitze haben eine Länge von etwa 5–7 km; bei horizontalen Blitzen werden Längen von etwa 8–16 km gemessen [27, 34, 35].

Energieübertragungsmodi beim Blitzunfall

Nachfolgend wird eine Einteilung in 5 verschiedene Formen der Blitzenergieübertragung auf den Menschen vorgestellt (Tabelle 1).

Tabelle 1 Energieübertragungswege beim Blitzschlag

Der direkte Einschlag („direct strike“, „direct hit“; Abb. 1) stellt den Schädigungsweg mit dem höchsten Gefährdungspotenzial dar, denn der Hauptanteil des Stromes verläuft durch den Körper des Opfers. Das Risiko, auf diese Art getroffen zu werden, ist bei Personen erhöht, die während eines Gewitters einen erhöhten Standort aufweisen (z. B. im Gebirge) oder kleinere Metallgegenstände in Kopfnähe (z. B. Haarnadeln) tragen [8, 13]. Der „direct strike“ verläuft zwar nicht zwangsläufig tödlich, führt aber häufig zu schweren inneren Schädigungen [12, 36]. Der Verlauf des Blitzstroms direkt durch den Körper des Opfers soll eine Depolarisation des neurologischen Systems und in der Folge Bewusstlosigkeit sowie Herz- und Atemstillstand bewirken [15]. Bei einem direkten Treffer sind häufig Blitzeintrittsstellen am Kopf oder an den Schultern und lochartige Stromdurchschläge am Schuhwerk zu erkennen [10].

Abb. 1
figure 1

Direkter Treffer („direct strike“) mit Stromfluss durch den Körper

Volinsky et al. [36] beschreiben mit dem Kontakteffekt („contact voltage“, Abb. 2) einen Sonderfall zwischen einem direkten Einschlag und dem Überschlagseffekt. Er ereignet sich, wenn der Blitz in ein Objekt einschlägt, das sich in direktem Kontakt zum Blitzopfer befindet. Der Stromweg verläuft vom getroffenen Objekt zum Körper des Opfers, wenn dieser den Weg des geringsten Widerstands darstellt.

Abb. 2
figure 2

Kontakteffekt („contact voltage“) mit Blitzschlag in ein Objekt, das vom Opfer berührt wird (z. B. Golfschläger)

Ein Überschlagseffekt (Übersprungseffekt, „side splash“, „side flash“, „splash“; Abb. 3) ereignet sich, wenn der Blitz primär ein anderes Objekt (z. B. Baum) trifft und ein Teil der Energie sich auf ein in der Nähe befindliches Opfer überträgt [1, 5, 8, 20]. Nach Epperly u. Stewart [12] ereignet sich der „side splash“ von den genannten Energieübertragungsformen am häufigsten. Dabei kann er einerseits ähnlich ausgedehnte Verletzungen wie der „direct strike“ verursachen, andererseits können wie beim Blitzschritteffekt viele Personen gleichzeitig geschädigt werden [15, 36]. Beim Side-splash-Unfall werden mitunter diskrete äußere und schwere innere Verletzungen beobachtet, die bei mangelnder Sorgfalt und fehlender Kenntnis der Art und Weise der Schädigung bei der klinischen Untersuchung leicht übersehen werden können [38].

Abb. 3
figure 3

Überschlagseffekt („side splash“) mit „Durchschlagen“ des Luftwiderstands bei Blitzschlag in ein nahe gelegenes Objekt (z. B. Baum)

Ein Blitzschritteffekt (Schrittspannung, „ground strike“, „stride potential“, „step voltage“, „grounding“, „ground current effect“; Abb. 4) kann hervorgerufen werden, wenn eine Person in einiger Entfernung vom Einschlagpunkt des Blitzes geht bzw. läuft oder mit gespreizten Beinen steht. Zwischen den Beinen entsteht eine Potenzialdifferenz; hierbei tritt der Strom über ein Bein in den Körper ein- und über das andere wieder aus [6, 33]. Dabei können Personen nach einem Blitzeinschlag ins Erdreich noch in 100- bis 200-m-Entfernung von dem sich ausbreitenden Strom in Mitleidenschaft gezogen werden können [31]. Obwohl angenommen wird, dass durch den Verlauf des Stromweges lebenswichtige Organe ausgespart werden, resultieren aus dem Schrittspannungseffekt mitunter Verbrennungen der unteren Extremitäten, die ihrerseits die Überlebensprognose der Blitzopfer verschlechtern [6]. Neben derartigen Brandläsionen werden als weitere Schädigungen motorische und sensorische Störungen der unteren Extremitäten genannt [17]. Der Stromverlauf über die Beine kann zu einem plötzlichen Zusammenbrechen führen, das im Gegensatz zu einem Spannungstrichter bei einer defekten Hochspannungsleitung nicht lebensgefährlich ist, da die blitzbedingte Spannung bereits vor dem Hinfallen wieder verschwindet [33]. Ein weiteres Charakteristikum des Schrittspannungseffektes ist die Tatsache, dass zahlreiche Personen gleichzeitig verletzt werden können (z. B. auf einem Sportplatz) [3, 13, 29, 38]. Krause [19] gibt an, dass es bei regennasser Körperoberfläche auch zu letalen Blitzschritteffekten kommen kann.

Abb. 4
figure 4

Blitzschritteffekt („ground strike“) mit abgenommener Schrittspannung bei Blitzeinschlag in den Boden nahe des Menschen

Die bisher vorgestellten 4 Energieübertragungsformen bezeichnet Cooper [7] als die 4 klassischen elektrischen Mechanismen beim Blitzunfall. Unseres Erachtens sollte unter den anerkannten Energieübertragungsformen auch der telefon-/leitervermittelte Blitzunfall („telephone-/wire-mediated lightning injury“; Abb. 5) [4, 9, 14, 18] berücksichtigt werden. Die Blitzwirkung kann dabei auf 2 verschiedenen Wegen erfolgen. Erstens kann der Blitz direkt eine Telefonleitung treffen und der Strom in der Folge den Telefonapparat passieren, den telefonierenden Menschen erfassen und über unterschiedliche elektrische Leiter den Erdboden erreichen. Der Strom in der Telefonleitung kann auch durch Blitzeinschlag in ein in der Nähe befindliches stromführendes Kabel erzeugt und dann in gleicher Weise fortgeleitet werden. Der zweite Mechanismus eines telefonvermittelten Blitzunfalls besteht in einem als „earth potential rise“ (EPR) bezeichneten Phänomen, das entweder durch einen Blitzeinschlag in das Erdreich oder sekundär durch eine von anderen getroffenen Objekten (z. B. Nachbargebäude) ausgehende Entladung ausgelöst wird. Es basiert auf der Annahme, dass der Erdboden kontinuierlich ein Nullpotenzial aufweist, obwohl es in der Realität durchaus zu einem Potenzialanstieg kommen kann. Wenn ein Blitz in den Erdboden in unmittelbarer Nähe zu einem Telefonbenutzer einschlägt, resultiert in diesem Bereich ein Anstieg des Erdpotenzials. Da das Telefon über seine in weit entfernte Erdböden reichende stromführende Kabel gleichzeitig auf dem Nullpotenzial gehalten werden soll, wird eine elektrische Potenzialdifferenz verursacht. Der resultierende Stromfluss erfolgt über den Telefonapparat durch den Körper des Opfers in entfernt gelegenes Erdreich [9]. Telefonvermittelte Blitzunfälle können schwere Verletzungen vitaler Strukturen im Kopf- und Halsbereich hervorrufen. Im Gegensatz zum Direct strike wird bei diesem Schädigungsweg zwar insgesamt weniger Strom fortgeleitet, jedoch ist die Energie in besonderem Maße gegen das Ohr gerichtet [14]. Infolgedessen verursacht der telefonvermittelte Mechanismus neben neurologischen, dermatologischen und ophthalmologischen Folgeerscheinungen insbesondere Ohrschäden [9, 14, 18, 25]. Die Nähe zwischen Telefonhörer und Ohr des Blitzopfers entscheidet dabei über das Ausmaß der otologischen Läsion [2, 37]. Der Schalldruckpegel, der auf das Ohr einwirkt, kann in diesem Zusammenhang Werte von 150–160 dB erreichen [24]. Im Gegensatz zum Direct strike (z. T. über 100.000 A) beträgt die Stromstärke bei telefonvermittelten Blitzunfällen nach Andrews u. Darveniza [2] in Abhängigkeit von der Entfernung zum Blitzeinschlagpunkt lediglich etwa 3.000–5.000 A. Uman [35] berichtet auch über letale telefonvermittelte Blitzunfälle.

Abb. 5
figure 5

Telefon-/leitervermittelter Unfall mit Blitzschlag in einen Leiter und Energiefortleitung bis zum Opfer

In diesem Zusammenhang muss weiterhin darauf hingewiesen werden, dass Personen innerhalb von Gebäuden nicht nur während der Benutzung des Telefons sondern auch während der Bedienung elektrischer Haushaltsgeräte vom Blitz geschädigt werden können [21].

Einer Studie aus Großbritannien zufolge ereignen sich drei Viertel aller im Haus aufgetretenen Blitzunfälle während der Anwendung derartiger Geräte [11].

Blanco-Pampin et al. [4] berichten von einem ungewöhnlichen Blitzunfall, bei dem ein Mann in seinem Haus im Bett liegend tödlich verletzt wurde. Die Energieübertragung erfolgte offenkundig über eine isolierte Überputzleitung mit Durchschlagen der Isolierung und des 10 cm von der Leitung entfernten Kopfteiles des Bettes, das aus 2 cm dickem Holz bestand.

Cooper [7] vertritt die Ansicht, dass durch die bisher beschriebenen Möglichkeiten nicht jeder Blitzunfall erklärt werden kann und berichtet von einem Blitzopfer, das bei Arbeiten auf einer erhöhten Plattform im Freien durch eine entgegengesetzt gerichtete Entladung von der Erdoberfläche in Richtung Wolke (Aufwärtsblitz, „weak upward streamer“) verletzt worden sei. Zukünftige Untersuchungen und Kasuistiken werden zeigen, ob eine Verletzung durch Aufwärtsblitz als eigene Kategorie anerkannt wird.

Der sog. Oberflächeneffekt (syn. Skineffekt, „flash-over phenomenon“) sollte im Gegensatz zu Cwinn u. Cantrill [8] nicht als eigenständige Energieübertragungsform angesehen werden, da dieses Phänomen offenbar bei allen beschriebenen Mechanismen auftreten kann. Hierbei wird angenommen, dass der Hauptanteil des Blitzstroms in Form einer Gleitentladung längs des Körpers abgeführt wird. Als Ursache wird der Spannungsabfall am menschlichen Körper infolge des hohen Widerstands und der großen Blitzstromstärke angesehen. Die Dauer der Energiefreisetzung ist zu kurz, um den Hautwiderstand zu überwinden, so dass letztendlich nur wenig Energie direkt durch den Körper des Opfers fließt [6, 8, 15, 22, 30]. Der Weg der elektrischen Energie entlang der Körperoberfläche führt dazu, dass das Ausmaß der Verletzungen insgesamt geringer ausfällt [34]. Entsprechend gehen Golde u. Lee [13] davon aus, dass durch das Flash-over phenomenon viele Menschen vom Tod durch Blitzschlag verschont bleiben.

Es ist davon auszugehen, dass es auch Übergangsformen der beschriebenen Energieübertragungsmöglichkeiten geben kann, und dass es nicht bei jedem Blitzunfall möglich ist, die jeweilige Übertragungsform zu rekonstruieren [34].

Fazit für die Praxis

Neben dem direkten Treffer und dem Blitzschritteffekt gibt es weitere Möglichkeiten, wie ein Blitz den Menschen schädigen kann.

Die Kenntnis der verschiedenen Übertragungsformen der Blitzenergie auf den Menschen kann bei der Rekonstruktion von Blitzunfällen helfen und bei der Diagnostik und/oder Therapie von Blitzschäden Bedeutung erlangen. Es ist wünschenswert, wenn die Energieübertragungsmodi in ihrer Vielfalt—insbesondere auch in den Lehrbüchern—zukünftig mehr Beachtung finden würden.