Die Kniegelenksendoprothetik konnte in den vergangenen Jahrzehnten stetig weiterentwickelt werden. Es wurden nicht nur die Standzeit und die Funktion der Prothesen verbessert, sondern auch postoperative Komplikationen ermittelt und reduziert. Eine dieser Komplikationen ist der vordere Knieschmerz. An dieser Stelle sollen die verschiedenen Ursachen dafür diskutiert und die Möglichkeiten zur Diagnose und Therapie vorgestellt werde.

Einleitung

Die Kniegelenksendoprothetik konnte in den vergangenen Jahrzehnten stetig weiterentwickelt werden. Es wurden nicht nur die Standzeit und die Funktion der Prothesen verbessert, sondern auch postoperative Komplikationen ermittelt und reduziert. Die Patientenzufriedenheit nach endoprothetischem Kniegelenksersatz wird in der Literatur mit 75–89 % angegeben [53, 65]. Durch die Weiterentwicklung der Operationstechnik sowie der Implantate und Instrumente wird die Implantation schonender und präziser gestaltet und die postoperative Rehabilitationszeit verkürzt. Dennoch ist ein relevanter Anteil der Patienten postoperativ unzufrieden. Die Gründe hierfür sind multifaktoriell und nicht immer durch strukturelle Korrelate verifizierbar. Hieraus resultiert alleine in den ersten 5 Jahren nach Primärimplantation eine Gesamtrevisionsrate von 4,3 % und die Notwendigkeit zum Komponentenwechsel bei 2,8 % aller Patienten nach primärer Knie-TEP-Implantation [75]. Die häufigsten objektivierbaren Gründe für postoperative Beschwerden sind Infektionen, Instabilitäten, peripatellare Schmerzen und Steifheit sowie die aseptische Lockerung in der Spätphase [62].

Die Häufigkeit des vorderen Knieschmerzes (VKS) wird in den meisten Studien mit 8–10 % angegeben [61]. In anderen Arbeiten werden allerdings auch deutlich höhere Werte genannt. Meftah et al. [44] berichten über einen milden bis moderaten VKS bei 30 % der Patienten 1 Jahr nach Implantation. Bei 30 % der symptomatischen Patienten (circa 10 % des Gesamtkollektivs) waren die Beschwerden auch 10 Jahre nach der Implantation weiterhin persistierend. Hinzu kamen weitere 10 % an zunächst asymptomatischen Patienten, die erst 1 Jahr oder später nach Knie-TEP-Implantation einen VKS entwickeln [44]. In einer deutschlandweiten Umfrage aus dem Jahr 2009 stuften sogar über 50 % der befragten Kliniken das peripatellare Schmerzsyndrom und den VKS als häufigsten Revisionsgrund in der Frühphase nach Knie-TEP-Implantation ein [58]. In der Literatur werden zahlreiche potenzielle Ursachen für die Ausbildung eines VKS nach endoprothetischem Gelenkersatz diskutiert, hierbei wird insbesondere zwischen funktionellen und mechanischen Ursachen differenziert [10, 53, 62, 65].

Patientenspezifische Parameter des vorderen Knieschmerzes

Der Einfluss patientenspezifischer Faktoren auf die Entstehung eines VKS nach primärer Endoprothetik des Kniegelenkes wurde in zahlreichen retrospektiven, prospektiven und randomisiert kontrollierten Studien untersucht. Weder Alter noch Geschlecht korrelierten signifikant mit dem Auftreten eines VKS [69]. Ebenfalls wurde kein Zusammenhang zwischen den Parametern „depressive Grundstimmung“ und „Angst“ und der Manifestation eines VKS aufgezeigt [9]. Gleiches gilt für die Körpergröße sowie das Körpergewicht. Auch für diese Parameter besteht keine signifikante Korrelation mit dem Auftreten eines postoperativen VKS [69]. Hingegen konnten Smith et al. in ihrer prospektiven Kohortenstudie zeigen, dass ein postoperativer VKS durch höhere Außenrotations-Flexions-Momente in der frühen und mittleren Standphase und einer hieraus resultierenden höheren Druckbelastung im patellofemoralen Gelenk begünstigt wird [63].

Ein bereits präoperativ bestehender VKS hat keinen positiven Vorhersagewert für das Auftreten eines postoperativen VKS. Hingegen korrelierten erwartungsgemäß eine hohe postoperative Patientenzufriedenheit und Lebensqualität umgekehrt signifikant mit dem Auftreten eines postoperativen VKS [69].

Kniespezifische Faktoren

Das Auftreten eines postoperativen VKS wird nicht signifikant durch die zugrunde liegende Grunderkrankung beeinflusst. Weder eine Osteoarthrose, noch eine rheumatoide Arthritis oder eine andere sekundäre Arthroseform gehen mit einem signifikant höheren Risiko für die Ausbildung eines VKS einher. Des Weiteren wurde in mehreren Studien gezeigt, dass der präoperative Grad der Arthrose im Röntgenbild keinen signifikanten Vorhersagewert für die Ausbildung eines VKS hat [19, 30].

Widersprüchliche Ergebnisse werden in der Literatur hinsichtlich der Aussagekraft der intraoperativen Beurteilung der Knorpeldegeneration der Patella und dem Auftreten eines VKS berichtet. Picetti et al. und Rodriguez et al. berichten über eine signifikante Korrelation [54, 59]. Hingegen sehen in einer aktuellen systematischen Literaturrecherche mehrere Studien diesen Zusammenhang nicht [69]. Metsna et al. untersuchte an 100 Patienten retrospektiv die Korrelation zwischen dem OARSI(Osteoarthritis Research Society International)-Score des retropatellaren Knorpels der Patella und der Ausbildung eines VKS [46]. Die Autoren berichten, dass Patienten mit einem Score von 13–24 Punkten ein 50 % höheres Risiko für die Ausbildung eines VKS aufweisen. Wood et al. fanden keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der präoperativen Funktion und Beweglichkeit des Kniegelenkes und dem Auftreten eines VKS sowie keinen Zusammenhang zwischen einem VKS und dem präoperativen Knee Society Score [73]. Auch der Grad der präoperativen Deformität hatte keine signifikanten Auswirkung auf die Ausbildung eines VKS nach Knie-TEP-Implantation [19].

Prothesendesign

Extensions-Flexions-Drehachse

Die Bedeutung des Prothesendesigns für die Entstehung des VKS wird in verschiedenen Studien analysiert. Mahoney et al. untersuchten die Bedeutung des Radius der Femurkomponente (Single- vs. Multiradius) für die Entstehung eines VKS. In ihrer Arbeit wiesen Patienten, die mit einer Multiradiuskomponente versorgt worden waren, signifikant seltener einen VKS auf (1 % vs. 22 %) [42].

Trochleadesign

Der Einfluss des Trochleadesigns der Femurkomponente wurde von Popovic et al. untersucht. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass ein ungünstiges Trochleadesign das Auftreten eines VKS begünstigt. In ihrer Studie wird ein Trochleadesign mit breiter interkondylärer Box und definierter vorderer Kante als vorteilhaft gesehen [57].

Ersatz oder Erhalt des hinteren Kreuzbandes

In einer deutschlandweiten Umfrage favorisieren 70 % der Kliniken einen Erhalt des hinteren Kreuzbandes (HKB) in der Primärendoprothetik des Kniegelenks [5]. Umgekehrt kann, abhängig vom intraoperativen Befund, auch bei der primären endoprothetischen Versorgung ein HKB-Ersatz erforderlich werden, um eine spätere Beschwerdehaftigkeit des Patienten zu vermeiden. Insbesondere höhergradige Deformitäten und/oder kontrakte Weichteilverhältnisse, die ein umfangreiches Weichteilrelease und Muskelbalancing erforderlich machen, gehen häufig mit einer HKB-Resektion einher bzw. resultieren in einer HKB-Insuffizienz. Erfolgt in diesen Fällen keine Implantation einer HKB-substituierenden Prothese, kommt es zu einer konsekutiven sagittalen Instabilität mit Überlastung des Streckapparates und einem VKS. Die generelle Bedeutung eines HKB-substituierenden bzw. -erhaltenden Prothesendesigns für das Auftreten eines VKS wird in der Literatur uneinheitlich gesehen [10].

Becher et al. fanden in einer In-vitro-Studie heraus, dass bei Verwendung einer HKB-substituierenden Prothese der patellofemorale Anpressdruck vermindert wird [6]. Sie schlussfolgerten, dass sich das HKB-substituierende Prothesendesign positiv auf das Auftreten eines VKS auswirkt. Allerdings kommt eine aktuelle Metaanalyse von Li et al. zu dem Ergebnis, dass der Ersatz oder Erhalt des HKB und die Verwendung eines entsprechenden Prothesendesigns keinen Einfluss auf die Häufigkeit eines postoperativen VKS hat. Die Autoren analysierten 8 Studien mit 963 Fällen nach Knie-TEP-Implantation. Für beide Prothesendesigns wurde die Prävalenz eines VKS mit 6 % angegeben [33].

Tibiales Inlay: Kongruenz und Fixierung

Breugem et al. untersuchten die Auswirkungen eines mobile-bearing Inlays auf das Auftreten eines VKS [10, 11]. In einer ersten Studien mit 103 Patienten konnten sie zeigen, dass die Häufigkeit des VKS nach 12 Monaten bei einem mobile-bearing Inlay signifikant geringer war (4 % vs. 19 %) [11]. Allerdings relativierten sich diese Ergebnisse im weiteren Verlauf. Die gleichen Autoren fanden heraus, dass bei einem mittleren Nachuntersuchungszeitraum von 8 Jahren im gleichen Kollektiv keine signifikanten Unterschiede zwischen dem mobile-bearing (13 %) und fix-bearing Inlay (17 %) fortbestanden [10]. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen andere Studien. Kim et al. berichten über eine signifikant geringere Häufigkeit des VKS bei Patienten mit mobile-bearing Inlay für einem Nachuntersuchungszeitraum von 2,5 Jahren [30]. Wohlrab et al. fanden einen signifikanten Unterschied zugunsten des mobile-bearing Inlays in den ersten 3 Monaten [72]. Allerdings wurden diese Ergebnisse nach 3 und 5 Jahren nicht bestätigt. Mehrere aktuelle Metaanalysen kommen zu dem gleichen Ergebnis. In diesen Arbeiten wurde mittel- und langfristig kein signifikanter Unterschiede zwischen dem mobile-bearing und fix-bearing Inlay nachgewiesen [64, 68]. Diskutiert wird, dass die Beweglichkeit des mobilen Inlays im Zeitverlauf abnimmt. Dies könnte eine mögliche Erklärung für die schlechteren Mittel- und Langfristergebnisse sein. Festzuhalten bleibt, dass die mobilen Inlays in den ersten Monaten bis wenigen Jahren positive Effekte in Bezug auf die Prävalenz des VKS zu haben scheinen [10].

Die Geometrie des Inlays hat nach aktueller Studienlage keinen Einfluss auf das Auftreten eines postoperativen VKS [69]. Weder für sogenannte Deep-dish- noch für High-flex-PS-Inlays konnten signifikante Vorteile gesehen werden.

Operationstechnik

Zugangsweg, minimalinvasive OP‑Technik, Navigation

Der potenzielle Einfluss des Zugangswegs auf einen postoperativen VKS ist nur wenig untersucht. In einer retrospektiven Fallstudie mit 433 Patienten wurden unter anderem der laterale mit dem parapatellar medialen Zugang verglichen. Die Autoren fanden nach 11,4 Jahren keinen Unterschied zwischen beiden Zugangswegen und der Häufigkeit eines VKS [19]. Daten über die Auswirkungen der minimalinvasiven Operationstechnik auf die Häufigkeit eines VKS wurden von uns in der Literatur nicht gefunden. Keinen direkten Einfluss auf die Prävalenz eines VKS haben computerassistierte Operationstechniken und der Einsatz eines Navigationssystems [65, 69]. Die indirekten Auswirkungen der Navigation auf die Häufigkeit eines VKS, hervorgerufen durch ihre nachgewiesenen Vorteile im Hinblick auf eine Optimierung der Komponentenpositionierung und Beinachsenrekonstruktion [66], werden weiter unten diskutiert.

Patellabehandlung: Denervierung, Resektionsarthroplastik, Rückflächenersatz

Die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Möglichkeiten der Patellabehandlung werden in der Literatur kontrovers diskutiert [5, 13, 24, 33, 53, 55, 65, 69]. Neunzig Prozent der orthopädisch-unfallchirurgischen Kliniken in Deutschland verzichtet bei der Primärimplantation auf einen gleichzeitigen Rückflächenersatz der Patella. Diese Kliniken belassen die Patellarückfläche entweder vollständig unbearbeitet oder führen nur eine Denervierung, Osteophytenabtragung und ggf. eine Patellaresektionsplastik durch [5]. Der aktuelle Stand der einzelnen Behandlungsverfahren der Patella in der Primärendoprothetik wird in mehreren aktuellen Metaanalysen und systematischen Literaturrecherchen detailliert analysiert [13, 24, 34, 35, 55].

Li et al. vergleichen in ihrer Metaanalyse von 5 randomisiert-prospektiven Studien mit 657 eingeschlossenen Knieprothesen die Bedeutung der zirkulären Denervierung versus des Rückflächenersatzes [35]. Patienten nach zirkulärer Denervierung zeigten im Vergleich eine signifikant geringere VKS-Häufigkeit und einen signifikant niedrigeren Schmerzwert auf der visuellen Analogskala. Die Komplikationsrate in beiden Gruppen war gleich. Anhand ihrer Ergebnisse favorisieren die Autoren die Denervierung gegenüber dem primären Rückflächenersatz.

Liu et al. untersuchten in einer prospektiv-randomisierten Studie mit 133 Patienten die Ergebnisse der Resektionsarthroplastik versus des Rückflächenersatzes. Die Häufigkeit des VKS war in beiden Gruppen vergleichbar (12,5 % vs. 14,7 %; Resektionsarthroplastik/Rückflächenersatz). Auch hinsichtlich der klinischen und funktionellen Ergebnissen sowie der Komplikationsraten zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Aus diesem Grund favorisieren die Autoren in ihrer Arbeit die Resektionsarthroplastik [37].

He et al. werten in ihrer Metaanalyse 16 prospektiv-randomisierte Studien mit insgesamt 3034 Patienten mit/ohne Rückflächenersatz aus. Zwischen beiden Gruppen bestand kein signifikanter Unterschied. Allerdings lag die Häufigkeit für einen VKS in der Gruppe ohne Rückflächenersatz bei 26 % verglichen mit 16 % in der Gruppe mit Rückflächenersatz. Die Häufigkeit für eine Revisionsoperation war in der Gruppe ohne Rückflächenersatz signifikant höher (7,4 % vs. 5,0 %). Keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen wurden in den funktionellen und klinischen Ergebnissen nach primärer Knie-TEP-Implantation gesehen [24].

Bestätigt wurden diese Ergebnisse durch Pilling et al. Sie analysierten ebenfalls 16 prospektiv-randomisierte Studien mit 3465 Patienten. Die Häufigkeit für das Auftreten eines VKS lag in der Gruppe ohne Rückflächenersatz bei 24 %, verglichen mit 13 % in der Gruppe mit Rückflächenersatz. Der Unterschied war nicht signifikant. Die Zufriedenheit der Patienten nach primärer Knie-TEP-Implantation war in beiden Gruppen vergleichbar (89 % zu 90 % ohne/mit Rückflächenersatz). Auch in dieser Metaanalyse lag die Häufigkeit einer Reoperation aufgrund eines VKS in der Gruppe ohne Rückflächenersatz signifikant höher (6 % vs. 1 %). Als mögliche Ursache diskutieren die Autoren die noch bestehende Option eines sekundären Rückflächenersatzes bei den Patienten, die primär keinen Rückflächenersatz erhalten haben [55].

Chen et al. [13] untersuchten die gleiche Fragestellung anhand von 14 randomisiert-kontrollierten Studien mit 1725 Patienten. Ihre Daten bestätigen die Ergebnisse von He et al. [24] weitgehend. Das absolute Risiko für eine Reoperation lag in der Gruppe mit Rückflächenersatz 4 % niedriger als in der Vergleichsgruppe. Keine signifikanten Unterschiede bestanden zwischen beiden Gruppen für die Häufigkeit des VKS und hinsichtlich der klinischen und funktionellen Ergebnisse im Knee Society Score [13].

Hoffa-Resektion

Macule et al. untersuchten bei 68 Patienten die Auswirkungen einer weitgehenden Hoffa-Resektion. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass hierdurch die Häufigkeit des VKS reduziert wird [40]. Hingegen berichten Meneghini et al. bei 1055 Patienten über ein gehäuftes Auftreten eines VKS nach exzessiver Hoffa-Resektion [45]. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen Pinsornsak et al., in ihrer prospektiv-randomisierten Studie untersuchten sie 90 Patienten nach minimalinvasiv implantierter Knie-TEP bis zu einem Jahr postoperativ. Die Autoren berichten über eine VKS-Häufigkeit von 8,3 % in der Gruppe der Patienten mit weitgehender Hoffaresektion, im Vergleich zu 0 % in der Kontrollgruppe [56].

Rekonstruktion der Gelenklinie und Offsetveränderungen

Die korrekte Rekonstruktion der Gelenklinie ist nicht nur essenziell für eine symmetrische Extensions- und Flexionslücke, sondern auch für die korrekte Höhenposition der Patella [31, 43]. Martin et al. konnten in einer experimentellen Arbeit an 10 Spenderknien zeigen, dass eine Anhebung der Gelenklinie um 5 mm zu einer sogenannten Mid-Flex-Instabilität führt [43]. König et al. berichten über eine signifikante Anhebung der Drücke im Patellofemoralgelenk um 60 % bei einer Elevation der Gelenklinie um 10 mm [31]. Eine Anhebung der Gelenklinie kann intraoperativ durch eine zu starke knöcherne Resektion im Bereich des distalen Femurs verursacht werden. Eine weitere iatrogene Ursache für eine Veränderung der Drücke im Patellofemoralgelenk – mit der Gefahr eines vermehrten Auftretens eines postoperativen VKS – wäre ein vermehrtes anteriores Offset. Dieses kann durch die Wahl einer zu groß dimensionierten Femurkomponente mit sogenanntem Overstuffing des Gleitlagers ausgelöst werden [29].

Patella baja

Die Patella baja stellt ein ungelöstes Problem in der Primärendoprothetik des Kniegelenks dar. Selbst bei korrekt positionierter primärer Knieprothese kann sich nach der Operation eine Patella baja ausbilden. Ausgelöst wird dies durch eine Verkürzung des Ligamentum patellae oder durch Vernarbungen im Bereich des Hoffa-Fettkörpers. Die Ursachen, die bei bestimmten Patienten die Ausbildung begünstigen, sind ungeklärt. Die Patienten klagen häufig über einen VKS und eine eingeschränkte Beugefähigkeit des Kniegelenks. Verursacht werden diese Beschwerden durch die tief stehende Kniescheibe und eine oft mit der Patella baja einhergehende Verkürzung des gesamten Streckapparates [27].

Malrotation der Femurkomponente

Die Bedeutung einer gleich großen und symmetrischen Extensions- und Flexionslücke für die tibiofemorale Stabilität wurde bereits zuvor im Detail diskutiert. In der Primärendoprothetik des Kniegelenks stehen verschiedene knöcherne Referenzierungspunkte (Whiteside-Linie, Epikondylenachse, posteriore Kondylenachse) zur Rotationsausrichtung der Femurkomponente zur Verfügung. Alternativ kann eine bandspannungsadaptierte Ausrichtung erfolgen, um eine symmetrische Flexionslücke zu generieren. Eine Positionierung der Femurkomponente in 3° Außenrotation zur posterioren Kondylenachse ist eine häufig angewendete Methode zur Rotationsbestimmung der Femurkomponente. Allerdings berichten Bäthis et al. in einer computerassistierten Vergleichsstudie, dass in bis zu 30 % der implantierten Prothesen eine Asymmetrie der Flexionslücke vorliegt [4]. Eine Rotationseinstellung der Femurkomponente und insbesondere eine in Innenrotation positionierte Komponente haben entscheidenden Einfluss auf den Patellalauf und den VKS bis hin zur Subluxation und Luxation der Patella bei ausgeprägter Fehlrotation der Femurkomponente [3, 4, 10, 25, 66].

Barrack et al. [3] untersuchten den Einfluss einer Fehlrotation der Komponenten. Sie konnten zeigen, dass eine kombinierte Innenrotation das Risiko für einen VKS um das Fünffache erhöht. Akagi et al. positionierten in einer Vergleichsstudie die Femurkomponente in der Studiengruppe in Neutralstellung zur posterioren Kondylenachse und in der Kontrollgruppe in 3–5° Außenrotation. Sie berichteten, dass die Patienten in der Studiengruppe ein signifikant schlechteres Patellatracking aufwiesen und in 34 % ein laterales Release benötigten (Vergleichsgruppe 6 %) [2]. Bestätigt wurden diese Ergebnisse durch Berger et al. [7]. Patienten mit einer kombinierten Innenrotation von 1–4° zur Epikondylenachse hatten ein signifikant lateralisiertes Patellatracking, eine Innenrotation von bis zu 8° führte zur Subluxation und eine Innenrotation von bis zu 17° zu einer Luxation der Patella ([7]; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

74-jähriger männlicher Patient mit subluxierter Patella bei intraoperativ bestätigter fehlrotierter Prothese

Tibiofemorale Instabilität

Instabilitäten sind einer der häufigsten Revisionsgründe in der Frühphase nach primärer endoprothetischer Versorgung des Kniegelenkes [62]. Ein entscheidender Parameter zur Vermeidung einer tibiofemoralen Instabilität ist die intraoperative Erlangung einer balancierten symmetrischen Extensions- und Flexionslücke. Insbesondere eine Flexionsinstabilität resultiert in einer Überlastung des Streckapparates und einer erhöhten Inzidenz des VKS [51].

Die Ursachen für eine Flexionsinstabilität sind oft multifaktoriell. Ein häufiger Grund ist die Insuffizienz des HKB mit daraus resultierender Größendifferenz zwischen Extensions- und Flexionslücke. Bei der Primärimplantation muss der Operateur deshalb das HKB kritisch beurteilen. Es kann durch eine ausgeprägte präoperative Deformität oder eine intraoperative Schwächung des tibialen Ansatzes insuffizient sein. Kann die Kontinuität und Stabilität des HKB intraoperativ nicht sicher abgeschätzt werden, muss im Zweifelsfall auf eine HKB-substituierende Prothese zurückgegriffen werden. Nur so kann eine sagittale Instabilität mit hieraus resultierenden peripatellaren Beschwerden und VKS vermieden werden.

Eine weitere iatrogene Ursache für eine Flexionsinstabilität wäre die Wahl einer zu kleinen Femurkomponente. Dies hätte eine vermehrte dorsale knöcherne Resektion mit vergrößerter Flexionslücke und nachfolgender Flexionsinstabilität zur Folge [10].

Ursachen des vorderen Knieschmerzes

Tendinosen und muskuläre Imbalance

Tendinosen treten insbesondere in den ersten Wochen und Monaten nach Knie-TEP-Implantation auf und sind eine häufige Ursache für einen vom Patienten beklagten VKS. Typische Lokalisationen sind ventromedial der Pes anserinus, ventrolateral die Sehnenansätze am Tuberculum gerdyi und seltener die Patellaspitze sowie der proximale Patellapol [65].

Eine präoperativ bestehende Quadrizepsschwäche wird häufig durch die Operation weiter verstärkt und hat einen signifikanten Einfluss auf den postoperativen Patellalauf und das funktionelle Ergebnis [47, 48]. Mizner et al. untersuchten die Bedeutung der Quadrizepsmuskulatur auf das Ergebnis nach Knie-TEP-Implantation. Sie konnten zeigen, dass die präoperative Kraft des Quadrizeps einen signifikanten Einfluss auf das postoperative funktionelle Ergebnis in den ersten 12 Monaten hat. Außerdem besteht im postoperativen Verlauf eine signifikante Korrelation zwischen der Rückgewinnung der Quadrizepsmuskelstärke und dem funktionellen Ergebnissen in den untersuchten Scores [47]. Die Bedeutung der verschiedenen Quadrizepsanteile auf das dreidimensionale Patellatracking wurde von Lin et al. in einer klinischen Vergleichsstudie analysiert [36]. Sie berichten über signifikante Unterschiede in der Vastus-medialis-Aktivität bei Patienten mit einer VKS-Problematik, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe.

Häufig leiden Patienten mit einem endoprothetischen Ersatz des Kniegelenks gleichzeitig auch an einer Arthrose des Hüftgelenks. Die Coxarthrose geht nicht selten mit einer Insuffizienz der Hüftabduktoren und/oder Außenrotatoren einher. Diese Patienten entwickeln oft einen dynamischen Valgus im Kniegelenk, der ein laterales Patellatracking mit konsekutivem VKS zur Folge haben kann ([39, 53]; Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Schematische Zeichnung zum dynamischen Valgus bei einem Patienten mit Knie-TEP und Insuffizienz der Hüftabduktoren und/oder -außenrotatoren (mit freundl. Genehmigung aus [53])

Synoviale Hypertrophie, Weichteilimpingement, Arthrofibrose

Weichteilirritationen sind eine häufige Ursache für einen VKS [10]. Eine synoviale Hypertrophie kann Ausdruck einer prolongierten Irritation des Kniegelenks sein. Tritt diese Schleimhauthypertrophie im Bereich des patellofemoralen Gelenks auf, kann sie zu einem Impingement mit einem klinisch symptomatischen VKS führen [15]. Eine Sonderform stellt das sogenannte Patella-clunk-Syndrom dar. Hierbei handelt es sich um eine fibröse Verdickung am Übergang vom proximalen Patellapol zur Quadrizepssehne, die in der Notch im Sinne eines Weichteilimpingements einklemmt und ein schmerzhaftes Schnappen der Patella verursacht. Das Patella-clunk-Syndrom ist abhängig vom Prothesendesign. Es wird vorrangig für ältere HKB-substituierenden Prothesenmodelle beschrieben. Seine Inzidenz wird mit bis zu 13 % angegeben [21, 65].

Die Arthrofibrose ist eine gefürchtete Komplikation nach Knie-TEP-Implantation. Sie kann unter anderem mit einem VKS einhergehen. Ausgeschlossen werden muss immer eine Infektion oder Metallunverträglichkeit [20].

Patellanekrose und -fraktur

Symptomatische Patellanekrosen nach Knie-TEP-Implantation sind vergleichsweise selten. Allerdings wird die Häufigkeit einer temporären Patellaischämie in den ersten Wochen nach Knie-TEP-Implantation mit bis zu 14 % angegeben [22]. Sie ist unabhängig vom Zugang (Midvastus vs. medial parapatellar) und tritt auch ohne zuvor durchgeführtes laterales Releases auf. In der Arbeit von Gelfer et al. zeigen Patienten mit temporärer Ischämie der Patella selbst nach einer vermeintlichen Normalisierung der Durchblutung der Patella eine erhöhte Inzidenz eines VKS.

Die Angaben zur Häufigkeit einer Patellafraktur schwanken in der Literatur zwischen 1 und 21 % [53, 65]. Unterschieden werden muss zwischen traumatischen Frakturen und Stressfrakturen. Stressfrakturen können als Folge einer Patellanekrose auftreten und mit einem VKS einhergehen. Nicht dislozierte Frakturen werden konservativ therapiert, bei einer Insuffizienz des Streckapparates ist eine operative Therapie erforderlich [53, 65].

Entzündung, Infektionen und Implantatallergie

Infektionen sowie Metall- und Zementallergien nach Knie-TEP-Implantation führen zu einer chronischen Entzündungsreaktion im Gelenk. Sie können sich klinisch unter anderem im Sinne eines VKS manifestieren und müssen differenzialdiagnostisch immer ausgeschlossen werden.

Auch Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises äußern sich typischerweise in Form einer chronischen Entzündung der Synovialis mit Ergussbildung und können die klinischen Symptome eines VKS hervorrufen [65].

Neurogene und psychosomatische Ursachen

Sanchis-Alfonso et al. diskutierten in ihrer Arbeit den Einfluss von Nervenveränderungen im lateralen Retinakulum nach Knie-TEP-Implantation auf den VKS. Sie beschreiben myxoide Degenerationen mit Neuromen und konnten eine enge Korrelation zwischen der vaskulären Hyperinnervation des Retinakulums und der Neurombildung einerseits sowie der Intensität des VKS andererseits zeigen [60]. Dellon et al. berichten über 15 Patienten mit Neuromschmerzen, die auf eine probatorische Nervenblockade eine temporäre Besserungen ihrer Beschwerden angegeben haben. Nach operativer Denervierung zeigte sich eine signifikante Reduktion der Schmerzen (Nachuntersuchungszeitraum 12 Monate) [16].

Die Inzidenz des chronischen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS) nach Knie-TEP-Implantation wird in der Literatur mit 1 % angegeben [28]. Die Patienten berichten über eine Steifigkeit, Schwellung und Hyperalgesie. Im Vergleich zur Gegenseite kann eine Überwärmung und erhöhte Schweißneigung bestehen. Typischerweise bessern sich die Beschwerden temporär nach einer Sympathikusblockade [12].

Bringen Nerven- oder Sympathikusblockaden nicht den gewünschten Erfolg bzw. helfen Placebogaben gut gegen den VKS, ist an eine somatoforme Schmerzstörung und ein chronifiziertes Schmerzsyndrom zu denken. In diesem Fall ist eine interdisziplinäre Therapie erforderlich [65].

Unklare Ursache

In einem nicht unerheblichen Anteil der Patienten mit VKS kann weder auf orthopädischem Fachgebiet noch im interdisziplinären Kontext eine Ursache für die Beschwerden verifiziert werden [49, 67]. In diesen Fällen sollte nicht zwingend eine operative Revision erfolgen. Vielmehr haben die Patienten im Zeitverlauf oft eine günstige Prognose. Fünf Jahre postoperativ haben 50 % dieser Patienten ein zufriedenstellendes Ergebnis [18, 65].

Diagnostik

Anamnese

Bei persistierenden Kniebeschwerden nach Knie-TEP-Implantation ist eine detaillierte Anamneseerhebung die erste unabdingbare Voraussetzung zur Abklärung der Beschwerden. Der Patient muss zu Schmerzlokalisation und -verlauf ebenso befragt werden, wie zu eventuellen schmerzfreien, schmerzauslösenden und schmerzverstärkenden Aktionen. Wichtig ist die dezidierte Frage nach beschwerdefreien Intervallen. Manche Patienten verneinen dies, hier ist die Ursache häufig in der Implantation der Prothese selbst zu suchen. Andere berichten von einer kurzzeitigen Besserung der Beschwerden und dann erneut einsetzenden Problemen.

Klinische Untersuchung

Eine detaillierte, am besten standardisierte Untersuchung des betroffenen Gelenks, ist eine weitere Selbstverständlichkeit zur Diagnosesicherung. Bereits bei der Inspektion ist auf die Beinachse in zwei Ebenen, eine mögliche Extensionsproblematik, die Silhouette des Gelenks und Verfärbungen der Narbe zu achten. Neben der aktiven und passiven Funktionsprüfung muss die Stabilität des Gelenks am besten dynamisch über den gesamten Bewegungsumfang getestet werden. Die Kniescheibe ist in ihrem Lauf zu beurteilen. Reibe-, Schnapp- und Klickphänomene sollten genau überprüft werden. Eine Überwärmung des Gelenks im Vergleich zur Gegenseite und eine fragliche Ergussbildung müssen in den Algorithmus mit einbezogen werden.

Bildgebung

An erster Stelle steht das konventionelle Röntgenbild in zwei Ebenen (a.-p., lateral) und eine tangentiale Patellaaufnahme, um den Sitz der Komponenten zu beurteilen und Aussagen zur Patellaposition, zum -tilt, zu eventuell vorliegenden osteophytären Ausziehungen, Nekrosen oder Frakturen machen zu können. Gleichzeitig können direkte und indirekte Lockerungszeichen identifizieren werden. Besteht der Verdacht auf eine aseptische Lockerung, kann dieser durch eine Drei-Phasen-Skelettszintigrafie weiter abgeklärt werden. Die Bedeutung der Kernspintomografie nach Knie-TEP-Implantation ist aufgrund der teilweise ausgeprägten Artefaktbildung begrenzt. Hingegen kann die Computertomografie, insbesondere bei Verdacht auf eine Malrotation der Komponenten, hilfreich sein, um hieraus resultierende biomechanische Probleme abzuklären.

Labordiagnostik und Gelenkpunktion

Laborchemisch muss ein periprothetischer Infekt abgeklärt werden. Eine Leukozytose ist in der Regel mit einer ausgeprägten klinischen Infektkonstellation vergesellschaftet, wohingegen chronische Infektionen eher eine Normozytose aufweisen. Das CRP ist einer der sensitivsten Parameter in Hinblick auf einen Infekt, allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass ein normwertiges CRP eine Infektion nicht sicher ausschließt.

Jede Knie-TEP mit einer unklaren Beschwerdesymptomatik sollte punktiert werden. Die Punktion sollte bei einliegenden Prothesen unter OP-Bedingungen durchgeführt werden, um eine iatrogene Keimverschleppungen zu vermeiden. Einigkeit herrscht darüber, dass die Infiltration von Lokalanästhetika unterbleiben sollte, da sie eine bakterizide Wirkung haben können. Ein Anspülen des Gelenks mit steriler Kochsalzlösung sollte vermieden werden, da der Verdünnungseffekt ein falsch negatives Ergebnis verursachen kann. Ein Punktionsvolumen von wenigen Millilitern gilt als ausreichend.

Je nach Studie wird die Sensitivität der Gelenkpunktion zwischen 40 und 100 % angegeben. Das Punktat sollte routinemäßig 2 Wochen bebrütet werden. Neben der mikrobiologischen Untersuchung des Punktats, empfiehlt sich die mikroskopisch-zytologische Untersuchung. Hinweise auf eine Infektion sind ein erhöhter Proteingehalt, ein erniedrigter Glucosegehalt, eine erhöhte Leukozytenzahl und ein erhöhter Anteil polymorphkerniger neutrophiler Granulozyten [38, 74].

Therapie

Bei Patienten, die über unklare Kniegelenksbeschwerden und einen VKS nach Knie-TEP-Implantation klagen, muss differenzialdiagnostisch immer eine aseptische Lockerung sowie eine Infektion und Metallunverträglichkeit abgeklärt werden. Zeigt sich eine aseptische Lockerung oder Metallunverträglichkeit, ist ein partieller oder vollständiger (einzeitiger) Prothesenwechsel erforderlich. Beim Nachweis einer (low grade) Infektion stellt der zweizeitige Prothesenwechsel das Verfahren der Wahl dar. In Ausnahmefälle kann ein einzeitiger Wechsel diskutiert werden [38].

Liegt keine dieser Ursachen vor, erfolgt die weitere Diagnostik und Therapie basierend auf dem nachstehenden Behandlungsalgorithmus (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Behandlungsalgorithmus des vorderen Knieschmerzes (aus [65]); CRPS chronisches regionales Schmerzsyndrom, HKB hinteres Kreuzband

Therapie funktioneller Ursachen und muskulärer Imbalance

Die konservative Therapie mittels gezielter physiotherapeutischer Übungsprogramme ist der Goldstandard in der Therapie eines funktionell oder muskulär begründeten VKS. Harvie et al. analysierten in ihrer systematischen Literaturrecherche die Bedeutung einer gezielten Physiotherapie bei VKS. Basierend auf 10 randomisiert-kontrollierten Studien kommen sie zu dem Ergebnis, dass 2–4 gezielte Übungen pro Tag über einen Zeitraum von 6 Wochen zu einer signifikanten Beschwerdebesserung führen [23]. Die Bedeutung eines erweiterten Übungsprogramms unter Einschluss der Abduktoren und Außenrotatoren am Hüftgelenk untersuchten Nakagawa et al. bei Patienten mit VKS [50]. Sie berichten in ihrer kontrolliert-randomisierten Studie über einen signifikanten Benefit bei Berücksichtigung der Hüftmuskulatur im Vergleich zum alleinigen Quadrizepstraining.

Warden et al. untersuchten in ihrer Metaanalyse von 16 Studien die Bedeutung des Patellatapings und der Orthesenversorgung bei VKS [71]. Sie berichten über eine relevante Besserung des VKS durch ein Taping mit medialer Krafteinwirkung auf die Patella. Hingegen konnten sie keine Vorteile in der Orthesen-/Bracetherapie sehen. Betont werden von den Autoren die Limitierungen ihrer Arbeit. Es lag eine große Heterogenität der Einzelarbeiten vor sowie ein relevanter Bias in einigen Studien.

Eine präoperative Ganganalyse und ein gezieltes prä- und postoperatives Gangtraining können die Inzidenz des VKS reduzieren. Smith et al. berichten, dass Patienten mit pathologischen Außenrotations-Flexions-Momenten in der mittleren Standphase präoperativ und postoperativ erhöhte Druckverhältnisse im Patellofemoralgelenk aufweisen und ein erhöhtes Risiko für einen VKS haben [63].

Therapie mechanischer Ursachen und Instabilitäten

Komponenten- und Prothesenwechsel

Instabilitäten und Infektionen sind die häufigsten Gründe für eine Revision der Prothese in den ersten Jahren nach Primärimplantation [62]. Gründe für die mediolaterale Instabilität können eine Insuffizienz der Kollateralbänder oder eine unzureichend rekonstruierte Gelenklinie sein. Eine Insuffizienz des hinteren Kreuzbandes oder eine Malrotation der Femurkomponente resultieren häufig in einer sagittalen Instabilität. Der ursächliche Pathomechanismus ist eine Asymmetrie des Extensions- und Flexionsspaltes und eine Überlastung des Streckapparates mit entsprechender klinischer Beschwerdesymptomatik.

Liegt eine nachgewiesene Bandinsuffizienz oder Fehlpositionierung der Komponenten vor, muss dem Patienten eine Revision mit partiellem oder vollständigem Prothesenwechsel empfohlen werden [1, 2, 8, 65]. Abhängig von der Pathologie kann ein Inlaywechsel oder der Wechsel auf eine HKB-substituierende Femurkomponente ausreichend sein, um die Ursache und die Beschwerdesymptomatik zu adressieren.

Klagt der Patient über einen VKS, obwohl die Komponenten korrekt positioniert sind und die Gelenklinie sowie Beinachse korrekt rekonstruiert wurden, ist insbesondere in den ersten 12 Monaten ein abwartendes Verhalten zu favorisieren [10].

Sekundärer Rückflächenersatz

Bei prolongiertem VKS und Ausschluss einer Instabilität oder Malpositionierung der Komponenten kann eine Revision mit Rückflächenersatz in Erwägung gezogen werden. Allerdings werden in der Literatur die Ergebnisse nach sekundärem Rückflächenersatz kritisch diskutiert, mit einer Erfolgsrate von höchstens 65 % [26, 27, 41, 52, 53].

Parvizi et al. berichten über 41 Patienten mit sekundärem Rückflächenersatz durchschnittlich 29 Monate nach Primärimplantation. Sie fanden eine signifikante Besserung der klinischen und funktionellen Scoreergebnisse. Allerdings waren 8 von 41 Patienten (19 %) mit dem Ergebnis nicht zufrieden [52]. Leta et al. analysierten die Ergebnisse aus dem norwegischen Endoprothesenregister für Patienten mit einem sekundären Rückflächenersatz, 63 % der Patienten zeigten eine signifikante scorebasierte Verbesserung der Lebensqualität. Allerdings verblieb ein Drittel der Patienten trotz sekundärem Rückflächenersatz weiterhin unzufrieden [32]. Correia et al. berichten über eine postoperative Zufriedenheit nach sekundärem Rückflächenersatz von 54 %, bei einem Kollektiv von 46 nachuntersuchten Patienten [14].

Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass der sekundäre Rückflächenersatz zwar eine operative Option bei persistierendem VKS ist, die Patienten müssen aber dezidiert über die vergleichsweise begrenzten Erfolgsaussichten aufgeklärt werden.

Proximalisierung der Tuberositas tibiae bei Patella baja

Die operative Therapie der Patella baja richtet sich nach der individuellen Beschwerdehaftigkeit des Patienten und den Ursachen des Patellatiefstands. Sind die Komponenten korrekt positioniert und liegt keine Anhebung der Gelenklinie vor, kann eine Proximalisierung der Tuberositas tibiae in Erwägung gezogen werden. Zu bedenken ist, dass die Versetzung der Tuberositas nicht in beliebigem Umfang erfolgen kann. Meistens ist nur eine Strecke von 10–30 mm möglich. Außerdem besteht die Gefahr, dass die knöcherne Einheilung fehlschlägt, da das Knochenlager anterior und unmittelbar unter dem Tibiaplateau sehr dünn ist und keine idealen Voraussetzungen bietet. Die Nachbehandlung mit mehrwöchiger Beugelimitierung begünstigt eine Narbenbildung und Bewegungseinschränkung im Gelenk, die im Extremfall zu einem späteren Zeitpunkt operativ angegangen werden muss. Schlussendlich kann es nach einer erfolgreichen Proximalisierung der Patella im Verlauf zur weiteren Verkürzung und Vernarbung des Ligamentum patellae kommen, mit der Ausbildung eines Rezidivs.

Vives-Barquiel et al. berichten über 21 Patienten nach Proximalisierung der Tuberositas tibiae. Drei Jahre postoperative betrug die Flexion im Durchschnitt 100° (präoperativ 70°) und die Scoreergebnisse zeigten sich signifikant besser. Allerdings entwickelten 3 Patienten (14 %) eine Pseudarthrose der Tuberositas tibiae [70]. Über vergleichbare Ergebnisse berichten Drexler et al. bei einem Kollektiv von 15 Patienten [17]. Auch in dieser Arbeit zeigten die Patienten 5,5 Jahre postoperativ eine signifikante Besserung in den zugrunde liegenden Scores. Kein Patient entwickelte eine Pseudarthrose.

Liegt hingegen eine relative Patella baja vor – aufgrund einer iatrogenen Anhebung der Gelenklinie mit Proximalisierung der Femurkomponente – besteht die einzig sinnvolle operative Therapie in einem Wechsel der Komponente mit Knochenaufbau und Distalisierung der Femurkomponente ([1, 65]; Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

53-jährige weibliche Patientin mit mehrfacher Revision nach Knie-TEP-Implantation und Patella baja. Proximalisierung der Tuberositas tibiae um circa 2 cm

Therapie entzündlicher Ursachen, Weichteilimpingement und Arthrofibrose

Bei jeder chronischen Entzündung des Kniegelenkes muss eine Low-grade-Infektion ausgeschlossen werden. Hierzu sind, neben einer laborchemischen Diagnostik der Entzündungsparameter, eine Punktion des Kniegelenkes mit zweiwöchiger Bebrütung und im Zweifelsfall eine Probengewinnung mit entsprechender mikrobiologische Analyse erforderlich [38]. Liegt die Ursache der Entzündung in einer Erkrankung des rheumatischen Formenkreises, sollte zunächst eine konservative Therapie mit Optimierung der Medikation angestrebt werden. Bei weiterhin persistierenden Ergussbildungen muss eine arthroskopische Synovektomie, ggf. mit nachfolgender Synoviorthese, in Erwägung gezogen werden [65].

Ist ein Hoffa- oder Weichteilimpingement für den VKS verantwortlich bzw. besteht eine partielle Gelenksteife mit Arthrofibrose, sollte eine arthroskopische oder offene Arthrolyse zur Behandlung des VKS und/oder zur Therapie der Bewegungseinschränkung durchgeführt werden [53, 65].

Therapie neurogener und psychosomatischer Ursachen

Die Therapie neurogener und psychosomatischer Ursachen sollte immer interdisziplinär erfolgen. In der Literatur liegen nur wenige Ergebnisse hinsichtlich des Verlaufs und Therapieerfolgs vor. Die vorhandenen Ergebnisse wurden bereits unter den möglichen neurogenen und psychosomatischen Ursache mit abgehandelt [12, 60, 65].

Fazit für die Praxis

  • Der vordere Knieschmerz stellt eine häufige Komplikation nach endoprothetischer Versorgung des Kniegelenkes dar. Er erfordert eine differenzierte Ursachenanalyse und einen strukturierten Behandlungsalgorithmus.

  • Bei jedem vorderen Knieschmerz müssen eine Infektion und Metallunverträglichkeit sicher ausgeschlossen werden.

  • Instabilitäten und Fehlpositionierungen der Prothese machen in der Regel eine operative Revision mit partiellem oder vollständigem Prothesenwechsel erforderlich. Andere mechanische Ursachen können häufig prothesenerhaltend adressiert werden.

  • Die Therapie funktionell-muskulärer Ursachen ist die Domäne der Physiotherapie. Neurogene, ebenso wie entzündliche nichtinfektiöse Ursachen können im Allgemeinen konservativ therapiert werden.

  • Beim unklaren vorderen Knieschmerz ohne verifizierbare Ursache ist ein abwartendes Verhalten zu favorisieren.