Hintergrund und Fragestellung

Die Meniskusdegeneration (MD) geht mit einem Funktionsverlust einher [7] und führt zu einem höheren Vorkommen von Rissen. Unsere gesamten heutigen Kenntnisse über die MD leiten sich fast ausschließlich von diagnostischen Abbildungstechniken [25] und konventionellen HE-, Alcianblau- oder vG-Färbungen her, wohingegen lediglich wenige immunhistochemische Marker für MD verfügbar sind. In einer kürzlich veröffentlichten immunhistochemischen Studie wurde gezeigt, dass sich Komplementfaktoren (C4d) und CD68+-Makrophagen in der Nähe der Stelle der Gewebedesintegration befinden, was auf eine zusätzliche Rolle der durch Komplement herbeigeführten Reaktionen bei der MD schließen lässt [10].

Histomorphologisch wurden 3 verschiedene Varianten der MD beschrieben: Verkalkung, azelluläre Hyalindegeneration und mukoide/myxoide Degeneration, welche am häufigsten nachweisbar ist [6, 11]. Die MD wird als Folge endogener oder exogener Traumata angesehen [28] und tritt alters- und belastungsabhängig auf [16, 20, 27]. Weber [33] hingegen stellte das Vorhandensein von isolierten traumatischen Verletzungen in Frage und postulierte, dass die herkömmlichen Kriterien zur Unterscheidung zwischen traumatischen und degenerativen Veränderungen hinfällig seien. Dieser scheinbare konzeptionelle Widerspruch, lässt sich durch die grundlegende Unterscheidung zwischen primärer [27] und sekundärer Meniskusdegeneration lösen.

Primäre und sekundäre Meniskusdegeneration

Die primäre MD ist definiert als die Summe der morphologisch erkennbaren Veränderungen von Zell- und Faserkomponenten des Meniskus, die stärker als die üblichen altersbedingten Veränderungen sind. Die sekundäre MD wird bei degenerativen, entzündlichen, posttraumatischen und metabolischen Gelenkkrankheiten und in der Nähe von Meniskusdefekten festgestellt [4, 8, 27]. Die Unterscheidung zwischen primär und sekundär degenerativen Veränderungen stellt bei arthroskopisch gewonnenen Meniskusfragmenten [12] ein Problem für die Diagnostik dar.

Die mikrostrukturellen Eigenschaften der Menisken bestimmen ihre mechanischen Eigenschaften. Die Menisken bestehen zu 70% aus Wasser und zu 30% aus organischer Substanz, wovon wiederum etwa 75% aus Kollagen bestehen [7]. Im Gegensatz zu hyalinem Knorpel oder Gelenkknorpel bestehen die Menisken nicht aus Typ-II- sondern aus Typ-I-Kollagenfasern [32].

Das häufigste Proteoglykan ist Aggrecan, das für die stoßdämpfenden Eigenschaften des Meniskusgewebes verantwortlich ist. Die Konzentration von Proteoglykanen ist im inneren meistbelasteten Teil höher als im äußeren Teil des Meniskus [1, 15, 31]. Die Degradation jeweils einer der Komponenten der extrazellulären Matrix (ECM) führt zur Degeneration des Meniskus und letztendlich zum Funktionsverlust des Gewebes.

NITEGE ist eines der G1-Fragmente, das bei der Spaltung des Proteoglykans Aggrecan durch Aggrecanaseaktivität entsteht. Diese Protease gehört zur ADAMTS-Familie, welcher Disintegrine und Metalloproteinasen mit Thrombospondinmotiven angehören.

NITEGE ist Hauptspaltprodukt von Aggrecan

Es ist bekannt, dass Aggrecanase mit der Hyalinknorpeldegeneration bei Osteoarthrose verbunden ist [19] und die Aggrecanspaltung im Gelenkknorpel durch Zytokinbehandlung mit IL-1 eingeleitet werden kann [18]. Mittels Western-Blot wurde NITEGE als regelhafter Bestandteil von Meniskusgewebe nachgewiesen [26]. Es liegt keine Untersuchung zur NITEGE-Verteilung in degeneriertem humanem Meniskusgewebe vor.

Ziel der Arbeit ist es eine Grundlage für die standardisierte Beurteilung der MD zu entwickeln, welche auf histologischen und immunhistochemischen Kriterien basiert und eine definierte Diagnostik ermöglicht. Daher wurde eine immunhistochemische NITEGE-Analyse von humanen Menisken durchgeführt, das NITEGE-Verteilungsmuster mit unterschiedlichen histomorphologisch definierten Graden der MD (Degenerationsscore) korreliert.

Material und Methode

Population der Studie

In dieser Studie wurde Meniskusgewebe, entnommen bei 60 Patienten (n=60, 23 weiblich und 37 männlich, Alter 18–79 Jahre, Altersmedian 51 Jahre), bei welchen eine partielle oder vollständige Meniskektomie erfolgt war, untersucht.

Histochemie

Nach Fixierung in Formalin (4%) wurde das humane Meniskusgewebe in Paraffin eingebettet. Die mikrotomierten Schnitte mit einer Dicke von 1–3 µm wurden mit Hämatoxylin und Eosin (HE) gefärbt. Zusätzlich wurden van Gieson- (vG-), Alcianblau- und Fe-Färbungen vorgenommen.

Immunhistochemie

Die immunhistochemische Färbung wurde unter Verwendung des Ventana Benchmark XT (Ventana Medical Solutions, Tucson, USA) automatischen „slide stainers“ für die vollautomatische Verarbeitung von Proben ausgeführt. Die Schnitte wurden zunächst mit Xylol und einer Ethanolreihe deparaffiniert. Dann wurde eine Zellkonditionierung mittels Zellconditioner 1 über 8 min und eine milde CC1-Zellkonditionierung über 30 min vorgenommen (Ventana Medical Solutions, Tucson, USA).

Als primärer Antikörper wurde der Antikörper Aggrecan Neo (Affinity BioReagents, Rockford, USA) – ein polyklonaler Kaninchenantikörper – 1:200 verdünnt. Der primäre Antikörper diente zur Detektion des durch Aggrecanase gebildeten NITEGE, jedoch nicht des Aggrecans. Die Schnitte wurden 32 min lang mit dem primären Antikörper inkubiert. DAB (3,3-Diaminobenzidin; DAKO, Dänemark) diente als Chromogen für die Reaktion mit Peroxidase. Die endogene Peroxidase wurde mit H2O2 blockiert. Abschließend wurde eine nukleare Gegenfärbung mit Hämatoxilin nach Mayer durchgeführt. Negativkontrollen wurden durch Auslassen des primären Antikörpers hergestellt.

Bewertung der histologischen Färbungen und Abstufung der Degeneration (Degenerationsscore)

Die histochemisch gefärbten Paraffinschnitte (HE) wurden von zwei Pathologen bewertet, welche sich an den von Krenn 2008 [17] vorgeschlagenen Kriterien für MD orientierten. Dieses Scoringsystem konzentriert sich auf die Zellularität und Matrixveränderungen von bradytrophen Geweben und resultiert in Graden geringer, mäßiger und starker Degeneration (Tab. 1, Abb. 1). Der Begriff „Degeneration“ wird in diesem Zusammenhang ausschließlich deskriptiv im Sinne von „Veränderung der Gewebestruktur“ verwendet, ohne ein kausales pathogenes Substrat für die Gewebeveränderung anzugeben. Gemäß diesem Score wurden die histopathologischen Grade der MD definiert. Zusätzliche Anzeichen von Reparatur, Regeneration und Kalziumphosphatablagerungen (CPPA) wurden dokumentiert. Entsprechend der Ergebnisse des Scorings wurde die Studienpopulation in 3 Gruppen unterteilt, die keine oder geringe (Grad 0/1), mäßige (Grad 2) oder hochgradige MD (Grad 3) aufwiesen.

Tab. 1 Histopathologische Kriterien für die Einstufung der Meniskusdegeneration (Degenerationsscore)
Abb. 1
figure 1

Histopathologische Merkmale des Degenerationsscores (HE-Färbung, ca. Vergr. 200:1): normales Meniskusgewebe (a), Degenerationsgrad 1 (b) mit leicht reduzierter Zellularität und variabler Färbungsintensität, Degenerationsgrad 2 (c) mit mäßiger Reduzierung der Zellularität und variabler Größe der Chondrozyten, Degenerationsgrad 3 (d) mit hoher Reduzierung der Zellularität und mukoider pseudozystischer Veränderung

Bewertung der immunhistochemischen Färbungen

Die immunhistochemisch gefärbten Schnitte wurden auf extrazelluläre NITEGE-Ablagerungen, sowie auf Zellgröße und -dichte der NITEGE-positiven Zellen beurteilt. Zellgröße und -dichte wurden jeweils in Rissnähe und im geringsten degenerativ veränderten Areal des Schnittes (rissfern) beurteilt.

Die Bewertung von Zellgröße und -dichte wurde semiquantitativ vorgenommen. Die Zellgröße wurde mit Hilfe eines Scoringsystems bewertet, bei dem 1 normale, 2 doppelte, 3 3-fache oder 4 4-fache Zellgröße bedeutet. Die Zelldichte wurde mit Hilfe eines Scoringsystems bewertet, bei dem 1 normalen, 2 geringen, 3 mittleren oder 4 massiven Anstieg der Zelldichte bedeutet.

Statistik

Statistische Verfahren wurden mit Microsoft Excel und Statpoint LLC STATLETS Version 2.01 durchgeführt.

Ergebnisse

Studienpopulation

Die Studienpopulation wurde in 3 Gruppen eingeteilt, die geringe (Grad 0/1), mäßige (Grad 2) oder hochgradige MD (Grad 3) aufwiesen. Sieben Patienten hatten keine Anzeichen für Reparatur oder Regeneration.

Gruppe 0/1

Gruppe 0/1 umfasste 16 Patienten (3 weiblich, 13 männlich) ohne oder mit geringen Veränderungen des Meniskusgewebes. Das mediane Alter betrug 36 Jahre mit einem Altersbereich von 18–61 Jahren. Kein Patient litt an CPPA. Neun Patienten hatten regenerative oder reparative Veränderungen in ihrem Meniskusgewebe. Sechs Patienten hatten ein Trauma erlitten. Eine klinische MD war nicht bekannt.

Gruppe 2

Gruppe 2 umfasste 14 Patienten (4 weiblich, 10 männlich) mit mittleren degenerativen Veränderungen des Meniskusgewebes. Das mediane Alter betrug 40 (20–79) Jahre. Kein Patient litt an CPPA. Alle Patienten hatten regenerative oder reparative Veränderungen in ihrem Meniskusgewebe. Ein Patient hatte ein Trauma erlitten. Eine klinische MD war bei 3 Patienten bekannt.

Gruppe 3

Gruppe 3 umfasste 30 Patienten (16 weiblich, 14 männlich) mit massiven degenerativen Veränderungen des Meniskusgewebes. Das mediane Alter betrug 56 (36–76) Jahre. Ein Patient litt an CPPA; 27 Patienten hatten regenerative oder reparative Veränderungen in ihrem Meniskusgewebe. Zwei Patienten hatten ein Trauma erlitten. Eine klinische MD war bei 6 Patienten bekannt

NITEGE-Verteilung im menschlichen Meniskusgewebe

Alle Meniskuszellen, die Endothelien von Gefäßen und die Synovialmembran waren NITEGE-positiv gefärbt (Abb. 2). Die Zellgröße und -dichte der NITEGE-positiven Meniskuszellen nahm in der Nähe eines Risses zu und war in allen 3 Studiengruppen mit reparativen und regenerativen Veränderungen assoziiert.

Abb. 2
figure 2

NITEGE-Positivität in synovialen Deckzellen und Endothelzellen, jedoch nicht im Interstitium (NITEGE Immunhistochemie, Vergr. ca. 400:1)

Der Mittelwert der Zellgröße und -dichte in von einem Riss entfernten Meniskuszellen betrug in allen 3 Gruppen 1,0 – ein Anzeichen für normale Zellgröße und -dichte in Gewebe ohne oder mit nur geringen degenerativen Veränderungen.

In Gruppe 0/1 verdoppelten sich die die durchschnittliche Zellgröße und -dichte in der Nähe eines Risses. Die durchschnittliche Zellgröße und Zelldichte der Gruppen 2 und 3 vergrößerte sich mit Werten von 2,7 und 2,6 bzw. 2,8 und 2,9 noch stärker.

NITEGE-positive Zellen sind größer und treten in höherer Dichte auf

Die Zellgröße und -dichte waren in allen Gruppen fast gleich, wenn das von einem Riss entfernte Meniskusgewebe bewertet wurde. Der Unterschied der Zellgröße und -dichte beim Vergleich von Meniskusgewebe in der Nähe eines Risses und von einem Riss entfernt war bezüglich der gesamten Studienpopulation (Abb. 3, Abb. 4) jeweils signifikant (p<0,0001).

Abb. 3
figure 3

Vergleich der Zelldichte in Rissnähe und entfernt vom Riss: höhere Zelldichte des Gewebes in Rissnähe

Abb. 4
figure 4

Vergleich der Zellgröße in Rissnähe und entfernt vom Riss: zunehmende Zellgröße in Rissnähe

Extrazelluläre NITEGE-Ablagerungen

Die Morphologie der extrazellulären NITEGE-Ablagerungen zeigte ein feingekörntes konfluierendes Muster (Abb. 5). Gewebeveränderungen, die NITEGE-Ablagerungen nachahmten und aus diathermischen Artefakten und Calciumpyrophosphatkristallen resultierten, wiesen ein diffuses nicht gekörntes Muster auf. Sie waren von den echten Ablagerungen leicht zu unterscheiden.

Abb. 5
figure 5

Extrazelluläre NITEGE Ablagerungen in mäßig (a) und hoch (b) degeneriertem Meniskusgewebe: fein gekörntes extrazellulär konfluierendes Muster (NITEGE Immunhistochemie, ca. Vergr. 400:1)

In Gruppe 1 wurden keine extrazellulären NITEGE-Ablagerungen festgestellt. Gruppe 2 und 3 wiesen diese Ablagerungen zu 50% und 57% bzw. zusammen 55% (24/44; Abb. 6) auf. Proben mit sehr starker myxoider Degeneration und kombiniertem Verlust von nahezu allen Meniskuszellen zeigten keine extrazellulären NITEGE-Ablagerungen. Die Sensitivität für die Feststellung von mindestens mäßigen degenerativen Veränderungen betrug 55% zusammen mit einer Spezifität von 100%. Der negative Vorhersagewert lag bei 44%, der positive Vorhersagewert bei 100%.

Abb. 6
figure 6

Extrazelluläre NITEGE-Ablagerungen treten ausschließlich in Meniskusgewebe mit fortgeschrittenen degenerativen Umbauprozessen auf

Einfluss des Alters auf den Degenerationsgrad und das Auftreten extrazellulärer NITEGE-Depositionen

Es bestand eine positive Korrelation zwischen dem Auftreten extrazellulärer NITEGE-Ablagerungen mit dem Degenerationsgrad (r=0,48) bzw. mit dem Alter (r=0,46; Abb. 7). Des Weiteren war eine positive Korrelation zwischen Alter und Degenerationsgrad nachweisbar (r=0,46). Das Alter der Gruppe 0/1 unterschied sich nachweisbar von dem der Gruppe 3 (p<0,0001). Das Alter der Gruppe 0/1 unterschied sich nicht nachweisbar von dem der Gruppe 2 (p=0,44). Das Alter der Gruppe 2 unterschied sich nachweisbar von dem der Gruppe 3 (p=0,045) (Abb. 8).

Abb. 7
figure 7

Mit zunehmendem Alter der Patienten treten vermehrt extrazelluläre NITEGE-Ablagerungen auf

Abb. 8
figure 8

Der Altersmedian bei Degenerationsgrad 0/1 liegt signifikant tiefer als der Altersmedian bei Degenerationsgrad 3

Diskussion

Obwohl das häufige Vorkommen der MD eine bekannte Tatsache ist und sie zum Reißen und sogar zum Verlust des Meniskus führen kann, sind die pathogenetischen Faktoren unzureichend geklärt. Bisher liegen nur histomorphologische Beschreibungen von degenerativen Meniskusveränderungen auf der Basis von herkömmlichen Färbemethoden wie HE- und vG-Färbungen vor. Die Pathophysiologie der Hyalindegeneration hingegen wurde umfassend untersucht [2]. Demnach kommt es bei der Osteoarthrose es zu einer fortlaufenden Zerstörung der Knorpelmatrix, die zu einem progressiven Verlust der Gelenkfunktion führt. Abgesehen von der Degradation der molekularen Matrixkomponenten kommt es auch zur Destabilisierung der supramolekularen Strukturen, wie des Kollagennetzes und zu Veränderungen des Expressionsprofils der Matrixmoleküle. Die Chondrozyten reagieren durch Erhöhung der Matrixsynthese, Proliferation und Veränderung ihres Zellphänotyps [2].

Mit NITEGE stellen wir erstmals ein immunhistochemisches Substrat für die Degeneration von Faserknorpel dar, das mit höhergradiger MD verknüpft ist.

NITEGE-Ablagerungen korrelieren mit höhergradiger Meniskusdegeneration

NITEGE ist ein Fragment von Aggrecan, das zur großen Gruppe der Proteoglykane gehört, die im Gelenkknorpel und in der ECM anzutreffen sind [15, 31]. Aggrecan wird durch Aggrecanasen (wie z. B. ADAMTS) und Matrixmetalloproteinasen (MMP) gespalten [18, 30]. Im Hyalinknorpel spielen ADAMTS-4 und -5 die Hauptrolle bei der Aggrecandegradation [5] und es wurde nachgewiesen, dass die doppelte Ausschaltung von ADAMTS-4 und ADAMTS-5 bei Mäusen die Progression der Osteoarthrose verhindert [22]. Hardingham [14] hat nachgewiesen, dass der Verlust von Aggrecan aus Hyalinknorpel ein wichtiger Schritt, sowohl bei der durch Entzündung, als auch durch Trauma ausgelösten Gelenkdegeneration ist. Darüber hinaus sind Aggrecanasen an der Aggrecanolyse sowohl im anfänglichen, als auch fortgeschrittenen Stadium der Bandscheibendegeneration beteiligt und es wurde nachgewiesen, dass die ADAMTS-4-mRNA-Werte bei gerissenen Sehnen im Vergleich zu normalen Sehnen oder chronisch schmerzhafter Tendinopathie höher lagen [9, 24]. Die erzielten Ergebnisse in Bezug auf die Aggrecanspaltung in Hyalingelenkknorpel zeigen eine Hochregulierung der Aggrecanasen in Hyalinknorpel nach Trauma und bei Degeneration [21, 29]. NITEGE selbst wurde mit einer Reihe von degenerativen Krankheiten u. a. rheumatischen Erkrankungen und Osteoarthrose in Verbindung gebracht [19]. Folglich wird angenommen, dass die Aggrecanaseaktivität ein Ziel für die Entwicklung von Inhibitoren der Degradation des Hyalinknorpels und einer Therapie für Patienten, die an Osteoarthrose leiden, sein kann [3].

Pathophysiologisch scheint die Möglichkeit zu bestehen, dass die Ergebnisse bezüglich der Rolle von Aggrecanasen und NITEGE bei der Degeneration von Hyalinknorpel herangezogen werden können, um die molekulare Pathophysiologie bei der Degeneration des Meniskusgewebes zu verstehen. Eine positive Korrelation zwischen Alter und Vorkommen von extrazellulären NITEGE-Ablagerungen als auch zwischen Alter und Degenerationsgrad konnte nachgewiesen werden. Dieses Ergebnis steht nicht im Gegensatz zu den Ergebnissen von McAlinden et al. [23], die nachgewiesen haben, dass die Synthese und der Umschlag von Aggrecan im humanen Meniskus bei zunehmendem Alter mit steigender Aggrecan-mRNA-Expression beeinflusst wird. Festzuhalten bleibt jedoch die Tatsache, dass alle Patienten dieser Untersuchung eine symptomatische Meniskuserkrankung aufwiesen, die mit steigendem histomorphologischen Degenerationsgrad vermehrt extrazelluläre NITEGE-Depositionen zeigte. Zu welchem Grad die natürlich auftretende MD im Alter das Auftreten extrazellulärer NITEGE-Ablagerungen beeinflusst hat, lässt sich am vorliegenden Material nicht weiter differenzieren.

In-vitro-Versuche zeigten extrazelluläre NITEGE-Ablagerungen bei Rindermenisken nach stressgleicher IL-1-Exposition (Knoess et al., Veröffentlichung eingereicht). Dies legt nahe, dass die Aggrecanspaltung Teil der MD sein kann. Sandy et al. [26] haben NITEGE-Signale durch Western-Blots in gesundem Meniskusgewebe von fetalen, neugeborenen und erwachsenen Rindern festgestellt und nahegelegt, dass die Aggrecanspaltung am Ort des NITEGE Bestandteil des normalen Aggrecanmetabolismus im Meniskus sein könnte.

In unserer Studie stellten wir extrazelluläre NITEGE-Ablagerungen bei 55% der Proben mit degenerativen Läsionen der Grade 2 oder 3 fest. Die extrazellulären NITEGE-Ablagerungen waren bei der Gruppe ohne oder mit nur geringen degenerativen Veränderungen nicht nachzuweisen. Diese Ergebnisse entsprechen der Datenlage von Lark u. Bayne [19], bei der NITEGE-Ablagerungen immunhistochemisch häufiger in Bereichen mit extensiver Schädigung des hyalinen Gelenkknorpels festgestellt wurden. Wie in unserer immunhistochemischen Analyse gab es Ablagerungen, welche die Zellen umgaben, aber auch solche, die in der interterritorialen Matrix weiter entfernt detektiert wurden. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass NITEGE-positive Zellen größer waren und beim Vergleich von Meniskusgewebe in der Nähe eines Risses und von einem Riss entfernt eine höhere Dichte aufwiesen (Abb. 9). Diese Ergebnisse legen eine ähnliche Hochregulierung von ADAMTS in Meniskusgewebe wie im Hyalinknorpel nach einem Trauma oder bei der Degeneration nahe.

Bei geringer Degeneration muss eine höhere Aggrecanaseaktivität vorliegen als bei normalem Meniskusgewebe. Doch gibt es im Gegensatz zu Meniskusgewebe mit mäßiger oder hochgradiger Degeneration ausreichend Meniskuszellen, die in der Lage sind, die Aggrecanfragmente durch Endozytose zu entfernen [13]. Die Endozytose kann einer der Gründe für die Zunahme der Zellgröße sein. Die höhere Zelldichte von NITEGE-positiven Meniskuszellen beruht hauptsächlich auf den laufenden regenerativen und reparativen Veränderungen, die in nahezu allen Proben nachweisbar waren. In späteren Stadien (Grad 3) geht die MD mit der Depletion der Meniskuszellen einher, die mit extrazellulären NITEGE-Ablagerungen assoziiert ist. Dies ist ein immunhistochemischer Befund für eine mäßige und hochgradige Meniskusdegeneration mit einem positiven Vorhersagewert und einer Spezifität von 100%.

Abb. 9
figure 9

Vergleich von Meniskusgewebe vom Degenerationsgrad 1 (ac) und vom Degenerationsgrad 3 (bd): Bei degeneriertem Faserknorpel sind die NITEGE-positiven Meniskozyten vergrößert und treten in größerer Dichte auf, was eine Hochregulierung von ADAMTS in degeneriertem Meniskusgewebe mit reparativen Veränderungen anzeigt (ab: HE-Färbung, Vergr. ca. 200:1; cd: NITEGE Immunhistochemie, Vergr. ca. 200:1)

Ungeklärt ist die Frage, warum nicht in allen Fällen mit mäßiger oder hochgradiger MD extrazelluläre NITEGE-Ablagerungen nachweisbar waren. Ein negativer Vorhersagewert von 44% und eine Empfindlichkeit von 55% scheinen einen begrenzten Wert von NITEGE bei der Feststellung der MD zu zeigen. Dies könnte jedoch ein Hinweis für das Stadium der MD sein. Solange sich nur kleine NITEGE-positive Zellen feststellen lassen, ist die Degeneration gering. Bei fortschreitender Degeneration werden die Meniskuszellen größer und an den Orten des höchsten Aggrecanumsatzes, im Bereich reparativer Veränderungen kommt es zu einer Erhöhung der Zelldichte und zu extrazellulären NITEGE-Ablagerungen. Wenn schließlich die meisten Meniskuszellen aufgebraucht sind und eine starke MD vorliegt, ist Aggrecan vollständig abgebaut und es ist keine intakte Matrix mehr vorhanden, welche Aggrecanasen enthält. Dies könnte eine Erklärung sein, wieso in einem Teil des hochgradig degenerierten Meniskusgewebes (Grad 3) keine NITEGE-Ablagerungen nachweisbar waren. Diese Interpretation kommt der Beschreibung der Hyalinknorpeldegeneration von Aigner sehr nahe [2]. Eine andere mögliche Deutung besteht in der Annahme, dass es einen vom Aggrecanabbau unabhängigen Degenerationsprozess des Meniskusgewebes gibt (MD ohne nachweisbare NITEGE-Expression).

Schließlich stellt sich die Frage, ob NITEGE-Ablagerungen zur Unterscheidung von primären und sekundären degenerativen Veränderungen herangezogen werden können. In dieser Studie wurde kein Zusammenhang von extrazellulären NITEGE-Ablagerungen bei der Gruppe ohne oder mit nur geringen degenerativen Veränderungen in Rissnähe festgestellt. Wir interpretieren diese Ergebnisse als Hinweis darauf, dass eine Hochregulierung des Aggrecanabbaus mit der primären Degeneration und nicht mit sekundären, lokal mechanischen degenerativen Veränderungen in der Nähe eines Risses in Verbindung gebracht werden kann.

Fazit für die Praxis

Mit dem immunhistochemischen Nachweis von NITEGE (G1-Fragment des Proteoglykans Aggrecan) konnte erstmals ein immunhistochemisches, funktionelles Korrelat für die Meniskusdegeneration (MD) und für degenerative Umbauvorgänge des Meniskusgewebes nachgewiesen werden. Positiv korrelierten das Auftreten extrazellulären NITEGE und der Degenerationsgrad sowie das Patientenalter und der Degenerationsgrad. Das Graduierungssystem der MD (Grad 1–3) eignet sich um das Ausmaß der MD darzustellen. Extrazelluläres NITEGE kann in Verbindung mit den Degenerationsgraden 2 und 3 des Degenerationsscore als ein immunhistochemischer Marker für die fortgeschrittene MD angesehen werden.