Hintergrund und Fragestellung

Osteoporose ist eine systemische Skeletterkrankung, die mit einem Verlust an Knochenmasse und Störung der knöchernen Mikroarchitektur einhergeht. Diese Veränderungen führen zu einem erhöhten Frakturrisko [28]. Osteoporotische Frakturen betreffen typischerweise in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit die Brust- (BWS) und Lendenwirbelsäule (LWS), das proximale Femur, den proximalen Humerus und den distalen Radius [4]. Die Behandlung der osteoporotischen Frakturen und ihrer Komplikationen machen den wesentlichen Kostenfaktor des Krankheitsbildes aus.

Die Prävalenz der Osteoporose wird in Deutschland bei Frauen > 50 Jahre auf 39 % und bei Männern > 50 Jahren auf 9,7 % geschätzt [15]. Bei Frauen > 75 Jahre wird die Prävalenz mit 59,2 % angegeben. Diese Patientengruppe stellt die Hauptrisikogruppe für das Auftreten osteoporotischer Frakturen dar. Ob bei eingetretener Fraktur dann tatsächlich eine Osteoporose vorliegt, ist in Deutschland nur wenig untersucht. In internationalen Studien divergieren die Angaben dazu zwischen 21 und 72 % [5, 9, 12, 17, 29].

Unabhängig von der exakten Prävalenz der Osteoporose beim älteren Patienten mit Fraktur ist zudem unklar, in welchem Anteil die Osteoporose bereits vor Auftreten einer Fraktur bekannt und therapiert war [14, 15]. Patienten mit einem erhöhten Frakturrisiko sollten idealerweise frühzeitig durch den Hausarzt identifiziert und einer Knochendichtemessung unterzogen werden [8].

Mit Auftreten einer Fraktur kommt dem Unfallchirurgen eine Schlüsselposition zu. Die stationäre Frakturbehandlung bietet eine Chance, sowohl eine adäquate Osteoporoseabklärung durchzuführen, als auch eine medikamentöse Therapie zu initiieren. Eine Handlungsbasis hierfür bietet die Leitlinie zur Diagnostik und generellen sowie spezifischen Osteoporose- und Frakturprophylaxe des Dachverbandes Osteologie e. V. (DVO) [8]. Die Umsetzung dieser und anderer Leitlinien wird im unfallchirurgischen Stationsalltag oft vernachlässigt. Internationale Studien zeigen eine alarmierend schlechte Versorgungsrealität. Zum Beispiel wird im Rahmen der Frakturbehandlung in den USA nur bei 3–10 % der Patienten eine Osteoporosediagnostik eingeleitet [5, 11, 27]. Für Europa zeigen Erhebungen ein sehr heterogenes Bild für die Diagnose- und Therapieeinleitung der Osteoporose bei alten Patienten mit Fraktur. Deutsche Orthopäden und Unfallchirurgen zeigten hier das höchste Maß an Verantwortungsbewusstsein und Sorgfalt [7]. Wie sich jedoch die Versorgungsrealität in Bezug auf die Umsetzung der DVO Leitlinie 2009 in Deutschland darstellt, ist nicht bekannt.

Studienziel war es daher, die Osteoporoseprävalenz bei Patienten mit Frakturen an den genannten Lokalisationen zu erfassen. Ferner sollte analysiert werden, in welchem Anteil an unserem Klinikum als Teil des zertifizierten klinischen Schwerpunktzentrums des DVO eine leitliniengerechte Osteoporosetherapie und -diagnostik eingeleitet wurde. Dabei galt ein besonderes Interesse der Identifikation von Faktoren, die häufiger mit einer unzureichenden Osteoporosetherapie und -diagnostik verbunden waren.

Material und Methoden

Studiendesign

Prospektiv erfasst wurden Frauen > 50 und Männer > 60 Jahren, die aufgrund einer Fraktur der BWS oder LWS, des proximalen Femurs, des proximalen Humerus oder des distalen Radius in der Klinik für Allgemeine, Unfall-, Hand- und Plastische Chirurgie des Klinikums der Universität München zwischen dem 01.01.2009 und 31.12.2010 stationär behandelt worden waren. Die genannten Frakturentitäten wurden aufgrund der hohen Behandlungshäufigkeit ausgewählt. Die gewählten Altersgrenzen der Patienten richten sich nach den Empfehlungen der Leitlinien zur Osteoporosediagnostik und -therapie der DVO.

Eingeschlossen wurden Patienten mit operativ und konservativ behandelten Frakturen. Ausschlusskriterien waren maligne Grunderkrankung, pathologische Frakturen, hyperostotische Grunderkrankungen, Hochrasanztrauma, fehlender Versicherungsschutz, Ablehnung einer Osteoporosediagnostik oder -therapie, Versterben während des stationären Aufenthaltes und fehlende Verfügbarkeit oder Auswertbarkeit der Diagnostik aus technischen Gründen. Sämtliche patientenbezogenen Daten wurden pseudonymisiert. Die Studie wurde gemäß der Grundsätze der Deklaration von Helsinki durchgeführt [30].

Datenerhebung

Unsere Klinik ist Teil des zertifizierten klinischen Schwerpunktzentrums des DVO am Klinikum der LMU München. In enger Anlehnung an die DVO-Leitlinie 2009 wurde von den Mitarbeitern der Arbeitsgruppe Alterstraumatologie und Osteologie ein Algorithmus zum Management der Osteoporosediagnostik und -behandlung entwickelt. Dieser Algorithmus wurde in regelmäßigen Fortbildungsveranstaltungen den Mitarbeitern der Klinik erläutert und auf allen Stationen zur Verfügung gestellt. Ferner stand bei besonderen osteologischen Problemstellungen ein Mitarbeiter der Arbeitsgruppe zur Verfügung.

Im Rahmen des stationären Aufenthalts erfolgte die Knochendichtemessung mittels Dual-X-Ray-Absorptiometrie (DXA) an LWS und proximalem Femur in der Klinik für Diagnostische Radiologie. Alle Patienten wurden mit dem identischen Gerät vom Typ „Lunar Prodigy Bone Densiometer“ (Fa. General Electrics, USA) gemessen. Die Datenauswertung wurde mit Hilfe des Softwareprogramms „Encore 201“ durchgeführt. Die Beurteilung der Knochendichtemessung erfolgte durch zwei unabhängige Radiologen gemäß der Leitlinien zur Anwendung densitometrischer Verfahren anhand des T-Wertes für Schenkelhals und LWS. Patienten mit bekannter Osteoporose und fehlender Indikation für eine erneute DXA wurden als leitliniengerecht diagnostiziert gewertet und nicht erneut untersucht. Bei fehlender Verfügbarkeit der Densitometrie wurde die Diagnostik als korrekt eingeleitet gewertet, soweit im Arztbrief die Empfehlung zur ambulanten Diagnostik oder der Verweis auf die hausinterne Osteoporosesprechstunde dokumentiert wurde.

Nach Ende des Auswertungszeitraumes wurden Patienten mit den ICD-Hauptdiagnosen S22.0x, 22.1 (Frakturen der BWS), S32.0x, S32.7 (Frakturen der LWS), 42.2x (Frakturen des proximalen Humerus), S52.5x, S52.6 (Frakturen des distalen Radius) und S72.0x, S72.1x, S72.2 (Frakturen des proximalen Femurs) identifiziert. Zur Analyse des individuellen Frakturrisikos wurden zusätzlich folgende klinische Risikofaktoren erfasst: Periphere Fraktur nach dem 50. Lebensjahr, Thyroidea-stimulierendes Hormon (TSH) < 0,3 mU/l, bekannte singuläre oder multiple Wirbelkörperfraktur, Diabetes mellitus Typ I, proximale Femurfraktur eines Elternteils, rheumatoide Arthritis, multiple Stürze, Billroth-II-Operation oder Gastrektomie, Immobilität, Epilepsie, Nikotinkonsum, Alkoholkonsum, Hypogonadismus, subklinischer Hyperkortisolismus, antiandrogene Therapie, primärer Hyperparathyreoidismus, Aromatasehemmertherapie, Wachstumshormonmangel bei Hypophyseninsuffizienz, bekannte Osteoporose sowie Knochendichteverlust (≥ 5 %) am Gesamtfemur über 2 Jahre.

Datenauswertung

Die Prävalenz der Osteoporose und Osteopenie wurde im gesamten Patientenkollektiv, innerhalb der Risikogruppe Frauen > 70 und Männer > 80 Jahre und geschlechtsspezifisch analysiert. Die Definition der Risikogruppe erfolgte aufgrund der Einschätzung des DVO, dass ab einem Alter von 70 Jahren bei Frauen und von 80 Jahren bei Männern das 10-Jahres-Frakturrisiko generell > 20 % beträgt. Ab einem Frakturrisiko von > 20 % leiten sich unmittelbare therapeutische Konsequenzen ab [8]. Die weitere Analyse galt der Identifikation geschlechts-, fraktur- und verfahrensspezifischer Unterschiede in der Durchführung einer adäquaten Knochendichtemessung und Therapieeinleitung.

Die eingeleitete Therapie wurde untergliedert in Basis- und spezifische Osteoporosetherapie. Als Basistherapie galt die Empfehlung von 30 min täglicher Sonnenlichtexposition oder die Supplementierung mit 800–2000 IE Vitamin D3 oral sowie die tägliche Aufnahme von 1000 mg Calcium mit der Nahrung oder deren Supplementierung. Die Wertung, ob eine adäquate spezifische Therapie gewählt wurde, richtete sich nach den Leitlinien des DVO unter Berücksichtigung des Alters und des individuellen Risikoprofils.

Für die Datenanalyse und -verwaltung wurden Microsoft Excel 2010 v14.0 und IBM SPSS v20 verwendet. Als stochastische Testverfahren wurde der χ2-Test für kategorische Variablen und der t-Test für unabhängige Variablen herangezogen. Als statistisch signifikant wurde ein p-Wert < 0,05 festgelegt.

Ergebnisse

Patientenkollektiv

Von 488 Patienten konnten insgesamt 455 Patienten eingeschlossen werden (Abb. 1). Hierunter waren 361 weibliche Patienten mit einem Durchschnittsalter von 73,6 [50–100, Standardabweichung (SD) ± 12,5) Jahren und 94 männliche Patienten mit einem durchschnittlichen Alter von 75,1 (60–101, SD ± 9,6) Jahren. Innerhalb dieses Kollektivs erlitten 31 Patienten (6,8 %) eine Fraktur der BWS/LWS, 115 Patienten (25,3 %) eine Fraktur des proximalen Humerus, 206 Patienten (45,3 %) eine Fraktur des proximalen Femurs und 103 Patienten (22,6 %) eine Fraktur des distalen Radius (Tab. 1); 415 Patienten (91,2 %) wurden operativ und 40 (8,8 %) konservativ behandelt.

Abb. 1
figure 1

Studienbaum. Es wurden 455 Patienten in die Studie eingeschlossen, davon erhielten 300 Patienten eine Knochendichtemessung während des stationären Aufenthalts und 260 dieser Patienten wurden entsprechend der Leitlinien des DVO therapiert

Tab. 1 Frakturverteilung im Gesamtkollektiv (Frauen > 50 und Männer > 60 Jahre) und im Risikokollektiv (Frauen > 70 und Männer > 80 Jahre)

Knochendichtemessung und Osteoporoseprävalenz

Von den eingeschlossenen 455 Patienten wurde bei 300 Patienten (65,9 %) eine DXA durchgeführt. Weibliche Patienten erhielten in 69,5 % eine Knochendichtemessung, während bei Männern signifikant (p = 0,01) seltener in 52,1 % der Fälle eine DXA erfolgte (Abb. 2 a). Ferner zeigten sich Unterschiede in Abhängigkeit von der Frakturlokalisation. Patienten mit Frakturen der BWS/LWS sowie des proximalen Femurs wurden in 71, bzw. in 68,9 % der Fälle einer DXA Messung unterzogen, Patienten mit Frakturen des proximalen Humerus und des distalen Radius deutlich seltener in 64,3 bzw. 61,2 % der Fälle (Abb. 2 b). Auch bezüglich des Therapieverfahrens konnten Unterschiede identifiziert werden. Operierte Patienten erhielten in 66,7 % der Fälle eine Knochendichtemessung, während bei konservativ behandelten Patienten in 60 % eine Knochendichte gemessen wurde (Abb. 2 c).

Abb. 2
figure 2

Knochendichtemessung: a Frauen erhielten in 69,5 % eine DXA, während bei Männern signifikant seltener in 52,1 % eine Diagnostik eingeleitet wurde. b Patienten mit Frakturen der BWS/LWS sowie des proximalen Femurs erhielten am häufigsten eine Knochendichtemessung. Patienten mit distaler Radiusfraktur wurden seltener auf das Vorliegen einer Osteoporose untersucht. c Konservativ behandelte Patienten erhielten in 60 % eine Abklärung der Knochendichte, während Patienten nach einer operativen Versorgung deutlich häufiger in 66,7 % eine DXA erhielten (*p = 0,01)

Eine manifeste Osteoporose lag bei 56,6 % der untersuchten Patienten vor, eine Osteopenie in 34,4 %. Lediglich 9 % der Patienten zeigten keine pathologische Minderung der Knochendichte. Hierbei ergab sich kein geschlechtsspezifischer Unterschied: von einer Osteoporose waren 56,2 % der Frauen und 59 % der Männer betroffen, an einer Osteopenie litten 34,6 % der untersuchten Frauen und 33,3 % der Männer. 9,2 % der Frauen und 7,7 % der Männer wiesen eine physiologische Knochendichte auf. Im Risikokollektiv Frauen > 70 und Männer > 80 Jahre konnte eine Osteoporose in 69,4 %, eine Osteopenie in 25,3 % und eine physiologische Knochendichte in 5,3 % der Fälle nachgewiesen werden (Abb. 3 a).

Abb. 3
figure 3

Osteoporoseprävalenz: a Im untersuchten Patientenkollektiv zeigten sich keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Prävalenz der Osteoporose oder Osteopenie. Im Gesamtkollektiv lag in > 50 % eine Osteoporose vor, innerhalb der Risikogruppe (Frauen > 70, Männer > 80 Jahre) sogar in 70 %; < 10 % der untersuchten Patienten zeigten keine pathologische Minderung der Knochendichte. b Bei > 80 % der Patienten, auch innerhalb der Risikogruppe, wurde die Erstdiagnose einer Osteoporose erst im Rahmen der stationären Frakturbehandlung gestellt

Nur in 16,2 % der Fälle war eine Osteoporose bekannt. Bei 83,6 % der Frauen und bei 85,2 % der Männer handelte es sich um eine Erstdiagnose im Rahmen der stationären Knochenbruchbehandlung. Auch innerhalb der Risikogruppe der Frauen > 70 und Männer > 80 Jahre war eine Osteoporose in nur 16,9 % der Fälle bereits bekannt (Abb. 3 b).

Getrennt nach LWS und proximalem Femur zeigte die DXA-Messung unterschiedliche Ergebnisse. Geschlechtsunabhängig konnte eine deutliche größere Streubreite der T-Werte an der LWS im Vergleich zum proximalen Femur nachgewiesen werden. Bei männlichen Patienten ergab sich ein signifikanter (p = 0,02) Unterschied des mittleres T-Wertes mit − 1,64 SD an der LWS und − 2,42 SD am proximalen Femur (Abb. 4 a), während bei Frauen kein Unterschied bestand. Ferner konnte in der altersabhängigen Auswertung der DXA-Ergebnisse bei Männern und Frauen ein stetiger Abfall der T-Werte am proximalen Femur mit steigendem Lebensalter gezeigt werden. Im Gegensatz hierzu zeigen die Messungen an der LWS ab dem 80. Lebensjahr geschlechtsunabhängig wieder einen Anstieg des T-Wertes (Abb. 4 b). Bei Frauen zeigt sich bis zum 70. Lebensjahr im Durchschnitt ein niedrigerer T-Wert am proximalen Femur als an der LWS. Im Gegensatz dazu war bei Männern altersunabhängig der T-Wert durchschnittlich am proximalen Femur deutlich geringer als an der LWS.

Abb. 4
figure 4

Alters- und lokalisationsabhängige Verteilung der T-Werte: a Box-Plot der T-Werte mit Median, Box als 25. bis 75. Perzentile, Kreuz als Mittelwert und Whiskers als 1,5-faches des Interquartilsabstands. Es zeigt sich eine deutlich größere Streuung an der LWS als am Femur und bei Männern ein signifikanter Unterschied der mittleren T-Werte an LWS und proximalem Femur. bc Altersabhängige Mittelwerte von LWS und Femur. Die Messungen am proximalen Femur zeigen bei Männern und Frauen deutlich besser die altersabhängige Minderung der Knochendichte. Die Messungen der LWS liefern insbesondere mit zunehmendem Alter aufgrund von degenerativen Veränderungen falsch-positive Werte (*p < 0,05)

Osteoporosetherapie

Nach durchgeführter Knochendichtemessung wurde bei 86,7 % der Patienten eine Osteoporose Therapie gemäß der Leitlinien des DVO eingeleitet oder empfohlen. Wesentliche geschlechtsspezifische Unterschiede ergaben sich hierbei nicht. Weibliche Patienten erhielten in 86,5 % der Fälle eine leitliniengerechte Therapie, männliche Patienten in 87,8 % (Abb. 5 a). Eine Basistherapie war in 91 % der Patienten indiziert. Eine spezifische antiresorptive Therapie wurde in 56,6 % der Fälle eingeleitet. Im Risikokollektiv Frauen > 70 und Männer > 80 Jahre war eine Basistherapie in 94,7 % der Fälle indiziert. Eine spezifische antiresorptive Therapie benötigten innerhalb dieses Risikokollektivs 77,1 % der Patienten (Abb. 5 b).

Abb. 5
figure 5

Therapie: a Nach durchgeführter Knochendichtemessung wurden knapp 90 % der Patienten leitliniengerecht therapiert. Bezüglich der Therapieeinleitung zeigten sich keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. b Im Gesamtkollektiv benötigten 91 % eine Basistherapie und 56,6 % eine spezifische antiresorptive Therapie. In der Risikogruppe war in 94,7 % eine Basistherapie und in 77,1 % eine spezifische Therapie indiziert

Diskussion

Die klinische Bedeutung der Osteoporose liegt im Auftreten von Knochenbrüchen und deren Folgen. Für postmenopausale Frauen in Westeuropa besteht ein Lebenszeitrisiko von 46,2 % eine osteoporoseassoziierte Fraktur zu erleiden [18]. Diese Frakturen sind bei Frauen und Männern mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität [1, 16] und einer signifikant erhöhten Mortalität verbunden [2, 21, 22]. Die Prävalenz von osteoporoseassoziierten Frakturen nimmt aufgrund der steigenden Lebenserwartung deutlich zu [4]. Neben der Frakturversorgung ist somit die Abklärung und Therapie der zugrunde liegenden Erkrankung Osteoporose von entscheidender Bedeutung. Ziel unserer Studie war es daher, die Prävalenz der Osteoporose in einem stationär behandelten unfallchirurgischen Patientenkollektiv zu erfassen und die Umsetzung der Osteoporosediagnostik und Therapie gemäß der gültigen Leitlinie zu überprüfen. Im Rahmen dieser Analyse galt ein besonderes Interesse der Identifikation von Risikofaktoren, die häufiger zu einer unzureichenden Diagnostik und Therapie führten.

Prävalenz

Die Angaben zur Osteoporoseprävalenz in Deutschland variieren zwischen 11,9 und 25,8 % im Gesamtkollektiv der > 50-jährigen Personen und zwischen 17,6 und 39 % bei Frauen [15, 20, 23, 26]. Die aktuellsten Daten liefert hier die BEST-Studie, die auf Patientendaten der Techniker Krankenkasse von 2006–2009 basiert. Diese Studie zeigte eine Prävalenz von 24 % für Frauen und 6 % für Männer > 50 Jahren [14]. Im Vergleich dazu fanden wir in unserem Patientenkollektiv von älteren Patienten mit Fraktur eine Osteoporoseprävalenz von 57 %. Dieser Wert ist in etwa doppelt so hoch wie die oben genannte Gesamtprävalenz aller Bundesbürger > 50 Jahren.

Bei Männern mit Fraktur ließ sich in 59 % eine Osteoporose nachweisen, was einer 10fach erhöhten Prävalenz gemessen am bundesdeutschen Gesamtkollektiv entspricht. Interessanter- und überraschenderweise zeigen unsere Daten, dass Männer > 60 und Frauen > 50 Jahren mit Fraktur das gleiche Risiko haben, an einer begleitenden Osteoporose erkrankt zu sein (Abb. 3 a). Wir folgern daher, dass beim männlichen Patienten mit Fraktur eine Osteoporoseabklärung mit gleicher Dringlichkeit und Sorgfalt wie beim weiblichen, postmenopausalen Patienten durchgeführt werden muss.

In der Risikogruppe Frauen > 70 und Männer > 80 Jahren mit Fraktur zeigte sich eine deutlich höhere Prävalenz (69,4 %) als in den Auswertungen der nationalen Krankenkassendatenbanken, wo sich für weibliche Patienten > 75 Jahre eine Prävalenz von 48 % und für Männer von 15 % ergab [14].

Von großer Bedeutung erscheint uns weiterhin, dass eine Osteoporose sowohl in der Risikogruppe, als auch im Gesamtkollektiv gleichermaßen in > 80 % nicht bekannt war (Abb. 3 b). Diese Ergebnisse weisen auf eine dramatische Unterversorgung bezüglich der Osteoporose im ambulanten Versorgungsbereich hin. Unter diesen Gegebenheiten kommt dem Unfallchirurgen somit eine besondere Verantwortung zu.

Diagnostik

Gemäß der DVO-Leitlinien ist die DXA an der LWS und am proximalen Femur das Standardverfahren zur Bestimmung der Knochendichte. Der hier ermittelte T-Wert liefert die operationale Basis der WHO-Definition der Osteoporose [8]. In unserer Studie erhielten 65,9 % der eingeschlossenen Patienten eine DXA, wobei bei Männern signifikant seltener eine Diagnostik durchgeführt wurde (Abb. 2 a). Eine mögliche Ursache hierfür ist eine ärztliche Fehleinschätzung der Osteoporoseprävalenz bei Männern mit Fraktur. Auch Feldstein et al. [10] zeigten anhand einer Auswertung nordamerikanischer Krankenkassendaten von 2804 alten Patienten mit Fraktur, dass 8,4 % der weiblichen und nur 1,5 % der männlichen Patienten innerhalb von 2 Jahren nach Fraktur eine Knochendichtemessung erhielten.

Bei Betrachtung der Frakturlokalisation sahen wir, dass eine DXA seltener nach distaler Radiusfraktur als nach Wirbelkörper- oder proximaler Femurfraktur durchgeführt wurde (Abb. 2 b). Auch Freedman et al. [12] stellten anhand einer Datenbankanalyse von Frauen > 55 Jahren mit distaler Radiusfraktur fest, dass lediglich 2,8 % einer Knochendichtemessung unterzogen wurden, während Feldstein et al. [10] zeigten, dass Patienten mit Wirbelkörperfrakturen in 7,5 % eine DXA-Untersuchung erhielten. Diesem Phänomen könnten ein kürzerer stationärer Aufenthalt oder eine geringere Assoziation der distalen Radiusfraktur mit Osteoporose zugrunde liegen. Die distale Radiusfraktur stellt jedoch eine Indikatorfraktur für das Vorliegen einer manifesten Osteoporose dar und geht mit einem erheblich gesteigerten Risiko einher, nachfolgend auch eine hüftgelenksnahe Fraktur zu erleiden [24].

Beim Vergleich operativer und konservativer Therapieverfahren konnten wir feststellen, dass Patienten ohne operative Intervention seltener eine DXA erhielten (Abb. 2 c). Vergleichbare Studien zu diesem Aspekt liegen nicht vor. Wahrscheinlich erfahren Patienten nach einem operativen Eingriff im unfallchirurgischen Alltag eine intensivere Betreuung und Sorgfalt. Auch ein durchschnittlich kürzerer stationärer Aufenthalt der Patienten mit konservativer Therapie könnte einen Grund dafür darstellen.

Der Anteil der älteren Patienten mit Fraktur, die in unserer Klinik im erfassten Auswertungszeitraum eine Knochendichtemessung erhalten hat, liegt weit über den in der Literatur beschriebenen Ergebnissen [5, 9, 10, 12]. In den Studien von Freedman u. Cuddihy [5] erhielten ältere weibliche Patienten mit distaler Radiusfraktur nur 2,8 bzw. 5 % nach Fraktur eine Knochendichtemessung. Freedman et al. [12] berichten über eine Rate an DXA-Messungen von 3,9 % nach proximaler Femurfraktur, 10 % nach BWS/LWS-Fraktur und 7,7 % bei allen anderen Frakturtypen. Trotz der im Vergleich sehr guten Ergebnisse unserer Studie liegt insbesondere für männliche Patienten, Patienten mit Frakturen der oberen Extremität und stationär konservativ behandelten Frakturen ein Verbesserungspotential bezüglich der Osteoporosediagnostik vor.

Bei der Analyse der T-Werte fanden wir eine erhebliche größere Streuungsbreite bei den Messungen an der LWS im Vergleich zum proximalen Femur (Abb. 4 a). Zudem konnten wir feststellen, dass die Messungen am proximalen Femur eher den natürlichen, altersabhängigen Verlauf der Osteoporose abbilden (Abb. 4 b). Degenerative Veränderungen stören die Messungen an der LWS in einem höheren Ausmaß als am proximalen Femur. Diese Schlussfolgerung steht im Einklang mit der Empfehlung der internationalen Osteoporose Gesellschaften, den proximalen Femur als Referenz anzusehen [19].

Therapie

Für die Behandlung der Osteoporose stehen verschiedene wirkungsvolle Therapieansätze zur Verfügung. Die Basistherapie, bestehend aus adäquater Zufuhr von Calcium und Vitamin D, hat positive Auswirkungen auf den Knochenstoffwechsel und senkt das zukünftige Frakturrisiko [25]. Unter den spezifischen Osteoporosetherapeutika konnte z. B. für Bisphosphonate eine Reduktion von weiteren Wirbelkörper- und peripheren Frakturen nachgewiesen werden [3, 6]. Die individuelle Therapie richtet sich gemäß DVO nach DXA-Wert und klinischem Risikoprofil.

Nach DXA-Messung erhielten in unserer Studie knapp 90 % der Patienten geschlechtsunabhängig eine leitliniengerechte Therapie (Abb. 5 a). Über 90 % der Patienten benötigten eine Basistherapie. Bei knapp 60 % aller Patienten und bei > 80 % in der Risikogruppe war zusätzlich eine spezifische Therapie indiziert (Abb. 5 b). Allerdings zeigten Freedman et al. [12] anhand der Krankenkassendaten von 3 Mio. US-Amerikanern, dass Frauen > 55 Jahren mit distaler Radiusfraktur nur in 22,9 % eine spezifische Osteoporosetherapie erhielten. Ebenfalls für die USA wiesen Feldstein et al. [10] darauf hin, dass innerhalb von 2 Jahren nach Trauma Frauen in 42,4 % eine Basis- oder spezifische Therapie erhielten und Männer in nur 2,8 %. In Deutschland erhalten nach Krankenkassendaten nur 17 % der Osteoporosepatienten eine Basistherapie und 10 % eine spezifische Therapie [15].

Einen Ansatz zur Verbesserung der Versorgungssituation zeigten Gosch et al. [13] auf: nach Implementierung eines orthogeriatrischen Zentrums konnte bei älteren Patienten nach Fraktur knapp 3-mal häufiger eine Osteoporose diagnostiziert und adäquat therapiert werden als im Vergleich zu einer üblichen Versorgungseinheit. Auch in einer früheren Studie aus unserer Klinik stellten Vogel et al. [29] fest, dass durch Einführung eines Behandlungsalgorithmus deutlich bessere Ergebnisse in der Diagnostik und Therapie der Osteoporose erreicht werden können. Unsere aktuellen Ergebnisse sind im internationalen Vergleich zwar deutlich besser, dennoch sind auch in unserem Haus mit klinischem Schwerpunktzentrum des DVO Verbesserungspotentiale in der Versorgung notwendig und möglich.

Die Ursachen für den Anteil nicht leitliniengerecht behandelter Patienten konnten wir letztendlich nicht eindeutig identifizieren. Eine mögliche Fehlerquelle in der Umsetzung der DVO-Empfehlungen könnte in der Komplexität der Leitlinie liegen. Basierend auf der Knochendichtemessung ergibt sich die abschließende Therapieempfehlung erst nach Berücksichtigung zahlreicher klinischer Risikofaktoren. Diese multifaktoriell begründete Indikationsstellung ist im unfallchirurgischen Alltag offensichtlich störanfällig. Weiter scheinen kurze stationäre Aufenthalte, insbesondere über das Wochenende und ein Stationswechsel sowohl von Ärzten als auch Patienten die Therapieeinleitung negativ zu beeinflussen.

Zusammenfassend stellt die Verbesserung des Managements der Osteoporose in der Unfallchirurgie weiterhin eine zentrale Aufgabe dar. Die vorliegende Studie konnte nachweisen, dass bei > 90 % der älteren Patienten mit Fraktur eine behandlungsbedürftige Minderung der Knochendichte vorlag. In der genannten Risikogruppe war die Einleitung einer spezifischen, antiresorptiven Therapie in knapp 80 % notwendig. Bezüglich der Diagnostik- und Therapieeinleitung ließen sich unter optimierten Bedingungen in unserem klinischen Schwerpunktzentrum der DVO deutlich bessere Ergebnisse als in vergleichbaren internationalen Studien erzielen. Dennoch konnten wir weiteres Verbesserungspotential für das Management der Osteoporose während des stationären unfallchirurgischen Aufenthalts aufweisen. Insbesondere zeigten sich Defizite bezüglich der Aufmerksamkeit für die Osteoporoseprävalenz beim männlichen Patienten, bei Frakturen der oberen Extremität sowie bei konservativ behandelten Frakturen. Weiterhin deckt die vorliegende Studie eine erhebliche Minderversorgung in der ambulanten Osteoporoseabklärung und -behandlung auf, da bei > 80 % der Patienten vor dem Frakturereignis eine Osteoporose unbekannt war.

Fazit für die Praxis

Der ältere Patient ist bis zum Frakturereignis bezüglich einer Osteoporose unzureichend abgeklärt. Aufgrund der hohen Prävalenz in diesem Kollektiv empfehlen wir bei allen Patienten > 50 Jahren mit Fraktur eine DXA zu veranlassen und die klinischen Risikofaktoren zu erfassen. Insbesondere männliches Geschlecht, Frakturen der oberen Extremität und konservativ behandelte Frakturen scheinen Risikofaktoren für eine Minderversorgung darzustellen. Wir empfehlen daher die Implementierung eines klinikinternen Algorithmus für den älteren Patienten mit Knochenbruch, um die Einleitung einer leitliniengerechten Diagnostik und Therapie sicherzustellen.