Osteoporose bezeichnet einen Zustand erhöhter Knochenbrüchigkeit, dem eine kritisch reduzierte Knochenmasse und eine Zerstörung der knöchernen Mikroarchitektur zugrunde liegt [1]. Epidemiologische Daten belegen, dass Osteoporose in der Regel den älteren Menschen betrifft und in Verbindung mit einem erhöhten Sturzrisiko wesentlich zum exponentiellen Anstieg von Knochenbrüchen im höheren Lebensalter beiträgt. Durch Osteoporose bedingte oder mitbedingte Knochenbrüche ereignen sich charakteristischerweise schon unter geringfügigen Belastungen, etwa durch Anstoßen oder nach einem Sturz aus dem Stand. Besonders häufig finden sich Brüche der Wirbelkörper und der langen Röhrenknochen (z. B. Oberarm, Oberschenkelhals). Diese so genannten Insuffizienz- oder Fragilitätsfrakturen gehen in hohem Maß mit Einbußen an Lebensqualität und Selbstständigkeit, erhöhter Pflegebedürftigkeit und erhöhter relativer Sterblichkeit einher. Hieraus erwachsen erhebliche gesundheitliche und sozioökonomische Belastungen für die Betroffenen, ihre Familien und die Gesellschaft als Ganzes [2, 3, 4].

Da die Osteoporose keine charakteristischen Frühsymptome verursacht [4], hat man sich intensiv um die Etablierung von Methoden zur Früherkennung bemüht. Die so genannte Knochendichtemessung (röntgenabsorptiometrische Bestimmung des Kalzium-Mineralsalzgehaltes) nahm lange eine diagnostische Schlüsselstellung ein. Prospektive epidemiologische Daten belegen überaus konsistent, dass das absolute Frakturrisiko mit abfallenden Knochendichtemesswerten exponentiell ansteigt [5]. Ebenso zeigen sehr niedrige Knochendichtemesswerte mit zunehmendem Alter einen exponentiellen Zuwachs. Ein Expertenkonsens im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfahl auf dieser Datengrundlage die Diagnose einer Osteoporose bei Unterschreiten eines Knochendichtemesswertes um mehr als 2,5 Standardabweichungen (T-Score <–2,5) unterhalb des Referenzwertes für junge gesunde Frauen. Die Definition einer manifesten Osteoporose erfordert zusätzlich, dass bereits Knochenbrüche (nach dem 50. Lebensjahr bzw. bei Frauen nach der Menopause) aufgetreten sind [1, 6]. Inzwischen hat sich gezeigt, dass eine präzise Voraussage des Frakturrisikos mit der Knochendichtemessung allein nicht möglich ist [1, 7]. Der über einige Jahre praktizierte breite Einsatz der Knochendichtemessung zum Osteoporosescreening ist daher mittlerweile umstritten [8]. In aktuellen evidenzbasierten Leitlinienempfehlungen zur Osteoporose wird stattdessen ein multidimensionales Case-Finding zur Identifizierung von frakturgefährdeten Personen empfohlen [9, 10, 11, 12, 13]. Bis zur erfolgreichen Umsetzung dieser Case-Finding-Strategien und der Etablierung von Qualitätsstandards ist von einer hohen Versorgungsvariabilität im Zusammenhang mit dem Gesundheitsproblem Osteoporose auszugehen. Anekdotische Berichte, klinische Fallserien und Verordnungsanalysen im In- und Ausland weisen drauf hin, dass diese Versorgungsvariabilität Aspekte der Unter- als auch der Fehl- und Überversorgung umfasst [14, 15].

Vor diesem Hintergrund wurden im GSTel03 für Frauen ab 45 Jahren Fragen zur Osteoporose aufgenommen. Auf der Grundlage einer repräsentativen Stichprobenuntersuchung werden beschrieben: (1) die Prävalenz (Verbreitung) einer ärztlichen Diagnose Osteoporose nach Alter, Sozial- und Migrationsstatus sowie nach alten und neuen Bundesländern; (2) die Validität dieser Diagnose, gemessen an der Assoziation zu etablierten Risikofaktoren für Fragilitätsfrakturen; (3) der querschnittliche Zusammenhang zu subjektiver Gesundheit und selbst berichteter gesundheitlicher Einschränkung, Arzneimittelanwendung und Inanspruchnahme medizinischer Leistungen.

Methoden

Höheres Lebensalter, weibliches Geschlecht und Absinken der Östrogenproduktion um die Menopause sind wesentliche Determinanten des Osteoporoserisikos [2, 3]. Daher wurden Fragen zur Osteoporose im Computer-assistierten Telefoninterview (CATI) des GSTel03 auf Frauen ab 45 Jahren beschränkt und im Zusammenhang mit der Einnahme von irgendwelchen Mitteln (ärztliche Verordnungen oder Selbstmedikation; therapeutisch oder vorbeugend) gegen Osteoporose und der Menopause erfragt (Übersicht 1). Nur in der Untergruppe der Frauen, die eine Einnahme von Mitteln gegen Osteoporose bejahten, wurde zusätzlich spezifisch nach Einnahme ärztlich verordneter Medikamente gefragt. Den Nenner für die hier berichtete Prävalenz zur postmenopausalen Hormontherapie bildet die Untergruppe der Frauen im Alter ab 45 Jahren, die die folgende Frage bejahten: „Hat Ihre natürliche Regelblutung dauerhaft aufgehört, d. h. befinden Sie sich in der sog. Menopause?“ Der Fragenkomplex zur Osteoporose (Übersicht 1) umfasste zusätzlich die Einnahme relevanter nahrungsergänzender Supplemente (Kalzium, Vitamin D) und die Knochendichtemessung als spezifische Leistung der ärztlichen Osteoporosediagnostik.

Übersicht 1: Auswahl der Fragen zu Osteoporose im GSTel03

Fragestellung

Nehmen Sie irgendwelche Mittel gegen Osteoporose ein, wenn auch nur vorbeugend?

Ja/Nein

Hat Ihr Arzt bei Ihnen eine Osteoporose festgestellt?

Ja/Nein

Nehmen Sie auch ärztlich verordnete Medikamente gegen Osteoporose ein, ggf. vorbeugend?

Ja/Nein

Hat ein Arzt bei Ihnen jemals eine so genannte Knochendichtemessung durchgeführt?

Ja/Nein

Hat ein Arzt bei Ihnen jemals einen Osteoporose-bedingten Knochenbruch festgestellt?

Ja/Nein

Nehmen Sie nahrungsergänzend Kalziumpräparate ein?

Ja, regelmäßig/Ja, gelegentlich/Nein

Werden diese Mittel von der Krankenkasse bezahlt, wenn auch nur zum Teil?

Ja/Nicht alle Präparate/Nein

Nehmen Sie nahrungsergänzend Vitamin-D-Präparate ein?

Ja, regelmäßig/Ja, gelegentlich/Nein

Werden diese Mittel von der Krankenkasse bezahlt, wenn auch nur zum Teil?

Ja/Nicht alle Präparate/Nein

Nehmen Sie weibliche Sexualhormone, d. h. Östrogene ein? Dazu gehört z. B. auch „die Pille“.

Ja/Nein

Werden diese Mittel von der Krankenkasse bezahlt, wenn auch nur zum Teil?

Ja/Nicht alle Präparate/Nein

Die Frage zur Diagnose einer Osteoporose diente als Filter; nur Frauen, die diese Frage positiv beantworteten, wurden weiter befragt, ob ein Arzt jemals einen Osteoporose-bedingten Knochenbruch diagnostiziert habe. Dabei wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nur auf Osteoporose zurückgeführte Knochenbrüche gemeint sind. In die gegenwärtige Auswertung wurden 2330 (98,3%) von insgesamt 2371 CATI-Teilnehmerinnen im Alter ab 45 Jahren eingeschlossen, die beide Fragen eindeutig, d. h. mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet hatten. Anhand der vorliegenden Informationen wurde eine disjunkte Einteilung der Studienpopulation in 3 Gruppen vorgenommen:

  • Frauen ohne ärztliche Osteoporosediagnose (n=1998),

  • Frauen mit ärztlich diagnostizierter Osteoporose (n=284),

  • Frauen mit ärztlich diagnostizierter Osteoporose und Osteoporose-bedingten Knochenbrüchen (n=48).

Für die soziodemographische Beschreibung der Stichprobe wurden das Alter und die Schichtzugehörigkeit betrachtet. Die Beschreibung möglicher Altersdifferenzen erfolgte anhand von 4 Altersgruppen (45–54 Jahre, 55–64 Jahre, 65–74 Jahre und 75+ Jahre). Zur Charakterisierung des sozioökonomischen Status wurden die Merkmale Bildung, Berufsposition sowie das Haushaltseinkommen für die Bildung des modifizierten Schichtindex nach Winkler [16] eingesetzt. Des Weiteren erfolgte ein Vergleich nach Wohnort in den neuen bzw. alten Bundesländern und nach dem Migrationshintergrund.

Auf der Grundlage der im GSTel03 zusätzlich erhobenen Daten konnten einige Variablen zu einer externen Validierung des Konstruktes Osteoporose herangezogen werden. Als Indikator für das Vorliegen osteoporotischer Wirbeleinbrüche gilt eine signifikante Abnahme der Körpergröße um mehrere Zentimeter über wenige Jahre oder seit dem 25. Lebensjahr [17, 18]. Daher wurde die Frage „Sind Sie seit dem 25. Lebensjahr um mehr als 5 cm kleiner geworden?“ aufgenommen. Ein niedriger Body-Mass-Index (BMI) und das Vorliegen einer rheumatoiden Arthritis (RA) zählen zu den etablierten Risikofaktoren für Fragilitätsfrakturen [19, 20, 21, 22, 23, 24]. Der BMI wurde anhand der Selbstangaben zu Körpergröße in cm und aktuellem Körpergewicht in kg berechnet [BMI=Körpergewicht (in kg)/Quadrat der Körpergröße (in m2)]. Unter Berücksichtigung der bei Selbstangabe von Körpergröße und -gewicht zu erwartenden Verzerrungen wurden die berechneten BMI-Werte über eine Schätzformel adjustiert [25]. Der Korrekturfaktor wurde aus Daten einer Unterstichprobe von Teilnehmern des Bundes-Gesundheitssurveys 1998 (BGS98) errechnet. Die Definition einer RA stützte sich auf die Grundlage folgender Frage: „Wurde bei Ihnen jemals von einem Arzt eine Arthritis, rheumatische Arthritis oder chronische Polyarthritis festgestellt?“ Der Interviewer gab bei dieser Frage weitere Synonyme an (rheumatoide Arthritis; chronisch-progressive Polyarthritis) und wies ausdrücklich darauf hin, dass nicht gemeint ist, „was im Volksmund unter Rheuma verstanden wird“.

Bei allen Studienteilnehmern des GSTel03 wurden die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen [Arztbesuch in den letzten 3 Monaten; Anzahl der Nächte im Krankenhaus in den letzten 12 Monaten; jemals Rehabilitationsmaßnahmen, Anschlussheilbehandlung (AHB), Kur] und Teilnahme an Selbsthilfegruppen sowie gesundheitliche Einschränkungen erfragt. Letzteres umfasste Screeningfragen aus dem europäischen Gesundheitsmodul, von denen die Frage nach der subjektiven Einschätzung der eigenen Gesundheit anhand einer 5er-Skala (sehr gut; gut; mittelmäßig; schlecht; sehr schlecht) sowie eine Frage nach der Einschränkung der üblicherweise verrichteten Tätigkeiten durch gesundheitliche Probleme im Zusammenhang mit Osteoporose ausgewertet wurden [26].

Die dargestellten Ergebnisse zur Prävalenz der Osteoporose und assoziierter Faktoren sind durch Survey-spezifische Gewichtungsfaktoren an die Struktur der deutschen Wohnbevölkerung aus dem Jahr 2003 angeglichen. Die Stärke der Assoziation zwischen Osteoporose und den verschiedenen diskreten Variablen wurde über die Errechnung der Odds Ratio (OR) mit 95%-Konfidenzintervall (KI) in logistischen Regressionsmodellen unter Einschluss von Alter als Kovariable ermittelt. Aufgrund der geringen Fallzahlen wurde hierbei nicht weiter zwischen Osteoporose mit und ohne Frakturen unterschieden. Alle Auswertungen erfolgten mit SPPS (Version 12). Zur Interpretation statistischer Tests wurde ein Signifikanzniveau von p<0,05 (2-seitige Tests) festgelegt.

Ergebnisse

Verbreitung

Die Prävalenz einer ärztlich diagnostizierten Osteoporose mit und ohne Knochenbrüche nach wesentlichen soziodemographischen Charakteristika der Studienpopulation ist in Tabelle 1 dargestellt. Bei einer gewichteten Prävalenz der Osteoporose von insgesamt 14,2% bei Frauen ab dem 45. Lebensjahr gab nur ein kleiner Anteil (rund 15%) der Frauen mit Osteoporose an, bislang auch Knochenbrüche erlitten zu haben. Für Osteoporose mit und ohne Knochenbrüche zeigte sich eine deutliche Zunahme mit dem Lebensalter. Im Vergleich zu Frauen in der Altergruppe 45–54 Jahre (Referenz) verdoppelte sich die Odds Ratio (OR) dabei alle 5 Jahre (OR und 95%-KI: 3,41 (2,15–5,42); 6,37 (4,10–9,89); 12,29 (7,85–19,24)) für Frauen der Altergruppen 55–64, 65–74 und ab 75 Jahren aufwärts. Es bestand zudem eine höhere Verbreitung für Osteoporose in den unteren Sozialschichten und in den alten gegenüber den neuen Bundesländern, wobei diese Zusammenhänge nach Korrektur für Altersunterschiede nicht statistisch signifikant waren (Daten nicht gezeigt). Unabhängig vom Einfluss des Lebensalters wiesen Frauen mit Migrationshintergrund eine höhere Prävalenz der Osteoporose (mit und ohne Frakturen) auf als Nicht-Migrantinnen (OR und 95%-KI: 1,68; 1,07–2,63).

Tabelle 1 Prävalenz einer ärztlich diagnostizierten Osteoporose mit und ohne Frakturen nach soziodemographischen Merkmalen bei Frauen ab 45 Jahren

Externe Konstruktvalidierung

Tabelle 2 und Abb. 1 veranschaulichen die Assoziation zwischen Osteoporose und den aus den Daten abzubildenden starken Risikofaktoren für osteoporotische Knochenbrüche sowie einer signifikanten Abnahme der Körpergröße als Indikator für osteoporotische Wirbeleinbrüche. Sowohl eine Abnahme der Körpergröße um mehr als 5 cm seit dem jungen Erwachsenenalter als auch eine bestehende ärztliche Diagnose rheumatoide Arthritis (RA) waren signifikant mit Osteoporose assoziiert (Tabelle 2). Unabhängig vom Lebensalter waren Frauen mit entsprechender Größenabnahme mehr als doppelt so häufig (altersadjustierte Odds Ratio: 2,29; 95%-KI: 1,69–3,11), Frauen mit RA nahezu 4fach (altersadjustierte Odds Ratio: 3,82; 95%-KI: 2,74–5,34) häufiger von Osteoporose betroffen als Frauen ohne die entsprechenden Merkmale (Abb. 1). Zwischen Osteoporose (mit und ohne Frakturen) und einem niedrigen Körpergewicht konnte kein signifikanter Zusammenhang gesichert werden (Abb. 1). Dies galt, obwohl verschiedene Trennwerte des BMI betrachtet wurden (≥20 vs. <20; ≥25 vs. <25).

Tabelle 2 Verteilung von starken Frakturrisikofaktoren bzw. signifikanter Abnahme der Körpergröße als Indikator für Wirbeleinbrüche in Assoziation mit ärztlich diagnostizierter Osteoporose mit und ohne Frakturen bei Frauen ab 45 Jahren
Abb. 1
figure 1

Altersadjustierter Zusammenhang zwischen ärztlich diagnostizierter Osteoporose (mit und ohne Frakturen kombiniert) und starken Frakturrisikofaktoren bzw. signifikanter Abnahme der Körpergröße als Indikator für Wirbeleinbrüche bei Frauen ab 45 Jahren (altersadjustierte OR und 95%-KI)

Subjektiver Gesundheitsstatus

Eine subjektive Beurteilung des allgemeinen Gesundheitszustandes als „schlecht“ bis „sehr schlecht“ wurde von deutlich mehr Frauen mit als ohne Osteoporose angegeben (Tabelle 3). Der Anteil lag dabei am höchsten bei Frauen mit manifester Osteoporose. Dem gleichen Muster folgte die Angabe einer starken, durch gesundheitliche Probleme bedingten Einschränkung üblicher Tätigkeiten in den letzten 6 Monaten. Im altersadjustierten Modell wiesen Frauen mit entsprechenden Einschränkungen jeweils eine 2- bis 3fach höhere Odds Ratio für Osteoporose auf (Abb. 2).

Tabelle 3 Verteilung selbst berichteter gesundheitlicher Einschränkungen (Screeningfragen aus dem European Health Module) in Assoziation mit ärztlich diagnostizierter Osteoporose mit und ohne Frakturen bei Frauen ab 45 Jahren
Abb. 2
figure 2

Altersadjustierter Zusammenhang zwischen ärztlich diagnostizierter Osteoporose (mit und ohne Frakturen kombiniert) und selbst berichteter gesundheitlicher Einschränkung (Screeningfragen aus dem European Health Module) bei Frauen ab 45 Jahren (altersadjustierte OR und 95%-KI)

Inanspruchnahme medizinischer Leistungen

Das Vorliegen einer Osteoporose war signifikant mit allen betrachteten Merkmalen der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen assoziiert (Tabelle 4). Dies galt insbesondere für die Osteoporose-spezifische Leistung Knochendichtemessung. In allen Fällen verblieb ein statistisch signifikanter Zusammenhang, unabhängig vom Einfluss des Lebensalters (Abb. 3).

Tabelle 4 Verteilung selbst berichteter Inanspruchnahme spezifischer und allgemeiner medizinischer Leistungen sowie Selbsthilfegruppenteilnahme in Assoziation mit ärztlich diagnostizierter Osteoporose mit und ohne Frakturen bei Frauen ab 45 Jahren
Abb. 3
figure 3

Altersadjustierter Zusammenhang zwischen ärztlich diagnostizierter Osteoporose (mit und ohne Frakturen kombiniert) und selbst berichteter Inanspruchnahme spezifischer und allgemeiner medizinischer Leistungen bzw. Selbsthilfegruppenteilnahme bei Frauen ab 45 Jahren (altersadjustierte OR und 95%-KI)

Arzneimittel

Der Zusammenhang zwischen Osteoporosestatus und Einnahme relevanter Arzneimittel einschließlich Nahrungsergänzungsmitteln und postmenopausaler Hormontherapie sind in Tabelle 5 und Abb. 4 zusammengefasst.

Tabelle 5 Verteilung selbst berichteter Einnahme relevanter Arzneimittel sowie regelmäßiger Anwendung von Nahrungsergänzungsmitteln in Assoziation mit ärztlich diagnostizierter Osteoporose mit und ohne Frakturen bei Frauen ab 45 Jahren
Abb. 4
figure 4

Altersadjustierter Zusammenhang zwischen ärztlich diagnostizierter Osteoporose (mit und ohne Frakturen kombiniert) und selbst berichteter Einnahme relevanter Arzneimittel sowie regelmäßiger Anwendung von Nahrungsergänzungsmitteln bei Frauen ab 45 Jahren (altersadjustierte OR und 95%-KI)

Rund 15% der Frauen ohne eine Osteoporosediagnose gaben an, Mittel gegen Osteoporose (auch nur vorbeugend) einzunehmen. Demgegenüber waren dies 56% der Frauen mit Osteoporose bzw. 79% der Frauen mit manifester Osteoporose (Tabelle 5). Betrachtet man den Anteil an ärztlich verordneten Osteoporosemitteln, so betrug dieser ein Drittel in der Gruppe der Frauen ohne Osteoporose, rund drei Viertel bei Frauen mit Osteoporose und rund 90% bei Frauen mit manifester Osteoporose (Tabelle 5). Eine regelmäßige Einnahme von Kalzium- und/oder Vitamin-D-Supplementen berichteten zwar deutlich mehr Frauen mit als ohne Osteoporose, insbesondere Frauen mit manifester Osteoporose. Jedoch selbst unter Letzteren betrug der Anteil nur 60% für die Einnahme von Kalzium-Supplementen allein (Tabelle 5) bzw. 17% für die Einnahme sowohl von Kalzium als auch Vitamin D (Daten nicht gezeigt) . Eine Erstattung dieser Präparate durch die Krankenkassen erfolgte unter Frauen mit Osteoporose in knapp einem Drittel (Kalzium) bzw. 40–50% (Vitamin D) der Fälle gegenüber jeweils 16% in der Gruppe von Frauen ohne Osteoporosediagnose (Daten nicht gezeigt).

Unter den als postmenopausal definierten Frauen berichteten insgesamt 17% eine aktuelle Hormontherapie. Nur bei Frauen mit Osteoporose-bedingten Frakturen lag dieser Anteil deutlich niedriger, wobei die Fallzahlen extrem gering sind (Tabelle 5).

Nach Korrektur für den Einfluss des Lebensalters verblieb eine starke und positive Assoziation zwischen Osteoporosediagnose und ärztlich verordneter oder selbst indizierter Einnahme von Arzneimitteln gegen Osteoporose. Zusätzlich wurde ein statistisch signifikanter und schwach positiver Zusammenhang (altersadjustierte Odds Ratio: 1,43; 95%-KI: 1,01–2,03) zwischen Osteoporosestatus und postmenopausaler Hormontherapie erkennbar (Abb. 4).

Diskussion

Nach den vorliegenden Ergebnissen des ersten bundesweiten telefonischen Gesundheitssurveys betrug die Lebenszeitprävalenz einer ärztlich diagnostizierten Osteoporose bei Frauen ab 45 Jahren insgesamt rund 14%. Über das erfasste Altersspektrum (ab 45 Jahre) stieg der Punktschätzer signifikant um den Faktor 10, d. h. von 4% unter den 45- bis 54-Jährigen auf fast 30% unter Frauen ab 75 Jahren. Migrantinnen waren unabhängig vom Alter signifikant häufiger betroffen als in Deutschland geborene Frauen, wohingegen sonst keine Unterschiede nach soziodemographischen Merkmalen beobachtet wurden.

Der vorliegenden Analyse liegt ein bundesweiter Telefonsurvey zugrunde. Durch eine Optimierung der Methodik (Stichprobenziehung nach dem Gabler-Häder-Design und Einsatz der Next-Birthday-Methode) wurde versucht, Selektionseffekte zu minimieren. Der Einsatz eines bewährten und hochstandardisierten Software-Programms gewährleistete eine methodisch saubere Stichprobenrealisierung (s. Beitrag von M. Kohler et al. im vorangehenden Heft). In Verbindung mit der Gewichtung der beobachteten Prävalenzschätzer lassen sich prinzipiell auf dieser Basis Aussagen treffen, die für erwachsene Frauen der betrachteten Altersgruppen in Deutschland repräsentativ sind.

Aufgrund der Erhebungsmethode eines Telefonsurveys sind einige methodische Einschränkungen gegeben. So ist es wahrscheinlich, dass Frauen mit schwerer oder fortgeschrittener Osteoporose unterrepräsentiert sind, da z. B. institutionalisierte Personen (Krankenhäuser, Pflege- und Altenheime) nicht in der Zielgruppe der Befragung enthalten waren. Dies wäre eine Erklärung dafür, dass die hier beobachtete Prävalenz einer manifesten Osteoporose (also Osteoporose in Kombination mit bereits aufgetretenen Knochenbrüchen) mit insgesamt rund 2% sehr niedrig ausfiel. In die gleiche Richtung kann die Filterführung bei der Frage nach der Diagnose Osteoporose-bedingter Knochenbrüche beigetragen haben, bei der nur Frauen mit der Diagnose Osteoporose auch nach der Diagnose Osteoporose-bedingter Knochenbrüche gefragt wurden. In der deutschen Studienpopulation der europäischen Studie zur vertebralen Osteoporose (EVOS) berichteten insgesamt 10% der Männer und 19% der Frauen im Alter von 50–79 Jahren aus 8 Regionen Deutschlands über „osteoporoseverdächtige“ Frakturereignisse, d. h. Knochenbrüche jenseits des 45. Lebensjahres ohne größeres Trauma. Eine vertiefende Auswertung bei 555 EVOS-Teilnehmern mit kompletten Fraktur- und Knochendichtemessdaten im Studienzentrum Heidelberg ergab Einschätzungen zur Prävalenz der manifesten Osteoporose von 5,1–22,8% bei Frauen und 1,2–5,8% bei Männern in der jeweils niedrigsten bis höchsten Altersdekade [27, 28, 29, 30].

Im Rahmen von Telefonsurveys besteht keine Möglichkeit, die Angaben der Befragten anhand diagnostischer Kriterien zu überprüfen. Die Selbstangaben zur Diagnose Osteoporose sind bestenfalls so valide wie die zugrunde liegende ärztliche Diagnose. Angesichts der bekannten Schwierigkeiten im Bereich der Diagnostik und medizinischen Versorgung der Osteoporose [7, 14, 15] ist mit Misklassifikation in beide Richtungen, also sowohl mit Über- als auch Unterdiagnose zu rechnen. Trotz dieser methodischen Einschränkungen zeigte die hier beobachtete Einschätzung der Osteoporoseprävalenz eine gute Übereinstimmung mit Schätzungen aus dem National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) III bei über 50-jährigen weißen US-Amerikanerinnen; basierend auf Knochendichtemessungen wird hier je nach Messlokalisation eine Osteoporoseprävalenz von 13–20% berichtet [31]. Entsprechende Untersuchungen in einem Teilkollektiv der deutschen EVOS-Studienpopulation kommen zu Prävalenzeinschätzungen, die zwischen 15 und nahezu 50% liegen, und weisen darauf hin, dass neben dem Messort auch die zugrunde liegenden Referenzwerte zu erheblicher Variabilität der Schätzung beitragen [30, 32].

In der vorliegenden Studie konnten einige bekannte Risikofaktoren für Fragilitätsfrakturen zur externen Validierung des Konstruktes Osteoporose herangezogen werden. Die RA zählt zu den bekannten Ursachen für eine sekundäre Osteoporose. Ursächlich spielen vermutlich sowohl skelettäre Entzündungsprozesse, eingeschränkte Mobilität als auch die häufige und lang andauernde Einnahme von Glukokortikoiden eine Rolle. Ein mindestens doppelt so hohes Risiko für Osteoporose und Osteoporose-typische Knochenbrüche (insbesondere Wirbeleinbrüche und hüftgelenksnahe Frakturen) bei Frauen mit rheumatoider Arthritis ist in mehreren Fall-Kontroll-Studien gut belegt worden [21, 22]. Mittels telefonischer Befragung ist eine differenzierte Erfassung von RA, Arthritiden anderer Ursache oder auch degenerativer Gelenkerkrankungen nicht zu erwarten. Die im GSTel03 beobachtete Gesamtprävalenz für eine Arthritis oder RA bei Frauen ab 45 Jahren liegt wesentlich höher als Schätzungen zur RA aus bevölkerungsbezogenen Untersuchungen mit spezifischeren diagnostischen Kriterien [33]. Trotz dieser möglichen Überschätzung wird in der vorliegenden Analyse eine starke, querschnittliche Assoziation zwischen Osteoporose und Arthritis/rheumatoider Arthritis beobachtet. Hier könnte sich daher auch der Einfluss steroidaler Antiphlogistika reflektieren [34]. Im GSTel03 wurden hierzu keine Daten erhoben. Darüber hinaus ist ein diagnostischer Bias nicht auszuschließen. So könnten Frauen mit entsprechenden Beschwerden aufgrund der eingeschränkten Mobilität ganz bestimmte Facharztgruppen (Rheumatologen, Orthopäden) aufsuchen, die aufgrund vorhandener Diagnostik häufiger eine Osteoporose diagnostizieren, möglicherweise auch überdiagnostizieren.

Frauen mit stark erniedrigter Knochendichte haben ein hohes Risiko für osteoporotische Wirbeleinbrüche [7, 24, 35]. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich schon andere Fragilitätsfrakturen ereignet haben. Ergebnisse quer- und längsschnittlicher epidemiologischer Studien bei europäischen, asiatischen und US-amerikanischen postmenopausalen Frauen zeigen übereinstimmend, dass bei Frauen mit deutlicher Abnahme (>4 cm) der Körpergröße seit dem 25. Lebensjahr eine hohe Wahrscheinlichkeit für osteoporotische Wirbelveränderungen gegeben ist [17]. Nach jüngsten Daten einer 3-jährigen Verlaufsbeobachtung von postmenopausalen Frauen aus der Placebogruppe einer Therapiestudie ist eine Abnahme der Körpergröße von mehr als 4 cm über 3 Jahre ein hochspezifischer Indikator für das Auftreten von Wirbelfrakturen [18]. Vor dem Hintergrund dieser Daten trägt der hier beobachtete, signifikante und altersunabhängige Zusammenhang zum Körpergrößenverlust zur Validierung des Konstruktes Osteoporose im GSTel03 bei.

Ein niedriges Körpergewicht oder ein niedriger BMI gelten übereinstimmend als einer der wesentlichen Risikofaktoren für eine niedrige Knochendichte und osteoporotische Frakturen [19, 20, 23, 24]. Im GSTel03 fand sich kein entsprechender Zusammenhang, obwohl verschiedene Schwellenwerte untersucht wurden. Entsprechende Auswertungen im BGS98 zeigen jedoch einen signifikanten Zusammenhang zwischen einer ärztlich diagnostizierten Osteoporose und niedrigem BMI, basierend auf standardisierten Messungen von Körpergröße und -gewicht. Unterhalb eines BMI von 25 kg/m2 verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit einer Osteoporosediagnose unabhängig vom Lebensalter. Interessanterweise ergab sich im BGS98 für die Prävalenz einer ärztlich diagnostizierten Osteoporose mit 13,3% ein nahezu identischer Punktschätzer (Public Use File BGS98, Bundes-Gesundheitssurvey 1998, Robert Koch-Institut, Berlin 2000, unveröffentlichte Daten). Eine fehlende Assoziation zwischen BMI und Osteoporose im GSTel03 kann demnach in der Erhebungsmethode (Selbstangabe von Körpergröße und -gewicht) wie auch in den Modellannahmen für die Korrektur begründet sein (s. dazu den Beitrag von G. Mensink et al. in diesem Heft).

Der hier beobachtete Zusammenhang zwischen Osteoporosediagnose und Migrationsstatus ist bislang kaum untersucht worden und nicht ohne weiteres erklärbar [36]. Es ist möglich, dass hier Unterschiede in der Häufigkeit sekundärer Osteoporoseformen, z. B. im Gefolge angeborener Störungen des Knochenstoffwechsels, zugrunde liegen. Ebenso könnten Unterschiede in der Lebensweise, hinsichtlich anthropometrischer und endokrin-reproduktiver Faktoren, genetische Polymorphismen oder veränderte Lebensbedingungen eine Rolle spielen.

Ergebnisse zahlreicher Studien belegen, dass osteoporotische Wirbeleinbrüche und hüftgelenksnahe Frakturen zu signifikanten Einschränkungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, zur Verschlechterung der Funktion im Alltag und zu einer höheren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen führen [2, 3, 37, 38, 39, 40]. Die Krankheitsfolgen anderer Fragilitätsfrakturen sind kaum untersucht [2, 3]. Für frühe Stadien der Osteoporose ohne Frakturen sind keine spezifischen Beschwerden oder Einschränkungen bekannt [3, 4]. Es ist daher wahrscheinlich, dass der im GSTel03 beobachtete altersunabhängige Zusammenhang zwischen Osteoporose und gesundheitlicher Einschränkung zumindest teilweise den Einfluss anderer Erkrankungen reflektiert, für die ein gehäuftes Auftreten mit Osteoporose beschrieben ist [2, 3, 41].

Mit den Fragen des GSTel03 wurden einige wenige versorgungsrelevante Aspekte der Osteoporose erfasst, die sämtlich und zumeist hochsignifikant mit der Diagnose Osteoporose korrelierten. Mit Ausnahme der postmenopausalen Hormontherapie bestand auch hier der jeweils stärkste Zusammenhang mit der manifesten Osteoporose. Aufgrund der weichen diagnostischen Kriterien und der eingeschränkten Möglichkeiten, z. B. Informationen über die Angemessenheit einer berichteten Knochendichtemessung oder zur Art der Arzneimittelanwendung zu erhalten, sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren. Die repräsentative Stichprobengrundlage liefert dennoch einige grundlegende Informationen, die in dieser Form bisher nicht erhoben wurden, z. B. zur Häufigkeit einer bislang durchgeführten Knochendichtemessung. Bemerkenswert ist, dass mehr als 40% der Frauen mit der Diagnose Osteoporose und 20% der Frauen mit fortgeschrittener Osteoporose angaben, keinerlei Mittel gegen die Erkrankung einzunehmen. Zudem erhielten offenbar bei weitem nicht alle Frauen in diesen Gruppen ärztlich verordnete Medikamente gegen Osteoporose, und nur ein Teil berichtete eine nahrungsergänzende Einnahme von Kalzium oder Vitamin D. Auf der Basis der verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz ist Letzteres jedoch zumindest bei Frauen mit manifester Osteoporose bislang als grundlegender Bestandteil jeder medikamentösen Therapie angesehen worden [9, 10, 11, 12, 13], auch wenn allerneueste Studienergebnisse eine neue Bewertung notwendig machen [42]. Eine postmenopausale Hormontherapie war nach Korrektur für das Lebensalter signifikant mit dem Vorliegen einer Osteoporose assoziiert — ein Hinweis darauf, dass Osteoporose als Indikation für die postmenopausale Hormonbehandlung noch eine Rolle spielt. Hier ist zu ergänzen, dass Empfehlungen der Fachgesellschaften und Einschränkungen der Zulassungsbehörden zur Indikation der postmenopausalen Hormonbehandlung in Reaktion auf die jüngsten Ergebnisse randomisierter und kontrollierter Studien zeitgleich mit bzw. auch nach der Durchführung des GSTel03 erschienen sind [43, 44].

Bei allen methodischen Limitationen weisen die vorliegenden Ergebnisse des GSTel03 darauf hin, dass es sich bei der Osteoporose um ein häufiges und versorgungsrelevantes Gesundheitsproblem bei Frauen über 45 Jahre in Deutschland handelt. In Ergänzung zu versorgungsepidemiologischen Studien ist ein bevölkerungsbezogenes Hintergrundmonitoring zur Häufigkeit von Fragilitätsfrakturen, relevanten Risikofaktoren und versorgungsrelevanten Eckdaten in zukünftigen Untersuchungssurveys zu empfehlen.