Traumatische Verletzungen der oberen Halswirbelsäule stellen eine besondere diagnostische und therapeutische Herausforderung dar. In diesem Beitrag werden die ligamentären Verletzungen der oberen Halswirbelsäule und ihre Therapie dargestellt. Bezüglich der Operationsverfahren zur Stabilisierung der oberen Halswirbelsäule bei Verletzungen und deren Folgezuständen sowie bezüglich der knöchernen Verletzungen sei auf weitere Fortbildungsbeiträge in Der Unfallchirurg verwiesen [9, 8, 10].

Häufigkeit

Rund 30% aller Halswirbelsäulenverletzungen entfallen auf die obere Halswirbelsäule. Die Häufigkeit der unterschiedlichen Verletzungen ist dabei abhängig vom Lebensalter der Patienten. So kann z. B. mit zunehmendem Lebensalter eine prozentuale Zunahme der Frakturen des 2. Halswirbelkörpers beobachtet werden: Bezogen auf alle Halswirbelsäulenverletzungen finden sich bei den unter 60-Jährigen in 21% Frakturen des 2. Halswirbelkörpers, bei den 60- bis 75-Jährigen in 28% und bei den über 75-Jährigen in 54% [7]. Für die Atlasverletzungen findet sich ein ähnliches Bild (unter 60-Jährige 4%, über 75-Jährige 13%). Auch die Art der Verletzung ist abhängig vom Lebensalter. Während bei jüngeren Patienten aufgrund der guten Knochenqualität häufiger ligamentäre Verletzungen auftreten, sind bei älteren Patienten die knöchernen Verletzungen führend.

Diagnostik

Anamnese und klinische Untersuchung

Die Anamnese bildet die Basis der Diagnostik, da sich abhängig vom Unfallmechanismus unterschiedliche Verletzungstypen der oberen Halswirbelsäule ergeben. So entstehen bei Stürzen nach vorne mit Kopfanpralltrauma regelhaft Hyperextensionsverletzungen , während bei einem Sturz nach hinten Hyperflexionsverletzungen auftreten. Der Inspektion und Palpation kommt eine besondere Bedeutung zu. Neben der inspektorisch zu evaluierenden Schiefhaltung des Kopfes und Halses, sind v. a. Begleitverletzungen wie Kinnwunden, Kopfplatzwunden oder Verletzungen im Gesichtsbereich wegweisend.

Ruhe- und belastungsabhängige Zervikalgien sind ebenso typisch wie die schmerzbedingte Bewegungseinschränkung der oberen Halswirbelsäule. Eine Ausstrahlung der Schmerzen in die Mandibularregion kann auf eine okzipitozervikale Beteiligung hinweisen. Palpatorisch ist die lokale Druckschmerzhaftigkeit als das Kardinalsymptom der oberen Halswirbelsäulenverletzung von Bedeutung. Eine detaillierte neurologische Untersuchung, einschließlich der Evaluation der Hirnnerven, ist bei jedem klinischen Verdacht auf eine Verletzung der oberen Halswirbelsäule selbstverständlich.

Bildgebende Diagnostik

Die konventionelle Röntgenuntersuchung der oberen Halswirbelsäule in 3 Ebenen (a.p., seitlich und transorale Densaufnahme) ist die Grundlage der bildgebenden Diagnostik. Die meisten Klassifikationssysteme basieren auf der konventionellen Röntgenuntersuchung. Konventionelle Schrägaufnahmen der oberen Halswirbelsäule haben hingegen bei den traumatischen Veränderungen praktisch keine Bedeutung mehr.

Von besonderer Bedeutung ist hingegen die funktionelle radiologische Untersuchung der oberen Halswirbelsäule. Die Indikation zur Funktionsuntersuchung der oberen Halswirbelsäule ist bei klinischem Verdacht auf eine Verletzung auch bei unauffälliger konventioneller Röntgenuntersuchung gegeben. Bei der funktionellen Untersuchung der oberen Halswirbelsäule werden 3 verschiedene Techniken unterschieden (Tab. 1):

Bei der aktiven Funktionsuntersuchung (aktive Funktionsaufnahme ) wird ein statisches Röntgenbild des Patienten in maximaler Funktionsstellung (Flexion, Extension oder Rechts- und Linksseitneigung) angefertigt, wobei der Patient die Bewegung der Halswirbelsäule selbständig (aktiv) vornimmt. Wesentlicher Nachteil dieser Untersuchungstechnik ist, dass bei eingeschränkter Compliance, starker Schmerzhaftigkeit oder fixierten Fehlstellungen der Halswirbelsäule die Aussagekraft der Untersuchung erheblich eingeschränkt ist.

Bei der passiven Funktionsuntersuchung, bei der der Untersucher die Halswirbelsäule des Patienten bewegt, werden eine statische und eine dynamische Form unterschieden:

Bei der passiven Funktionsuntersuchung mit statischem Röntgenbild bewegt der Untersucher die Halswirbelsäule des Patienten (geführte Funktionsaufnahme ) bis zur funktionellen Endstellung, bevor ein Röntgenbild angefertigt wird. Wesentlicher Nachteil dieser Untersuchungstechnik ist, dass nur eine Momentaufnahme der Halswirbelsäulenfunktion existiert und dass im ungünstigsten Fall Luxationen oder Dislokationen provoziert werden können.

Bei der passiven Funktionsuntersuchung mit dynamischer bildwandlergestützter Untersuchung (dynamische Funktionsaufnahme ) bewegt der Untersucher die Halswirbelsäule des Patienten unter kontinuierlicher Durchleuchtung. Dadurch kann die funktionelle Stabilität im gesamten Bewegungsausmaß evaluiert werden und Subluxationstendenzen frühzeitig erkannt werden. Die passive Funktionsuntersuchung unter Durchleuchtung stellt ein Standarddiagnostikum dar.

Die Computertomographie (CT) mit multiplanaren Rekonstruktionen sollte bei klinischem Verdacht auf eine Verletzung der oberen Halswirbelsäule immer durchgeführt werden, da Verletzungen der oberen Halswirbelsäule auf konventionellen Bildern häufig nicht erkannt oder unterschätzt werden [2]. Die CT erlaubt eine genaue Beurteilung des knöchernen Ausmaßes der Verletzung und ist für die Klassifikation von Halswirbelsäulenverletzungen von großer Bedeutung. Die Angio-CT (Angio-MRT) ist bei Verletzungen, die mit einer Läsion der A. vertebralis einhergehen könnten, oder vor operativen Eingriffen an der oberen Halswirbelsäule sinnvoll.

Die Magnetresonanztomographie (MRT) erlaubt besonders die Darstellung von diskoligamentären, neuronalen und vaskulären Strukturen. Die Indikation besteht bei Verdacht auf eine diskoligamentäre Instabilität C2/3 in der funktionsradiologischen Untersuchung sowie einem Verdacht auf eine ligamentäre Instabilität. Auch bei einer neurologischen Ausfallssymptomatik sollte eine MRT durchgeführt werden.

Tab. 1 Charakteristika der radiologischen Funktionsuntersuchung der Halswirbelsäule

Ligamentäre Instabilitäten der oberen Halswirbelsäule

Die traumatischen ligamentären Instabilitäten der oberen Halswirbelsäule sind selten. Sie können in 4 Hauptgruppen unterteilt werden:

  • die okzipitozervikale Dislokation,

  • die translatorische atlantoaxiale Instabilität,

  • die axiale atlantoaxiale Instabilität,

  • die rotatorische atlantoaxiale Instabilität.

Okzipitozervikale Dislokation

Okzipitozervikale Dislokationen werden nur selten überlebt. Schätzungsweise erreichen nur ca. 1/3 der Patienten die Klinik.

Einteilung

Vorrausetzung für das Zustandekommen einer okzipitozervikalen Dislokation ist eine subtotale oder komplette Zerreißung der okzipitozervikalen Bänder (von dorsal nach ventral sind dies: Membrana atlano-occipitalis posterior, Membrana tectoria, Fasciculi longitudinalis Ligg. alaria, Lig. apicis dentis, Gelenkkapsel der Articulatio atlantooccipitalis, Membrana atlantooccipitalis anterior). Die okzipitozervikalen Dislokationen werden nach Harris [5] eingeteilt, wobei die Dislokationsrichtung des Okziputs gegenüber der Halswirbelsäule die entscheidende Rolle spielt. Beim Typ 1 ist das Okziput nach anterior, beim Typ 2 nach posterior und beim Typ 3 axial (kranial) disloziert (Abb. 1). Auch ein Typ 4, der nach lateral disloziert ist, wurde beschrieben [6]. Therapeutisch haben diese Einteilungen jedoch nur geringe Bedeutung, da es sich dabei um Momentaufnahmen der Instabilitätsrichtung handelt, die bei Lageänderung differieren können.

Abb. 1
figure 1

Einteilung der okzipitozervikalen Dislokation nach Harris [5]

Diagnostik

Häufig kann bereits in der konventionellen Röntgenaufnahme die Fehlstellung erkannt werden (Abb. 2). Begleitverletzungen wie Okzipitalkondylenfrakturen vom Typ 3 nach Anderson und Montesano, Densfrakturen vom Typ 1 nach Anderson und D’Alonzo oder knöcherne Ausrisse der Gelenkkapsel des Okzipitozervikalgelenks sind häufig und können am besten anhand von CT-Untersuchungen evaluiert werden. Die funktionsradiologische Untersuchung (dynamisches Funktionsröntgen) erbringt in fraglichen Situationen den Beweis für die ligamentäre Instabilität. Die MRT zeigt die Lokalisation und das Ausmaß der Bandläsionen und ggf. der neurologischen Schädigung.

Abb. 2
figure 2

Konventionelles Röntgenbild einer 57-jährigen Frau (schweres Polytrauma, PTS 4) mit okzipitozervikaler Dislokation mit anteriorer Translation des Okziputs (Typ 1 nach Harris). Außerdem zeigt sich eine partielle axiale atlantoaxiale Instabilität mit sekundärer atlantoaxialer Kyphose. Die Patientin verstirbt noch im Schockraum an den multiplen Verletzungen

Standardtherapie

Beim Vorliegen einer okzipitozervikalen Instabilität ist zunächst die geschlossene Reposition im Halo-Fixateur erforderlich, zeitnah sollte dann eine posteriore okzipitozervikale Fusion durchgeführt werden. Auch eine primäre operative Fixierung kann sinnvoll sein.

Besonderheiten

Auch eine Ausdehnung der Fixationsstrecke über den 2. Halswirbelkörper nach kaudal hinaus, kann speziell bei schlechter Knochenqualität sinnvoll sein, um eine verbesserte Fixation zu erhalten. Wichtig ist die korrekte Einstellung des Okziputs zur Halswirbelsäule, um einen natürlichen Blickwinkel zu erzielen.

Axiale atlantoaxiale Instabilität

Häufigkeit

Die axiale atlantoaxiale Instabilität ist sehr selten. Bisher sind nur ca. 8 Fälle in der Literatur beschrieben.

Einteilung

Die axiale atlantoaxiale Instabilität entsteht durch eine axiale Translation zwischen Atlas und Axis. Dabei kommt es zur Zerreißung der atlantoaxialen (Lig. supra- und intraspinale, Lig. flavum, Gelenkkapsel der Articulatio atlantoaxiale laterale) und der okzipitoaxialen Bandverbindungen (Fasciculi longitudinalis Ligg. alaria, Lig. apicis dentis). Daher wird diese Pathologie von einigen Autoren auch zu den okzipitozervikalen Instabilitäten (okzipitoaxiale Dislokation ) gezählt (Abb. 2). Die Einteilung der axialen atlantoaxialen Instabilität ist uneinheitlich. Es wurden inkomplette von kompletten Formen mit und ohne Translation unterschieden [11]. Entscheidend dürfte der Unterschied zwischen inkompletten und kompletten Formen sein (Abb. 3), da die Translationsrichtung aufgrund der hochgradigen Instabilität positionsabhängig und damit variabel ist.

Abb. 3
figure 3

Einteilung der axialen atlantoaxialen Instabilität

Diagnostik

Bereits in der konventionellen Röntgendiagnostik ist die ausgeprägte Instabilität bei kompletter axialer atlantoaxialer Instabilität leicht zu erkennen (Abb. 4). Die CT kann knöcherne Bandausrisse dokumentieren. Von entscheidender Bedeutung ist bei unklaren Befunden aber erneut die funktionsradiologische Untersuchung (dynamisches Funktionsröntgen), die den Beweis für die ligamentäre Instabilität unter axialem Zug erbringt. Kernspintomographisch können die Bandläsionen und die neurogenen Strukturen des okzipitozervikalen Übergangs dargestellt werden (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

72-jähriger Patient mit kompletter axialer atlantoaxialer Instabilität. Konventionelles Röntgenbild (a) und sagittale und frontale 2D-Rekonstruktionen (b–d) die das Ausmaß der Instabilität zeigen. Beachte den knöchernen Ausriss des Lig. apicis dentis (b, durchgehender Pfeil) und der Ligg. alaria (d, durchgehender Pfeil). Geschlossene Reposition und Retention im Halo-Fixateur unter Bildverstärkerkontrolle (e). Die magnetresonanztomographische Kontrolle nach der Reposition dokumentiert die ligamentäre Instabilität (f, g; mit Zerreißung auch des Lig. transversum atlantis) und die Integrität der neurogenen Strukturen, leider aber auch die ausgedehnten intrazerebralen Läsionen (h) an denen der Patient 6 Tage nach dem Unfall verstirbt

Standardtherapie

Die Therapie der axialen atlantoaxialen Instabilität besteht zunächst in der geschlossenen Reposition und ggf. temporären Stabilisation im Halo-Fixateur (Abb. 4), gefolgt von einer okzipitoatlantoaxialen Spondylodese .

Besonderheiten

Obwohl die initiale bildgebende Diagnostik häufig dramatisch aussehende Bilder liefert, die auch eine Zerreißung neurogener Strukturen auf der Läsionshöhe nahe legen, ist dies bisher in der Literatur nicht beschrieben worden (Abb. 4). Im Gegenteil: Die meisten Patienten hatten nur geringe spinale neurologische Ausfälle. Für einige Patienten waren aber die begleitenden Kopfverletzungen limitierend (Abb. 4).

Translatorische atlantoaxiale Instabilität

Häufigkeit

Traumatische translatorische Instabilitäten sind selten, da das Lig. transversum atlantis den auftretenden Kräften in der Regel größeren Widerstand entgegenbringt als der Dens axis.

Einteilung

Eine translatorische atlantoaxiale Instabilität entsteht durch eine Zerreißung oder den knöchernen Ausriss des Lig. transversum atlantis. Die Einteilung erfolgt nach Caffinière ([3]; Abb. 5) unter Berücksichtigung des sog. anterioren atlantodentalen Intervall (AADI). Das AADI wird dabei zwischen Hinterrand des vorderen Atlasbogens und dem Vorderrand des Dens axis bestimmt, wobei eine Distanz bis zu 3 mm einem Normalwert entspricht. Bei der Typ-1-Instabilität nach Caffinière findet sich ein AADI von 4–5 mm, beim Typ 2 von 6–10 mm und beim Typ 3 von 11–15 mm.

Abb. 5
figure 5

Einteilung der translatorischen atlantoaxialen Instabilität nach Caffinière [3]

Diagnostik

In der konventionellen Röntgendiagnostik kann gelegentlich bereits die Instabilität erkannt werden. Die CT kann knöcherne Bandausrisse dokumentieren (Abb. 6). Von entscheidender Bedeutung ist aber erneut die funktionsradiologische Untersuchung (dynamisches Funktionsröntgen), die den Beweis für die ligamentäre Instabilität erbringt. Kernspintomographisch kann das Band und damit die Läsionslokalisation dargestellt werden.

Abb. 6
figure 6

Axiale CT-Schnitte (a, b) und frontale 2D-CT-Rekonstruktion (c, d) eines 52-jährigen Patienten mit knöchernem Bandausriss des Lig. transversum atlantis. Nach 6-wöchiger konservativer Therapie in der harten Zervikalorthese zeigt sich in den axialen CT-Schnitten (e, f) eine knöcherne Einheilung des Fragments

Standardtherapie

Unter therapeutischen Gesichtspunkten ist die Unterscheidung zwischen knöchernen Bandausrissen (Abb. 6) und interligamentären Rupturen (Abb. 7) wesentlich. Bei knöchernen Bandausrissen ist die Therapie vom Dislokationsgrad des knöchernen Fragments abhängig. Bei geringer Dislokation mit verbliebenem knöchernem Kontakt ist die konservative Therapie in einer harten Zervikalorthese für 6 Wochen indiziert (Abb. 6). Bei großer Dislokation mit nur geringer Chance für eine knöcherne Einheilung sollte auch beim jungen Patienten eine atlantoaxiale Fusion durchgeführt werden, da selbst bei einer knöchernen Anheilung des dislozierten Fragments eine relative Elongation des Bandes besteht, die in einer atlantoaxialen Instabilität und Arthrose münden kann. Da die interligamentären Zerreißungen unter konservativer Therapie keine Heilungstendenz zeigen, ist hier ebenfalls eine atlantoaxiale Fusion indiziert (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Konventionelle Röntgenbilder (ab) eines 47-jährigen Patienten mit translatorischer atlantoaxialer Instabilität (Typ Caffinière 2) bei interligamentärer Ruptur des Lig. transversum atlantis (c, Pfeil). Konventionelle Röntgenbilder (de) 4 Jahre nach operativer Therapie mittels posteriorer atlantoaxialer transartikulärer Verschraubung nach Magerl

Besonderheiten

Beim alten Patienten kann auch bei stark dislozierten knöchernen Ausrissen des Lig. transversum atlantis zunächst ein konservativer Therapieversuch durchgeführt werden. Falls eine knöcherne Anheilung erfolgt, kann davon ausgegangen werden, dass zwar eine geringe funktionelle translatorische Instabilität durch indirekte Elongation des Bandes verbleibt, dass sich aber die zu erwartende atlantoaxiale Arthrose so langsam entwickelt, dass sie nur selten klinisch relevant wird. Die translatorischen atlantoaxialen Instabilitäten sind nur sehr selten eine Folge traumatischer Läsionen, am häufigsten treten sie als Folge einer rheumatischen Erkrankung auf.

Rotatorische atlantoaxiale Instabilität

Häufigkeit

Traumatische rotatorische atlantoaxiale Instabilitäten sind selten.

Einteilung

Eine rotatorische atlantoaxiale Instabilität entsteht meist durch die interligamentäre Zerreißung oder den knöchernen Ausriss der Ligg. alaria. Pathophysiologisch entscheidend ist dabei die ligamentäre Läsion zwischen Okzipitalkondyle und Dens axis, die eine überschießende Rotation von Okziput und Atlas auf dem Axis erlaubt. Speziell im Kindesalter kann eine rotatorische atlantoaxiale Fehlstellung auch ohne Zerreißung der Ligg. alaria im Sinne einer atlantoaxialen Subluxation auftreten.

Die rotatorischen atlantoaxialen Instabilitäten werden nach Fielding [4] eingeteilt (Abb. 8). Beim Fielding Typ 1 handelt es sich um eine rotatorische Fehlstellung des Atlas ohne translatorische Fehlstellung des Atlas in Relation zum Axis. Bei dieser Form der Instabilität können die Ligg. alaria erhalten sein, bei den anderen Typen sind sie verletzt. Beim Typ 2 und 3 kommt zu der rotatorischen Fehlstellung noch eine anteriore translatorische Fehlstellung von 3–5 mm bzw. mehr als 5 mm hinzu. Beim Typ 4 nach Fielding geht die rotatorische Fehlstellung des Atlas noch mit einer posterioren translatorischen Fehlstellung in Relation zum Axis einher. Während die Typen 1 und 2 als Folge eines Traumas beobachtet wurden, sind die Typen 3 und 4 den nicht-traumatischen Veränderungen, besonders den rheumatischen Veränderungen, zuzuordnen.

Abb. 8
figure 8

Einteilung der rotatorischen atlantoaxialen Instabilität nach Fielding [4]

Diagnostik

In der konventionellen Röntgendiagnostik kann gelegentlich bereits die Instabilität als dezentriert stehender Dens axis erkannt werden (Abb. 9). Die CT kann knöcherne Bandausrisse dokumentieren, die der Okzipitalkondylenfraktur vom Typ 3 nach Anderson und Montesano (Abb. 9) oder der Densfraktur vom Typ 1 nach Anderson und D’Alonzo entsprechen. Die MRT-Untersuchung kann die Bandstrukturen darstellen, erlaubt aber keine funktionelle Beurteilung der Ligg. alaria. Die MRT zeigt darüber hinaus eine Vielzahl falsch positiver Befunde und ist deshalb für die Beurteilung der Bandläsionen wenig hilfreich. Die funktionsradiologische Untersuchung (dynamisches Funktionsröntgen), auch in a.p.-Technik, ist bei dieser Verletzung schwierig zu interpretieren. Von entscheidender Bedeutung für die Diagnose der rotatorischen atlantoaxialen Instabilität ist daher das funktionelle Rotations-CT [1]. Dabei wird in maximal passiv erreichbarer Links- und Rechtsrotation der Halswirbelsäule eine CT von Atlas und Axis angefertigt. Anschließend werden anhand der CT-Bildgebung die Frontalachsen des 1. und 2. Halswirbelkörpers auf repräsentativen axialen CT-Schnitten eingezeichnet und die Differenz der Winkelgrade zwischen Atlas- und Axisebene in Rotationsendstellung bestimmt. Bei adäquater Durchführung kann bei Vorliegen einer Seitendifferenz von mehr als 5° von einer funktionellen Insuffizienz der Ligg. alaria ausgegangen werden. Die Durchführung des funktionellen Rotations-CT ist bei anamnestischem Hochrasanztrauma, dezentriert stehendem Dens axis und (!) klinischem Verdacht auf eine rotatorische atlantoaxiale Instabilität indiziert.

Abb. 9
figure 9

In den konventionellen Röntgenbildern (a, b) einer 32-jährigen Patientin mit rotatorischer atlantoaxialer Instabilität (Typ 1 nach Fielding) finden sich indirekte Hinweise auf die Rotationsfehlstellung (relative Verkürzung des Atlasbogens, ventrale Stufenbildung auf Höhe des Atlas in der spinolaminären Linie, dezentriert stehender Dens axis). In den 3D-Rekonstruktionen zeigt sich die Rotationsfehlstellung (c) sowie der knöcherne Ausriss des Lig. alare rechts im Sinne einer Okzipitalkondylenfraktur vom Typ 3 nach Anderson und Montesano (d). e Darstellung der Überprojektion der Achse von Atlas und Axis mit einer Rotationsfehlstellung von 14°

Standardtherapie

Für die Therapie der traumatischen rotatorischen Instabilität ist die Unterscheidung von knöchernem Ausriss und interligamentären Zerreißungen wesentlich.

Bei knöchernem Ausriss der Ligg. alaria, dass heißt bei Vorliegen einer Okzipitalkondylenfraktur Typ 3 nach Anderson und Montesano (kranialer knöcherner Ausriss; Abb. 9) oder einer Densfraktur Typ 1 nach Anderson und D’Alonzo (kaudaler knöcherner Ausriss) wird die konservative Therapie wie in den entsprechenden Abschnitten (s. Weiterbildung Teil 2) angegeben durchgeführt. Bei einer interligamentären Läsion ist eine okzipitoatlantoaxiale Spondylodese indiziert.

Bei einer rotatorischen Instabilität vom Typ 1 nach Fielding ohne Zerreißung der Ligg. alaria ist die konservative Therapie mit zunächst geschlossener Reposition und anschließend 6-wöchiger Ruhigstellung in einer harten Zervikalorthese oder einem Halo-Fixateur indiziert. Die Entscheidung, welche Ruhigstellung vorgenommen wird, sollte während der Reposition erfolgen. Bei Reluxationstendenz ist der Halo-Fixateur zu empfehlen, bei stabilen Verhältnissen ist eine harte Zervikalorthese ausreichend. Eine langfristige Verlaufsbeobachtung des in der Regel jungen Patienten ist aber empfehlenswert, da sich chronische Instabilitäten auch nach primär erfolgreicher Reposition entwickeln können.

Bei den chronischen Instabilitäten vom Typ Fielding 3 und 4 ist eine okzipitoatlantoaxiale Spondylodese indiziert.

Besonderheiten

Eine alleinige MRT-Untersuchung ist für die Indikationsstellung zur Operation ungeeignet, da sich viele falsch positive Untersuchungsbefunde ergeben.

Kombinationsverletzungen der oberen Halswirbelsäule

Häufigkeit

Kombinationsverletzungen der oberen Halswirbelsäule sind häufig. Besonders die okzipitozervikalen Verletzungen treten regelhaft als Kombination unterschiedlicher Verletzungstypen auf. Aber auch kombinierte atlantoaxiale Verletzungen sind häufig.

Einteilung

Die Einteilung der okzipitozervikalen Dislokation nach Harris wurde oben dargestellt. Bei den knöchernen atlantoaxialen Verletzungen sind v. a. Kombinationen aus Atlas- und Densfrakturen häufig. Hier können generell folgende Formen unterschieden werden:

  • eine stabile Verletzung des Atlas in Kombination mit einer stabilen Verletzung des Dens axis,

  • eine stabile Verletzung des Atlas in Kombination mit einer instabilen Verletzung des Dens axis,

  • eine instabile Verletzung des Atlas in Kombination mit einer stabilen Verletzung des Dens axis,

  • eine instabile Verletzung des Atlas in Kombination mit einer instabilen Verletzung des Dens axis.

Diagnostik

Die Diagnostik erfolgt nach den unter „Bildgebende Diagnostik“ dargestellten Kriterien.

Standardtherapie

Generell gilt für die Behandlung der Kombinationsverletzungen, dass jeder Anteil der Kombinationsverletzung so zu behandeln ist, als handele es sich um eine Einzelverletzung [11]. Eine Kombination aus stabiler Atlas- und stabiler Densverletzung kann daher mit einer harten Zervikalorthese für 6 Wochen behandelt werden. Bei der Kombination aus einer instabilen Atlasverletzung mit einer stabilen Densverletzung oder der Kombination aus einer stabilen Atlasverletzung mit einer instabilen Densverletzung kann eine selektive operative Stabilisierung der instabilen Komponente begleitet von einer 6-wöchigen Ruhigstellung für die stabile Komponente vorgenommen werden. Bei einer Kombination aus instabiler Atlas- und instabiler Densfraktur sollte beim jungen Patienten eine selektive Stabilisierung der einzelnen Frakturkomponenten durchgeführt werden, z. B. die Kombination aus anteriorer Densverschraubung plus dorsaler Atlasstabilisierung, um möglichst die gesamte Mobilität der Halswirbelsäule zu erhalten. Bei alten Patienten kann bei der Kombination aus instabiler Atlas- und instabiler Densfraktur auf eine selektive Stabilisierung der einzelnen Frakturkomponenten verzichtet werden. Stattdessen sollte eine atlantoaxiale, ggf. auch eine okzipitoatlantoaxiale Spondylodese durchgeführt werden.

CME-Fragebogen.

Welche Antwort ist falsch ? Die okzipitozervikale Instabilität …

ist häufig letal.

wird nach Fielding eingeteilt.

geht gelegentlich mit einer Okzipitalkondylenfraktur vom Typ III nach Anderson und Montesano einher.

sollte konservativ behandelt werden.

kann mit einer Anderson-Typ-I-Fraktur des Dens axis einhergehen.

Welche Antwort trifft nicht zu? Die okzipitozervikale Instabilität …

kann häufig bereits in der konventionellen Röntgenaufnahme erkannt werden.

vom Typ 1 geht mit einer Dislokation des Okziput nach anterior einher.

vom Typ 3 geht mit einer axialen Dislokation des Okziput einher.

bedarf immer der funktionsradiologischen Untersuchung.

kann temporär im Halo-Fixateur stabilisiert werden.

Welche Aussage trifft nicht zu? Die axiale atlantoaxiale Instabilität …

ist sehr selten.

wird in komplette und inkomplette Formen eingeteilt.

kann mittels okzipitoatlantoaxialer Stabilisierung behandelt werden.

ist eine ligamentäre Instabilität.

geht häufig mit einer Zerreißung des Myelon einher.

Die rotatorische atlantoaxiale Instabilität wird eingeteilt nach …

Fielding.

Anderson und D’Alonzo.

Anderson und Montesano.

Gehweiler.

Harris.

Welche Aussage trifft nicht zu? Die rotatorische atlantoaxiale Instabilität …

kann durch einen dezentriert stehenden Dens axis auffällig werden.

sollte hinsichtlich knöcherner und ligamentärer Ausrisse des Lig. transversum atlantis differenziert werden.

kann mittels funktioneller Rotations-CT diagnostiziert werden.

sollte mittels okzipitoatlantaler Spondylodese behandelt werden.

ist durch eine alleinige MRT-Untersuchung nicht sicher zu evaluieren.

Welche Aussage trifft nicht zu? Die translatorische atlantoaxiale Instabilität …

wird nach Caffinière eingeteilt.

wird im Rahmen einer funktionsradiologischen Untersuchung (dynamisches Funktionsröntgen) diagnostiziert.

kann bei interligamentärer Ruptur des Lig. transversum atlantis mittels 6-wöchiger Ruhigstellung in der harten Zervikalorthese behandelt werden.

kann bei knöchernem Ausriss des Lig. transversum atlantis mit Dislokation mittels atlantoaxialer Fusion stabilisiert werden.

ist häufiger bei rheumatischen Erkrankungen als bei traumatischen Schädigungen der Halswirbelsäule.

Welche Aussage trifft nicht zu? Die atlantoaxiale Spondylodese nach Magerl …

wird mittels posteriorer transartikulärer Schrauben durchgeführt.

beinhaltet die Anlagerung eines H-förmigen reitenden Knochenspans.

ist bei translatorischer atlantoaxialer Instabilität indiziert.

ist bei temporärer operativer atlantoaxialer Stabilisierung das Operationsverfahren der 1. Wahl.

kann auch bei „High-riding-Vertebralarterie“ in der „In-and-out-Technik“ durchgeführt werden.

Die Klassifikation nach Dickman beschreibt die Läsion …

der Membrana tectoria.

der Ligg. alaria.

des Lig. transversum atlantis.

des Dens axis.

der Okzipitalkondyle.

Welche Aussage zur bildgebenden Diagnostik ist falsch ?

Bei der aktiven Funktionsuntersuchung (aktive Funktionsaufnahme) wird ein statisches Röntgenbild des Patienten in maximaler Funktionsstellung (Flexion, Extension oder Rechts- und Linksseitneigung) angefertigt.

Bei der passiven Funktionsuntersuchung bewegt der Untersucher die Halswirbelsäule des Patienten (geführte Funktionsaufnahme) und fertigt anschließend ein Röntgenbild an.

Bei der dynamischen bildwandlergestützten Untersuchung (dynamische Funktionsaufnahme) bewegt der Untersucher die Halswirbelsäule des Patienten unter kontinuierlicher Durchleuchtung.

Schrägaufnahmen der Halswirbelsäule sind bei den traumatischen Veränderungen von besonderer Bedeutung.

Bei der passiven Funktionsuntersuchung, bei der der Untersucher die Halswirbelsäule des Patienten bewegt, werden eine statische und eine dynamische Form unterschieden.

Welche Aussage zur Anamnese und klinischen Untersuchung ist nicht richtig?

Die Anamnese bildet die Basis der Diagnostik.

Ruhe- und belastungsabhängige Zervikalgien sind typisch klinische Symptome für Verletzungen der Halswirbelsäule.

Kopfplatzwunden können als indirekter Hinweis auf eine Halswirbelsäulenverletzung betrachtet werden.

Eine detaillierte neurologische Untersuchung, einschließlich der Evaluation der Hirnnerven, ist bei jedem klinischen Verdacht auf eine Verletzung der oberen Halswirbelsäule selbstverständlich.

Bei Stürzen nach vorne mit Kopfanpralltrauma entstehen regelhaft Hyperflexionsverletzungen.