Die Abbildungen zeigen eine posteriore transartikuläre atlantoaxiale Verschraubung nach Magerl bei translatorischer atlantoaxialer Instabilität als Folge eines Os odontoideums.

Lagerung

Der Patient wird in Intubationsnarkose auf den Bauch gelegt. Die Arme werden angelagert und ggf. mit Pflasterzügelverbänden nach kaudal gezogen (Abb. 1). Eine Fixation in einer Lagerungshilfe (z. B. Mayfield- oder Blauth-Lagerungshilfe ) ist sinnvoll. Um eine adäquate Trajektorie für die Schrauben und einen ausreichenden okzipitoatlantalen Abstand für die Cerclage zu erhalten (Abb. 2), sind eine leichte Flexion der Halswirbelsäule und eine Inklination des Kopfes erforderlich. Radiologisch muss eine Stellungskontrolle in a.-p. und seitlicher Richtung jederzeit möglich sein.

Voraussetzung für die Operation nach Magerl ist die Möglichkeit, die Fehlstellung oder Verletzung in der angegebenen Position geschlossen zu reponieren, da intraoperativ nur eine eingeschränkte Repositionsmöglichkeit besteht. Vor dem Hautschnitt muss außerdem, z. B. mittels eines langen Kirschner-Drahtes, überprüft werden, ob die für die Platzierung der Schrauben erforderliche Trajektorie erreichbar ist (Abb. 3).

Abb. 1
figure 1

Lagerung

Abb. 2
figure 2

Röntgenkontrolle nach geschlossener Reposition mit Inklination des Kopfes zur Verbesserung der okzipitoatlantalen Distanz

Abb. 3
figure 3

Überprüfung der Trajektorie für die Bohrung

Präoperative Planung

Die Evaluation der knöchernen und neurovaskulären Anatomie ist zwingend. Die Lokalisation der Vertebralarterie muss abgeklärt sein. Die Schraubenplatzierung muss ggf. an die Anatomie, speziell bei so genannter „high riding vertebral artery“, angepasst werden (In-out-in-Technik ). Navigationstechnologien wie die CT-gestützte oder die 3D-fluoroskopische Navigation können zur präoperativen Planung bzw. auch zur interoperativen Navigation oder zur Lagekontrolle der Schrauben herangezogen werden.

Operation

Technik

Es wird eine Längsinzision von der Protuberantia occipitalis externa bis zum Processus spinosus des 3. Halswirbelkörpers (HWK) durchgeführt. Nach Durchtrennung des subkutanen Fettgewebes und Längsspaltung des Lig. nuchae wird der Dornfortsatz des HWK2 dargestellt (Abb. 4). Die dort ansetzende kurze Nackenmuskulatur wird abpräpariert. Anschließend werden die hinteren Anteile des HWK1-Bogens bis 7 mm lateral des Tuberculum posterior atlantis dargestellt. Weiter lateral kann man am Oberrand des HWK1-Bogens auf die A. vertebralis stoßen. Am kaudalen Rand dieses Bogens kann weiter nach lateral präpariert werden, dort finden sich das Ganglion und die Nervenwurzel C2. Es schließt sich die Darstellung der Facettengelenke HWK2/3 sowie HWK1/2 an. Die Kapsel des Facettengelenks HWK2/3 wird geschont. Das Facettengelenk HWK1/2 wird durch Präparation entlang des Bogens und Isthmus von HWK2 erreicht. Für seine Exposition ist eine sorgfältige Hämostase des aufliegenden venösen Plexus erforderlich, was am besten durch subperiostale Präparation gelingt. Die mediale Wand des Isthmus von HWK2 wird mittels Tasthaken palpiert. Hierzu wird das Lig. flavum HWK1/2 geschlitzt.

Der Startpunkt für die Bohrung der Magerl-Schrauben liegt typischerweise 2 mm kranial des C2/C3-Facettengelenks und 2–3 mm lateral der medialen Wand des HWK2-Isthmus (Abb. 5). Zur Festlegung der entsprechenden Schraubentrajektorie dient ein Kirschner-Draht , der 1–2 cm lateral des Processus spinosus von HWK7 perkutan eingestochen und zum Startpunkt der Bohrung vorgeschoben wird (Abb. 6). Ist seine korrekte Position erreicht und in 2 Ebenen radiologisch kontrolliert ist, wird der Kirschner-Draht-Kanal nach Stichinzision der Haut stumpf erweitert (Abb. 7) und ein entsprechendes Hülsensystem (Abb. 8) eingesetzt, über welches die Bohrung (Abb. 9) erfolgt. Deren Richtung geht kranial am „Harris-Ring“ vorbei und zielt auf den Oberrand des vorderen Atlasrings (Abb. 10). Die Bohrung verläuft dabei in sagittaler Richtung unter gleichzeitiger Palpation des medialen Rands des Isthmus von HWK2 und wird sowohl mittels lateraler (Abb. 11) als auch ggf. a.-p. Röntgenaufnahme (Abb. 12) kontrolliert. Sie verläuft durch 4 kräftige Kortikalisanteile , wobei jede Kortikalis regelhaft gut palpabel ist. Anschließend erfolgt die Längenmessung, wobei die Schraubelänge typischerweise zwischen 40 und 50 mm liegt.

Der Bohrer wird nach dem Bohrvorgang belassen, bis die Bohrung der nächsten Seite abgeschlossen ist, um eine Rotation zwischen Atlas und Axis während des 2. Bohrvorgangs zu vermeiden. Anschließend werden die Bohrer nacheinander entfernt und durch 3,5 mm starke Kortikalisschrauben entsprechender Länge ersetzt (Abb. 13).

Eine intraoperative Reposition ist während des Bohrens nur in translatorischer Richtung sicher möglich. Dazu wird eine spitze Backhaus-Klemme im Bogen von HWK1 oder im Processus spinosus von HWK2 fixiert und entweder nach ventral gedrückt oder nach dorsal gezogen. Der Bogen von HWK1 wird mit einem Dechamps unterfahren, und ein sublaminärer Draht bzw. nichtresorbierbares Nahtmaterial/Schlingen werden durchgezogen (Abb. 14). Dieser Schritt kann bei geringem atlantookzipitalem Abstand vor der Schraubenplatzierung erfolgen, da dann noch eine größere Mobilität des Atlasbogens besteht. Nach der Schraubenplatzierung ergibt sich der Vorteil der höheren atlantoaxialen Stabilität, sodass eine akzidentielle Verschiebung des Atlas ausgeschlossen ist. Anschließend werden der hintere Atlasbogen und der Processus spinosus des HWK2 sorgfältig angefrischt.

Ein H-förmig konfigurierter, autologer Beckenkammspan wird gewonnen (Abb. 15) und auf dem Processus spinosus von HWK2 als reitender Span angelagert (Abb. 16). Die Operation wird beendet durch Verknoten des sublaminären Drahtes bzw. des nichtresorbierbaren Nahtmaterials/Schlinge über dem autologen Knochenspan, sodass dieser fest auf den dorsalen Anteilen von HWK1 und 2 zu liegen kommt. Abschließend erfolgt der schichtweise Wundverschluss mit Einlage einer Drainage, welche über die Stichinzisionen ausgeleitet werden kann (Abb. 17).

Abb. 4
figure 4

Durchtrennung des subkutanen Fettgewebes und Längsspaltung des Lig. nuchae

Abb. 5
figure 5

Startpunkt für die Bohrung der Magerl-Schrauben (gepunkteter Pfeil), Facettengelenk C2/3 (durchgezogener Pfeil) mit intakter Kapsel und freiliegendem Duralsack (gestrichelter Pfeil) sowie Tasthaken zur Palpation des medialen Randes des Isthmus, gelbe Ellipse Processus spinosus C2

Abb. 6
figure 6

Perkutanes Einstechen des Kirschner-Drahtes 1–2 cm lateral des Processus spinosus von HWK7 (a) und Vorschieben bis zum Startpunkt der Bohrung (b)

Abb. 7
figure 7

Stumpfe Erweiterung des Kirschner-Draht-Kanals nach Stichinzision der Haut

Abb. 8
figure 8

Einsetzen des Hülsensystems

Abb. 9
figure 9

Durchführung der Bohrung durch das Hülsensystem

Abb. 10
figure 10

Bohrrichtung: kranial am „Harris-Ring“ vorbei auf den Oberrand des vorderen Atlasrings zielend, Palpation der medialen Wand des Isthmus mittels Tasthaken

Abb. 11
figure 11

Laterale Röntgenkontrolle der Bohrrichtung, kranial des „Harris-Rings“ zum Vorderoberrand des Atlasbogens

Abb. 12
figure 12

a.-p. Röntgenkontrolle der Bohrrichtung mit beidseits parallel in sagittaler Richtung einliegenden Bohrern

Abb. 13
figure 13

Entfernen der Bohrer (nacheinander) und Ersetzen derselben durch 3,5 mm starke Kortikalisschrauben entsprechender Länge

Abb. 14
figure 14

Unterfahren des HWK1-Bogens mit einem Dechamps

Abb. 15
figure 15

H-förmig konfigurierter, autologer Beckenkammspan

Abb. 16
figure 16

Auf dem Processus spinosus von HWK2 wird der autologe Beckenkammspan als „reitender Span“ angelagert und mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial fixiert

Abb. 17
figure 17

Über die Stichinzisionen ausgeleitete Drainagen

Intraoperatives Risiko, Komplikation

Eine Verletzung der A. vertebralis kann am Oberrand des Atlasbogens vorkommen und wird durch Naht oder Tamponade gestillt. Eine unilaterale Verletzung der A. vertebralis beim Bohrvorgang kann ggf. durch das Einbringen der Schraube kontrolliert werden, alternativ können Knochenwachs, eine Tamponade oder Hämostatika zur Kontrolle der Blutung führen. Auch eine Unterbindung der A. vertebralis nach Resektion des Facettengelenks C2/3 und Anteilen der Massa lateralis von HWK3 kann selten erforderlich werden. Eine Magerl-Bohrung auf der Gegenseite muss nach unilateraler Verletzung der A. vertebralis unter allen Umständen vermieden werden! Alternativ können ggf. eine kurze Isthmusschraube oder eine Laminaschraube zum Einsatz kommen. Auch eine atlantoaxiale Stabilisierung nach Goel/Harms oder eine Drahtcerclage nach Brooks können als Alternative auf der Gegenseite erwogen werden.

Nachbehandlung

Sie erfolgt in Abhängigkeit von der intraoperativen Knochenqualität mit oder ohne Orthese, bei Verwendung derselben ist meist eine Ruhigstellung von 6 Wochen ausreichend.