Die angeborene Mikrotie und Atresie des äußeren Gehörganges tritt in Deutschland mit einer Inzidenz von etwa 150 Fällen pro Jahr auf. Diese Patienten bedürfen einer speziellen und anspruchsvollen Therapie [1]. Für die plastische Korrektur der äußeren Ohrmuschel hat sich autologer Rippenknorpel für eine dauerhafte und ästhetisch anspruchsvolle Rekonstruktion bewährt.

Für die Planung der Rehabilitation des Hörvermögens ist zwischen Patienten mit einseitiger und beidseitiger Fehlbildung zu unterscheiden. Bei Patienten mit einseitiger Fehlbildung mit Schallleitungsblock und normalem Gehör der Gegenseite verläuft nach heutiger Lehrmeinung die Sprachentwicklung ungestört [2]. Defizite treten beim Richtungshören und beim Sprachverständnis im Störschall auf. Eine hörverbessernde Maßnahme ist somit nicht zwingend notwendig und wird nur auf Wunsch der Patienten durchgeführt. Allerdings gibt es Ansätze, den einseitigen Schallleitungsblock im Säuglingsalter, also vor Abschluss der Entwicklung des Richtungshörens im 2. Lebensjahr, mit einem Knochenleitungshörgerät (z. B. mit Stirnband) zu versorgen [2]. Ziel ist eine entsprechende akustische Stimulation. Kinder mit beidseitigen Fehlbildungen bzw. beidseitigem Schallleitungsblock benötigen rasch nach der Geburt eine akustische Verstärkung über ein Stirnband-Knochenleitungshörsystem.

Für eine dauerhafte Hörverbesserung bei Patienten mit Gehörgangsatresie und Schallleitungsblock stehen derzeit 2 Möglichkeiten zur Verfügung. Die Patienten können mit einem knochenverankerten Hörgerät (BAHA) versorgt werden [3]. Der Knochenanker ist etwa ab dem 3. Lebensjahr implantierbar. Die Patienten erreichen einen verbesserten Signal-Rausch-Abstand im Sprachtest und ein verbessertes Richtungshören. Die meisten Veröffentlichungen beziehen sich in diesem Zusammenhang auf die bilaterale Versorgung bei beidseitiger Atresie [4, 5, 6, 7]. Werte eines Normalhörenden werden damit jedoch nicht erreicht. Aufgrund der guten Schallleitungseigenschaften des Schädelknochens erreicht jedes BAHA jeweils beide Innenohren, das abgewandte Innenohr mit einer geringen Abschwächung von 5–10 dB. Hiermit könnte die Leistungsdifferenz zum Normalhörenden erklärt werden. Die Akzeptanz der Patienten mit beidseitiger Fehlbildung ist verständlicherweise sehr hoch, da es stets zu einem bedeutenden Hörgewinn kommt. Die Akzeptanz bei Patienten mit einseitiger Fehlbildung ist unserer Erfahrung nach geringer. Nachteile der BAHA sind lokale Probleme mit der Implantatschraube, das tägliche Reinigen und der subjektiv begrenzte audiologische Hörgewinn bei kontralateraler Normakusis.

Darüber hinaus ist eine chirurgische Rekonstruktion des Mittelohres möglich [8, 9, 10]. Dabei wird ein Neogehörgang, ein Neotrommelfell und der Schallleitungsapparat rekonstruiert. Dieser Eingriff kann in die plastische Rekonstruktion integriert werden. Hiermit lässt sich die Schallleitungskomponente bei 50–75% der Patienten auf knapp unter 30 dB HL senken. Auf unter 20 dB HL bzw. 10 dB HL kommen jedoch nur 20–25% bzw. 5–10% [11, 12, 13]. Legt man als audiologisches Zielkriterium für eine tolerable Schallleitungskomponente 20 dB HL zugrunde, sind so nur 20–25% der Patienten suffizient versorgt. Der Rest der Patienten ist für eine vollständige audiologische Rehabilitation weiterhin auf eine akustische Verstärkung durch ein Hörgerät angewiesen. Eine Versorgung mit HdO- oder IO-Hörgeräten ist jedoch bei Patienten mit rekonstruiertem Ohr und Gehörgang nahezu unmöglich. Aufgrund von Gehörgangsstenosen und Trommelfelllateralisierungen vergrößert sich bei vielen Patienten die Schallleitungskomponente langfristig. Hinzu kommen operative Risiken wie Lärmschaden des Innenohres, Fazialisparese usw. (bis zu 10% der Patienten) [12, 14]. Diese aufwendige und spezielle Therapiemöglichkeit kann so keine Lösung für alle Patienten sein und kann nur bei günstigen Vorraussetzungen empfohlen werden.

Die akustische Stimulation des runden Fensters wurde erstmals 1995 von Spindel et al. beschrieben [15]. In einem tierexperimentellen Modell wurde ein Magnet auf das runde Fenster aufgebracht und über eine extrakorporale Spule stimuliert. Über abgeleitete Hirnstammpotenziale ließ sich eine erfolgreiche Ankopplung nachweisen. Analog zu anderen elektromagnetischen Systemen, bei denen Magnet und Spule räumlich getrennt sind, ergaben sich Probleme mit der Haftung auf den Mittelohrstrukturen, die der Magnetkraft entgegenwirken musste. Außerdem gestaltet sich die spätere Unterbringung der getrennten Systeme im Mittelohr aus Platzgründen als schwierig. Hüttenbrink et al. berichteten 1997 über einen experimentellen Ansatz, mittels eines flexiblen, wassergefüllten Schlauches Vibrationsenergie auf das runde Fenster zu bringen und es möglicherweise auch bei kombinierten Schwerhörigkeiten einzusetzen [16].

Im Jahr 2005 wurde erstmals über den Einsatz des aktiven Mittelohrimplantates Vibrant Soundbridge® bei Patienten mit hochgradiger kombinierter Schwerhörigkeit berichtet [17, 18, 19, 20]. Aufgrund des defekten Schallleitungsapparates wurde der modifizierte Floating-Mass-Transducer (FMT) intraoperativ direkt an das runde Fenster angekoppelt. Postoperativ zeigte sich eine problemlose akustische Überleitung. Alle Patienten zeigten eine deutliche Verbesserung ihrer audiometrischen Leistungen im Tonschwellen- und Sprachaudiogramm. Durch verbesserte Adhäsion im Verlauf des Heilungsprozesses zeigte sich zusätzlich eine zeitabhängige Leistungssteigerung, die nicht durch Üben hervorgerufen wurde. Im Freifeld-Tonaudiogramm wurden dadurch bessere Werte als im Knochenleitungsaudiogramm erzielt („functional gain bone conduction“).

Diese Ergebnisse eröffnen eine neue, viel versprechende Möglichkeit der akustischen Verstärkung bei Patienten mit Atresia auris congenita.

Falldarstellung

Wir berichten hier über die erste kombinierte plastische und funktionelle Rehabilitation von Patienten mit Mikrotie und Gehörgangsatresie unter Verwendung des aktiven Mittelohrimplantates Vibrant Soundbridge® anhand von 3 Fallbeispielen. Die Patienten stellten sich in unserer Klinik mit dem ausdrücklichen Wunsch vor, sowohl das äußere Ohr als auch das Hörvermögen zu rehabilitieren. Es bestand jeweils eine unilaterale Mikrotie III. Grades mit Atresia auris congenita. Auf der Gegenseite besteht eine Normakusis.

Die plastische Rekonstruktion des äußeren Ohres gliedert sich in 2–3 operative Schritte (Abb. 1a–g) [1]. Während des 2. Rekonstruktionsschrittes wird die neue Ohrmuschel umschnitten und vom Untergrund gelöst. Dabei wir die laterale Schädelbasis breitflächig exponiert und der Zugang zum Felsenbein ermöglicht, ohne zusätzliche Weichteilschäden zu verursachen. In diesen Operationsschritt wurde die Implantation integriert.

Abb. 1
figure 1

a Mikrotie III. Grades mit eingezeichneter Schnittführung des 1. Rekonstruktionsschrittes. b Fertiges Knorpelgerüst vor der Implantation. c Nach Z-Plastik und Verschluss der Haut wird durch Sog das Relief in das Gerüst gezogen – Abschluss des 1. Schrittes. d Nach Umschneiden der Ohrmuschel wird diese unterminiert und die laterale Schädelbasis dargestellt – hier ist bereits der Knorpelkeil eingestellt. e Bedecken der Rückfläche mit dem Faszienlappen. f Verschluss des Hautdefektes durch eine Verschiebeplastik und mit Spalthaut vom Kopf. g Endergebnis nach 3 Schritten

Präoperative Vorbereitung

Die Felsenbeinmorphologie der Patienten wurde präoperativ mit einer hochauflösenden, navigationsgeeigneten Computertomographie untersucht. Die Patienten wiesen radiologisch eine knöcherne Atresieplatte, ein gut pneumatisiertes Mittelohr und Mastoid sowie ein offenes rundes Fenster auf (Abb. 2). Die Datensätze der Computertomographie wurden in die Brainlab®-iPlan-cranial®-Software eingelesen, N. facialis und Kochlea mit dem runden Fenster farblich gekennzeichnet. Anhand der dreidimensionalen Rekonstruktion konnte ein günstiger Zugangsweg unter Umgehung des N. facialis geplant werden.

Abb. 2
figure 2

Patient 1: Atresia auris congenita links. Gut pneumatisierte Paukenhöhle und Mastoid mit offenem rundem Fenster (schwarzer Pfeil)

Die Patienten wurden prä- und postoperativ mit einem Luft-/Knochenleitungs-Tonschwellenaudiogramm, einem Freifeld-Tonschwellenaudiogramm und einem Freifeld-Sprachverständnistest (Freiburger) untersucht. Die Freifelduntersuchungen wurden mit Okklusion des gesunden Ohres durchgeführt. Weitere Daten zum Sprachverständnis, zum räumlichen Hören und zur Lebensqualität für das Langzeit-Follow-up wurden ebenfalls präoperativ erhoben.

Operation

Die Operation gliederte sich in 3 Abschnitte. Im 1. Abschnitt wurde analog zum beschriebenen Verfahren [1] die Ohrmuschel umschnitten und vom Untergrund gelöst. Danach wurde der Hautschnitt nach kranial verlängert und der axiale Temporalisfaszienlappen für die spätere Deckung der Ohrmuschelrückfläche dargestellt.

Im 2. Abschnitt erfolgte das Einsetzen des aktiven Mittelohrimplantates. Nach Fixierung des Referenzsternes und Kalibrierung des Navigationsgerätes (BrainLab®, VectorVision cranial®) wurde unter wiederholter Positionskontrolle die Atresieplatte eröffnet und in Richtung rudimentärer Paukenhöhle erweitert. Der Gesichtsnerv wurde dabei kontinuierlich von einem Monitor überwacht.

Patient 1

Nach Eröffnung der fehlgebildeten Paukenhöhle ließen sich ein verplumpter, mobiler Amboss und ein mobiler Steigbügel identifizieren. Der N. facialis zeigte sich in seinem mastoidalen Verlauf nach anterior verlagert. Der Clip des FMT wurde entsprechend gebogen und am dysplastischen kurzen Ambossschenkel aufgepresst. Zusätzlich wurde die Verbindung mit Glasionomerzement und Faszienstreifen stabilisiert (Abb. 3a–c).

Abb. 3
figure 3

Patient 1: a FMT (schwarzer Pfeil) ist auf den dysplastischen Amboss (weißer Pfeil) aufgeklemmt. b–c Zusätzliche Fixierung mit Glasionomerzement und Faszienstreifen

Patient 2

Nach Eröffnung der fehlgebildeten Paukenhöhle ließ sich weder eine mobile Kettenstruktur noch das ovale Fenster identifizieren. Der N. facialis zeigte sich hier weit nach anterior verlagert. Unter Navigationskontrolle wurde der Zugang subfazial in Richtung rundes Fenster erweitert. Nachdem der knöcherne Überhang entfernt wurde, ließ sich die Membran des Fensters gut einsehen. Vom FMT wurde der Clip entfernt und auf der Rundfenstermembran in ein Lager aus Faszie eingebettet und mit weiteren Faszienstreifen überdeckt (Abb. 4a–c).

Abb. 4
figure 4

Patient 2: a Darstellen des runden Fensters (schwarzer Pfeil) und Abschleifen des knöchernen Überhanges. Nach anteroir verlagerter N. facialis (weißer Pfeil). b FMT mit abgetrenntem Clip. c In Faszie eingebettet wird der FMT am runden Fenster platziert

Patient 3

Nach Eröffnung der fehlgebildeten Paukenhöhle ließ sich ebenfalls ein mobiler Steigbügel identifizieren. Der Clip des FMT wurde entsprechend gebogen und direkt auf den Stapes aufgepresst. Zusätzlich wurde die Verbindung mit Faszienstreifen stabilisiert (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Patient 3: Dysplastischer Stapes mit aufgepresstem FMT

Die Empfängerspule wurde jeweils nach dem Fräsen des Implantatlagers mit einem Haltefaden subgaleal fixiert. Die offene Mastoidhöhle wurde mit einer PDS-Folie bedeckt und darüber die Galea vernäht.

Im 3. Abschnitt der Operation wurde der retroaurikuläre Sulkus rekonstruiert. Dazu wird ein Knorpelkeil zwischen Ohrmuschelgerüst und Mastoid eingestellt und fixiert. Aufgrund der partiellen Mastoidektomie über einen anteroiren Zugang gab es mit der Stabilität der Auflagefläche keine Probleme. Der zuvor dargestellte axiale Faszienlappen wurde umschnitten und auf die gesamte postaurikuläre Fläche geschlagen. Nachdem die retroaurikuläre Fläche durch eine Verschiebeplastik der Kopfhaut verkleinert wurde, ist die postaurikuläre Fläche mit einem Spalthauttransplantat vom Kopf bedeckt worden.

Am 1. postoperativen Tag wurde die erfolgreiche Ankopplung des FMT durch eine erste Aktivierung bei niedriger Leistung überprüft. Es traten keine postoperativen Komplikationen wie Fazialisparese, Innenohrhörverlust, Schwindel oder Geschmacksverlust auf.

Ergebnisse

Die Patienten wiesen präoperativ einen unilateralen Schallleitungsblock bei Normakusis des Innenohres auf (Abb. 6). Auf der Gegenseite bestand eine Normakusis für Luft- und Knochenleitung. Im Freiburger Sprachverständlichkeitstest (Freifeld) zeigte sich präoperativ eine Einsilberverständlichkeit von 0% bei 65 dB und 80 dB.

Abb. 6
figure 6

a Patient 1, b Patient 2, c Patient 3: Präoperatives Tonschwellenaudiogramm (blau) mit Knochenleitungskurve und Luftleitungskurve im Freifeld. Postoperative Luftleitungskurve (rot) im Freifeld mit aktiviertem Hörgerät. Die Aufzeichnung erfolgte nach dynamischer Hörgeräteprogrammierung – nicht mit linearer Verstärkung

Patient 1

Postoperativ war die Knochenleitungskurve unverändert. Die Schallleitungskomponente betrug in der Freifeld-Tonschwellenaudiometrie im Hauptsprachbereich durchschnittlich 17 dB [21]. Im Tief- und Hochtonbereich bestand eine größere Schallleitungskomponente. Die Aufzeichnung erfolgte nach dynamischer Hörgeräteprogrammierung – nicht mit linearer Verstärkung. In der postoperativen Kontrolluntersuchung ohne Aktivierung des Hörgerätes zeigte sich eine Verringerung der Schallleitungskomponente um durchschnittlich 15 dB (Abb. 6a). Im Freiburger Sprachverständlichkeitstest (Freifeld) mit Hörgerät zeigte sich eine Einsilberverständlichkeit von 0% bei 50 dB und 100% bei 65 dB.

Patient 2

Postoperativ war die Knochenleitungskurve unverändert. Die Schallleitungskomponente betrug in der Freifeld-Tonschwellenaudiometrie im Hauptsprachbereich durchschnittlich 14 dB [21]. Im Tief- und Hochtonbereich bestand eine größere Schallleitungskomponente, jedoch weniger als bei Patient 1. Die Aufzeichnung erfolgte nach dynamischer Hörgeräteprogrammierung – nicht mit linearer Verstärkung. In der postoperativen Kontrolluntersuchung ohne Aktivierung des Hörgerätes zeigte sich eine Verringerung der Schallleitungskomponente um durchschnittlich 20 dB (Abb. 6b). Im Freiburger Sprachverständlichkeitstest (Freifeld) mit Hörgerät zeigte sich eine Einsilberverständlichkeit von 70% bei 50 dB und 90% bei 65 dB.

Patient 3

Postoperativ war die Knochenleitungskurve unverändert. Die Schallleitungskomponente betrug in der Freifeld-Tonschwellenaudiometrie im Hauptsprachbereich durchschnittlich 0,25 dB [21]. Die Aufzeichnung erfolgte nach dynamischer Hörgeräteprogrammierung – nicht mit linearer Verstärkung. In der postoperativen Kontrolluntersuchung ohne Aktivierung des Hörgerätes zeigte sich eine Verringerung der Schallleitungskomponente um durchschnittlich 20 dB (Abb. 6c). Im Freiburger Sprachverständlichkeitstest (Freifeld) mit Hörgerät zeigte sich eine Einsilberverständlichkeit von 80% bei 50 dB und 100% bei 65 dB.

Die plastische Rekonstruktion der Ohrmuschel verlief regelrecht ohne Wundheilungsstörungen oder Alopezien der Kopfhaut. Drei Monate postoperativ zeigte sich ein regelrecht rekonstruierter postaurikulärer Sulkus ohne Verkippung oder Einziehung des Knorpelkeils.

Diskussion

Bei den 3 Patienten konnte die Schallleitungskomponente im Freifeld-Tonschwellenaudiogramm auf unter 20 dB HL gesenkt werden. Wie bereits oben ausgeführt, erreichen diesen Wert nur etwa ein Viertel der Patienten mit chirurgischer Mittelohrrekonstruktion. Funktionelle Vergleiche anhand von sprachaudiometrischen Daten lassen sich nicht ziehen, da es in der Literatur für chirurgische Mittelohrrekonstruktionen hierzu leider keine Angaben gibt. Unsere Patienten erreichen im Freiburger Freifeld-Sprachverständlichkeitstest mit aktiviertem Implantat normale Werte.

Anhand der veröffentlichen Daten über Implantationen bei Patienten mit erworbenen hochgradigen Schwerhörigkeiten ist zu erwarten, dass die audiometrischen Leistungen durch Einheilungsprozesse weiter steigen können. Weiterhin wird sich zusätzlich ein Übungseffekt bei den Patienten durch die Plastizität der bisher wenig genutzten betroffenen Hörbahn einstellen. Diese Entwicklung sowie der Nutzen des Gerätes beim Sprachverständnis im Störschall und bei der Schallquellenlokalisierung wird anhand eines Langzeit-Follow-up verfolgt. In diesem Zusammenhang muss auch eine vergleichende Untersuchung zur Versorgung mit einem BAHA durchgeführt werden. Es ist zu prüfen, ob die selektive Erregung der Kochlea, wie sie mit der Vibrant Soundbridge® möglich ist, der synchronen Erregung beider Innenohren mit dem BAHA überlegen ist. Dieses würde sich in einem verbessertem Signal-Rausch-Abstand im Sprachaudiogramm und einem verbesserten Richtungshören widerspiegeln.

Bei den Patienten konnte die Implantation der Vibrant Soundbridge® ohne Nachteil für die plastische Operation in selbige integriert werden. Die Eröffnung des fehlgebildeten Mittelohres und Identifizierung der vorhandenen Strukturen ist eine anspruchsvolle Operation. Das Aufsuchen des Stapes oder des runden Fensters ist aufgrund seiner Verlagerung und des veränderten Winkels in der Ebene schwierig. Zusätzlich ist der Weg dorthin durch den meist nach anterior verlagerten Gesichtsnerv partiell verlegt. Die Verwendung eines Navigationsgerätes ist in diesem Zusammenhang hilfreich, wenn nicht unabdingbar.

In unserer Falldarstellung wurde der FMT erfolgreich jeweils an Kette, Stapes oder rundem Fenster angekoppelt. Dabei versetzte der FMT am dysplastischen Amboss den Stapes über das Inkudostapedalgelenk vertikal zur Fußplattenebene in Schwingung. Bei der Befestigung des FMT am Stapes wurde dieser parallel zur Fußplattenebene in Schwingung, d. h. Kippbewegung, versetzt. Durch Auflage des FMT auf die Rundfenstermembran wurde die Perilymphe in Bewegung versetzt.

Die Stimulationsfähigkeit der Kochlea durch direkte Perilymphbewegung oder durch Vibrationsenergie von außen unabhängig vom Ort der Stimulation ist seit langem bekannt [22, 23]. Spindel et al. konnten in ihren Tierversuchen zeigen, dass die elektromagnetische Stimulation und die akustische Stimulation nahezu gleichwertige Hirnstammpotenziale hervorrufen [15]. Im Vergleich zwischen Tieren mit und ohne implantierten Magnet zeigte sich bei akustischer Stimulation eine minimal verlängerte Latenzzeit über alle Intensitäten und eine minimal verringerte Amplitude bei höherer Intensität. Dieses ließe sich über einen erhöhten Widerstand aufgrund erhöhter Membransteifigkeit oder erhöhter Masse erklären.

Im Vergleich zwischen akustischer und elektromagnetischer Stimulation bei Tieren mit Implantat zeigte sich ein linearer Abfall der Latenz bei elektromagnetischer Stimulation und ein kurvenförmiger Abfall bei akustischer Stimulation, die sich bei mittlerer und hoher Intensität einander annäherten. Die Amplitude der der Potenziale bei elektromagnetischer Stimulation steigt etwas stärker an. Diese Effekte wurden durch eine höhere Stimulusintensität insbesondere im hochfrequenten Bereich hervorgerufen. Insgesamt konnte hier im vergleichenden Tiermodell gezeigt werden, dass über das runde Fenster eine akustische Stimulation mittels Vibrationsenergie direkt auf die Kochlea übertragen werden kann. Dabei werden Intensitäten und Frequenzspektren erreicht, die der akustischen Stimulation absolut gleichwertig sind.

Bei Integration eines aktiven Mittelohrimplantates in ein dysplastisches Ohr stellt sich die Frage, an welche der vorhandenen Strukturen am sinnvollsten anzukoppeln ist. In einer Auswertung von 84 Computertomographien drittgradig dysplastischer Ohren zeigten sich über 56,0% Stapesaplasien, 15,5% Stapesdysplasien, bis zu 90% Ossikeldysplasien und 35,7% Atresien des ovalen Fensters. Das runde Fenster ist im Gegensatz dazu in 94,0% der Fälle offen [24]. Ein Teil der dysplastischen Stapes lässt sich jedoch intraoperativ mobilisieren und somit nutzbar machen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine weitere Arbeit einer japanischer Population [25].

Es gibt eine Vielzahl implantierbarer Hörsysteme auf dem Markt, die über verschiedene technische Ansätze vor allem zur Behandlung sensorineuraler Schwerhörigkeiten entwickelt wurden. Der teilimplantierbare MET® und der vollimplantierbare FIMOS® von Otologics arbeiten mit einem elektromechanischen Wandler. Der Einsatz in fehlgebildeten Mittelohren ist möglich, setzt aber einen mobilen Stapes voraus [26]. Das vollimplantierbare System Envoy™ von St. Croix Medical, Inc. nutzt nach Kettenunterbrechung das Trommelfell als Mikrophon und stimuliert über einen piezoelektrischen Treiber den Stapes [27]. Durch die Einbindung des Trommelfells scheidet es für unsere Patienten aus.

Beim Direct System™ von Soundtec wird ein Magnet an der Kette fixiert und über eine externe Spule aus einem Hinter- oder Im-Ohr-Gerät stimuliert [28]. Da weder Kette noch Ohrmuschel intakt sind, scheidet auch dieses System aus. Das kürzlich vorgestellte System DACS® von Cochlear für kombinierte Schwerhörigkeiten ist teilimplantierbar mit einer transkutanen Verbindung und arbeitet mit einer aktiven und einer passiven Stapesprothese [29]. Für unsere Patienten ist es wegen seiner hohen Energieleistung nicht nötig, außerdem ist die notwendige Innenohreröffnung als Nachteil anzusehen.

Alle erwähnten Ansätze koppeln entweder an die intakte Kette oder das ovale Fenster an. Hier ist eine Lösung, die neben dem Weg der klassischen Ankopplung an die Ossikelkette die Anbindung an andere Mittelohrstrukturen wie das runde Fenster ermöglicht, eindeutig von Vorteil. Darüber hinaus ermöglicht die Ein-Punkt-Fixierung des FMT der Vibrant Soundbridge® die Verwendung in wachsenden Felsenbeinen bei Kindern.

Neben dem hier verwendeten teilimplantierbaren System stehen vollimplantierbare Systeme in der Erprobung bzw. in der Einführung. Unabhängig von der weiteren technischen Entwicklung wird auch in Zukunft der Patient zwischen den grundlegenden Unterschieden beider Systeme wählen können.

Ein teilimplantierbares System wie die Vibrant Soundbridge® hat im Implantat kaum störanfällige Elektronik oder Mechanik. Die über 2000 Geräte, die seit 1996 implantiert wurden, haben bisher nur wenige Ausfälle zu verzeichnen. Die Prozessorsteuerung ist extrakorporal untergebracht. Wartung, Reparatur und Upgrade sind daher ohne weiteres möglich. Diesen Vorteilen steht der Nachteil gegenüber, dass der Prozessor sichtbar ist.

Die vollimplantierbaren Geräte hingegen sind nicht sichtbar. Kommt es jedoch zu technischen Störungen, ist im Rahmen der Reparatur eine Operation nötig. Nicht zuletzt ist die Unabhängigkeit der Patienten aufgrund des einmal pro Tag nötigen Aufladens des integrierten Akkus eingeschränkt. Außerdem ist auch bei störungsfreiem Betrieb regelmäßig ein Wechsel des Akkus am Ende seiner Lebensdauer operativ vorzunehmen. Des Weiteren bleibt abzuwarten, welche audiologische Leistungsfähigkeit diese Geräte haben. Dieses kommt insbesondere bei Patienten mit Defiziten im Richtungshören und Sprachverständnis im Störschall aufgrund unilateraler Atresie zum Tragen.

Fazit für die Praxis

Die Integration von aktiven Mittelohrimplantaten in die plastische Ohrmuschelrekonstruktion eröffnet eine neue Möglichkeit, diese Patienten vollständig zu rehabilitieren. Patienten mit Wunsch der audiologischen Rehabilitation kann so ein sicheres Konzept ohne negative Auswirkung auf das plastische Ergebnis angeboten werden.