Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrags …

  • können Sie die verschiedenen Arten der rekonstruktionspflichtigen Defekte unterscheiden,

  • sind Sie in der Lage, zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Extremitätenrekonstruktion zu differenzieren,

  • haben Sie einen Überblick über die Vor- und Nachteile der verschiedenen operativen Techniken,

  • können Sie die perioperativen Risiken und Komplikationsmöglichkeiten der Eingriffe einordnen,

  • wissen Sie, wie der ideale Zeitpunkt zur Rekonstruktion zu bestimmen ist.

Hintergrund

Die extremitätenerhaltende Chirurgie der unteren Extremität beschreibt ein breites interdisziplinäres Spektrum an konservativen, operativen und interventionellen Maßnahmen mit dem gemeinsamen Ziel des Erhaltes der unteren Extremität.

Der Begriff der Extremitätenrekonstruktion sollte heute sowohl den plastischen Verschluss des Haut‑/Weichteilmantels als auch die funktionelle Rekonstruktion umfassen. Nur so lassen sich optimale Behandlungsergebnisse erzielen. Häufig sind schwere Unfälle oder Verbrennungen, ausgedehnte onkologische Resektionen, Fehlbildungen, Infekte sowie chronische Ulzerationen auf dem Boden lokaler oder systemischer Erkrankungen Ursache der deckungspflichtigen Defekte.

Indikation zur Rekonstruktion

Bei der plastisch-chirurgischen Extremitätenrekonstruktion handelt es sich meist um Sekundäreingriffe, häufig im interdisziplinären Rahmen. Ungünstig ist es, wenn die Konsultation des plastischen Chirurgen erst nach wiederholt frustranen Verschlussversuchen und bereits vorliegender Wundchronifizierung erfolgt.

Häufige Vorstellungsgründe sind postoperative Wundheilungsstörungen nach endoprothetischer oder osteosynthetischer Versorgung, posttraumatische Wunden, Patienten mit Gefäßerkrankungen oder mit stattgehabter oder geplanter Tumorchirurgie.

Ziele der Rekonstruktion

Die plastisch-chirurgische Extremitätenrekonstruktion hat das Ziel, die betroffene Extremität in ihrer Länge und Funktion zu erhalten bzw. im Falle einer Amputation einen belastungsstabilen Stumpf mit der Möglichkeit einer anschließenden Prothesenversorgung zu schaffen. Dies gilt sowohl für schwere Weichteilverletzungen als auch für komplizierte offene Frakturen mit Verletzung des Hautweichteilmantels.

Idealerweise wird Gleiches mit Gleichem ersetzt und die Wunde durch einen vollschichtigen Weichteilersatz verschlossen.

Zeitpunkt der Rekonstruktion

Bei Unfällen richtet sich der Zeitpunkt der Rekonstruktion nach Art und Schweregrad der Begleitverletzungen. Bei instabilen Patienten mit schwerer Extremitätenverletzung gilt die Regel „life before limb“. In den übrigen Fällen sollte das operative Vorgehen interdisziplinär besprochen werden und Therapieziel und Behandlungsalgorithmus sollten im besten Falle noch in der Notaufnahme festgelegt werden.

Merke

Bei schweren Extremitätenverletzungen gilt der Grundsatz „life before limb“.

Eine endgültige Beurteilung des Ausmaßes der traumatischen Weichteilverletzungen kann jedoch erst intraoperativ nach radikalem Débridement aller avitalen Strukturen erfolgen.

In Zusammenschau des Wundausmaßes, des Schweregrades begleitender Frakturen, der Beteiligung neurovaskulärer Strukturen, aber auch des Patientenalters und -gesundheitszustandes, des ursprünglichen Funktions- und Aktivitätsniveaus sowie unter Einbezug der vermeintlichen Patientencompliance und allem voran des Patientenwunsches erfolgt dann die definitive Rekonstruktionsplanung.

Häufig bedarf es eines mehrzeitigen Vorgehens mit vorgeschalteten seriellen Débridements und im Falle einer komplizierten Fraktur der Anlage eines externen Fixateurs, bevor die betroffene Extremität abschließend rekonstruiert werden kann.

Im eigenen Vorgehen werden wir durch die Unfallchirurgie als plastische Chirurgen bei schweren Extremitätenverletzungen im Rahmen der initial ossären Stabilisierung intraoperativ zur Befundevaluation hinzugezogen.

Bedarf es im weiteren Verlauf einer freien Lappenplastik, behält die Empfehlung von Godina einer frühzeitigen Defektdeckung nach traumatischen Extremitätenverletzungen aus dem Jahr 1986 immer noch ihre Gültigkeit [1]. Sollte hingegen eine zeitnahe Rekonstruktion beispielsweise bei instabilen Patienten, beim Vorliegen offener komplexer Frakturen oder grob kontaminierter Wunden nicht möglich sein, kann unter der Anwendung von Vakuumverbänden zur temporären Weichteildeckung die Rekonstruktion zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen [1, 2].

Vergleichbar erhalten uns sekundär zugewiesene Patienten mit chronischen Wunden zunächst eine intraoperative Wundstatuserhebung und ggf. ein weiteres Débridement zur Keimlastreduktion und abhängig vom Befund erfolgt die Planung der Rekonstruktion.

Extremitätenerhalt vs. Amputation

Der Gliedmaßenerhalt sollte stets das primäre Behandlungsziel darstellen.

Nach schweren Traumata, Osteomyelitiden oder Tumorbefall muss jedoch als Ultima Ratio die Indikation einer Amputation kritisch geprüft werden. Der optimale Amputationsstumpf sollte hierbei sensibel, funktions-, belastungsstabil und bewegungsfähig sein. Bei der Bestimmung der Amputationshöhe muss neben dem maximalen Längenerhalt die prothetische Versorgbarkeit des Stumpfes berücksichtigt werden [3, 4].

Merke

Vor geplanten Amputationen sollte Patientinnen und Patienten eine ärztliches Zweitmeinungsgespräch ermöglicht werden.

Jede Amputation bleibt jedoch eine Nutzen-Risiko-Abwägung. Hier gilt insbesondere im Falle akuter polytraumatisierter Patienten, maligner Prozesse oder fulminanter septischer Infektionen der Leitsatz „life before limb“ [4].

Bei chronischen, nichtheilenden Defekten, funktionslosen Extremitäten oder frustraner vorhergegangener Lappenplastik sollten mit dem Patienten die Vor- und Nachteile einer Amputation, unter holistischer Betrachtung des Gesundheitszustandes des Patienten und der individuellen Behandlungsziele, besprochen werden. Bei nicht vital bedrohten Patienten sollte optional eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung mit dem Patienten vor einer Amputation besprochen werden.

Beim diabetischen Fußsyndrom wird vom Gesetzgeber seit 2021 ein Zweitmeinungsverfahren gefordert, sodass der behandelnde Arzt den Patienten proaktiv über die Möglichkeit einer Konsultation durch einen Zweitmeiner informieren muss [5, 6].

Vor einer geplanten Amputation sollten Patienten in einem Peer-Counseling-Gespräch mit amputierten Personen zusammengebracht werden. Dies soll Betroffenen den direkten Erfahrungsaustausch, etwa im Hinblick auf Reintegration ins private und auch berufliche Leben, mit bereits amputierten Menschen ermöglichen [7].

Präoperative Vorbereitung

Im Rahmen der präoperativen Vorbereitung sollten die folgenden Punkte abgearbeitet werden:

  • ausführliche Anamnese,

  • klinische Untersuchung mit Erhebung des Gefäßstatus,

  • Doppleruntersuchung der Extremität

  • Angiographie (± Intervention),

  • serielle Fotodokumentation der Wunde,

  • Ausschluss und ggf. Behandlung von Komorbiditäten,

  • Laboruntersuchungen inklusive Gerinnung und Kontrolle der Infektwerte,

  • antibiotische Behandlung abhängig von der mikrobiologischen Wundbesiedlung,

  • Erarbeitung eines interdisziplinären Behandlungsplans,

  • ausführliches Aufklärungsgespräch über Risiken, Komplikationen, Erfolgsaussichten und alternative Therapieoptionen.

Bildgebende Verfahren

Im Rahmen der präoperativen Vorbereitung erhalten im eigenen Vorgehen alle Patienten mindestens ein konventionelles Röntgenbild der betroffenen Region in zwei Ebenen zum Ausschluss einer begleitenden Fraktur oder einer Osteomyelitis als Ursache oder Komplikation einer chronischen Wunde. Abhängig vom Unfallmechanismus sollte additiv eine Schnittbildgebung erfolgen.

Vor geplanten, insbesondere freien Lappenplastiken führen wir eine Becken-Bein-Angiographie durch. Ziel ist es, hierdurch Gefäßverschlüsse bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK), aber auch traumatische oder iatrogene Veränderungen der arteriellen Versorgung und des venösen Abflusses zu erkennen. Weiter ermöglicht die Angiographie eine bessere Planbarkeit hinsichtlich der Wahl der Anschlussgefäße. Hierfür stehen die geläufigen angiographischen Modalitäten zur Verfügung.

Bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz, Schilddrüsendysfunktion oder bekannter Allergie gegen die geläufigen Kontrastmittel sollte alternativ auch die Option einer im Vergleich aufwendigeren CO2-Angiographie in Erwägung gezogen werden [8].

Bei der schweren PAVK mit arteriellen Stenosen oder Okklusionen besteht die Option im Rahmen einer digitalen Subtraktionsangiographie mittels Stents oder perkutaner transluminaler Angioplastie interventionell die Perfusion der Extremität endovaskulär zu optimieren [9, 10].

Zusammengefasst sollte die Wahl der Bildgebung abhängig von der Wundursache, den Komorbiditäten, insbesondere der schweren Niereninsuffizienz, Kontrastmittelunverträglichkeiten, einliegendem osteosynthetischem Material, aber auch nicht-Magnetresonanz(MR)-fähigen Devices z. B. Schrittmacher oder Kochleaimplantaten patientenindividualisiert und stets in enger Rücksprache mit den Kollegen der Radiologie erfolgen.

Die Farbdopplersonographie der Gefäße stellt mittlerweile ein unverzichtbares Tool in der Vorbereitung gestielter und freier Lappenplastiken dar. So erlaubt dieses dynamische Bildgebungsverfahren unter anderem die präoperative Bestimmung von Blutflussraten und Gefäßkalibern der Anschluss- sowie auch der Empfängergefäße.

Vakuumtherapie

Die „vacuum assisted closure therapy“ (VAC) gilt heute als feste Komponente in der Behandlung von Hautweichteildefekten [2, 11].

Bei diesem Verfahren wird ein Schwamm auf ein sauber débridiertes Wundbett aufgelegt und mithilfe einer luftundurchlässigen Folie an ein subatmosphärisches Sogsystem angeschlossen. Durch die VAC-Therapie wird eine Neoangiogenese stimuliert, unter welcher sich im besten Falle ein Granulationsgrund bildet, auf welchen im Verlauf eine Spalt- oder Vollhaut transplantiert werden kann [12].

Abhängig von der Defektgröße besteht auch die Möglichkeit, eine sekundäre Wundheilung unter konsekutiver Verkleinerung der Schwämme herbeizuführen.

Mittlerweile können Patienten mit kleinen mobilen VAC-Systemen in die ambulante Weiterbehandlung entlassen werden mit dem Vorteil einer Reduktion der Krankenhausaufenthaltsdauer (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Wundkonditionierung mittels mobiler VAC(„vacuum assisted closure therapy“)-Pumpe

Nachteil dieser Methode ist jedoch die teils langwierige Behandlung sowie die eingeschränkten Einsatzmöglichkeiten im Falle freiliegender neurovaskulärer Strukturen, Knochen und osteosynthetischen Materials. Hier hat sich die Methode jedoch als Überbrückungsmöglichkeit vor einer geplanten Lappenplastik bewährt mit dem zusätzlichen Vorteil für Patienten, dass teils schmerzhafte Verbandswechsel auf Intervalle von bis zu 7 Tagen ausgeweitet werden können [2, 13].

Gerade über Gleitzonen von Sehnen und Gelenkkapseln, Nerven und Gefäßstraßen kann die vakuuminduzierte Gewebsgranulation durch Verwachsungen funktionell von erheblichem Nachteil sein. Hier sollte eine frühzeitige Lappenplastik geplant werden, mit der die natürlichen polsternden Gewebequalitäten mit ausreichender Gleitfähigkeit rekonstruiert werden können.

Primärer Wundverschluss

Der primäre Wundverschluss sollte, wenn chirurgisch vertretbar, bei allen frischen, nicht kontaminierten Wunden der unteren Extremität angestrebt werden.

Hier ist es wichtig, nach Traumata ein Kompartmentsyndrom oder Verletzungen funktioneller Strukturen auszuschließen. Unabdingbar ist eine vorherige Wundexploration. Zum Wundverschluss stehen verschiedene Nahtmaterialen zur Verfügung, aus diesen sollte abhängig von der Gewebebeschaffenheit gewählt werden. In unserem Vorgehen verwenden wir nichtresorbierbare Nahtmaterialen in der Donati- oder Allgöwer-Rückstichtechnik. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Wundränder locker adaptieren lassen, das Gewebe gut durchblutet ist und keine grobe Kontamination vorliegt [14]. Bei grober Kontamination sollte eine sekundäre Wundheilung angestrebt werden, in dubio besteht jedoch auch die Möglichkeit, die Wundränder locker adaptierend zu vernähen, um eine Spülung mittels eingelegter Drainage zu ermöglichen.

Ausnahmen bilden in diesem Zusammenhang onkologische Eingriffe, bei fraglichen In-sano-Resektionen sollte der Defekt erst bei sicherer R0-Resektion verschlossen werden. Das Intervall bis zum Erhalt der histopathologischen Befunde kann mittels VAC oder temporärem Hautersatz überbrückt werden.

Sekundäre Wundheilung

Die Voraussetzung für eine erfolgreiche sekundäre Wundheilung im Bereich der unteren Extremität ist ein vitaler Wundgrund, ohne Freiliegen von Strukturen wie Sehnen, Bändern oder Knochen. Hierzu gibt es eine Vielzahl verschiedener Verbandsstrategien, deren Ausführung den Rahmen dieses Kapitels sprengen würde. Grundlegend sei hier erwähnt, dass für eine sekundäre Wundheilung eine infektfreie und vitale Wunde vorliegen muss. Dies kann nur nach einem radikalen Débridement mit Entfernung aller Nekrosen, Reduktion der bakteriellen Besiedlung und durch die Behandlung des ursächlichen Problems z. B. einer Stauungsdermatitis oder eines schlecht eingestellten Diabetes mellitus erreicht werden. Ausnahmen stellen hier etwa Strahlenulzera und exulzerierte Tumoren dar. Gelegentlich werden gerade die Tumorulzerationen als chronische Wunden verkannt, weshalb bei chronischen Wunden stets die Notwendigkeit einer Wundbiopsie gegeben ist. Unter chronischen Wunden versteht man jene Wunden, die innerhalb von 30 Tagen nicht epithelialisiert sind [15].

Eine Übersicht über häufige Ursachen chronischer Wunden der unteren Extremität gibt Tab. 1.

Tab. 1 Ursachen chronischer Wunden der unteren Extremität. (Aus [15])

Durch einwachsende Myofibroblasten kommt es bei einer unkomplizierten Heilung im Verlauf zu einer Wundkontraktion und Verkleinerung der Wunde.

Es gilt immer zu bedenken, dass jede Sekundärheilung lediglich einen narbigen Endzustand ergibt, welcher z. B. an den Extremitäten zu erheblichen Funktionseinbußen führen kann; insofern sollte eine plastische Weichteildeckung immer frühzeitig in die Strategie einbezogen werden.

Hauttransplantation

Defektdeckungen mit Hauttransplantaten sind prinzipiell auf jedem vitalen Wundgrund möglich, jedoch handelt es sich um wenig belastungsstabiles Gewebe.

Abhängig von der Dicke der entnommenen Haut unterscheidet man zwischen Spalt- und Vollhauttransplantaten. Spalthaut wird mithilfe eines Dermatoms gewonnen und umfasst in Abhängigkeit von der Einstellung die Epidermis und ein Viertel bis drei Viertel der Dermis. Vorteile sind großflächig Entnahmemöglichkeiten vom Ober- und Unterschenkel, Rücken, Abdomen und der behaarten Kopfhaut bei Kindern [16, 17, 18]. Darüber hinaus kann durch den Mesh-Vorgang eine Flächenvergrößerung der Spalthaut um das 1,5- bis 6‑Fache der initialen Transplantatgröße erzielt werden.

Vollhauttransplantate hingegen umfassen die gesamte Epidermis und Dermis mit dem Vorteil einer höheren mechanischen Belastbarkeit, ästhetisch besseren Ergebnissen und deutlich reduzierter sekundärer Schrumpfung des Transplantats. Nachteil sind die limitierten Spenderareale (Leiste, Gesäßfalte, untere Bauchdecke) und die schlechtere Einheilungstendenz im Vergleich zu Spalthauttransplantaten.

Kontraindikationen zur Hauttransplantation sind neben einer groben bakteriellen Kontamination der Wundgrunds, freiliegende Implantate, ein minderdurchbluteter Wundgrund und mechanisch stark belastete Empfängerstellen, wie die Ferse [16, 17, 18].

Die sekundäre Kontrakturneigung, insbesondere von Spalthauttransplantaten, muss vor allem im Bereich von Gelenken berücksichtigt werden [16, 17, 18].

Salvage-Operation mit Spalthauttransplantaten

Bei schwerstkranken Patienten, bei denen extensive Operationen nicht möglich oder vom Patienten nicht gewünscht sind, besteht die Möglichkeit bei freiliegendem Knochen die Kortikalis abzufräsen und hierdurch einen blutenden, transplantatfähigen Wundgrund zu erhalten. Die Spalthaut wird in diesen Fällen direkt auf die freiliegende Spongiosa transplantiert. Diese Methode haben wir wiederholt erfolgreich bei bettlägerigen Patienten mit 4°-Fersendekubitus anwenden können.

Auch synthetische, temporäre Matrizes stellen in solchen Fällen eine Behandlungsoption dar. In der nahen Vergangenheit haben wir vielversprechende Ergebnisse mit der „biodegradable temporising matrix“ (BTM) gesammelt. Nach Aufbringung der BTM auf einen sauber débridierten Wundgrund kommt es zu einer Vaskularisierung und Zellmigration in die Matrix, wodurch eine Neodermis entsteht [19]. Die endgültige Spalthauttransplantation erfolgt in unserer Abteilung 3 Wochen nach Aufbringung des BTM.

Lappenplastiken

Finden die o. g. Deckungsoptionen keine Anwendung, steht als nächste Stufe der Rekonstruktion die Lappenplastik bereit.

Die lokale Lappenplastik beruht auf dem Prinzip der Verschiebung von Gewebe aus der unmittelbaren Umgebung der Wunde mit dem Ziel des vollschichtigen Hautweichteilersatzes [20, 21].

Bei der regionalen Lappenplastik wird der Lappen aus der Nähe des Defekts gehoben, grenzt aber nicht unmittelbar an [20, 21]. Vorteile der lokalen und regionalen Lappenplastik sind die sichere autologe Gefäßversorgung über den Lappenstiel, der mit dem Spenderareal in Verbindung bleibt sowie die erhaltene Schutzsensibilität [20].

Durch die Nähe zum Defekt profitiert der Patient auch von einem deutlich ästhetischeren Ergebnis durch die vergleichbare Hautdicke, Farb- und Gewebestruktur sowie Behaarung von Spender- und Empfängerregion [20, 21, 22].

Abhängig von der Größe des Lappens kann die Entnahmestelle primär oder mittels Spalthautgegentransplantat verschlossen werden.

Grundlegend unterscheidet man zwischen diffus-perfundierten „Random-pattern-Lappen“, die keine definierte gefäßachsenabhängige Blutversorgung besitzen und über den subdermalen Plexus versorgt werden, und definiert-perfundierten „Axial-pattern-Lappen“, die über einen Gefäßstiel eine sichere Perfusion des Lappens gewährleisten [20, 21, 22].

Fernlappen werden aus weiter entfernten Körperregionen gehoben und sind mit Ausnahme der nur noch historisch bedeutsamen Rundstiel-Wanderlappen immer über einen Gefäßstiel versorgt [21].

Des Weiteren können alle Lappen gemäß ihrer Gewebezusammensetzung in kutane, fasziokutane, myokutane und osteokutane oder osteomyokutane Lappen klassifiziert werden [21]. Zur Defektdeckung werden diese dann als Vorschiebelappen, Insellappen, Rotationslappen oder Transpositionslappen gehoben und in den Defekt eingeschwenkt. Tab. 2 zeigt eine Übersicht der regionenspezifischen Optionen zur lokalen Lappenplastik.

Eine weitere sichere Option stellen gefäßgestielte Perforatorlappenplastiken dar. Hierbei erfolgt zunächst die präoperative dopplersonographische Lappenplanung zur Identifizierung des dominaten Perforatorgefäßes [11, 23].

Tab. 2 Regionenspezifische Optionen gestielter Lappenplastiken zur Defektdeckung. (Aus [11])

Intraoperativ wird die Lappenplastik unter Schonung des Perforatorgefäßes gehoben und, z. B. als Propellerlappenplastik, in den Defekt rotiert [11, 23].

Freie Lappen

Freie Lappenplastiken werden angewandt, wenn die Lokalisation, Defektgröße oder das rekonstruktive Ziel mithilfe lokaler oder gestielter Lappenplastiken nicht erreicht werden kann oder diese zuvor gescheitert sind. Insbesondere Patienten mit ausgedehnten traumatischen Hautweichteildefekten profitieren vom mikrovaskulär anastomosierten Gewebetransfer (Abb. 2, 3 und 4).

Abb. 2
figure 2

Hautweichteildefekt am medialen oberen Sprunggelenk

Abb. 3
figure 3

Myokutaner Grazilislappen

Abb. 4
figure 4

Defektverschluss am medialen oberen Sprunggelenk mit einem freien myokutanen Grazilislappen

Ziel ist es hier, eine suffiziente Deckung funktioneller Strukturen, aber auch osteosynthetischen Materials zu ermöglichen, um eine sichere Knochenheilung unter einem später belastbaren Hautweichteilmantel herzustellen [11, 24].

Eine zusätzliche Neurotisation ermöglicht eine sensible oder motorische Innervation der Lappenplastik. Hierdurch kann nicht nur das Ziel der Defektdeckung verfolgt, sondern vielmehr auch eine funktionelle Rekonstruktion mit begleitendem Wiedererlangen einer Schutzsensibilität erreicht werden [25].

Der osteo- und osteomyokutane Lappen beinhaltet zudem ein vaskularisiertes Knochentransplantat und ermöglicht somit die simultane Deckung von Weichteil- und Knochendefekten [11, 26, 27].

Tab. 3 zeigt eine Übersicht der verschiedenen freien Lappenplastiken, die zur Defektdeckung der unteren Extremität angewandt werden können.

Tab. 3 Universell anwendbare freie Lappenplastiken

Im eigenen Vorgehen hat sich der muskulokutane M.-latissimus-dorsi-Lappen (MLD) für komplexe und ausgedehnte Defekte der gesamten unteren Extremität mit einem maximalen Ausmaß von 30 × 40 cm etabliert. Für Defekte mit geringerem Gewebebedarf und speziellen Anforderungen an eine schlanke Gestaltung der Weichteilmanschette hat der vielseitig zu gestaltende fasziokutane oder adipokutane anterolaterale Oberschenkellappen (ALT) mit dem Vorteil einer geringeren Hebemorbidität und häufig besseren ästhetischen Ergebnissen einen festen Stellenwert im Behandlungsspektrum [28].

Ein wichtiges Prinzip ist, dass die mikrovaskuläre Gefäßanschlussposition des Lappens außerhalb der Traumazone lokalisiert wird, um mikrovaskuläre Probleme soweit wie möglich zu eliminieren. Dies kann, sofern möglich, durch einen entsprechend langen Gefäßpedikel oder aber mittels einer arteriovenösen Gefäßschleife erreicht werden.

Um nach dem freien Gewebetransfer ein besseres Einheilen des Transplantats zu ermöglichen, erfolgt ab dem 3. postoperativen Tag zunächst eine ischämische Konditionierung – das sog. Lappentraining [27]. In dieser kritischen Phase wird durch die watteelastische Wickelung („wrapping“) und das simultane Herunterhängen der Extremität von der Bettkante („dangling“) eine Ischämie herbeigeführt, die eine gesteigerte Angiogenese und damit ein besseres Einheilen des Transplantates zur Folge hat. Dies erfolgt über 5 Tage mit konsekutiver Steigerung der Länge der Wrapping- und Dangling-Intervalle [27]. Nach abgeschlossenem Lappentraining wird dann die Entlassung angestrebt.

Die Erfolgsraten freier Lappenplastiken liegen in spezialisierten Zentren heute bei deutlich über 90 % [1]. Hier muss allerdings klar zwischen akuten/dringlichen mikrovaskulären Lappenplastiken, etwa in traumatologischen Situationen, und „elektiver“ Mikrochirurgie, wie z. B. der eigengewebsbasierten Brustrekonstruktion, unterschieden werden.

Defektdeckung nach Regionen

Oberschenkel- und Leistenregion

Für großflächige Defekte im Bereich des proximalen Oberschenkels und der Leiste hatte sich der distal gestielte M.-rectus-abdominis-Lappen bewährt. Dieser wird proximal abgesetzt und distal gestielt in den Defekt geschwenkt [11]. Für kleine Defekte findet der proximal gestielte M.-gracilis-Lappen hier seine Anwendung [11]. In der Behandlung inguinaler Wundheilungsstörungen in Folge gefäßchirurgischer Eingriffe stellt der proximal gestielte M.-rectus-femoris-Lappen eine sichere Deckungsoption dar [29]. Trochantäre Defekte, häufig als Folge von Druckgeschwüren, können mithilfe des posterioren Oberschenkellappens, einem M.-tensor-fasciae-latae-Lappen oder M.-vastus-lateralis-Lappen gedeckt werden [11, 30]. Vorteile dieser Lappen sind die weiter vorhandene Sensibilität, geringe Hebemorbidität sowie hohe Belastbarkeit.

Durch die Vielzahl an Lappenoptionen können die meisten Defekte mit gestielten Lappenplastiken gedeckt werden. Besteht hingegen eine posttraumatische oder strahlungsbedingte Destruktion des umliegenden Gewebes, sollten freie Lappenplastiken zur Defektdeckung angewandt werden.

Knie- und proximale Unterschenkelregion

Hautweichteildefekte der Knieregion beispielsweise mit freiliegenden Knieprothesen oder der proximalen Unterschenkelregion lassen sich mit dem medialen oder lateralen Gastroknemiuslappen oder alternativ auch mit einem Tibialis-anterior-Lappen versorgen [11].

Im eigenen Vorgehen hat sich der Gastroknemiuslappen durch seine sichere Blutversorgung und die geringen funktionellen Einschränkungen nach Hebung etabliert. Abhängig von der Lokalisation des Defektes kann der mediale oder laterale Kopf des Gastroknemius gewählt werden [11]. Die Funktion der Plantarflexion wird dabei weiter durch den M. soleus gewährleistet, sodass bei ausgedehnten Defekten auch beide Köpfe des M. gastrocnemius simultan verwendet werden können.

Mittlere Unterschenkelregion

Hier eignet sich der M. soleus gut zur Defektdeckung. Bei kleineren Defekten im Bereich des mittleren und proximalen Unterschenkels reicht gelegentlich auch ein longitudinal geteilter Hemisoleus geteilter Hemisoleus [31]. Seine Agonisten, M. gastrocnemius und M. plantaris, übernehmen hierbei seine Funktion der plantaren Flexion und Supination des Fußes.

Für eine fasziokutane Rekonstruktion der vorderen Tibia ist das Brückenlappenprinzip anwendbar. Dies beschreibt eine Parallelverschiebung einer Gewebebrücke, die von gegenüberliegenden Seiten perfundiert wird. Der durch die Verschiebung entstandene Defekt kann primär verschlossen oder durch ein Gegentransplantat gedeckt werden.

Distale Unterschenkel‑, Knöchel- und Achillesregion

Ein Mangel an verschiebbaren Weichteilen macht die Defektdeckung in diesen Regionen besonders heikel. Rekonstruktionen lassen sich mittels Suralislappen erzielen. Gelegentlich kommt es hier zu venösen Abflussstörungen, sodass in der Präparation des fasziokutanen Lappens ein ausreichend langer Lappenstiel gewählt werden muss [11, 31]. Ein weiterer Nachteil ist der Verlust der Oberflächensensibilität im Bereich des Außenknöchels [11, 31]. In unserer Klinik hat der regionale Propellerlappen daher den Suralislappen ersetzt. Alternativ kann ein M.-peroneus-brevis-Lappen oder ein freier Lappen bei größeren Defekten zur Anwendung kommen.

Ferse und Fußsohle

Ferse und Fußsohle bedürfen einer speziellen Berücksichtigung. Die Sohlenhaut ist einzigartig und eine Eins-zu-Eins-Rekonstruktion nur bei kleinen Defekten möglich, insofern sind alle Lappenplastiken nur Kompromisse. Die Defektdeckung muss hier den unterschiedlichen Belastungszonen und funktionellen Aufgaben gerecht werden [11, 24]. Ferse, Fußballen, lateraler Fußrand und die Achillessehneninsertion sind einer deutlich höheren Druckbelastung als die nicht gewichttragende mediale Plantarfläche ausgesetzt [11, 24].

Ein distal gestielter Suralislappen ist eine Möglichkeit zur Fersenrekonstruktion. Alternativ kann der leistenhautbasierte „instep flap“ vom Hohlfußbogen gestielt an der A. plantaris medialis in den Defekt rotiert werden mit dem Erhalt sowohl einer sensiblen und belastungsstabilen Ferse als auch des proximalen Fußsohlendrittels [11, 24]. Die Hebestelle, welche nicht in der Belastungszone liegt, kann mit einem Hauttransplantat gedeckt werden (Abb. 5). Als „reverse instep“ kann derselbe Lappen genutzt werden, um den Vorfuß gleichermaßen zu decken [24]. Regionen, die weniger Belastung ausgesetzt sind, wie das mediale mittlere Fußsohlendrittel können mit Hauttransplantaten oder lokalen Lappenplastiken gedeckt werden.

Bei größeren Defekten (Abb. 2) oder fehlenden lokalen Lappenoptionen ist jedoch meist der freie Gewebetransfer unumgänglich, etwa mittels Radialislappen, MLD oder Grazilislappen [24]. Zur Vermeidung auftragender Gewebsmassen und eines Shiftings verwenden wir den reinen schlanken Muskelanteil mit Spalthautbedeckung.

Abb. 5
figure 5

a, b Leistenhautbasierter „instep flap“ vom Hohlfußbogen gestielt in den Defekt rotiert mit dem Erhalt einer sensiblen und belastungsstabilen Ferse. c Begleitende Hebedefektdeckung mittels Spalthauttransplantation. (Aus [11])

Zur Defektdeckung am Fußrücken wird, bei freiliegenden Strecksehnen und limitierten lokalen Deckungsoptionen, im eigenen Vorgehen meist unmittelbar eine ALT-Lappenplastik anvisiert.

Komplikationen

Postoperative Komplikationen variieren in Abhängigkeit von dem gewählten Rekonstruktionsverfahren. Nachblutungen, Serome und sekundäre Wundinfektionen und vor allem Perfusionsstörungen sind hier insbesondere bei Lappenplastiken zu erwähnen.

Essenziell zur Prävention ist, dass die intraoperativen eingelegten Redondrainagen erst bei Sekretionsmengen von unter 50 ml schrittweise gezogen werden.

Weiter empfehlen wir die Kompressionswickelung im Bereich der Lappenhebestelle für 6 Wochen zu belassen sowie eine Ultraschallkontrolle im Rahmen der Wiedervorstellung oder durch den weiterbehandelnden Arzt.

Serome können in der Regel abpunktiert werden und nur in seltenen Fällen bedarf es eines Sekundäreingriffes.

Mit dem Patienten sind aber auch evtl. funktionelle Einschränkungen, das zu erwartende Narbenbild und/oder die evtl. Notwendigkeit der Feinkonturierung bzw. Ausdünnung von Lappenplastiken zu besprechen.

Sollte es zu Schwellungen durch die Destruktion von Lymphabflussbahnen im Rahmen des initialen Traumas gekommen sein, bedarf es häufig intensivierter manueller Lymphdrainage und des Tragens von Kompressionsstrümpfen, häufig auch über mehrere Jahre.

Im Rahmen des Aufklärungsgespräches muss die Möglichkeit eines totalen Transplant- oder Lappenverlustes mit der daraus resultierenden Notwendigkeit von Folgeeingriffen besprochen werden.

Nachsorge

Im Rahmen der Nachsorge ist es unerlässlich, dass sowohl das defektgedeckte Areal als auch die Hebestelle des Hauttransplantats oder der Lappenplastik untersucht werden. Weiter bedarf es der lebenslangen Pflege von Hauttransplantaten.

Hypästhesien der Haut nach Defektdeckung sind auch in neurotisierten Lappen eher die Regel, sodass es durch ein Bagatelltrauma oder einen drückenden Schuh zu schmerzlosen Wunden kommen kann. Wir empfehlen unseren Patienten ein ergotherapeutisches Training sowie eine tägliche Untersuchung des defektgedeckten Areals auf Blessuren.

Cave

Durch sekundäre Eingriffe nach Lappenplastiken kann es zu iatrogenen Verletzungen des vaskulären Pedikles kommen.

Bei auftragenden Lappen, die zur Folge haben können, dass Patienten Schwierigkeiten haben passendes Schuhwerk zu finden, kann im Rahmen der Nachsorge eine sekundäre Lappenausdünnung zur Feinkonturierung geplant werden [32, 33]. Hierdurch kann eine Verbesserung des ästhetischen und funktionellen Ergebnisses herbeigeführt werden. Das begleitende Risiko eines sekundären Lappenverlustes ist hierbei gering [32, 33]. Im eigenen Vorgehen führen wir diese Korrekturoperationen frühestens nach 12 Monaten durch.

Sollte es zu traumatologisch-orthopädischen Sekundäreingriffen und zu einer geplanten Entfernung osteosynthetischen Materials kommen, muss der Lappen häufig erneut angehoben werden. Es ist stets ratsam, den plastischen Chirurgen in die Operationsplanung mit einzubeziehen, um eine iatrogene Verletzung des vaskulären Pedikles zu vermeiden.

Fazit für die Praxis

  • Die plastisch-chirurgische Rekonstruktion von Hautweichteildefekten als Teil der extremitätenerhaltenden Chirurgie ist eine interdisziplinäre Herausforderung.

  • Unter Ausschöpfung der plastisch-chirurgischen Möglichkeiten sollte eine patientenindividualisierte Behandlungsstrategie erarbeitet werden.

  • Unabhängig von der Ätiologie der Wunden sollte der plastische Chirurg frühestmöglich in die Erstellung eines Behandlungsplans mit eingebunden werden.

  • Die innerklinische interdisziplinäre Kooperation und enge Anbindung der Patienten an die weiterbehandelnden Kollegen sind essenziell für den Behandlungserfolg und müssen zur Erhaltung der Ergebnisse fortgeführt werden.

  • Bei chronischen, nichtheilenden Defekten, funktionslosen Extremitäten oder frustraner vorhergegangener Lappenplastik sollten unter holistischer Betrachtung hinsichtlich Begleiterkrankungen und individuellen Behandlungszielen mit dem Patienten die Vor- und Nachteile einer Amputation besprochen werden.