Hintergrund

Die Effektivität des Gesundheitswesens bei der Brustkrebsbehandlung kann man annäherungsweise durch den Vergleich der brustkrebsspezifischen Mortalität von Jahrgangskohorten erkennen. Dabei überschneiden sich die Effekte einer moderneren Diagnostik mit einer höheren Sensitivität – einschließlich Mammographiescreening – mit den Fortschritten in der operativen, radioonkologischen und systemischen (neoadjuvanten, adjuvanten, palliativen) Therapie. In die brustkrebsspezifische Mortalität gehen Ursachen, die beispielsweise durch eine kardiotoxische Therapie oder die 0,1–0,5% strahlentherapieinduzierten Angiosarkome [14] bedingt sind, nicht mit ein. Zudem müssen, um den unterschiedlichen Einfluss der einzelnen Therapien auf die Gesamtentwicklung der Mortalität an Brustkrebs einzuschätzen zu können, erstens alle Patientinnen erfasst und zweitens die Angaben zur Compliance berücksichtigt werden.

Von den Brustkrebspatientinnen wenden 60–80% komplementäre Methoden an [15]. Es ist anzunehmen, dass ein Teil der Patientinnen nicht therapietreu ist und teilweise oder ganz auf die adjuvante Therapie verzichtet. Zunehmend werden deshalb randomisierte Studien als „Intention-to-treat“-Analyse publiziert. Zusätzlich ist dabei die Beeinflussung durch die Einholung von Zweitmeinungen in anderen Brustzentren zu beachten. Außerdem gibt es Hinweise, dass auch bei der Strahlentherapie insbesondere ältere Patientinnen nicht leitliniengerecht behandelt werden [8].

In der Versorgungsforschung wird die Versorgungsqualität hinsichtlich „der Unter-, Über- oder Fehlversorgungsbereiche“ beleuchtet. Diese zusätzliche Perspektive ist wichtig, da „die Extrapolation der Ergebnisse klinischer Studien auf das gesamte Patientenkollektiv mit den erkennbaren Einschränkungen und offensichtlichen Fehlbehandlungen“ [10] nicht ausreichend ist. Durch die Ergebnisse der Versorgungsforschung kommt es zu Sichtweisen, die randomisierte Studien teilweise nicht vermitteln können [3].

Ziel dieser Untersuchung zur Strahlentherapie nach brusterhaltender Therapie sollte es daher sein, die Therapietreue der Patientinnen im Verhältnis zum Beschluss einer interdisziplinären Tumorkonferenz eines zertifizierten Brustzentrums (hier speziell das interdisziplinäre Brustzentrums der Charité) zu untersuchen.

Dabei sollten folgende Fragen beantwortet werden:

  • Im welchen Prozentsatz werden die Tumorkonferenzempfehlungen zur lokoregionären Strahlentherapie im Versorgungsalltag umgesetzt?

  • Korreliert das Abweichungsverhalten mit dem Alter oder dem Tumorstadium der Patientinnen?

  • Welchen Einfluss hat die Empfehlungskonformität auf das rezidivfreie Überleben?

Patienten und Methoden

Retrolektiv wurden alle Patientinnen, bei denen vom 1. November 2003 bis zum 31. Dezember 2008 im interdisziplinären Brustzentrum der Charité die Diagnose eines primären invasiven oder intraduktalen Mammakarzinom gestellt wurde, erfasst. Es waren in diesem Zeitraum 11 verschiedene Fachärzte sowie unter deren Anleitung verschiedene Ausbildungsassistenten an den Operationen beteiligt.

Als Diagnosedatum gilt das Datum der durchgeführten Stanzbiopsie. Wegen der Fragestellung bezüglich der Strahlentherapie wurde bei einem bilateralen Auftreten (synchron oder asynchron) jeder Primärtumor gesondert erfasst.

Bedingt durch die Einholung von Zweitmeinungen kam es teilweise zu einem Drop-Out während des Therapieverlaufs. Andererseits wurden Patientinnen, die zwischen histologischer Sicherung (Stanzbiopsie) und definitiver Operation nach der Einholung einer Zweitmeinung zu uns wechselten, in der Auswertung erfasst.

Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 2041 Operationen wegen eines primären Mammakarzinoms oder DCIS durchgeführt. Darin sind 68 Patientinnen mit beidseitigen (synchronen oder asynchronen) Mammakarzinomen subsummiert. Auch 14 männliche Patienten (0,7%) wurden miterfasst.

Ausgeschlossen wurden Patientinnen entsprechend folgender Kriterien:

  • Patientinnen, die nicht im o. g. Zeitraum erstdiagnostiziert wurden,

  • Patientinnen mit einem malignen Phylloidestumor oder Sarkom,

  • Patientinnen, die die operative Therapie am Brustzentrum der Charité nicht abschlossen,

  • primär metastasierte Patientinnen und

  • Patientinnen, bei denen aufgrund eines Klinikwechsels der Erhalt oder Nichterhalt einer Bestrahlung trotz intensiver Recherche nicht zu eruieren war.

Somit gingen 1903 Patienten in die Auswertungen ein.

In 106 (5,6%) dieser 1903 Patientenfälle war ein „lost to follow-up“ wegen fehlender Konsultation nach der Ergebnisübermittlung der interdisziplinären Tumorkonferenz zu verzeichnen, so dass insgesamt zur Untersuchung der Rezidivraten 1797 Patienten in die Berechnung einbezogen wurden.

Bei der Auswertung der tumorhistologischen Befunde wurden Patienten nach neoadjuvanter Therapie ausgeschlossen, so dass schließlich nur 1792 Fälle eingingen. Die Erfassung aller Primärkarzinome einschließlich der Beschlüsse der interdisziplinären Tumorkonferenz, der an unserer Fakultät durchgeführten Therapien und der in der Hochschulambulanz erfolgten Nachsorgen wurde grundsätzlich über die Datenbank ODSeasy organisiert, die aber im Nachgang im Zuge dieser Auswertung [7] ergänzt wurde (retrolektive Erfassung). Dies geschah durch Auswertung von auswärtigen Arztbriefen, mit Hilfe von Telefoninterviews bzw. von Anschreiben an die behandelnden Praxen und an die ursprünglich vorgesehenen radiotherapeutischen Einrichtungen. Wenn dies ohne Erfolg blieb, wurden in Ausnahmefällen die Patientinnen direkt kontaktiert. In die Auswertungen gingen die Informationen bis einschließlich 30. Juni 2010 ein. Die statistische Auswertung erfolgte mit der Software SPSS (PASW 16).

In der vorliegenden Arbeit handelt es sich um einen explorativen Ansatz, so dass die Ergebnisse keinen „beweisenden“ Charakter haben. Aufgrund dessen wurde keine Bonferroni-Adjustierung der p-Werte angewandt. Statistische Signifikanz wurde bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p ≤ 0,05 angenommen.

Deskriptionen der Daten erfolgten mit Hilfe üblicher Lage- (Mittelwert, Median, Minimum, Maximum) und Streuungsmaße (Standardabweichung) für quantitative Variablen sowie absolute und relative Häufigkeiten für kategorielle Erhebungen.

Ergebnisse

Das durchschnittliche Ersterkrankungsalter betrug 59,9 Jahre bei einem Median von 62 Jahren (23–96 Jahre). Tab. 1 zeigt die Umsetzung der lokoregionären Tumorkonferenzempfehlungen.

Tab. 1 Umsetzung der lokoregionären Tumorkonferenzempfehlungen (n = 1903)

Dabei variiert in den Jahren die Abweichungshäufigkeit von der Tumorkonferenzempfehlung zwischen 3,6% und 5,8%, was jedoch keinen signifikanten Unterschied (Chi-Quadrat p = 0,456) darstellt. Insgesamt sind bei 5,5% der Patientinnen die Tumorkonferenzempfehlungen hinsichtlich der Strahlentherapie nicht eingehalten worden. Dabei zeigt sich erwartungsgemäß ein signifikanter Zusammenhang zum Alter (Chi-Quadrat p < 0,0005; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Abweichung von den lokoregionären Tumorkonferenzempfehlungen je Altersgruppe

Patientinnen, bei denen eine adjuvante Hormontherapie durchgeführt wurde, verhielten sich eher konform (97,0%) als Patientinnen ohne Hormontherapie (93,1%). Dies entspricht einem p < 0,0005. Das trifft auch für Patientinnen mit adjuvanter Chemotherapie (96,8%) versus Patientinnen ohne Chemotherapie (93,9%) bei einem p=0,027 zu. Patientinnen mit größeren Tumoren (pT3/4) verhielten sich ebenfalls weniger konform (p = 0,024).

Kein Zusammenhang (Chi-Quadrat-Test) hinsichtlich der Tumorkonferenzempfehlung fand sich beim Tumorstadium (p = 0,177), dem Nodalstatus (p=0,466), dem Grading (p=0,063) und der Durchführung einer primären versus einer adjuvanten Chemotherapie (p=0,374). Bei der durchgeführten multiplen logistischen Regressionsanalyse der Einflussfaktoren, die nach univariater Analyse einen signifikanten Einfluss auf die Nichtumsetzung der Tumorkonferenzempfehlungen hatten, zeigte sich nur noch beim Alter und beim Erhalt einer Hormontherapie ein signifikanter Zusammenhang zur Abweichungshäufigkeit (Tab. 2).

Tab. 2 Multiple logistische Regressionsanalyse der Einflussfaktoren auf die Nichtumsetzung der Tumorkonferenzempfehlungen

Trotz aller Bemühungen war eine Begründung der Abweichung von der Tumorkonferenzempfehlung nur bei 55 (52,9%) der 104 Patientinnen zu eruieren. Zweiundfünfzig Patientinnen hatten die Konferenzempfehlung abgelehnt. Eine Patientin entschloss sich nach dem Tumorkonferenzbeschluss doch noch zur Mastektomie. Eine Patientin setzte wegen einer Erkältung die Empfehlung nicht um und eine Patientin überschritt den Zeitraum, währenddessen eine adjuvante Strahlentherapie noch sinnvoll ist.

In Tab. 3 werden zum Vergleich mit anderen Klinikstatistiken die postoperativen tumorhistologischen Befunde der Patienten (n = 1792) angezeigt.

Tab. 3 Postoperative tumorhistologische Befunde der Patienten (n = 1792a)

Der Tumorbefund war in 48,9% rechtseitig und in 51,1% linksseitig lokalisiert. Der mediane Beobachtungszeitraum der Patienten betrug hier 2,18 Jahre (Maximum 6,39 Jahre). Innerhalb unseres Beobachtungszeitraums (vom Operationsdatum bis 30 Juni 2010) ereigneten sich im Gesamtkollektiv (n = 1797) 70 Lokalrezidive (brusterhaltende Operationen und Mastektomien). Dies entspricht einer Lokalrezidivrate von 3,9%. Das lokalrezidivfreie 5-Jahres-Überleben aller Patientinnen betrug 92,5%. Der Vergleich des lokalrezidivfreien 5-Jahres-Überlebens zwischen den empfehlungskonformen Patienten und den nicht empfehlungskonformen Patienten ergibt entsprechend 93,3% und 75,4% (Abb. 2), wobei mögliche Kofaktoren in Tab. 2 ersichtlich sind. Bei einem Signifikanzniveau von 5% konnte mittels univariater Cox-Regression ein unterschiedliches Risiko zwischen den beiden Patientengruppen bezüglich des Auftretens eines Lokalrezidivs nachgewiesen werden (p < 0,0005; HR  4,056; 95%-KI 2,13–7,72). Patientinnen, die sich nicht empfehlungskonform verhielten, hatten ein 5,02-fach erhöhtes Risiko ein Lokalrezidiv zu erleiden als Patientinnen, die sich empfehlungskonform verhielten. Tab. 4 zeigt die Cox-Regression von Prädiktoren für das Rezidivauftreten univariat und Tab. 5 multivariat. Dabei ergibt sich neben den bekannten Prädiktoren (multivariat nur Grading) die Empfehlungskonformität als signifikant bedeutsam.

Abb. 2
figure 2

Kaplan-Meier-Kurve zum rezidivfreien Überleben für empfehlungskonforme und nicht empfehlungskonforme Patienten

Tab. 4 Prädiktoren für das Rezidivauftreten (univariate Cox-Regression; Analyse n = 1797)
Tab. 5 Prädiktoren für das Lokalrezidivauftreten (multivariate Cox-Regression; Analyse n = 1797)

Diskussion

Die hier vorgestellte Patientengruppe hinsichtlich der Seitenlokalisation entspricht den Angaben des gemeinsamen Krebsregisters der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und der Freistaaten Sachsen und Thüringen (GKR). Bei invasiven Karzinomen zeigte sich eine signifikante Risikoerhöhung von 7% zugunsten der linken Seite [20]. In unserer Studie sind 51,1% der Karzinome linksseitig lokalisiert.

Der Anteil der nichtinvasiven Karzinome betrug 12,2% (Vergleich GKR: 2003 bis 2005 8,2%; 2008 13,4% für die 50- bis 69-Jährigen und entsprechend für die nicht vom Screening erfassten Altersgruppen, also für die 0- bis 49-Jährigen 7,5% zu 8,2% bzw. für die über 70-Jährigen 4,8% zu 6,7%; [20]). Damit kamen in die Charité mehr Patientinnen mit intraduktalen Karzinomen als durchschnittlich in Berlin und den umliegenden Bundesländern.

Die Aufklärung zur Strahlentherapie erfolgt präoperativ bei brusterhaltender Therapie, da nach der Übersicht der „Early Breast Cancer Trialists‘ Collaborative Group“ (EBCTCG; [6]) auf Grundlage aller auswertbaren randomisierten Studien zu dieser Fragestellung eine adjuvante Strahlentherapie nach brusterhaltender Therapie einen Vorteil hinsichtlich der Lokalrezidivrate erbringt. Selbst bei älteren Patientinnen geht der Verzicht auf eine Strahlentherapie nach brusterhaltender Therapie, wie eine retrospektive Kohortenanalyse zeigte, mit geringerem Überleben einher [17].

Diese Daten sind konkordant mit der Kaplan-Meier-Analyse (Abb. 2), die ohne Strahlentherapie ein höheres Lokalrezidivrisiko aufzeigt. Die hier aufgezeigte Lokalrezidivrate einer universitären Ausbildungsklinik mit einer größeren Anzahl von Operateuren wird für die leitlinienkonform behandelten Patienten voraussichtlich nach 10 Jahren den Qualitätskriterien für zertifizierte Brustzentren (< 10% nach Mastektomie und < 15% nach brusterhaltender Therapie) entsprechen. Es zeigt sich jedoch, dass in der Versorgungsrealität nicht exakt nach Leitlinie behandelt wird, was Auswirkungen auf die Rezidivrate hat. Die Lokalrezidivrate ist bedeutsam für die Mortalitätsrate, da man davon ausgeht, dass 4 Lokalrezidive auf einen zusätzlichen Todesfall hinweisen [6]. Daher wird inzwischen sowohl nach einer brusterhaltenden Therapie als auch nach einer Mastektomie eine Strahlentherapie der regionalen Lymphabflussgebiete nicht nur bei über 3 befallenen Lymphknoten sondern bereits bei 1 bis 3 metastatisch befallenen Lymphknoten empfohlen, weil man durch dieses Vorgehen weniger Rezidive erwartet [18]. Die Kenntnis der genauen Anzahl der Lokalrezidive ist gesundheitspolitisch wesentlich, da randomisierte Studien meist nur reine Klinikregister bzw. die Summe vieler Klinikregister von ausgesuchten Patientinnen sind. Es könnte sein, dass auch die lokalen Rezidive ähnlich wie die Todesfälle in Klinikregistern unterschätzt werden [21]. Schon vorher schrieben Hölzel und Schubert-Fritschle [11]: „Die Aufforderung evidenzbasierte Medizin (ebm) umzusetzen, ist aber auch ein nicht zu haltender moralischer Anspruch, solange ebm nicht evidenzbasiert ist. Es fehlt der Nachweis durch Anwendungsstudien. Versorgungsforschung, die unter anderem auf die Umsetzung von Studien im Versorgungsalltag schaut, sollte als integraler Teil von ebm gesehen werden“.

Offensichtlich wurde das Ausmaß und die Bedeutung der Lokalrezidive bisher unterschätzt, so dass noch keine Studien zum Wert einer systemischen Therapie nach einem Lokalrezidv beim Mammakarzinom beendet wurden [5], die eine Verringerung der Mortalität beweisen konnten. Die deutschen Studien GBSG 6 und 7 der „German Breast Cancer Study Group“ und die internationalen Studien der NSABP („National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project“) und der IBCSG („International Breast Cancer Study Group“) wurden schon vor über 10 Jahren geplant, aber trotz begonnener Randomisierung nie beendet.

Entsprechend den Angaben des gemeinsamen Krebsregisters der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und der Freistaaten Sachsen und Thüringen (GKR) wurden von 2003 bis 2005 35,2% und 2008 38,5% aller diagnostizierten Mammakarzinome dem Stadium 1 zugeordnet, wobei man die Verschiebung zugunsten des niedrigeren Stadiums der Einführung des Mammografiescreenings zuordnet. „Das Lebenszeitrisiko an Brustkrebs zu erkranken, beträgt für Frauen im GKR-Einzugsgebiet 10,8%“ [20]. Dies unterstreicht nochmals die gesundheitspolitische Bedeutung der Verhinderung von Lokalrezidiven bei einer günstigen Stadienverteilung.

Für die Versorgungsrealität in Deutschland beim Mammakarzinom findet sich eine Analyse der Organgruppe „Mamma“ der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO, [12]), die dies für die systemische Therapie des Jahres 2004 untersucht hatten. Dort wurden 62% im Vergleich zu 66,4% in unserer Kohorte brusterhaltend operiert. Zur Strahlentherapie wurde nur vermerkt, dass 73% aller Patientinnen im Rahmen der adjuvanten oder neoadjuvanten Therapie bestrahlt wurden. In unserer Studie sind es 71,2%. Die Auswertung der OVIS-Studie (Schleswig-Holstein) zeigte, dass von den 71% der brusterhaltend therapierten Patienten 96% eine Radiatio des Restbrustgewebes erhielten [19].

Tab. 5 zeigt die Ergebnisse der multivariaten Cox-Regression der Prädiktoren für das Lokalrezidivauftreten, wobei nur das leitlinienkonforme Verhalten und das Grading einen Einfluss aufweisen. Andere Arbeitsgruppen bestätigten, dass es einen Zusammenhang zwischen der leitlinienkonformen Therapie und dem lokalrezidivfreien Überleben gibt und fanden sogar ein signifikant höheres Gesamtüberleben [9, 23]. Für die Aussage zum Gesamtüberleben ist unsere Nachbeobachtungszeit (median 2,18 Jahre) noch zu kurz, da es sich um eine klinische Nachsorge und kein Tumorregister handelt. Es sei aber angemerkt, dass eine ähnliche Auswertung aus der Region Mittelfranken für die Jahre 2004 bis 2008 auch nur eine Nachbeobachtungszeit von 1,5 bis 1,9 Jahre ergab [2].

Übereinstimmend mit der Literatur fanden wir eine seltenere Umsetzung der radiotherapeutischen Empfehlungen mit zunehmendem Patientenalter [19, 22] und bei sehr jungen Patientinnen (< 35 Jahre; [22]).

Andere Autoren führten folgende weitere Gründe für eine Therapieverweigerung an: Die Daten von SEER-Medicare (n = 24.510) von den Jahre 1992 bis 2002 im Stadium I–III zeigen in einer multivariaten logistischen Regressionsanalyse für Patientinnen im Alter von 66 und älter bei insgesamt 87% eine korrekte Durchführung der vorgeschlagenen Strahlentherapie. Patientinnen nach einer Mastektomie, mit einem längeren stationären Aufenthalt während der Strahlentherapie, einem frühen Operationsdatum innerhalb des Analysezeitraums oder farbige Patientinnen („black race“) brachen die Strahlentherapie eher ab. Das rezidivfreie 5-Jahres-Überleben bei den 21.269 Patienten mit brusterhaltender Therapie verringerte sich so von 98,7% auf 97,5% [16].

Eine komplizierte Anfahrt und die Wintermonate verringerten in den USA die Akzeptanz einer weiteren Strahlentherapie [1, 4, 13].

Schlussfolgerung

Um eine evidenzbasierte Medizin durch Anwendungsstudien zu untermauern, sind entsprechende Patientenanalysen notwendig. Derartige Register benötigen neben der Einhaltung datenrechtlicher Bestimmungen eine sektorübergreifende (stationär und ambulant) Datensammlung der beteiligten Fachdisziplinen in pseudonymisierter Form und unter Benutzung einheitlicher Dokumentationsvorlagen. Da offensichtlich mehr Lokalrezidive auftreten, als entsprechend den Ergebnissen von prospektiv randomisierten Studien zu erwarten sind, weil in diesen Studien im Allgemeinen alle Patienten leitlinienkonform behandelt werden, sollte überlegt werden, ob nicht eine Studie zum Nutzen einer systemischen Therapie nach einem Lokalrezidiv geplant wird, zumal bei Auftreten von Lokalrezidiven das Überleben gegenüber Patienten ohne Lokalrezidiv sinkt.

Insgesamt sollte versucht werden, die Patienten zu überzeugen, den von der interdisziplinären Tumorkonferenz vorgeschlagenen individuellen Empfehlungen zu folgen, da diese sich, wenn keine Kontraindikationen vorliegen, an den Leitlinien orientieren.