Zusammenfassung
Antworten auf die Frage nach dem Sinn, dem Auftrag und dem Nutzen von Jugendarbeit waren und sind immer wieder kontrovers. Dies hat vor allem folgende Gründe: Seit ihren Anfängen bewegt sich die Jugendarbeit erstens in einem Spannungsverhältnis zwischen der Orientierung an jugendlichen bzw. jugendkulturellen Abgrenzungs- und Autonomiebestrebungen einerseits und staatlich-politischen Aufgabenzuweisungen andererseits (Giesecke 1971, S. 17 ff.). Selbst in den Formulierungen des KJHG, dass es in der Kinder- und Jugendhilfe um Erziehung zu einer „eigenverantwortlichen“ und zugleich „gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ (§ 1, Abs. 1) sowie in der Jugendarbeit um „Selbstbestimmung“ und zugleich um „gesellschaftliche Mitverantwortung“ (§ 11, Abs. 1.) gehen soll, wird dieses für die Jugendarbeit konstitutive und unauflösliche Spannungsverhältnis deutlich.1 Zudem ist die Jugendarbeit zweitens nach wie vor rechtlich und finanziell nicht in einer der Schule vergleichbaren Weise abgesichert und gesellschaftlich auch nicht in gleicher Weise als eine unverzichtbare Institution anerkannt. Deshalb muss die Jugendarbeit immer wieder um ihre Legitimität und ihren Bestand fürchten. Sie ist insofern in besonderer Weise veranlasst, in Bezug auf jeweilige politische und öffentliche Erwartungskonjunkturen nachzuweisen, was sie zu leisten in der Lage und bereit ist. Hinzu kommt drittens, dass Jugendarbeit auf unterschiedliche Teilgruppen Jugendlicher mit je eigenen Lebenslagen, Problemen, Bedürfnissen und Interessen bezogen ist, für die es schwer fällt, einen einheitlichen Arbeitsauftrag zu formulieren und zu realisieren.2
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Scherr, A. (2003). Jugendarbeit als Subjektbildung. In: Lindner, W., Thole, W., Weber, J. (eds) Kinder- und Jugendarbeit als Bildungsprojekt. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08069-5_5
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