Nosokomiale Infektionen betreffen nach postoperativen Entzündungen von Wunden und nach Harnwegsinfektionen am dritthäufigsten die unteren Atemwege. Die Pneumonie ist dabei die häufigste nosokomiale Atemwegsinfektion . Sie tritt überwiegend bei invasiv beatmeten Patienten auf. Zunehmend werden nosokomiale Infektionen durch multiresistente Keime hervorgerufen, was das Risiko einer inadäquaten initialen antiinfektiven Therapie erhöht. Die antiinfektive Therapie sollte bereits im Verdachtsfall begonnen werden. Die Diagnose ist im Verlauf kritisch zu überprüfen. Bestätigt sich eine nosokomiale Pneumonie nicht, sollte die antiinfektive Therapie vorzeitig beendet werden. Für die beatmungsassoziierte Pneumonie wurden verschiedene präventiv wirksame Maßnahmenbündel untersucht, mit deren Hilfe die Pneumonierate um über 50 % gesenkt werden konnte.

1 Definition

Die nosokomiale Pneumonie („hospital aquired pneumonia“ , HAP) stellt eine durch Krankheitserreger verursachte Lungenentzündung dar, die frühestens 48 h nach Krankenhausaufnahme bei Patienten auftritt, die sich zum Zeitpunkt der Hospitalisation nicht in Inkubation befanden.

Da nach Krankenhausentlassung häufig noch über Wochen bis Monate eine Kolonisation mit Krankenhauskeimen nachweisbar ist, sollte eine Pneumonie, die bis zu 3 Monate nach einer Krankenhausentlassung auftritt, ebenfalls als nosokomiale Infektion gewertet (Tab. 24.1) und therapiert werden.

Tab. 24.1 Die häufigsten nosokomialen Infektionen

Nosokomiale Pneumonien werden in die des spontan atmenden und die des invasiv beatmeten Patienten unterteilt (beatmungsassoziierte Pneumonie, „ventilator-associated pneumonia“, VAP).

In Deutschland werden Pneumonien unter Immundefizit von den nosokomialen Pneumonien abgegrenzt. Der Begriff Immundefizit wird auf Erkrankungen und Therapien begrenzt, bei denen regelmäßig mit Infektionen durch opportunistische Erreger zu rechnen ist (► Übersicht). Zu den opportunistischen Erregern gehören auch Erreger wie Pneumocystis jirovecii, Zytomegalievirus, Schimmelpilze und Mykobakterien.

Erkrankungen/Therapien, die über ein Immundefizit zu einer Pneumonie führen können

  • Zustand nach Organ- oder Knochenmarktransplantation

  • Chemotherapie solider oder hämatologischer Neoplasien, mit oder ohne Neutropenie

  • HIV (Human Immunodeficiency Virus)-Infektion im Stadium AIDS (Acquired Immunodeficiency Syndrome)

  • Immunsuppressive oder immunmodulierende Therapie bei Autoimmunerkrankungen

  • Glukokortikoidtherapie über einen Zeitraum von mindestens 4 Wochen mit einer Erhaltungsdosis von mindestens 10 mg Prednison-Äquivalent pro Tag

2 Epidemiologie

Die umfangreichsten Daten zur Epidemiologie der HAP stammen aus Surveillance-Datenbanken nosokomialer Infektionen – in Deutschland dem Krankenhausinfektions-Surveillance-System (KISS). Es erhebt Daten der auf der Intensivstation erworbenen HAPs.

89 % der nosokomialen Pneumonien treten bei invasiv beatmeten Patienten auf. Die durchschnittliche Pneumonierate beträgt dabei 5,4 pro 1000 Beatmungstage, was etwa 15.500 Fällen pro Jahr entspricht. Bei Patienten mit nichtinvasiver Beatmung werden 1,6 Pneumonien pro 1000 Beatmungstage und bei nichtbeatmeten Patienten 0,6 Pneumonien pro 100 Intensivbehandlungstage erfasst. Dabei unterscheiden sich die Raten beatmungsassoziierter Pneumonien und die Häufigkeit einzelner Erreger nach der Art der Intensivstation. So ist auf chirurgischen, neurochirurgischen und neurologischen Intensivstationen die Pneumonierate höher als auf interdisziplinären, internistischen oder pädiatrischen Intensivstationen. Nahezu ein Drittel der VAPs auf neurologischen und neurochirurgischen Intensivstationen wird durch multisensiblen (MSSA) oder multiresistenten Staphylococcus aureus (MRSA) hervorgerufen. Staphylococcus aureus ist unabhängig vom Resistenzverhalten generell für 21 % der VAPs verantwortlich, auf herzchirurgischen Intensivstationen nur für 9 %. Eine aktuelle Metaanalyse zeigte eine Letalität der VAP von insgesamt 16 % bei einer Bandbreite von 10–47 %.

Für außerhalb von Intensivstationen auftretende Pneumonien existiert bisher keine Surveillance im KISS. Die Inzidenz wird auf 1 Pneumonie pro 1000 Behandlungstage (1–1,3 pro 100 Patienten) geschätzt.

Die folgende Übersicht führt Risikofaktoren für einen tödlichen Verlauf der nosokomialen Pneumonie auf. Bei schwerer Sepsis korreliert die Letalität mit den Organdysfunktionen.

Prognostische Faktoren für einen tödlichen Ausgang der nosokomialen Pneumonie

  • Alter >65 Jahre

  • Schwere Komorbidität (zum Beispiel strukturelle Lungenerkrankung wie Lungenemphysem, Lungenfibrose)

  • Akute respiratorische Insuffizienz, „adult respiratory distress syndrome“ (ARDS)

  • Septischer Schock

  • Bilaterale Infiltrate im Röntgenbild

  • Vorliegen potenziell multiresistenter Erreger wie zum Beispiel Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter spp.

  • Inadäquate initiale antiinfektive Therapie

3 Ätiologie und Pathogenese

Wesentlich für die Entstehung einer nosokomialen Pneumonie sind endogene Faktoren wie die bakterielle Kolonisation des aerodigestiven Traktes und die Aspiration kontaminierter Sekrete in die unteren Atemwege. Exogene Faktoren wie die Übertragung von anderen Patienten über Personal oder Equipment, seltener hämatogene Streuung, transthorakale Ausbreitung und gastrointestinale Translokation, tragen ebenfalls zum Entstehen einer nosokomialen Pneumonie bei.

3 Ätiologie der nosokomialen Pneumonie

Bakterielle Kolonisation

  • Wirtsfaktoren: Alter >65 Jahre

  • Endotrachealer Beatmungstubus:

    • Umgeht Mechanismen der unspezifischen Immunabwehr (nasaler Filter, lymphatischer Rachenring, Hustenreflex, mukoziliäre Clearance)

    • Stellt Schiene dar, an der entlang Mikroorganismen deszendieren können

    • Kontaminiertes Sekret proximal des Cuffs kann bei suboptimalem Cuffdruck, Entblockung des Cuffs oder Selbstextubation in die tieferen Atemwege laufen

  • Antimikrobielle Therapie: Selektion resistenter Keime

  • Magensaft-alkalisierende Medikamente und Magenatonie-begünstigende Faktoren/Medikamente: begünstigen Kolonisation des aerodigestiven Trakt

Aspiration

  • Bewusstseinstrübung (Beispiele: Analgosedierung, neurologische Erkrankungen wie Insult/Koma, Schädel-Hirn-Trauma)

  • Eingeschränkter Hustenreflex (zum Beispiel durch Muskelrelaxanzien)

  • Eingeschränkter Schluckreflex

  • Flache Körperlagerung

  • Thorakoabdominelle chirurgische Eingriffe

Weiterverbreitung von pathogenen Keimen

  • Keimverbreitung über medizinisches Personal

  • Tracheobronchiale Absaugung mit Unterbrechung der Beatmungseinheit, Kontamination der Absaugschläuche

  • Wechsel der Beatmungsschläuche

  • Kondenswasser in den Beatmungsschläuchen

  • Inhalationstherapie mit kontaminierter Verneblerflüssigkeit

Ein Krankenhausaufenthalt innerhalb der letzten 12 Monate vor Aufnahme kann das Risiko für eine Infektion mit gramnegativen Keimen erhöhen. Nachstehende Übersicht nennt Risikofaktoren für eine Infektion durch multiresistente Erreger.

Risikofaktoren für Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRE )

  • Hospitalisation >4 Tage

  • Invasive Beatmung >4–6 Tage

  • Aufenthalt auf Intensivstation

  • Vorbestehende Kolonisation durch multiresistente Erreger

  • Längere und wiederholte Antibiotikaeinnahme

  • Alter >65 Jahre

  • Malnutrition

  • Chronische Dialyse

  • Strukturelle Lungenerkrankung

  • Diabetes mellitus

  • Großflächige oder chronische Wunden

  • Chronische Pflegebedürftigkeit, Bewohner von Langzeitpflegebereichen

  • Geschwächtes Immunsystem

In der ersten Woche des Krankenhausaufenthaltes ändert sich die bakterielle Flora von Nase, Oropharynx, Trachea und digestivem Trakt. Ein relevanter Erregerwechsel lässt sich nach 96 Stunden nachweisen. Dabei werden MSSA, Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae als Early-onset-Erreger und Pseudomonas aeruginosa, MRSA, Enterobacter spp., Acinetobacter spp. und Stenotrophomonas maltophilia als Late-onset-Erreger identifiziert.

4 Diagnostik

Langwierige diagnostische Maßnahmen sollten die Therapieeinleitung nicht verzögern. Aktuelle Leitlinien empfehlen die Anwendung der von Johanson formulierten Kriterien zur Diagnostik der Pneumonie .

Johanson-Kriterien zur Diagnose einer nosokomialen Pneumonie

Neues oder progredientes Infiltrat und zwei von drei weiteren Kriterien:

  • Leukozyten >10.000/μl oder <4.000/μl

  • Körpertemperatur >38,3 °C

  • Purulentes tracheobronchiales Sekret

Ihre Sensitivität und Spezifität liegen bei etwa 70 %. Das bringt eine relevante Zahl an nicht- oder fehldiagnostizierten Pneumonien mit sich, die jedoch auch durch mikrobiologische Befunde nicht verbessert werden kann. Die Diagnose einer Pneumonie ist also im Verlauf kritisch zu überprüfen, auch nach Einleitung einer kalkulierten antiinfektiven Therapie. Sollte sie sich nicht bestätigen, ist die antiinfektive Therapie vorzeitig zu beenden und nicht aus vermeintlichen Sicherheitserwägungen fortzuführen.

Diagnostik der nosokomialen Pneumonie

  • Johanson-Kriterien

  • Thoraxröntgenuntersuchung in zwei Ebenen, bei immobilen Patienten im Sitzen/ Liegen

  • Bei therapierefraktären Infiltraten und schwieriger Differenzialdiagnose Spiral-Computertomographie des Thorax

  • Thoraxsonographie

  • C-reaktives Protein, ggf. Procalcitonin

  • Quantitative Kultur aus tracheobronchialem Aspirat (TBAS) oder bronchoalveolärer Lavage (BAL)

  • Bei klinischem Verdacht gezielte Untersuchung auf weitere Erreger wie Mykobakterien, Pilze (Aspergillusdiagnostik), Viren.

  • Blutkulturen

  • Legionellenantigen im Urin bei gehäuften Pneumonien und Ausbruchsgeschehen

4.1 Röntgendiagnostik

Bei jedem Verdacht auf eine nosokomiale Pneumonie soll eine Thoraxröntgenuntersuchung in zwei Ebenen, bei immobilen Patienten nur im Sitzen/ Liegen, durchgeführt werden (Abb. 24.1).

Abb. 24.1
figure 1

Röntgenaufnahme des Thorax im Liegen. Beidseitige Pneumonie mit positivem Bronchopneumogramm (Pfeile) bei einem Intensivpatienten

Bei beatmeten Patienten sind Sensitivität und Spezifität der Röntgenuntersuchung – auch wegen der liegenden Aufnahmetechnik – deutlich eingeschränkt. Die sichere Diagnose einer VAP ist mittels Röntgenuntersuchung im Liegen nur in ca. 50 % der Fälle möglich.

Bei unkompliziertem Verlauf wird eine einmalige Röntgenkontrolle zur Beurteilung des Therapieerfolgs empfohlen. Daten zum optimalen Zeitpunkt der Röntgenkontrolle gibt es nicht. Wir empfehlen eine Kontrolle frühestens 72–96 h nach Beginn der antiinfektiven Therapie, auch wenn dann noch keine Normalisierung erwartet werden kann. Sie dient lediglich dazu, ein beginnendes Ansprechen zu erfassen und Komplikationen nicht zu übersehen.

Bei therapierefraktären Infiltraten und schwieriger Differenzialdiagnose sollte eine erweiterte bildgebende Diagnostik erwogen werden. Diese erfolgt üblicherweise mittels Spiral-Computertomographie des Thorax.

Als Ursache einer Transparenzminderung im Röntgenbild kommen neben dem pneumonischen Infiltrat zahlreiche Erkrankungen differenzialdiagnostisch in Betracht.

Differenzialdiagnosen von Transparenzminderungen

  • Atelektase, zum Beispiel bei Bronchusverschluss durch Sekret oder Tumor

  • Pleuraerguss

  • Lungenödem

  • Diffuse alveoläre Hämorrhagie, zum Beispiel Parenchymeinblutung nach Thoraxprellung oder transbronchialer Biopsie

  • Interstitielle Lungenerkrankungen, wie kryptogen-organisierende Pneumonie (COP), Medikamenten-induzierte Pneumonitis, eosinophile Pneumonie

  • ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome, akutes Atemnotsyndrom des Erwachsenen)

  • Lungenarterienembolie/Lungeninfarkt

  • Bronchoalveoläres Lungenkarzinom, Lymphangiosis carcinomatosa, malignes Lymphom, Tumormetastasen

  • Pulmonale Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion (Graft-versus-Host-Disease, GvHD) bei Zustand nach Knochenmarktransplantation

4.2 Thoraxsonographie

Der schnelle und sichere Nachweis parapneumonischer Pleuraergüsse und peripherer Infiltrate gelingt mit der Thoraxsonographie. Sie kann bereits wenige Milliliter große Pleuraergüsse detektieren (Abb. 24.2). Eine diagnostische Punktion auch kleinerer Ergüsse ist zur Erkennung eines Pleuraempyems wichtig. Größere Ergüsse sollten frühzeitig und umfassend entleert werden, da sie für mangelndes Therapieansprechen ursächlich sein können. Zudem drohen bei größeren Ergüssen trotz adäquater antiinfektiver Therapie funktionell bedeutsame, irreversible Verwachsungen.

Abb. 24.2
figure 2

Thoraxsonogramm. A: Großer parapneumonischer Pleuraerguss mit Unterlappenatelektase. B: großer teilorganisierter Pleuraerguss

4.3 Biomarker

Das C-reaktive Protein (CRP) wird häufig in die Diagnose einer Pneumonie einbezogen. Ein CRP-Anstieg ist jedoch unspezifisch und kann neben infektiösen Erkrankungen anderer Organe auch abakterielle Entzündungen wie rheumatische Erkrankungen, Gewebszerfall (bei Tumorerkrankungen und akuter Pankreatitis), Herzinfarkt und Venenthrombose zur Ursache haben.

Das CRP steigt etwa 6 Stunden nach Beginn einer akuten Entzündungsreaktion an und erreicht sein Maximum nach ca. 36 Stunden Somit geht bei einer akuten Infektion die klinische Verschlechterung oft dem CRP-Anstieg voraus. Der Marker eignet sich gut zur Therapiekontrolle. Aufgrund der Halbwertszeit von 24 h kann der CRP-Wert aber noch erhöht sein, wenn sich das klinische Bild bereits gebessert hat. Im Vergleich zur Blutsenkungsgeschwindigkeit reagiert das CRP jedoch deutlich schneller.

Procalcitonin und Interleukin-6 haben (Tab. 24.2) hat sich als sensitiver und frühzeitiger Marker in der Diagnostik der Sepsis etabliert. Bei einer Pneumonie ohne begleitende Sepsis kann es jedoch nur leicht erhöht sein.

Tab. 24.2 Referenzbereiche und Interpretation des PCT-Serumspiegels

4.4 Mikrobiologische Untersuchungen aus respiratorischen Materialien

Bei nosokomialer Pneumonie sollen quantitative mikrobielle Kulturen aus Materialien der unteren Atemwege angelegt werden. Die nichtinvasive Materialgewinnung per se ist dabei der invasiven nicht unterlegen. Bei Sputen ist auf die Qualität der Probe zu achten. Dabei ist ein valides Sputum durch den Nachweis von >25 Neutrophilen und <10 Plattenepithelien pro Gesichtsfeld bei 400-facher Vergrößerung gekennzeichnet.

Das tracheobronchiale Aspirat (TBAS) wird per Absaugkatheter in zwei Schritten direkt über geschlossene Absaugsysteme in ein steriles Absaugröhrchen gewonnen. Zuerst erfolgt eine initiale Absaugung des Sekrets im Tubus. Durch tiefes Einführen eines sterilen Absaugkatheters mit angeschlossenem sterilem Auffangröhrchen wird anschließend das eigentliche Aspirat gewonnen (mindestens 1 ml).

Bei der bronchoalveolären Lavage (BAL) wird das Bronchoskop so weit in ein Segment- oder Subsegmentostium vorgeschoben, bis dieses verschlossen ist (Wedge-Position). Über den Arbeitskanal wird ein Katheter eingeführt, bis die Spitze sichtbar ist. Über den Katheter werden nun 5-mal 20 ml zimmerwarme isotonische Kochsalzlösung instilliert und jeweils sofort aspiriert. Die Instillation geringerer Lavagevolumina von 20–40 ml wird als Mini-BAL bezeichnet und kann bei Kontraindikationen gegen die Standard-BAL empfohlen werden.

Um aus differenzialdiagnostischen Erwägungen (Lungenfibrose) eine Differenzialzytologie, gegebenenfalls mit Bestimmung der Lymphozytensubpopulationen, durchführen zu können, sollten mehr als 40 von 100 ml zurückgewonnen werden. Zur mikrobiologischen Diagnostik ist die Probenmenge im Allgemeinen nicht kritisch, die Probe sollte allerdings repräsentativ gewonnen sein.

Eine schwere hypoxische und/oder hyperkapnische Atmungsinsuffizienz stellt eine relative Kontraindikation gegen eine Bronchoskopie dar. Dabei kann es bei beatmeten Patienten nach einer BAL unabhängig vom Lavagevolumen zu einer Verschlechterung der Oxygenierung auch über 24 h hinaus kommen, insbesondere dann, wenn tatsächlich eine Pneumonie vorliegt.

Eine quantitative Kultur wird durch serielle Auftragung zunehmend verdünnten respiratorischen Sekrets auf Kulturplatten gewonnen. Sie dient der Erfassung der Keimlast und der Unterscheidung von Kolonisations- und Infektionserregern. Als orientierende Schwellenwerte zur Unterscheidung zwischen Kolonisation und Infektion gelten: 105 Kolonie-bildende Einheiten (KBE)/ml für das TBAS und 104 KBE/ml für die BAL. Auch hohe Keimzahlen sind nicht per se beweisend für eine Pneumonie. Der Keimnachweis ist im klinischen Kontext zu interpretieren. Bei vorbestehender Antibiotikatherapie müssen die Schwellenwerte niedriger angesetzt werden.

Über die routinemäßige bakteriologische Aufarbeitung der respiratorischen Materialien hinaus sollte bei entsprechendem klinischem Verdacht im Einzelfall eine gezielte Untersuchung auf weitere Erreger wie Mykobakterien, Pilze und Viren erwogen werden.

Wenn dies nicht zu einer relevanten Verzögerung führt, sollte die Probengewinnung grundsätzlich vor Einleitung einer kalkulierten antibiotischen Therapie erfolgen. Ist eine Umstellung der Antibiotika bei bereits bestehender Antibiotikatherapie geplant, sollte die Diagnostik vor dem Beginn der neuen Therapie erfolgen. Eine Antibiotikapause vor der Probengewinnung ist jedoch nicht notwendig.

Die Proben sollten innerhalb von maximal 4 h nach Entnahme verarbeitet werden. Lässt sich ein längerer Zeitraum bis zur Verarbeitung nicht vermeiden, muss das Material gekühlt (4–8 °C) gelagert und transportiert werden. Unter diesen Bedingungen verschlechtert sich insgesamt die Aussagekraft der Untersuchungen auch bei 24-stündiger Lagerung nicht wesentlich. Andernfalls drohen empfindliche Erreger abzusterben (zum Beispiel Pneumokokken, Haemophilus influenzae) und schnell wachsende Mikroorganismen zu überwuchern, die durch ihre hohe Keimzahl eine klinische Relevanz vortäuschen können.

4.5 Blutkulturen

Blutkulturen sind der Goldstandard zur Diagnose der bakteriämischen Pneumonie und tragen zur Therapiesteuerung bei. Zu Beginn eines fieberhaften Infektes ist häufig die Infektionsquelle unklar, so dass Blutkulturen eine Rolle in der differenzialdiagnostischen Aufdeckung extrapulmonaler Infektionsquellen spielen.

4.6 Entnahme von Urin zum Antigennachweis

Der Urin-Antigentest stellt bei Verdacht auf Legionellen-Pneumonie das Verfahren der Wahl dar. Er sollte bei ein- oder beidseitigem Lungeninfiltrat, das einhergeht mit extrapulmonaler Symptomatik wie Myalgien, Diarrhoe und neurologischen Auffälligkeiten (Benommenheit, Verwirrtheit) sowie laborchemischen Auffälligkeiten (Erhöhung von Transaminasen, Nierenparametern und Laktatdehydrogenase und/oder Erniedrigung des Natriums), erwogen werden. Ein negativer Legionellen-Antigentest schließt eine Legionellen-Infektion aber nicht aus. Zur weiterführenden Diagnostik stehen Kultur oder Polymerasekettenreaktion aus bronchoalveolärer Lavage zur Verfügung. Bei Verdacht auf eine Legionellen - Pneumonie sollte ein entsprechender Hinweis an die Mikrobiologie erfolgen, da in der kulturellen Anzucht Spezialmedien angewandt werden müssen.

4.7 Mykologische Diagnostik

Auf eine gezielte Candida-Diagnostik aus Atemwegsmaterialien soll bei HAP verzichtet werden, da Hefepilzinfektionen als Ursache nosokomialer Pneumonien bei Patienten ohne definiertes Immundefizit extrem selten sind. Candida-Spezies werden bei beatmeten Patienten mit Antibiotika-Vorbehandlungen sehr häufig aus tiefen Atemwegsmaterialien isoliert, ohne dass eine invasive, therapiebedürftige Infektion vorliegt. Ihr Nachweis bei immunkompetenten Patienten führt häufig zu inadäquater antimykotischer Therapie.

Demgegenüber kommt schon dem Nachweis von Aspergillus-Spezies hohe Relevanz zu. Besonders prädisponieren strukturelle Lungenerkrankungen, eine rheumatologische Grunderkrankung oder eine Leberzirrhose zur invasiven Aspergillose . Der Nachweis von Galaktomannan-Antigen aus der BAL ist dem Nachweis im Blut überlegen und ergänzt die histopathologische und mikrobiologische Untersuchung des Lungengewebes. Für den Galaktomannan-Test sind allerdings falsch-positive Ergebnisse unter künstlicher Ernährung mit enteralen Lösungen und unter Antibiotikatherapie, insbesondere unter Betalaktam-Antibiotika, beschrieben.

5 Therapie

5.1 Therapieeinleitung

Eine antiinfektive Therapie sollte bereits bei Verdacht auf eine nosokomiale Pneumonie eingeleitet werden, optimal in den ersten Stunden. Eine Verzögerung des Therapiebeginns führt bei einem septischen Verlauf zu einer Erhöhung der Letalität um 7,6 % pro Stunde nach mehr als 24 h.

Wenn keine resistenten Keime vermutet werden, sollte die Therapie mit Cephalosporinen der Gruppe 3a, Aminopenicillinen/Betalaktamaseinhibitoren, Imipenem/ Cilastatin, Meropenem oder Pneumokokken-wirksamen Fluorchinolonen eingeleitet werden (Tab. 24.3). Allerdings wirken Cephalosporine der Gruppe 3a gegenüber Staphylococcus aureus nur unzureichend.

Tab. 24.3 Kalkulierte antimikrobielle Therapie bei nosokomialer Pneumonie ohne Verdacht auf multiresistente Keime

5.2 Initiale kalkulierte Therapie von Patienten mit Risikofaktoren

Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen Patienten mit beatmungsassoziierten Pneumonien (Tab. 24.4) und Patienten, die aufgrund anderer Infektionserkrankungen über mehr als 3–7 Tage antibiotisch vorbehandelt wurden. Hier besteht ein erhöhtes Risiko für Infektionen mit multiresistenten Keimen.

Tab. 24.4 Kalkulierte antimikrobielle Therapie bei nosokomialer Pneumonie mit Verdacht auf multiresistente Keime

Strukturelle Lungenerkrankungen (interstitielle Lungenerkrankungen und insbesondere Bronchiektasien) sind häufig mit Pseudomonas-aeruginosa–Infektionen assoziiert, so dass Pseudomonas-wirksame Antibiotika zum Einsatz kommen sollten, zum Beispiel mit Meropenem, Piperacillin/Tazobactam.

Eine systemische Kortikosteroid-Therapie mit mindestens 10 mg Prednisolonäquivalent über mindestens 4 Wochen erhöht das Risiko von Infektionen mit Aspergillus und Legionella pneumophila. So sollte bei Nachweis von Aspergillus eine Therapie mit Voriconazol oder liposomalem Amphotericin B eingeleitet werden. Bei einer Legionella-Infektion ist eine Behandlung mit einem Makrolid wie zum Beispiel Clarithromycin oder einem Fluorchinolon wie Levofloxacin indiziert.

Bei einer gesicherten Aspirationspneumonie liegt oft eine Mischinfektion mit aeroben und anaeroben, überwiegend gramnegativen Keimen vor. Hier wird eine Kom-binationstherapie mit z. B. Aminopenicillin/Betalaktamaseinhibitor, Carbapenem oder Clindamycin mit jeweils Metronidazol empfohlen.

5.3 Multiresistente Erreger

Eine initiale Kombinationstherapie sollte bei Verdacht auf multiresistente gramnegative Erreger oder bei pneumogener Sepsis eingeleitet werden. Eine Kombinationstherapie sollte ein antipseudomonales ß-Laktam entweder mit einem Fluorchinolon oder einem Aminoglykosid umfassen (Tab. 24.4). Nach 3 Tagen sollten die Erfordernisse der Kombinationstherapie reevaluiert und bei Nachweis eines Erregers anhand des Resistogramms auf eine Monotherapie deeskaliert werden. Bei Verdacht auf eine Infektion mit einem multiresistenten grampositiven Erreger sollte die vorgenannte Kombinationstherapie um ein drittes Medikament wie zum Beispiel Linezolid erweitert werden.

5.4 Antiinflammatorischer Effekt von Makroliden

Bei Makroliden, im Speziellen Clarithromycin, konnte eine von der antiinfektiven Wirkung unabhängige, signifikant schnellere Auflösung der Infiltrate und Verkürzung der Weaning-Zeit gezeigt werden. Dieser antiinflammatorische Effekt ist wahrscheinlich auf die bereits in vitro beobachtete Inhibition der Neutrophilenrekrutierung zurückzuführen. Die Addition von Clarithromycin bleibt bei nicht ausreichender Studienlage eine Einzelfallentscheidung.

5.5 Kombinationstherapie

Die Anwendung einer Kombinationstherapie sollte nur gezielt erfolgen, da nicht generell ein Vorteil der Kombinationstherapie bei jedoch steigender Toxizität der Therapie abzuleiten ist. Insbesondere eine Kombination mit Aminoglykosiden kann die Toxizität erhöhen und sollte auch deshalb nach 3-5 Tagen reevaluiert werden.

5.6 Gezielte Therapie bei speziellen Erregern

Bei der gezielten Therapie sollte stets das Resistogramm mit den entsprechenden Minimalen-Hemmstoff-Konzentrationen (MHK) beachtet werden. Es sollte stets sorgfältig evaluiert werden, ob es sich lediglich um eine Kolonisation oder um eine Infektion durch den nachgewiesenen Erreger handelt.

MRSA

Eine Monotherapie ist grundsätzlich immer anzustreben. Sie sollte im Fall einer MRSA Pneumonie sicher die MHK Werte mit berücksichtigen. Die erste Wahl der Therapie ist hier Linezolid, das besonders gut lungengängig und in der Handhabung insgesamt einfacher umsetzbar ist als zum Beispiel Vancomycin.

Pseudomonas aeruginosa

Bei einer Infektion mit Pseudomonas spp. können verschiedene klonale Stämme mit unterschiedlichem Resistenzmuster vorliegen, so dass vorbekannte Resistogramme in eine Therapieentscheidung mit einbezogen werden sollten. Erneute Proben auch unter Therapie können sinnvoll sein. Monotherapie mit Ceftazidim, Cefepim, Piperacillin, Fosfomycin, Imipinem, Meropenem, Ciprofloxacin oder Levofloxacin. Bei schweren Verläufen kann eine Kombination von Piperacillin mit einem Aminoglykosid (Gentamicin, Tobramycin oder Amikacin) oder mit einem der obengenannten Chinolone erfolgen. Bei einem multiresistenten Pseudomonas aeruginosa ist häufig Colistin noch wirksam.

Stenothrophomonas maltophilia

Die Virulenz des Erregers gilt im Allgemeinen als gering, so dass gerade in diesem Fall sorgfältig zwischen Kolonisation und Infektion unterschieden werden sollte. Bei Notwendigkeit einer Therapie kann häufig noch Cotrimoxazol eingesetzt werden.

Acinetobacter spp.

Die Therapie sollte sich immer nach einem Resistogramm richten. Zu bevorzugen sind Imipenem/Cilastatin oder Meropenem. Häufig können auch Fluorchinolone, Aminoglykoside oder Tigecyclin eingesetzt werden.

5.7 Reevaluation

Das Ansprechen auf die Therapie sollte in Abhängigkeit des gewählten Biomarkers erfolgen, im Regelfall nach etwa 72 Stunden anhand aller klinischer Daten (Klinik, Labor, Röntgen und die zuvor gewonnene mikrobiologische Diagnostik) reevaluiert werden. Zu diesem Zeitpunkt sollte, wenn möglich, eine Therapie-Deeskalation evaluiert werden. Dieses Vorgehen minimiert das Risiko einer Selektion multiresistenter Keime.

Wenn sich der initiale Verdacht einer Pneumonie oder einer anderen relevanten Infektion nicht bestätigt, sollte die Antibiotikatherapie nach 3 Tagen beendet werden.

5.8 Therapiedauer

Die Dauer der Antibiotikatherapie sollte bei der nosokomialen Pneumonie im Regelfall 7 Tage betragen. Eine längere Therapie weist bezüglich Sterblichkeit und Rezidivrate keine Vorteile auf. Lediglich bei Nachweis einer Pneumonie mit Nonfermentern, wie zum Beispiel Pseudomonas spp., kann eine längere Therapiedauer im Einzelfall sinnvoll sein.

Auch bei einer Legionellose und bakteriämischen /einschmelzenden Staphylococcus-aureus-Infektionen sollte eine Therapiedauer von mindestens 14 Tagen erwogen werden.

5.9 Therapieversagen

Bei 10–15 % der Patienten versagt die Therapie, das heißt, es zeigt sich ein unzureichender Rückgang des Fiebers, des pneumonischen Infiltrates oder der Entzündungsparameter. Hier sind verschiedene Ursachen (Tab. 24.5) in einer umfassenden Diagnostik – inklusive Computertomographie des Thorax – abzuklären. Insbesondere sollte die Diagnostik eine Echokardiographie und eine Thoraxsonographie beinhalten, um eine Endokarditis, Pleuraempyem oder einen komplizierten Erguss zu diagnostizieren. Vor Umstellung der antiinfektiven Therapie sollte erneut mikrobiologisches Material gewonnen werden, um eine Resistenzentwicklung unter der laufenden Therapie zu erfassen.

Tab. 24.5 Differenzialdiagnose bei Therapieversagen