Zusammenfassung
Die Sicherstellung einer korruptionsfreien Arbeitsdurchführung ist aufgrund der gesetzlichen Veränderungen der vergangenen Jahre (OECD-Konvention 1999, UN-Konvention 2003, Steuer- und Strafgesetz), des wegen Korruption drohenden materiellen und immateriellen Schadens und nicht zuletzt wegen der medial hergestellten Skandalisierung brisanter denn je. Dieser – durch die Politik, das Recht und die Medien – exogen hergestellte Handlungsdruck führte dazu, dass Unternehmen sogenannte Compliance-Abteilungen in ihre Organisationsstruktur integrierten, die Korruption bekämpfen bzw. dieser durch präventive Maßnahmen vorbeugen sollen. Allerdings kann man daran zweifeln, dass Korruption allein über die Etablierung rechtlicher Normen oder firmeninterner Vorschriften und die damit verbundenen Abschreckungsmechanismen eingedämmt werden kann.
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Notes
- 1.
In vielen Unternehmen werden keine eigenen Compliance-Abteilungen ins Leben gerufen. Dort übernimmt lediglich eine Person die Position eines Compliance Officers bzw. Integritätsberaters, der dann für die entsprechenden Aufgaben zuständig ist. Wir gehen in diesem Beitrag von dem günstigen Fall aus, dass ein Unternehmen eine eigene Abteilung für diese Aufgaben einrichtet.
- 2.
Nachfolgend werden typische Agenturprobleme, die für die Erforschung von Korruptionspräventions- und -bekämpfungsmaßnahmen im Prinzipal-Agenten-Klienten-Modell bedeutsam sind, kurz skizziert. Für jede dieser Problemsituationen wurden in der ökonomischen Theorie allgemeine Lösungsdesigns entwickelt, auf die hier nicht weiter eingegangen wird.
Hidden Characteristics (verborgene Merkmale): Bei der Auswahl eines Agenten hat der Prinzipal unvollständige Informationen über dessen Persönlichkeitsmerkmale, z. B. seine individuelle Neigung zu korruptem Verhalten. Der Agent kann dem Prinzipal vor Vertragsabschluss in einer täuschenden Selbstdarstellung integre und loyale Charakteristiken demonstrieren, die er nicht besitzt und die womöglich erst durch das Aufdecken eines Korruptionsdelikts erkannt werden. Die Auswahl eines Agenten ist hierbei mit Qualitätsunsicherheit und dem Risiko einer Fehleinschätzung behaftet.
Hidden Intentions (verborgene Absichten): Nach Vertragsabschluss hat der Agent die Möglichkeit, verborgene Absichten umzusetzen, die er zuvor nicht mitgeteilt hat. Dabei handelt er womöglich willentlich gegen die Vorgaben des Prinzipals. Dieses Problem kann durch die individuelle Bevorteilung eines korrupten Mitarbeiters auftreten, aber auch in dem gemeinsamen, verborgenen Handeln korrupter Netzwerke liegen, die sich vielleicht sogar im Sinne des Unternehmens, aber entgegen den Vorgaben der Compliance-Abteilung gebildet haben. Dieses Agenturproblem wird auch als Hold up (Überfall) bezeichnet.
Hidden Information (verborgenes Wissen): Bei seinen korrupten Praktiken kann der Agent einen Informationsvorsprung besitzen, wobei aber der Prinzipal die Bedingungen festsetzt, mit denen ein (privater) Missbrauch dieses Informationsvorsprungs geahndet wird (Jost 2001, S. 23). Für den Agenten besteht daher bei einer Korruption ein Entscheidungsproblem, bei dem er seine vermuteten Kosten und Gewinne abwägen muss.
Hidden Action (verborgenes Handeln): umschreibt eine Situation, in der der Prinzipal zwar das Ergebnis der Auftragsbearbeitung, nicht aber die Handlungen bzw. das Leistungsniveau der Agenten beobachten kann. Der Agent kann korrupte Mittel zur Erreichung seiner Zielvorgaben wählen, Zielvorgaben, die auf legalem Weg nicht oder nur mit einem größeren Aufwand zu erreichen wären, und/oder dabei ein größeres Arbeitsvolumen vortäuschen, ohne dass der Prinzipal dies beobachten oder beurteilen kann.
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Dabei sollte beispielsweise die Bedeutung von Sozialkapital in Unternehmen diskutiert werden, das im Sinne von Coleman (1994) als Netzwerk von Obligationen zwischen Mitgliedern einer sozialen Gruppe aufgefasst werden kann, das durch Normen und Vertrauensprozesse zusammengehalten und durch Sanktionen kontrolliert wird. Wir werden auf diese Aspekte im letzten Abschnitt dieses Beitrages zurückkommen.
- 4.
Was man unter Korruption in privaten Unternehmen versteht, wurde – zumindest in Deutschland – eng an das Verständnis des Begriffes konstruiert, wie er für öffentliche Einrichtungen verwendet wird (Niehaus 2009). Zwar gibt es grundlegende Unterschiede zwischen Akteuren in öffentlichen und privaten Organisationen, wie etwa die unterschiedlichen Sozialisationsweisen, die sich aus den Zielrichtungen der Organisationen ergeben. Aber es gelten ähnliche Rahmenbedingungen für die Entscheidung der Akteure, sodass das Rahmenmodell von Banfield auf beide Organisationsarten übertragbar scheint.
- 5.
Wir danken Jürgen Grieger für diese Vermutung, die er als Reaktion auf unseren Vortrag bei der Tagung „Korruption – doch nicht bei uns?“ (3. bis 4. April 2009, Universität Hamburg) geäußert hat.
- 6.
Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Erstellung öffentlicher Güter treten nicht nur die Trittbrettfahrerprobleme, sogenannte Probleme öffentlicher Güter erster Ordnung (Coleman 1994), sondern auch Sanktionsprobleme der beteiligten Akteure auf (Probleme öffentlicher Güter zweiter Ordnung). Wenn die Kosten der Sanktion von Trittbrettfahrern höher sind als die Einzelgewinne der Sanktionierenden, dann kann u. U. das öffentliche Gut deshalb nicht erstellt werden, weil niemand dazu motiviert werden kann, andere zu der Erstellung des öffentlichen Gutes zu bewegen. Dieses Problem, das sich in der Theorie öffentlicher Güter oft ergibt, ist im Fall von korrupten Agenten, die über ihre korrupten Transaktionen einen Vorteil für das Gesamtunternehmen sichern, gegenstandslos. Es besteht kein Sanktionsproblem zweiter Ordnung, da das Bekanntwerden der auf unrechtmäßigem Wege zustande gekommenen externen Effekte korrupter Transaktionen bereits wegen der Geheimhaltungspflichten von den an der Korruption beteiligten Akteuren internalisiert wird.
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Eine solche Argumentation impliziert, dass die Gefahren und die eigenen negativen Konsequenzen der Korruption nicht mehr als exogen (sozusagen als Glücksspiel), sondern als endogen – durch eigene Fähigkeiten und Maßnahmen beeinflussbar – wahrgenommen werden, was die Gefahr, eine Korruption zu begehen, steigern wird.
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Der Konzern Enron gehörte durch den Handel mit Energie, Breitbandkapazitäten und hochspekulativen Finanzpapieren zu einem der zehn größten US-Unternehmen. Er hatte zeitweise einen Börsenwert von mehr als 60 Mrd. $. Im Jahr 2001 stellte er nach einem Bilanzbetrug in Milliardenhöhe einen Insolvenzantrag. Der Skandal bei Enron war der Auftakt einer ganzen Serie von Bilanzbetrugsfällen, die die US-Wirtschaft in den folgenden Jahren erschütterten. Die Vorgänge hatten eine drastische Verschärfung der gesetzlichen Vorschriften zur Unternehmensberichterstattung zur Folge, den Sarbanes-Oxley Act.
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Graeff, P., Steßl, A. (2017). Effektive Compliance: Ursachen, Hindernisse und Lösungsvorschläge. In: Stark, C. (eds) Korruptionsprävention. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06314-6_9
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