Zusammenfassung
Prekäres Aufwachsen heißt überwiegend Erziehung in Armut bzw. in vielen Fällen auch Erziehung zur Armut. Gegenwärtig sind in der Bundesrepublik 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren betroffen, in Armut zu leben. Mehr als 30% der Jugendlichen in Deutschland rechnen nicht damit, künftig eine anspruchsvolle Arbeit zu finden. Für Nordrhein-Westfalen beispielsweise sind es nach regierungsamtlicher Auskunft alleine vier Millionen Kinder, die unter schwierigen Lebensverhältnissen aufwachsen. Ihnen wird von Anfang an eine Chance zur Entfaltung ihrer eigenen Möglichkeiten und einer damit verbundenen notwendigen Förderung systematisch vorenthalten. Die vorhandenen Schulkonzeptionen sind bislang in der Regel nicht in der Lage, die notwendigen Korrekturen in der Lebensperspektive der betroffenen Kinder und Jugendlichen und eine damit verbundene notwendige Förderung systematisch umzusetzen. Eine kulturalistische Interpretation von Armut, wie sie teilweise immer wieder von konservativen Wissenschaftlern versucht wird, nimmt individualisierende Kompetenzdefizitzuschreibungen vor und geht so an der Realität sozialstrukturell bedingter Ungerechtigkeiten vorbei. Vor diesem Hintergrund wird hier in der Bestimmung und Definition von Handlungsbefähigung der Versuch unternommen, sowohl pädagogisch als auch sozialanalytisch einen Gerechtigkeitsbegriff zu fundieren, der für die erziehungswissenschaftliche Problemdefinition von Bildungsungleichheit eine Neuorientierung begründet.
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Otto, HU., Schrödter, M. (2010). „Kompetenzen“ oder „Capabilities“ als Grundbegriffe einer kritischen Bildungsforschung und Bildungspolitik?. In: Krüger, HH., Rabe-Kleberg, U., Kramer, RT., Budde, J. (eds) Bildungsungleichheit revisited. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92201-0_9
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