Zusammenfassung
Der Begriff der ‚Bildung‘ markiert seit Ende der neunziger Jahre geradezu den Gegenstand der Pädagogik der frühen Kindheit im deutschsprachigen Raum. Kindertageseinrichtungen hatten auch in der Tradition der Jugendhilfe und Sozialpädagogik einen ‚eigenständigen Bildungsauftrag‘. In der neueren Diskussion verbindet sich damit aber explizit, die Frühpädagogik als grundlegenden und curricular auszuarbeitenden Teil des Bildungswesens sowie als Basis einer lebenslangen Bildungsbiographie zu fassen. Diese Verschiebung, vom deutschen Bildungsrat bereits Anfang der 1970er Jahre gefordert, scheint endlich der besonderen Bedeutung der frühkindlichen Welt- und Selbstaneignung Rechnung zu tragen. Doch stimmt sie zugleich verdächtig, denn die erhöhte gesellschaftliche Aufmerksamkeit für alle formellen und informellen Lernprozesse von Geburt an enthält unübersehbare Tendenzen einer funktionalen Rationalisierung und einer politisch-ökonomischen Instrumentalisierung der frühen Kindheit.
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Dahlberg und Moss stehen hier stellvertretend für weitere beteiligte Autoren wie Alan Pence oder Mathias Urban.
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