Zusammenfassung
In Deutschland wurde die Frage nach der Bedeutung von Geschlecht für schulische Lern- und Bildungsprozesse im Vergleich zu anderen Ländern erst verhältnismäßig spät zum Thema. Immerhin liegen inzwischen aber Erkenntnisse aus etwa dreißigjähriger intensiver Forschung dazu vor. Im Zentrum der Genderforschung stand zunächst die Frage nach dem Abbau von Ungleichheit der Bildungschancen, wobei weibliche Benachteiligung den Ausgangspunkt darstellte: In welcher Weise trägt Schule zur Fortschreibung hierarchischer Geschlechterdifferenz bei, welche Chancen der Gegensteuerung bietet sie, wo liegen aber auch die Grenzen ihrer Einflussmöglichkeiten? Im Zuge der weiteren Entwicklung differenzierte sich diese Perspektive zunehmend aus. Theoretisch und empirisch wurden sowohl Bildungserfolg als auch die Sozialisationswirkung von Schule – einschließlich der Frage ihres Beitrags zum Erwerb von Geschlechtsidentität – untersucht, d. h. vor allem die Lernenden beiderlei Geschlechts wurden in den Blick genommen. Dabei galt es aber auch die Lehrenden stärker in den Focus zu rücken: Von welchen Annahmen, Wissensbeständen, Haltungen lassen sie sich im Umgang mit Mädchen und Jungen leiten? Zu diesem zweiten Strang von Genderforschung liegen bislang deutlich weniger Forschungsergebnisse vor, unter den Stichworten ‚Genderkompetenz und Professionalisierung‘ wird vor allem programmatisch die Notwendigkeit unterstrichen, diesen Fragen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften mehr Beachtung zu schenken.
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Faulstich-Wieland, H., Horstkemper, M. (2012). Schule und Genderforschung. In: Kampshoff, M., Wiepcke, C. (eds) Handbuch Geschlechterforschung und Fachdidaktik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18984-0_3
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