Zusammenfassung
Als Antwort auf die großen sozial-ökologischen Herausforderungen unserer Zeit dominiert der Leitgedanke einer nachhaltigen Entwicklung nach wie vor den gesellschaftlichen Diskurs. Wie Nachhaltigkeit verhandelt wird, zeigt sich u. a. im Kontext der aktuell florierenden Nachhaltigkeitskommunikation, an welcher neben Wissenschaftler*innen und Journalist*innen zunehmend Privatpersonen mittels Social Media partizipieren. Social Media als Ort der Nachhaltigkeitskommunikation zeichnet sich dabei durch spezifische Logiken aus, deren Berücksichtigung für das sozialwissenschaftliche Verstehen des Phänomens zentral sind. Diesen wichtigen Punkt einlösend, widmet sich der Beitrag am Fall der bildbasierten Plattform Instagram der Frage, wie sich die Bedeutung von Nachhaltigkeitswissen konstituiert, wenn sie dem Duktus der ästhetisch-visuellen Kommunikation folgt, welcher auf bestimmten sozialen Konventionen beruht. Aus einer praxistheoretisch informierten Perspektive und auf Basis der empirischen Analyse einschlägiger Bild-Text-Beiträge wird gezeigt, inwiefern Instagram-Nutzer*innen professionsspezifische Wissensbestände und lebensweltliche Erfahrungen aufbereiten und damit eine Rolle als Wissensvermittler*innen einnehmen. Die in den Instagram-Beiträgen artikulierte Notwendigkeit der Reflexion, Modifikation und Erweiterung alltäglicher Praktiken hin zu Nachhaltigkeit wird dabei wesentlich durch die visuell-ästhetischen Darstellungsweisen geprägt. Mit der so erfolgenden ästhetisierten Kommunikation von Nachhaltigkeitswissen wird die Notwendigkeit einer reflexiven Auseinandersetzung mit der (materiellen) Welt hervorgehoben. Zugleich tragen die plattformspezifischen visuell-ästhetischen Darstellungsweisen zu einer Komplexitätsreduktion der Frage bei, wie diese Auseinandersetzung mit der (materiellen) Welt erfolgen kann – insbesondere, wenn es um den Anspruch der individuellen (Mit-)Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung geht.
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Notes
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In sozialwissenschaftlichen Arbeiten werden derartige Tendenzen des Nachhaltigkeitsdiskurses als „Individualisierung“ (Hasenfratz 2018) und „Privatisierung der Nachhaltigkeit“ (Grunwald 2010) diskutiert. Armin Grunwald (2010) thematisiert die impliziten Annahmen und Effekte eines solchen Nachhaltigkeitsverständnisses: Werde die Antriebskraft schwerpunktmäßig dem privaten Handeln zugeschrieben, gelange einerseits der Stellenwert politischen Handelns in den Hintergrund. Andererseits verfestige sich die Auffassung, eine nachhaltige Entwicklung könne alleine durch private (Konsum-)Entscheidungen vorangetrieben werden – was, wie Grunwald und andere Autor*innen hervorheben, einen verkürzten Zugang zur komplexen Thematik darstelle. (Grunwald 2010; Görgen und Wendt 2015; Jonas 2016) Bei aller Wichtigkeit und Plausibilität solcher Perspektiven auf den Nachhaltigkeitsdiskurs kann doch beobachtet werden, dass Individuen nicht nur verantwortlich gemacht werden, sondern sich auch als Verantwortliche positionieren und auf diese Verantwortung mit konkreten Handlungen antworten. Als gesellschaftliche Akteure sind Individuen Teil der Aushandlung und Verfestigung der Bedeutung und Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung und werden zugleich durch ihre sozialen Umwelten geprägt, die ebenso an der Nachhaltigkeitsbedeutung ‚mitarbeiten‘. (Grunwald 2016)
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Nachhaltige Handlungen sollen hier verstanden werden als jene Praktiken, die „als nachhaltig deklariert und gesellschaftlich als solche legitimiert sind“ (Hasenfratz 2018, S. 106) – zum Beispiel, indem Bestandteile der Praktiken wie Lebensmittel oder Hygieneprodukte durch Siegel und Zertifizierungen (z. B. Fair Trade und Cosmos Organic) als nachhaltig gekennzeichnet sind.
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Hier sei angemerkt, dass es sich bei Praxistheorien weniger um ein einheitliches Paradigma, sondern vielmehr um eine Theoriefamilie handelt, deren verschiedene Ausprägungen Überschneidungen aufweisen. (Reckwitz 2003)
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Neben dem Veröffentlichen von Standbildern bietet Instagram eine Reihe weiterer Funktionen, u. a. Live-Streams, das Teilen von kurzen Videos (sogenannte ‚Stories‘, die zeitlich begrenzt aufgerufen werden können) und Versenden und Empfangen von privaten Nachrichten. (Schreiber und Kramer 2016) Im Rahmen der Nachhaltigkeitskommunikation wird von den genannten zusätzlichen Funktionen vor allem das Teilen kurzer Videos genutzt: Nutzer*innen berichten in den ‚Stories‘ z. B. über ihre Erfahrungen mit nachhaltigen Produkten oder informieren Follower über neue, nachhaltigkeitsbezogene Beiträge auf der eigenen Instagram-Seite. Auf eine genaue Analyse und schriftliche Darstellung empirisch fundierter Einsichten zu Instagram-Stories und deren Besonderheiten muss aus Platzgründen verzichtet werden. Hier sei nur darauf verwiesen, dass die Frage nach dem Stellenwert anderer Instagram-Funktionen (Stories, Live-Streams, private Nachrichten) für die Nachhaltigkeitskommunikation anschlussfähig für weiterführende Forschungen sein kann (zur allgemeinen Bedeutung von Stories im Kontext der Nutzung von Instagram siehe Leaver et al. 2020).
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Hashtags fungieren auf Social Media-Plattformen als Verlinkungen bzw. Suchbegriffe. Durch das Klicken auf den jeweiligen Hashtag – z. B. #Nachhaltigkeit – erhält man Beiträge bzw. andersartige Artikulationen, die mit dem gleichen Hashtag markiert sind. Der Hashtag dient damit verbunden der genaueren Beschreibung der Thematik, die in dem Beitrag bzw. der Artikulation behandelt wird. (Schreiber und Kramer 2016)
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Es handelt sich dabei um Ergebnisse, die im Rahmen einer Masterarbeit und daran anknüpfenden Forschungen am Lehrstuhl für Soziologie mit Schwerpunkt Techniksoziologie und nachhaltige Entwicklung an der Universität Passau gewonnen wurden. Im qualitativ-interpretativ ausgerichteten Forschungsprojekt der Masterarbeit wurden Interviews mit österreichischen Instagram-Nutzer*innen zum Schwerpunkt ‚Zero Waste‘ geführt (Casata 2018). Daran anschließend erfolgte eine weiterführende Felderschließung (Przyborski und Wohlrab-Sahr 2014) von Instagram-Profilen zum Thema Nachhaltigkeit im deutschsprachigen Raum. Beiträge dieser Profile wurden im Anschluss an die von Manovich (2017) vorgenommene Typisierung dokumentiert und geordnet. Die hier exemplarisch besprochenen Beiträge wurden im Anschluss an methodisch-methodologische Konzepte der dokumentarischen Bildanalyse nach Maria Schreiber und Michaela Kramer (2016) ausgewertet. Ergänzt wurde die Analyse durch leitfadengestützte Interviews mit zwei Nutzer*innen aus Österreich und Deutschland. Hier sei noch darauf verwiesen, dass für das Frühjahr 2020 teilnehmende Beobachtungen geplant waren, um Praktiken im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation auf Instagram tiefergehend zu erforschen. Aufgrund der COVID-19-Pandemie war eine Modifikation des Forschungsdesigns notwendig – was in der Entscheidung mündete, Interviews via Skype zu führen, bei denen Beobachtungselemente auf digitalem Weg zum Einsatz kamen (z. B., indem Nutzer*innen über die Kamera zeigten, wie sie Beiträge erstellen).
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Dabei handelt es sich größtenteils um weibliche Nutzerinnen, was mit der allgemeinen (vor allem im medialen Diskurs vorherrschenden), wenn auch bis dato nicht empirisch nachgewiesenen Beobachtung übereinstimmt, dass insbesondere Frauen an der Nachhaltigkeitskommunikation via Social Media partizipieren. (siehe dazu z. B. Wurm 2017; The OGNC 2019)
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Bei den folgenden Zitaten in Klammern handelt es sich um Ausschnitte aus Instagram-Beiträgen, die im Rahmen des vorliegenden Beitrags analysiert wurden.
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Ich danke den Instagram-Nutzer*innen impact.earthlings, naturlandkind, ohwiecool und roedluvan_at für die Gewährung der Abbildungsrechte.
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Casata, R. (2022). Wissen zur Nachhaltigkeit ästhetisiert: Instagram als Ort der Nachhaltigkeitskommunikation. In: Bush, A., Birke, J. (eds) Nachhaltigkeit und Social Media. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35660-6_6
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