Zusammenfassung
Sowohl Public-Affairs-Management & Lobbying (PAM&L) als auch die Kritik daran bilden normale Elemente demokratischer Politik. Sie gehören zusammen, sie können sich nicht gegenseitig überflüssig machen, weil PAM&L für demokratische Politik Lösung und Problem zugleich sind. Die klassische Kritik konzentriert sich auf politische Entscheidungsprozesse und die Rolle, die PAM&L darin spielen; ausgeblendet bleiben dabei die gesellschaftlichen Voraussetzungen demokratischen Regierens. Eine gesellschaftstheoretische Reflexion, hier auf der Basis der Theorie sozialer Systeme, kann zum einen zeigen, weshalb PAM&L ebenso notwendig sind wie deren Kritik. Sie kann zum anderen erklären, warum Wirtschaftsakteure nicht nur leichtere Zugänge zu politischen Entscheidungsprozessen haben, sondern von politischen Entscheidern auch öfter gerufen und angehört werden – obwohl die Kritiker begründet, nachhaltig und lautstark dagegen protestieren.
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Notes
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„Ämter können kollektiv bindende Entscheidungen nur auf der Grundlage von Kontakten treffen. Ohne Kontakte zu Adressaten, zur Bevölkerung, zu interessierten Dritten, auch zu den Medien, die die politischen Entscheidungen kommunizieren, gibt es keine Politik“ (Baecker 2007, S. 119).
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„Eine immer wichtigere Rolle in der Interessenvertretung in der ‚Berliner Republik‘ spielen dabei laut Einschätzung von Forschern und Praktikern ‚Beratungsagenturen‘ – also allgemein betrachtet Dienstleister, die in den Handlungsfeldern Lobbying und Public Affairs, aber auch in anderen – z. T. verwandten – Handlungsfeldern, wie Governmental Relations oder Kommunikationsberatung, ihre Beratungsleistungen auf vertraglicher Basis als käufliche Services anbieten“ (Schieder 2017, S. 1).
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„Schließlich kann mit Ämtern Politik gemacht werden, da Politiker Ämter nicht nur erobern müssen, sondern auch vergeben können. Politiker können also unter anderen Politikern für Unterstützung werben, indem sie für den Fall, dass sie ein Amt erwerben, anderen Ämter in Aussicht stellen, auf die sie gegenwärtig noch keinen Zugriff haben. In der Wirtschaft würde man von kreditfinanzierter Übernahme sprechen […]“ (Baecker 2007, S. 125).
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„Die semantische Karriere beider Begriffe beginnt mit der Auflösung des teleologischen Natur- und Handlungsverständnisses. Um mit Handlungen umgehen zu können, braucht man jetzt mehr als nur eine Kenntnis ihrer Zwecke, denn Zwecke können simuliert und dissimuliert werden. Um Handlungen erwarten, vorhersehen oder gar mit ihnen kalkulieren zu können, muss man die Interessen kennen, die sie motivieren“ (Luhmann 2002, S. 181). „Als der Begriff ‚Interesse‘ im Sinne von Anteilnahme, Streben, Vorteil im späten 16. jahrhundert in Westeuropa geläufig wurde, war seine Bedeutung keineswegs beschränkt auf die materiellen Aspekte des Wohlergehens; er umfasste vielmehr die Gesamtheit menschlichen Strebens, enthielt jedoch auch ein Element von Reflexion und Kalkulation hinsichtlich der Art, wie diesem Streben nachzukommen war“ (Hirschman 1980, S. 41); siehe auch Neuendorff (1973).
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Diese Gesamtverantwortlichkeit ist auch daran ablesbar, „dass der Alltagsbegriff von Gesellschaft ein Begriff für politische Einheiten ist, nämlich für Staaten […]. Auch tragen wir normalerweise keine Bedenken, unsere Gesellschaft als Demokratie oder Nation zu bezeichnen – auch diese Begriffe von exklusiv politischer Relevanz […]. Umgekehrt wird auch die Semantik des Politischen immer noch so gehandhabt, dass dabei eine Gesamtverantwortung des politischen Systems für sämtliche Folgeprobleme einer funktional differenzierten Gesellschaft herauskommt“ (Kieserling 2004, S. 177–178).
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Dem Durcheinander der Interessen wird dann in populistischer Manier als Gegenbild ein Einheitswille des Volkes entgegengehalten, verkörpert in einer Führungsfigur. Mit „Ein Mann gegen Parteikadaver und Interessenhaufen“ wurde 1932 ein NSDAP-Wahlplakat betitelt.
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„Die Vorstellung eines Konsensus ist, wenn man dabei an die wirklichen aktuellen Bewusstseinszustände wirklicher Einzelmenschen denkt, so abwegig und so wenig wünschenswert, daß man denjenigen, die dies als Ideal proklamieren und Institutionen daran zu messen versuchen, grobe Missachtung der Individualität des Menschen vorwerfen muss“ (Luhmann 1987, S. 138).
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Um die Binnendifferenzierung des politischen Systems zu bezeichnen, verwendet Luhmann die Wörter Publikum, Politik und Verwaltung. Dabei übernimmt er teilweise gewohnten Sprachgebrauch, teilsweise ändert er Bedeutungen – das ist sehr verwirrend. In diesem Beitrag werden die Bezeichnungen Volk (wahlweise Publikum), Legislative und Exekutive verwendet sowie zur Kennzeichnung der politischen Doppelspitze Regierung und Opposition.
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Die Bezeichnungen für Interessenorganisationen im Wirtschaftssystem sind insofern verwirrend, als zum einen auch Gewerkschaften dazu gehören, zum anderen „Wirtschaftsorganisationen“, die im Sprachgebrauch auf der Arbeitgeberseite angesiedelt sind und zum dritten die Interessenorganisationen der Arbeitgeberseite noch einmal von Unternehmen als Wirtschaftsorganisationen unterschieden werden müssen. (Dass auch die Interessenorganisationen der Arbeitgeber in sich ausdifferenziert sind (Schröder und Silvia 2003), bleibt unberücksichtigt). Wir behelfen uns damit, von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden als den ökonomisch-politischen Interessenorganisationen zu sprechen und von Unternehmen als den ökonomischen Akteuren.
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Nichts spricht gegen die gängige Formulierung, die Politik und Gesellschaft unterscheidet – es sei denn, es läuft ein Verständnis von Politik mit, das sie der Gesellschaft gegenüber oder sogar über die Gesellschaft stellt. Die Politik ist, jedenfalls im Kontext der Theorie sozialer Systeme, Teil der Gesellschaft, ein besonderes, eigensinniges Funktionsfeld wie die anderen auch. Die sogenannte Zivilgesellschaft wird in der Theorieperspektive dieses Textes in der äußeren Peripherie des Politiksystems verortet, wo sich politisch engagierte Personen und Organisationen zu Wort melden.
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„Systemtheoretiker werden einwenden: Aber Wahrheit, politische Macht, Recht, Kunst, Liebe kann man doch nicht kaufen! Gewiss kann man sie nicht direkt ‚kaufen‘, auch wenn das bekanntlich immer wieder versucht wird. Aber sie müssen stets finanziert werden, eben dies macht ihren spezifisch ‚modernen‘ Charakter aus“ (Deutschmann 2003, S. 155).
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Arlt, HJ. (2021). Public Affairs und Lobbying aus Sicht von Kritikern. In: Röttger, U., Donges, P., Zerfaß, A. (eds) Handbuch Public Affairs. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22931-3_9
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