Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund der in Deutschland in jüngerer Zeit gestiegenen Einkommensungleichheit fragen wir, ob dieser Trend mit einer Stagnation oder Abstiegen im Einkommen bestimmter Bevölkerungsgruppen einhergeht oder ob er primär auf eine veränderte Zusammensetzung der Bevölkerung zurückzuführen ist. Hierzu analysieren wir auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels die Einkommensverläufe von Haushalten in den Jahren 1995–2015. Unsere Studie zeigt, dass die erhöhte Einkommensungleichheit nicht allein aus einer veränderten Zusammensetzung der Bevölkerung resultiert, sondern dass Haushalte, die sich in vergleichsweise schlechter Arbeitsmarktposition befinden (mit maximal beruflichem Ausbildungsabschluss bzw. als Arbeiter oder als Angestellte mit Routinetätigkeiten), im Laufe der Jahre im Durchschnitt kleinere prozentuale Steigerungen im verfügbaren Haushaltseinkommen erfahren haben als andere Haushalte. Für Haushalte mit türkischem Migrationshintergrund war die Einkommensentwicklung dabei ungünstiger als für einheimische Haushalte. Diese Befunde lassen vermuten, dass es in den genannten Bevölkerungsgruppen in den letzten Jahren in der Tat vermehrt zu enttäuschten Aufstiegshoffnungen gekommen ist.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Similar content being viewed by others
Notes
- 1.
Die Verfasser arbeiten mit dem verfügbaren äquivalenzgewichteten Einkommen privater Haushalte (vgl. Grabka und Goebel 2017).
- 2.
Ein ähnliches Muster zeigt sich auch, wenn die oberen 60 % mit den unteren 40 % der Einkommensverteilung verglichen werden. Auch auf Basis anderer Indikatoren, wie dem Gini-Index, lässt sich der Trend zu einer höheren Einkommensungleichheit belegen (Grabka und Goebel 2017).
- 3.
Es handelt sich bei den von Grabka und Goebel (2017) genutzten Daten des Sozio-oekonomischen Panels um (unbalancierte) Paneldaten, aber diese wurden als Zeitreihe aufbereitet. Die Paneleigenschaft macht es aber möglich, Entwicklungen auf Haushaltsebene zu untersuchen.
- 4.
Eine Ausnahme stellt die Studie von Markus Gangl (2005) dar, die hier jedoch weniger relevant ist, da sie sich auf zusammenfassende Maße von Mobilität konzentriert.
- 5.
Zwar werden in der sozialen Mobilitätsforschung, in deren Tradition diese Studien wurzeln, Haushalte, nicht Individuen, als sinnvolle Einheiten für Fragen sozialer Ungleichheit und Mobilität angesehen. In der intragenerationalen Mobilitätsforschung werden aber trotzdem fast immer individuelle Erwerbsverläufe betrachtet.
- 6.
Zur unteren und mittleren Mittelklasse (vereinfachend: Mittelklasse) rechnen wir ArbeitnehmerInnen, die nach dem EGP-Klassenschema den nicht-manuellen Routinetätigkeiten zugeordnet wurden.
Literatur
Allison, Paul D. 2009. Fixed effects regression models. Los Angeles: SAGE Publications.
Atkinson, Anthony. 2015. Inequality. What can be done? Cambridge: Harvard University Press.
Blossfeld, Hans-Peter, Sandra Buchholz Erzsébet Bukodi, und Karin Kurz, Hrsg. 2008. Young workers, globalization and the labor market. London: Edward Elgar.
Breen, Richard. 1997. Risk, recommodification and stratification. Sociology 31 (3):473–489.
Breen, Richard, und Leire Salazar. 2011. Educational assortative marriage and earnings inequality in the United States. American Journal of Sociology 117:808–843.
Buchholz, Sandra, und Karin Kurz. 2008. A new mobility regime in Germany? Young people’s labor market entry and phase of establishment since the mid-1980s. In Young workers, globalization and the labor market, Hrsg. Hans-Peter Blossfeld, Sandra Buchholz Erzsébet Bukodi, und Karin Kurz, 51–75. London: Edward Elgar.
Erikson, Robert, John H. Goldthorpe, und Lucienne Portocarero. 1979. Intergenerational class mobility in three Western European societies. England, France and Sweden. The British Journal of Sociology 30 (4):415.
Erikson, Robert. 1984. Social class of men, women and families. Sociology 18:500–514.
Frick, Joachim R., Markus M. Grabka, und Olaf Groh-Samberg. 2012. Dealing with incomplete household panel data in inequality research. Sociological Methods & Research 41 (1): 89–123.
Gangl, Markus. 2005. Income inequality, permanent incomes, and income dynamics. Comparing Europe to the United States. Work and Occupations 32 (2):140–162.
Gangl, Markus. 2017. The Erosion of political trust in the great recession. Vortrag bei der ECSR 2017 Conference, Milano, Italy, September 2017.
Giesecke, Johannes. 2009. Socio-economic risks of atypical employment relationships: Evidence from the German labour market. European Sociological Review 25 (6): 629–646.
Goebel, Jan, und Peter Krause. 2016. Einkommensentwicklung – Verteilung, Angleichung, Armut und Dynamik. In Datenreport 2016, Hrsg. Statistisches Bundesamt/WZB/SOEP, 178–190. Bonn.
Grabka, Markus M., und Jan Goebel. 2017. Realeinkommen sind von 1991 bis 2014 im Durchschnitt gestiegen – erste Anzeichen für wieder zunehmende Einkommensungleichheit. DIW Wochenbericht 4:71–82.
Hartmann, Jörg. 2016. Do second-generation Turkish Migrants in Germany assimilate into the middle class? Ethnicities 16 (3): 368–392.
Heyne, Stefanie. 2012. Arm durch Arbeitslosigkeit? Einkommensverluste im Kontext der Hartz-Reformen. Zeitschrift für Soziologie 41 (6): 418–434.
Kohler, Ulrich et al. 2012. Verarmungsrisiken nach kritischen Lebensereignissen in Deutschland und den USA. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 64:223–245.
Kurz, Karin, und Nikolei Steinhage. 2001. Globaler Wettbewerb und Unsicherheiten beim Einstieg in den Arbeitsmarkt. Analysen für Deutschland in den 80er und 90er Jahren. Berliner Journal für Soziologie 11 (4):513–531.
Kurz, Karin, Steffen Hillmert, und Daniela Grunow. 2006. Increasing inequality in employment careers? Men’s job mobility and unemployment in West Germany. A comparison of the Birth Cohorts 1940, 1955 and 1964. In Globalization, uncertainty and men’s careers: An international comparison, Hrsg. Hans-Peter Blossfeld, Melinda Mills und Fabrizio Bernardi, 75–113. London: Edward Elgar Press.
Lengfeld, Holger. 2017. Die „Alternative für Deutschland“: eine Partei für Modernisierungsverlierer? Kölner Zeitschrift für Soziologie und Soziapsychologie 69:209–232.
Milanović, Branko. 2016. Die ungleiche Welt. Migration, das Eine Prozent und die Zukunft der Mittelschicht. Berlin: Suhrkamp.
OECD. 2008. Growing unequal? Income distribution and poverty in OECD countries. Paris: OECD Publishing.
OECD. 2011. Divided we stand. Why inequality keeps rising. http://www.oecd.org/els/soc/dividedwestandwhyinequalitykeepsrising.htm. Zugegriffen: 29. Dez. 2017.
OECD. 2015. What are equivalence scales? http://www.oecd.org/eco/growth/OECD-Note-EquivalenceScales.pdf. Zugegriffen: 24. Okt. 2017.
Piketty, Thomas. 2013. Le capital au XXIe siècle. Paris: Èditions du Seuil.
Raphael, Lutz, und Anselm Doering-Manteuffel. 2011. Nach dem Boom: Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Reed, Deborah, und Maria Cancian. 2004. Rising familiy income inequality: The importance of sorting. Paper prepared for presentation at the population association of America 2004 Annual Meeting in Boston. http://paa2004.princeton.edu/papers/41784. Zugegriffen: 29. Dez. 2017.
Schäfer, Holger, und Jörg Schmidt. 2009. Einkommensmobilität in Deutschland – Entwicklung. Strukturen und Determinanten. IW-Trends 36 (2): 1–17.
Schäfer, Holger, und Jörg Schmidt. 2017. Einmal unten – immer unten? Empirische Befunde zur Lohn- und Einkommensmobilität in Deutschland. IW-Trends 44 (1): 59–75.
Scheve, Kenneth und David Stasavage. 2016. Taxing the rich. A history of fiscal fairness in the United States and Europe. New York: Russell Sage Foundation und Princeton University Press.
Spannagel, Dorothee. 2016. Soziale Mobilität nimmt weiter ab. WSI-Verteilungsbericht 2016. WSI-Report Nr. 31, 10/2016.
Spitzenpfeil, Martin, und Hans-Jürgen Andreß. 2014. Ist der Anstieg der westdeutschen Einkommensungleichheit auf die Zunahme bildungshomogener Partnerschaften zurückführbar? Eine Dekompositionsanalyse auf Basis des SOEP (1985–2011). Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 66:575–601.
Statistisches Bundesamt (2017): Preise. Verbraucherpreisindizes für Deutschland. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Preise/. Zugegriffen: 24. Okt. 2017.
Verbraucherpreise/VerbraucherpreisindexLangeReihenPDF_5611103.pdf.
Wagner, Gert G., Joachim R. Frick und Jürgen Schupp. 2007. The German Socio-Economic Panel Study (SOEP) - Scope, evolution and enhancements. Schmollers Jahrbuch 127 (1):139–169.
White, Ian R., Parick Royston, und Angela M. Wood. 2011. Multiple imputation using chained equations. Issues and guidance for practice. Statistics in medicine 30 (4):377–399. https://doi.org/10.1002/sim.4067.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2020 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Kurz, K., Hartmann, J., Knöbl, W. (2020). Enttäuschte Aufstiegshoffnungen? Eine Untersuchung zur Einkommensentwicklung in Deutschland 1995–2015. In: Mays, A., et al. Grundlagen - Methoden - Anwendungen in den Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-15629-9_25
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-15629-9_25
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-15628-2
Online ISBN: 978-3-658-15629-9
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)