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Verspätete Gerechtigkeit ohne Strafe

Die Verfolgung von NS-Kriegsverbrechern in Italien

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Spätverfolgung von NS-Unrecht
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Zusammenfassung

Nach 1994, und vor allem zwischen 2002 und 2013, verhängten die italienischen Militärgerichte rund 60 lebenslange Gefängnisstrafen gegen deutsche Staatsbürger wegen Kriegsverbrechen, die während des Zweiten Weltkriegs in Italien begangen worden waren. Mit Ausnahme des Prozesses gegen Priebke und Hass wurden alle Prozesse in Abwesenheit durchgeführt. Als wichtigstes Ergebnis kann gelten, dass drei der Angeklagten – die in Italien, Argentinien bzw. Kanada lebten – anschließend inhaftiert wurden, während die in Deutschland lebenden NS-Verbrecher nie an Italien ausgeliefert wurden und keiner von ihnen seine Strafe verbüßte. Im ersten Teil dieses Beitrags wird ein Überblick über die Strafverfolgung von NS-Kriegsverbrechern in Italien gegeben, und die Gründe für die Verzögerung von 60 Jahren werden erläutert. Im zweiten Teil wird das Ergebnis dieser verspäteten Strafverfolgung bewertet, um herauszufinden, ob es sich um verspätete Gerechtigkeit im eigentlichen Sinne handelt.

Übers. v. Moritz Vormbaum.

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Notes

  1. 1.

    Für einen Überblick über die italienische Erfahrung von Transitional Justice in Bezug auf faschistische und nationalsozialistische Verbrechen, Caroli 2022.

  2. 2.

    De Paolis 2016, S. 116.

  3. 3.

    Die Vollstreckung von Europäischen Haftbefehlen aufgrund von Abwesenheitsurteilen ist trotz des Rahmenbeschlusses 2009/299/JI des Rates der EU immer noch umstritten, vgl. Quattrocolo & Ruggeri 2019.

  4. 4.

    Friedrich Siegfried Engel wurde 2002 in Hamburg zu sieben Jahren Haft verurteilt (von Münch, 2004), aber der Bundesgerichtshof hob das Urteil im Jahr 2004 auf und verlangte eine Neuverhandlung; da Engel jedoch bereits 95 Jahre alt war, wurde er als verhandlungsunfähig eingestuft (Bertram, 2004). Josef Scheungraber wurde 2009 zu lebenslanger Haft verurteilt, die Revision wurde 2010 verworfen (LG München I, 11. August 2009 1 Ks 115 Js 10394/07); da er bereits 90 Jahre alt war, galt er als haftunfähig. Siegfried Böttcher wurde sowohl in La Spezia als auch in Stuttgart angeklagt, verstarb aber 2005, bevor sowohl der italienische als auch der deutsche Prozess zu Ende geführt werden konnten. Der Versuch, Theodor Emil Saevecke in Osnabrück vor Gericht zu stellen, endete im Jahr 2000, nachdem er gestorben war. Gerhard Sommer, der 2005 in Italien verurteilt wurde, wurde 2015 in Hamburg als verhandlungsunfähig eingestuft (Hinrichs, 2015; BBC, 2015).

  5. 5.

    Dies wurde am 28. Februar 2021 vom Generalstaatsanwalt des Militärberufungsgerichts in Rom, Marco De Paolis, bekannt gegeben (Ansa, 2022).

  6. 6.

    Intelisano 2012, S. 80.

  7. 7.

    Ebd.

  8. 8.

    Vgl. Maculan & Pastor 2013; Maculan 2012.

  9. 9.

    Seit 2018 ist er Militärgeneralstaatsanwalt am Militärberufungsgericht in Rom.

  10. 10.

    De Paolis 2016, S. 140 ff.

  11. 11.

    Ebd., S. 145; Speranzoni 2016, S. 244.

  12. 12.

    Siehe Gentile 2012; De Paolis & Pezzino 2016. Für eine Liste der Massaker, siehe den Atlas der nationalsozialistischen und faschistischen Massaker (infra n. 62).

  13. 13.

    Die Zahl der Opfer wird auf etwa 10.000 Zivilisten, 11.400 italienische Soldaten, die entweder in Italien oder auf dem Balkan und in Griechenland hingerichtet wurden, und zwischen 30.000 und 45.000 getötete Partisanen geschätzt (Schreiber 1996, S. 8; Gentile 2012, 14). In Bezug auf Italien allein schätzt die Datenbank des Atlas (infra n. 62) (bisher) eine Zahl von 23.662 Opfern in insgesamt 5626 Fällen, wobei 2893 von ihnen Opfer faschistischer Verbrechen sind.

  14. 14.

    Diese Ermittlungen wurden von der 60. und 78. Abteilung der britischen Sonderermittlungsgruppe und dem Büro für Kriegsverbrechen durchgeführt.

  15. 15.

    Die britischen Militärtribunale hielten 49 Prozesse ab (einige auch gegen Italiener), meist wegen Misshandlung oder Tötung britischer Kriegsgefangener. Elf weitere Prozesse fanden in Österreich statt, wo seit 1946 eine Ermittlungsabteilung tätig war (Pezzino 2001).

  16. 16.

    Britisches Militärtribunal (BMT) Venedig, 6. Mai 1947. Die Anklageschrift bezog sich auch auf das Massaker an den Fosse Ardeatine. Kesselring wurde zum Tode verurteilt. Dank des Drucks von General Harold Alexander und Winston Churchill wandelte General John Harding das Urteil in lebenslange Freiheitsstrafe um, die später in 21 Jahre Gefängnis umgewandelt wurde, und ordnete schließlich 1952 seine Freilassung an. Kesselring wurde später Berater von Konrad Adenauer für die deutsche Aufrüstungspolitik innerhalb der NATO. Zum Kesselring-Prozess: Battini 2004; von Lingen 2004.

  17. 17.

    BMT, Rom, 20. November 1946. Die Anklageschrift bezog sich auf das Massaker an den Fosse Ardeatine. Das ursprüngliche Todesurteil wurde von General Harding, auch auf Druck des Vatikans, in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt. Von Mackensen wurde 1952 aus der Haft entlassen; Mälzer starb noch im selben Jahr im Gefängnis. Laut von Lingen war die Todesstrafe als Reaktion auf den Druck der italienischen Öffentlichkeit verhängt worden (vgl. von Lingen, 2003).

  18. 18.

    BMT, Padua, 13. Mai 1947. Die Anklageschrift bezog sich auf das Massaker in den Sümpfen von Fucecchio. Er wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt und starb 1950 im Gefängnis.

  19. 19.

    BMT, Padua, 26. Juni 1947. Die Anklageschrift bezog sich auf verschiedene Massaker zwischen der Emilia Romagna und der Toskana, darunter das von Sant’Anna di Stazzema. Das Todesurteil wurde in eine Freiheitsstrafe umgewandelt und später wurden die Verurteilten, dank der Fürsprache des Erzbischofs von Köln, begnadigt und 1954 freigelassen.

  20. 20.

    BMT, Padua, 18. April 1947. Die Anklageschrift bezog sich auch auf die Vergeltungsaktion von Borgo Ticino.

  21. 21.

    Verantwortlich für die Ermordung eines amerikanischen Kommandos in La Spezia. Am 1. Dezember 1945 zum Tode verurteilt.

  22. 22.

    Die Zeitspanne reicht, je nach Besatzungsgebiet, vom 31. Oktober 1947 bis zum 1. September 1948. Es gibt keine Unterlagen, die die Liste der beantragten Namen und der bewilligten Auslieferungen bestätigen

  23. 23.

    Vgl. Commissione 2006b, S. 151. Zwei in Turin (gegen Waldemar Krumhaar und gegen Ernest Mair), eins in Neapel (gegen Alois Schmidt), eins in Padua (gegen Wilhelm Niedermayer), eins in La Spezia (gegen Eduard Florin), vier in Rom (gegen Herbert Kappler, Borante Domizlaff, Hans Clemens, Kurt Schutze, Johannes Quapp, Karl Wiedner, gegen Otto Wagner, Herbert Niklas, Walter Mai, Johan Felten, Johan Koch, Helmut Meeske, Willy Hansky, gegen Alois Schuler und gegen Franz Covi), drei in Florenz (gegen Theo Krake und Rudolf Fenn sowie Joseph Strauch und Wilhelm Schmaltz), eins in Bologna (gegen Walter Reder) und eins in Verona (gegen Ambrosius Webhofer). Einige Historiker halten den Südtiroler Ambrogio Webhofer jedoch nicht für einen Italiener (Focardi, 2011, S. 510).

  24. 24.

    Das Massaker von Fosse Ardeatine im Kappler-Prozess (1948–1953), einige Massaker in der Toskana (einschließlich Civitella, Val di Chiana, Stia und Vallucciole) im Schmalz-Prozess (1950), das Massaker in den Sümpfen von Fucecchio im Strauch-Prozess (1948–1949), das in Monte Sole/Marzabotto und Vinca im Reder-Prozess (1951–1954). Hinzu kommt das so genannte Kefalonia-Verfahren, das 1960 mit einer Einstellung des Verfahrens endete (De Paolis & Insolvibile 2017).

  25. 25.

    Für eine vergleichende Perspektive, vgl. Frei 2006.

  26. 26.

    Ein Teil der Wissenschaft unterteilt die erste Phase in zwei Unterphasen. Die Trennlinie ist die Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949, die zu einer geringeren Härte bei Vorgehen der italienischen Strafverfolgung führte (Focardi, 2011, S. 511; Ders. 2008; Ders. 2006).

  27. 27.

    Commissione 2006b, S. 156.

  28. 28.

    Costantini 2005, S. 270.

  29. 29.

    Mit drei Ausnahmen, vgl. Caroli 2022, S. 74; Ders. 2020, S. 89.

  30. 30.

    Die gesamte in den 695 Akten enthaltene Dokumentation ist auf der Website des Atlas verfügbar (s. Nr. 62).

  31. 31.

    In diesem Prozess (der 1998 nach mehreren Instanzen beendet wurde) wurde Priebke für die gesamte Zahl der Tötungen im Rahmen des Massakers an den Fosse Ardeatine verantwortlich gemacht. Siehe Resta & Zeno-Zencovich 2013, S. 856.

  32. 32.

    De Paolis 2012, S. 112.

  33. 33.

    Der Bericht ist im Anhang zu Ricci 1998 zu finden. Zum Thema und zum Einfluss des politischen Kontextes: Speranzoni 2016, S. 89 f.; Franzinelli 2002; Giustolisi 2004; Vassalli 1997, S. 228 f.; Pezzino 2001, S. 9 f.

  34. 34.

    Commissione 2006a; Commissione 2006b.

  35. 35.

    Dieser Artikel, der im Jahr 2000 geändert wurde, erklärte die Auslieferung deutscher Staatsbürger grundsätzlich für unzulässig.

  36. 36.

    Commissione 2006a, S. 67.

  37. 37.

    Commissione 2006b, S. 423.

  38. 38.

    Ebd., S. 423.

  39. 39.

    De Paolis 2012, S. 115.

  40. 40.

    Insolvibile argumentiert, dass die an italienischen Soldaten im Ausland begangenen NS-Verbrechen (die in die Zuständigkeit der Militärstaatsanwaltschaft in Rom fallen) „übereilt und unzureichend“ behandelt wurden, da nur in 18 der 46 Fälle, in denen ein Verfahren eingeleitet werden konnte, Ermittlungen aufgenommen wurden (Insolvibile, 2015).

  41. 41.

    Die Anzahl der ihr zugewiesenen Akten (214) erklärt sich dadurch, dass sie die größte territoriale Zuständigkeit hatte, die gleichzeitig den größten Teil des von den Nazis besetzten Gebiets umfasste. Nach der Abschaffung von sechs Militärgerichten im Jahr 2008 gibt es heute nur noch die Militärgerichte von Rom, Neapel und Verona.

  42. 42.

    Lebenslange Freiheitsstrafen wurden gegen den SS-Hauptmann Theodor Emil Saevecke (für die Erschießung von fünfzehn Partisanen auf dem Piazzale Loreto in Mailand im Jahr 1944; Urteil des Militärgerichts Turin vom 9. Juni 1999, Nr. 570) und gegen Siegfried Engel („Schlächter von Genua“, verantwortlich für die Massaker an der Benedicta, dem Turchino-Pass, Portofino und Carvasco; Urteil des Militärgerichts Turin vom 15. November 1999, Nr. 44) verhängt.

  43. 43.

    Der Prozess gegen US-Marschall Emil Schreiber endete mit einem Freispruch (Militärtribunal Rom, 22. September 2006, Nr. 44).

  44. 44.

    Der Prozess gegen den Wehrmachtshauptmann Otto Galle endete mit einem Freispruch (Militärtribunal Neapel, 5. November 1999, Nr. 649).

  45. 45.

    Gegen Michael „Mischa“ Seifert, „die Bestie des Bozener Konzentrationslagers“, der am 24. November 2000 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Er wurde im selben Jahr in Kanada identifiziert und 2008 nach Italien ausgeliefert, wo er seine Strafe im Militärgefängnis von Santa Maria Capua Vetere bis zu seinem Tod im Jahr 2010 verbüßte (MC Verona, 24. November 2000, Nr. 97; Military Court of Appeal [im Folgenden MCA], Division Verona, 18. Oktober 2001, Nr. 252). Siehe Costantini 2005.

  46. 46.

    Siehe insbesondere die Prozesse gegen Herber Kappler (1948–1953) wegen des Massakers an den Fosse Ardeatine. Die Militärrichter betrachteten den Partisanenangriff auf die Via Rasella als unrechtmäßige Kriegshandlung und erachteten daher die anschließende Vergeltung als rechtmäßig, wenn auch unverhältnismäßig. Trotz dieser Unverhältnismäßigkeit wurde Kappler aufgrund der Rechtfertigung des Befehls seines Vorgesetzten nicht für den Tod von 320 der 335 getöteten Personen verantwortlich gemacht, sondern nur für den Tod der 10 Personen, die er eigenmächtig hinzugefügt hatte, nachdem er vom Tod des 33. deutschen Soldaten erfahren hatte. Er wurde auch für den Tod von 5 weiteren Personen verantwortlich gemacht, die er aufgrund eines Fehlers seines Untergebenen hinzugefügt hatte.

  47. 47.

    De Paolis 2012, S. 104.

  48. 48.

    Ambos 1997, S. 8; Ders. 1999, S. 191.

  49. 49.

    So zum Beispiel die SS-Männer Paul Abers und Hubert Bichler, ehemalige Zeugen im Reder-Prozess 1950 für die Massaker von Marzabotto und San Terenzo; sie wurden vom MC La Spezia (MC La Spezia, 13. Januar 2007, Nr. 1, bestätigt durch MCA Rom, 7. Mai 2008, Nr. 25) und vom MC Rom (MC Rom, 26. Juni 2009, Nr. 25, bestätigt durch MCA Rom, 20. April 2011, Nr. 37) jeweils zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.

  50. 50.

    Zu dieser Bestimmung siehe Rivello 2021, S. 80.

  51. 51.

    Eine erneuerte Fassung des Kodex von 1872 wurde durch das Gesetz Nr. 181 vom 16. Oktober 1940 erlassen; De Paolis 2012, S. 134.

  52. 52.

    Battini 2003, S. 45.

  53. 53.

    De Paolis 2012, S. 128.

  54. 54.

    Militärtribunal La Spezia, 22. Januar 2005, Nr. 45; bestätigt durch Militärappellationsgericht Rom, 21. November 2006, Nr. 65 und durch Kassationsgericht (Kass.), 6.–8. November 2007, Nr. 1362. Siehe De Paolis & Pezzino 2016b; über den Massaker, Jennings 2021. Ein spontanes Beispiel für Versöhnung im Zusammenhang mit diesem Massaker findet sich in Kirby 2015.

  55. 55.

    Zu diesem Thema: Speranzoni 2012; Ders. 2016. Zur Rolle der parti civili und der Zeugen im Prozess um das Massaker von Monte Sole/Marzabotto siehe den Dokumentarfilm Lo stato di eccezione von Germano Maccioni, Italien 2009. Die nationalsozialistischen Verbrechen nahmen die Form einer „absoluten Auslöschung des Lebens der Polis an […] Was aus der italienischen justiziellen Erfahrung hervorging, stellte die nationale Gemeinschaft daher vor eine Aufforderung zum Zuhören […] eine Art ‚poetisch-narrative Vergeltung‘“ (Speranzoni, 2015, S. 340 und 344).

  56. 56.

    De Paolis 2012, S. 123.

  57. 57.

    Zu diesem Thema, Pezzino 2012.

  58. 58.

    De Paolis 2012, 130. Der Ausdruck „Krieg gegen Zivilisten“ stammt von Pezzino & Battini 1997.

  59. 59.

    Dieser Ausdruck bezieht sich auf den Verdacht der Doppelmoral, die in der (wenn auch möglicherweise unterbewussten, impliziten und nur auf Prioritätensetzung bezogenen) kollektiven Vorstellung von Holocaust – oder Völkermord im Allgemeinen – einerseits und Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit andererseits wurzelt. Das Klischee des Völkermordes als schwerstes und einzigartiges Delikt könnte sich implizit durch die lange gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Holocaust noch verstärkt haben. Andererseits sind nach diesem Klischee Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menshclichkeit zwar Tragödien, aber „Unfälle“, die zwangsläufug in jeder kriegerischen Auseinandersetzung passieren. Zurück zu Italien: im Jahr 2021 wurde Marco De Paolis vom Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, und zwar gerade wegen seiner Arbeit in diesen verspäteten Prozessen, Mattioli 2021. Interessanterweise – wenn auch wahrscheinlich zufällig – kam diese offizielle Auszeichnung nur wenige Monate nach DePaolis’ Ankündigung des Todes aller verurteilten deutschen Täter.

  60. 60.

    Kass., 21. Oktober 2008, Nr. 1072. Dieser Grundsatz wurde bereits von den Vereinigten Zivilsenaten in einem Fall von Zwangsarbeit eines italienischen Staatsbürgers in Deutschland bestätigt (Kass., Vereinte Sektionen für Zivilsachen, 11. März 2004, Nr. 5044, Ferrini); dort wurde festgestellt, dass die den Staaten durch das Völkerrecht zuerkannte Immunität nicht absolut ist, sondern eine Grenze findet, wenn das Verhalten und auch die Ausübung der staatlichen Souveränität Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. Siehe Gattini 2005

  61. 61.

    Der Bericht der Kommission und die dazugehörige Dokumentation sind hier verfügbar: https://italien.diplo.de (zuletzt abgerufen am 30.03.2023).

  62. 62.

    Dies führte zur Ausarbeitung des Atlas der nationalsozialistischen und faschistischen Massaker, der aus einer Datenbank und entsprechenden Materialien besteht: https://www.straginazifasciste.it/ (zuletzt abgerufen am 30.03.2023). Obwohl Deutschland sich bereit erklärte, solche Initiativen zu finanzieren, wurde dies offiziell nicht als Wiedergutmachung bezeichnet.

  63. 63.

    Siehe Faedi Duramy 2013.

  64. 64.

    Die Literatur zu dieser historischen Entscheidung ist reichlich vorhanden. Für eine kollektive und transnationale Reflexion des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, sieben Jahre nach der Entscheidung, siehe Volpe, Peters & Battini 2021.

  65. 65.

    Siehe Berrino 2022. In Bezug auf die griechischen Opfer, die sich an italienische Gerichte gewandt hatten, indem sie die Entscheidung von 2014 als Mittel nutzten, das die universelle Zuständigkeit ermöglicht, siehe Boggero & Oellers-Frahm 2021, S. 292.

  66. 66.

    Zur Entwicklung im Jahr 2022 siehe Caroli 2023.

  67. 67.

    Imani u. a. 2021.

  68. 68.

    De Paolis 2016, S. 145.

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Caroli, P. (2023). Verspätete Gerechtigkeit ohne Strafe. In: Vormbaum, M. (eds) Spätverfolgung von NS-Unrecht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66478-0_5

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