Zusammenfassung
Durch die erweiterten Möglichkeiten des Social Web, sich an der Mediennutzung Anderer zu orientieren oder auch selbst Nutzungsinformationen zu hinterlassen, gewinnt ‚Social Navigation’ im Internet eine neue Bedeutung. Dieses Phänomen ist ein Paradebeispiel für die veränderte Rollenverteilung zwischen dem Journalismus und seinem Publikum, da die Platzierung und Verbreitung von Medieninhalten nicht nur durch Journalisten, sondern aufgrund neuer Angebotsfunktionen auch durch Nutzer beeinflusst wird. Durch diese Veränderungen werden beide Perspektiven, die Journalismus- sowie die Rezeptionsforschung, vor neue theoretische Herausforderungen gestellt. Auf Grundlage etablierter Ansätze der Kommunikationswissenschaft (wie etwa dem dynamisch-transaktionalen Ansatz, der Gatekeeping-Theorie oder der Diffusionsforschung) legt dieser Beitrag eine theoretische Modellierung des Kommunikationsprozesses via ‚Social Navigation’ auf Mikro-, Meso- und Makroebene vor, die als Basis für weitere Forschung dienen kann.
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Notes
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Dieser Beitrag basiert auf unserer Monographie zu Social Navigation (Hautzer et al. 2012). Deren Grundlage ist eine Pilotstudie aus dem Frühjahr 2011, die Social Navigation mit Hilfe eines Mehrmethodendesigns analysierte. Unser Dank gilt allen Mitgliedern der Forschungsgruppe Pfadfinder 2.0 im Studiengang Kommunikationswissenschaft der Universität Erfurt, denn die Realisierung des gesamten Projektes beruht auf der unermüdlichen Anstrengung von Leonie Crayen, Katharina Füser, Anke Grünhaupt, Theresa Hofmann, Anne Müller und Sebastian Zeitler. Für die finanzielle Unterstützung des Projekts danken wir der Thüringer Landesmedienanstalt.
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Die Darstellung profitiert erheblich von Experteninterviews mit Prof. Dr. Wolfgang Schweiger (TU Ilmenau), Dr. Jan-Hinrik Schmidt (Hans-Bredow-Institut Hamburg), Peer Schader (Medienjournalist und Blogger), Björn Sievers (FOCUS-Online), Albrecht Peltzer (Lokalredaktion Aachener Zeitung), Florian Leibert (Twitter-Software-Engineer) und Sven Markschläger (CMO studiVZ). Wir danken diesen Fachleuten, die uns ihre Zeit und fachliche Expertise zur Verfügung gestellt haben.
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In dem Sinne repräsentiert Social Navigation jedoch nicht zwingend den Überbegriff für ‚User-generated Content‘, denn die Generierung originärer Informationsinhalte ist hier nicht von primärem Interesse – vielmehr geht es um die Verknüpfung, Bewertung und Weitergabe von bereits bestehenden Informationen.
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Die nachfolgenden Überlegungen konzentrieren sich zunächst auf Social Navigation in Bezug auf Medieninhalte im Internet. Außerdem betrachten wir Social Navigation nur innerhalb eines nicht-institutionellen Umfelds und verzichten darauf, einzelne Social-Navigation-Angebote oder -Praktiken spezifischen Prozessen zuzuordnen. Ziel ist vielmehr, einen allgemeinen Interpretationsrahmen bereitzustellen, der für spezifische Forschungsfragen dann adaptiert und präzisiert werden muss.
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Analytisch lässt sich Social Navigation mit ihren Anwendungen anhand von sechs weiteren Dimensionen näher beschreiben, die Einfluss auf die Rezeption des Medieninhalts und die Ausübung von Social-Navigation-Aktionen nehmen (Hautzer et al. 2012): Direkt/Indirekt, Synchron/Asynchron, One-to-one/One-to-many/Many-to-one/Many-to-many, Anonymität/Pseudoanonymität/Keine Anonymität, Push/Pull, Transformiert/Nicht-Transformiert.
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Rössler, P., Hautzer, L., Lünich, M. (2014). Mediennutzung im Zeitalter von Social Navigation. In: Loosen, W., Dohle, M. (eds) Journalismus und (sein) Publikum. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19821-7_6
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