Zusammenfassung
Die Analyse fremdenfeindlicher Ausschreitungen hat sich weithin auf die Prüfung defizittheoretischer und reaktiver Erklärungsannahmen konzentriert. Proaktive Elemente in der Konstitution rechter und fremdenfeindlicher Gruppen standen eher am Rande der Forschung. Vor diesem Hintergrund versucht der folgende Beitrag auf die Elemente in der Theorie sozialer Bewegungen zurückzugreifen, die in der interaktionistischen Tradition über Defizitannahmen hinausgehen und eine spezifische proaktive Dynamik des Geschehens thematisieren. Er versucht ferner, die differentia specifica fremdenfeindlicher Bewegung mit Hilfe der Moraltheorie der rational-choice-Tradition (Baurmann 1998) zu erarbeiten, die die unterschiedliche soziale Reichweite in der Geltung von Moral über die Taxonomie von Partikularismus und Universalismus in der Tradition Parsons’ beschreibt. Aus beiden Erweiterungen ergeben sich dann Folgerungen für die pädagogische und politische Praxis: Kollektive Identität ist ein zentraler und sinnstiftender Teil von jugendlicher, ja letztlich von menschlicher Existenz. Es kommt also darauf an, sie so erfahrbar und lebbar zu machen, dass sie mit universalistischen Orientierungen verklammert wird und nicht in die Überhöhung exklusiver Zugehörigkeiten und partikularistischer Freund-Feind-Beziehungen mündet.
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Eckert, R. (2005). Die Generalisierung partikularistischer Orientierung Proaktive Prozesse in der Bildung kollektiver Identität. In: Heitmeyer, W., Imbusch, P. (eds) Integrationspotenziale einer modernen Gesellschaft. Analysen zu gesellschaftlicher Integration und Desintegration. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80502-7_9
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