Elektrofahrzeuge werden immer leistungsfähiger. Das hat auch Auswirkungen auf die Messtechnik. CSM und Vector zeigen, wie mit einer flexiblen und skalierbaren Toolkette die Instrumentierung von Prüfständen und Testfahrzeugen vereinfacht werden kann. Das wird besonders deutlich bei der Analyse der elektrischen Leistung von performanten Antriebssträngen.

Performante Antriebsstränge arbeiten mit mehreren Elektromotoren. Die Leistungs- und Performancetests auf Prüfständen sind deshalb besonders herausfordernd. Schon in der frühen Entwicklungsphase werden die Einzelkomponenten und deren Zusammenspiel mit Echtzeitsimulationen realer Fahrmanöver auf Prüfständen getestet und die Performanceparameter geprüft. Dazu werden die Leistungen zwischen den Komponenten in Echtzeit analysiert und die Rohdaten aufgezeichnet, Bild 1.

Bild 1
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Leistungsanalyse mit dem Vector-CSM-E-Mobility-Messsystem an einem elektrischen Antriebsstrang mit zwei Achsmotoren und gleichzeitiger Erfassung der Steuergerätedaten. Das Messsystem ist per PTP synchronisiert (© CSM)

Prüfstandtests

Mit unterschiedlichen Einzeltests werden auf dem Prüfstand alle relevanten Kennwerte der Komponenten des Antriebsstrangs durch Messungen nachgewiesen. Deshalb steht gleich am Anfang eine Feinabstimmung von Leistungselektronik und E-Motoren mit Leistungsanalysen. Besondere Tests prüfen das Management der Motorsteuereinheit bei schnellen Wechseln von Beschleunigung, Bremsen, Rekuperation und Reaktionen bei Lastsprüngen oder Volllastkurven. Mit der Aufnahme der Wirkungsgradkennfelder der einzelnen Komponenten und des gesamten Antriebsstrangs werden die Entwicklungs- und Reichweitenziele überprüft.

Mit verschiedenen Fahrzyklen werden die Performancedaten und die Integration des Antriebsstrangs im Gesamtfahrzeug auf dynamischen Fahrzeug- und Rollenprüfständen verifiziert. Die Leistungsmesstechnik (Messmodule) muss dabei im Fahrzeug eingebaut sein. Das Messsystem soll sowohl unabhängig im Loggerbetrieb arbeiten, als auch in die Automatisierung von Prüfständen integrierbar sein.

Herausforderung

Ziel der Messinstrumentierung von Prüfständen ist die Messung aller physikalischen Parameter mit einem einheitlichen System bei gleichzeitiger Erfassung der Steuergerätedaten. Das Messsystem muss daher eine vielkanalige, synchrone, elektrische und mechanische Leistungsanalyse sowie gleichzeitig die hochvoltsichere Temperaturmessung beinhalten. Die Messergebnisse sollten in Echtzeit erfasst werden, damit online direkt Fehlerreaktionen auf der Leitwarte oder im Fahrzeug vom Versuchsingenieur beobachtet werden können.

Außerdem müssen die gemessenen Rohdaten aufgezeichnet werden, um später genauere Untersuchungen bei transienten Vorgängen, Fehlern und Auffälligkeiten vornehmen zu können. Dann können Probleme genau analysiert und Ursachen identifiziert werden.

An die Leistungsanalyse werden besondere Anforderungen gestellt. Insbesondere an den AC-Leitungen zu den Elektromotoren muss die effektive Leistung der einzelnen Motorwicklungen ermittelt werden, um die radindividuelle Steuerung der Inverter zu validieren. Klassische Messmethoden mit Sternpunktadaptern oder Aronschaltungen sind deshalb nicht einsetzbar.

Die Messdaten sind zeitsynchron zu erfassen, damit Zusammenhänge von Ereignissen interpretierbar sind. Insbesondere müssen die Strom- und Spannungsmessung phasensynchron erfolgen, um elektrische Leistungen in Echtzeit genau zu berechnen. Phasenversätze zwischen Strom und Spannung müssten sonst umständlich für eine Leistungsberechnung korrigiert werden.

E-Mobility-Messsystem

Zur Leistungsanalyse und Wirkungsgradmessung werden Hochvolt-Breakout-Module (HV BM) direkt in die HV-Leitungen eingesetzt, Bild 1. Zwei HV BM 3.3 messen die AC-Leistung zwischen den E-Motoren und der Leistungselektronik. Ein HV BM 1.2 misst die DC-Eingangsleistung des Antriebsstrangs und ist über Ethercat mit einem HV BM 3.3 vernetzt sowie zeitlich besser als 1 μs synchronisiert. Die Module erfassen Ströme und Spannungen bis ±2000 V/±2000 A/±1400 A.

Mit einem Zählermodul CNT4 evo werden Drehzahlen und Drehmomente an den Motorwellen für die mechanische Achsleistungsanalyse erfasst. Die HV-sichere Temperaturmessung erfolgt mit HV-TH-Minimodulen (HV THMM), die über CAN in die Messkette eingebunden und ebenfalls mit einem HV BM 3.3 vernetzt sind. Dieses arbeitet als Gateway für alle angeschlossenen Ethercat- und CAN-Messmodule. Beide HV BM 3.3 senden die Messdaten direkt über XCP-on-Ethernet an den Messrechner oder den Vector Smart Logger.

Auf dem Vector Smart Logger VP6400 oder VP7400 werden die Daten in Echtzeit erfasst und aufgezeichnet. Die Software Canape Log oder vMeasure log enthält die Funktionsbibliothek E-Mobility Analyzer, die alle Leistungsberechnungen parallel mit der Erfassung ausführt.

Die Daten der Steuereinheiten für Leistungselektronik und E-Motoren werden über eine skalierbare Mess- und Kalibrierhardware VX1000 von Vector aufgenommen. Vector Smart Logger verfügen über einen PTP-Grandmaster-Clock (Precision Time Protocol PTP nach Standard IEEE1588). Die Messdaten von VX1000 und den beiden HV BM 3.3 sind mit dem Vector Smart Logger über PTP besser als 1 μs synchronisiert.

Leistungsmessung am Antriebsstrang

In den HV-Breakout-Modulen 3.3 ist die Leistungsmessschaltung schon angelegt. Die Phasenströme (I1, I2, I3) und dazu phasensynchron die Spannungen zwischen den Phasen (U12, U23, U31) werden direkt gemessen. Die Abtastung erfolgt jeweils mit 2 MS/s. Der E-Mobility Analyzer berechnet daraus in Echtzeit alle E-Motor-Leistungswerte wie Wirk-, Schein-, und Blindleistung, den Leistungsfaktor oder die Effektivleistungen der Wicklungen.

Das E-Mobility-Messsystem kann Leistungsanalysen gleichzeitig durchführen, wodurch sich mehrere Motoren parallel untersuchen lassen. Die Versuchsingenieure haben so die Möglichkeit, die Abstimmung der Traktionssteuerung genau zu untersuchen. Zusätzlich werden die DC-Leistungen über HV BM 1.2 an den Inverter-Eingängen erfasst. Das Messsystem ermittelt damit zeitgleich Wirkungsgrade. Somit kann das Lastkollektiv von Inverter und E-Motor genau untersucht werden, beispielsweise der Wirkungsgrad in den verschiedenen Fahrsituationen im Übergang zwischen Beschleunigen, Bremsen und Rekuperieren, wenn bei kleinen Strömen der Wirkungsgrad einbricht.

Zusätzlich lassen sich auch die Energieflüsse bei Fahrzyklen untersuchen, beispielsweise die von den Motoren verbrauchte Energie. Geprüft wird, ob die Energieflüsse gleichmäßig auf beide Motoren verteilt waren und ob noch Abstimmungen in der Motorsteuerung durchgeführt werden müssen.

E-Mobility-Analyzer

Der E-Mobility Analyzer ist eine Standard-Funktionsbibliothek der Vector-Informatik-Softwarepakete Canape und vMeasure Exp. Er berechnet aus Rohsignalen wie Strom und Spannung, resultierende aussagekräftige Kenngrößen wie Leistung, unter Verwendung komplexer mathematischer Algorithmen.

Die Messkonfiguration ist durch die Auswahl der Funktion einfach gelöst. Es müssen nur noch die zu berechnenden Leistungsparameter sowie die Signale der Messmodule ausgewählt werden. Bild 2 zeigt die Funktion E-Motor-Leistungsanalyse mit der Konfiguration, Parametrierung und Ausgabe der Leistungswerte für einen Motor. In Bild 3 ist dies für die Berechnung der Achsenleistung dargestellt. Bild 4 zeigt die Leistungsanalyse während eines zehnminütigen Testlaufs am Prüfstand mit Vector Canape. Die Rohwerte der Außenleiterspannungen und Strangströme sind im oberen Bereich dargestellt. Die dabei berechneten elektrischen Größen wie Wirk-, Blind- und Scheinleistung und die berechnete mechanische Leistung sind unten links numerisch aufgeführt. Die drei gemessenen Effektivwerte der Motorströme (unten rechts) sind aufgrund des symmetrischen Aufbaus der E-Maschine und der Ansteuerung aus der Leistungselektronik in der Regel gleich groß. Lediglich bei unsymmetrischen Lastsituationen, wie am Anfang des Testlaufs (Hochfahren auf einen Bordstein), werden die Ströme unsymmetrisch.

Bild 2
figure 2

Online- Berechnungsfunktion E-Motor-Leistungsanalyse des Vector-E-Mobility Analyzers (© CSM)

Bild 3
figure 3

Online-Berechnungsfunktion Achsenleistung des Vector-E-Mobility Analyzers (© CSM)

Bild 4
figure 4

Leistungsanalyse während eines zehnminütigen Testlaufs am Prüfstand mit Vector Canape (© CSM)

E-Motor-Leistungsanalyse

Die dreiphasige Leistungsmessung wird mit der Messschaltung im HV BM 3.3 zeitsynchron ausgeführt. Dabei berechnet der E-Mobility Analyzer die Leistungen über die Stern-Dreieck-Transformation. Die Augenblickswerte (Abtastwerte) der Leiterströme (I1, I2, I3) und Leiter-zu-Leiter-Spannungen (U12, U23, U31) werden zu den Dreiecks-Strömen (I12, I23, I31) und Sternspannungen (U1, U2, U3) umgerechnet. Bild 5 veranschaulicht die Ströme und Spannungen der Messschaltung und der Motortypen. Daraus werden die Effektivleistungen der drei Motorwicklungen sowie die gesamte Wirkleistung des Elektromotors ermittelt. Für die Berechnung von Intervall-bezogenen Größen arbeitet im E-Mobility Analyzer ein ausgeklügelter Algorithmus, der alle Leistungsparameter berechnet.

Bild 5
figure 5

Messschaltung im HV BM 3.3 zur Echtzeitleistungsanalyse mit dem Vector-E-Mobility Analyzer. Mit der Stern-Dreiecks-Transformation werden die nicht direkt messbaren Leiter-zu-Leiter-Stromstärken I12, I23, I31 und Sternspannungen U1, U2 und U3 berechnet (© CSM)

Diese Methode der Leistungsberechnung bietet mehrere Vorteile:

  • Die Verhältnisse im Motor und alle Asymmetrien sind auf einen Blick erkennbar.

  • Ein künstlicher Sternpunkt, der mit der Motorkonstruktion nichts zu tun hat, wird nicht benötigt.

  • Der Prüfling wird nicht durch einen künstlichen Sternpunkt belastet.

  • Es entstehen keine Fehlerquellen wie bei sonst üblichen Messschaltungen, beispielsweise bei der Aronschaltung durch Ableitströme.

  • Verdrahtungsfehler, wie sie gewöhnlich bei den komplizierten Leistungs-Messschaltungen zu einem Messrack häufig vorkommen, sind ausgeschlossen.

HV-Breakout-Module

Für Flexibilität im Prüfstand und einfaches Adaptieren von Prüfstandssystemen sind CSM-HV-Breakout-Module geeignet, denn sie beinhalten im HV-sicher gekapselten IP67-Gehäuse ein Schirmungskonzept. Einzelne Prüflinge können schnell und fehlerfrei auf dem Prüfstand angeschlossen werden. Auch komplette Antriebsstrangkomponenten lassen sich so verbinden. Soll in den Antriebsstrang eine weitere komplexe Komponente, wie ein Brennstoffzellenantrieb, eingebunden werden, können so weitere Module in die Messkette eingefügt werden, Bild 6.

Bild 6
figure 6

HV-Breakout-Modul 3.3.: Über Ethercat- und CAN-Schnittstellen kann das Messsystem mit weiteren Messmodulen erweitert werden. Über eine Gbit-Ethernet-Schnittstelle werden die Daten an den Messrechner gesendet. Über die PG-Verschraubungen werden HV-Leitungen bis 95 mm2 innerhalb des Gehäuses angeschlossen (© CSM)

Vorteile

Mit dem dezentralen Aufbau der Messmodule lässt sich jeder Prüfstand einfach mit Messtechnik instrumentieren. Durch die direkte Messung in den HV-Leitungen ist eine störungsfreie Erfassung der Messdaten gewährleistet. Die Messkette ist an allen Messstellen kurz ausgeführt und die A/D-Wandlung erfolgt im störsicher gekapselten Modulgehäuse an der Messstelle.

Durch die Leistungsmessung direkt in den HV-DC- und AC-Leitungen kann der Messaufbau in gleicher Weise in Prüfständen und Versuchsfahrzeugen instrumentiert werden. Messungen in Komponenten- und Antriebsstrangprüfständen sind mit denen in Versuchsfahrzeugen auf Fahrzeug- und Rollenprüfständen identisch.

Die Integration des E-Mobility-Messsystems von Vector und CSM in die Prüfstandsautomatisierung ist durch Standard-Bussysteme und Protokolle (CAN, Ethercat, XCP) möglich.

Elektrische Leistungsmessung, mechanische Leistungsmessung, Wirkungsgradmessung und Temperaturmessung werden mit dem gleichen Messsystem durchgeführt. Mit ihnen können temperaturgenaue Leistungs- und Wirkungsgradanalysen an Fahrzyklen online durchgeführt werden. Beispiele sind die Wirkung des Kühlmantels der Elektromotoren, die Wärmeabfuhr der Leistungselektronik oder die Temperaturabhängigkeit von Magnetfluss und Drehmomentgenauigkeit der Motoren.

Ausblick

In den kommenden Jahren werden immer leistungsfähigere Elektrofahrzeuge entwickelt. Software und hoch entwickelte Hardware nehmen dabei eine immer zentralere Rolle ein. Dies spiegelt sich in gleicher Weise bei der Messtechnik. Das E-Mobility-Messsystem von Vector und CSM zeigt, wie mit einer flexiblen und skalierbaren Toolkette die Instrumentierung von Prüfständen und Testfahrzeugen vereinfacht wird. Es wird besonders deutlich bei einer der Kernaufgaben in der Elektromobilität, der Analyse der elektrischen Leistung bei performanten Antriebssträngen.